Protocol of the Session on August 28, 2002

(Zurufe von der SPD: Hört, hört!)

Ich würde mal im Zusammenhang mit der Kandidatenliste zum 2. Februar 2003 nachfragen, ob das besonders klug gewesen ist.

Meine Damen und Herren, wir sollten uns und den Menschen an der Elbe die Diskussion um die Frage

zu solchen Punkten nach meinem Eindruck wirklich ersparen. Die CDU-Fraktion hatte allerdings in der Tat - auch das gehört zur Redlichkeit - darüber hinaus beantragt, die Mittel für Küstenschutz und Agrarstruktur um insgesamt 41,5 Millionen Euro im letzten Haushaltsjahr zu erhöhen, davon 16 Millionen Euro Landesmittel und 25,5 Millionen Euro Bundesmittel. Abgesehen davon, meine Damen und Herren, dass wir uns vermutlich - wie immer darüber streiten würden, ob diese Mehrausgaben mit Deckungsvorschlägen belegt worden sind, gehört es auch zur vollständigen Wahrheit, dass von diesem CDU-Antrag insgesamt 7 Millionen Euro auf den Hochwasserschutz im Binnenland entfallen sollten. Meine Damen und Herren, auch diese 7 Millionen Euro des Jahres 2002 hätten die Deiche bei diesem Sommerhochwasser sicherer gemacht. Wir hätten keinen Sandsack und keinen Helfer weniger gebraucht.

Aber ich sage hier offen: Wir müssen an dieser Stelle zugeben, dass es richtiger gewesen wäre, diesem Antrag, was die 7 Millionen Euro für dieses Haushaltsjahr angeht, zuzustimmen. Das ist eine Fehlentscheidung gewesen. Ich glaube, es gehört auch zur Redlichkeit in der Debatte, dass wir das anders hätten regeln und dem Antrag - zwar nicht für die 41,5 Millionen Euro, aber für die 7 Millionen Euro - im letzten Jahr hätten zustimmen müssen. Am Deichbau - das lernen wir jetzt - darf nicht gespart werden. Deshalb durften wir auch nicht auf die 7 Millionen Euro verzichten.

(Zuruf)

- Ich habe wirklich die Souveränität, dann, wenn man feststellt, dass man an einer Stelle, und zwar in diesem Jahr und nicht sonst, zu wenig Geld eingesetzt hat, zu sagen: Das war nach diesem Sommerhochwasser falsch. Deshalb hätten wir nicht auf die 7 Millionen Euro verzichten dürfen, auch wenn sie in diesem Jahr nicht geholfen hätten. Über einen längeren Zeitraum hinweg würden unsere Deiche dadurch sicherer werden.

Machen wir aber den Menschen an der Elbe und anderswo nichts vor, meine Damen und Herren: Deichbau ist eine lebenslange Aufgabe. Alle Kenner wissen das. Seit mehr als 35 Jahren bauen wir am linken Elbufer Deiche aus, und noch längst sind wir nicht überall fertig. Wir müssen uns nach den Vorschlägen der Wasserbauexperten richten und dort bauen, wo die größten Gefahrenquellen sind. Nach jedem Hochwasser müssen diese Ge

fahren neu eingeschätzt werden. Genau das tun wir jetzt, meine Damen und Herren.

Das Kabinett hat gestern beschlossen, die vorhandenen mehr als 12 Millionen Euro für den Hochwasserschutz im Binnenland mit insgesamt 32 Millionen Euro für den Zeitraum 2003 bis 2006 zu erhöhen. Das sind 8 Millionen Euro pro Jahr. Wir wollten damit nicht etwa die CDU um 1 Million Euro übertreffen, sondern das ist in etwa die Summe, die vor Ort an der Elbe auch tatsächlich pro Jahr verbaut werden kann. Dorthin werden die Mittel fließen, insbesondere in die Deichbereiche im Amt Neuhaus und in den Landkreisen Lüneburg und Lüchow-Dannenberg, die jetzt besonders gefährdet waren. Die Mittel werden im Haushalt des Umweltministers bereitgestellt.

Meine Damen und Herren, Hochwasserschutz heißt aber nicht nur mehr Deichbau. Höhere Sicherheit für die Menschen bekommen wir nur, wenn wir den Flüssen wieder mehr Raum geben. Wir brauchen natürliche Wasserrückhaltung in den Flusseinzugsgebieten. Besserer Hochwasserschutz bedeutet eben auch, dass Grünland an Bächen Grünland bleibt. Intakte Wälder müssen intakte Wälder bleiben. Möglicherweise haben wir auch da in der Vergangenheit Fehler gemacht

(Beifall bei den GRÜNEN)

- keine Frage! -, und zwar insbesondere bei der Debatte über eine vernünftige Raumnutzung. Wir waren dabei nicht mit der gebotenen Weitsichtigkeit in allen Bereichen unseres Landes zu Werke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch da, Frau Harms, kann man wohl über Ihre Fraktion hinaus Beifall klatschen.

(Frau Harms [GRÜNE]: Da sind wir uns einig!)

- Souveränität hilft, die Zukunft besser zu meistern, meine Damen und Herren.

Meine Damen und Herren, wir müssen über die bestehenden Nutzungsbeschränkungen hinaus die Bereiche der Überschwemmungsgebiete ernster nehmen. Als eine Maßnahme wird die Bezirksregierung in Lüneburg - aber auch andere Bezirksregierungen werden das tun - ihre Rechts- und Fachaufsicht zur Durchsetzung des entsprechenden Hochwasserschutzes konsequenter ausüben.

(Zustimmung von Mühe [SPD])

Die Landesregierung wird die kommunalen Spitzenverbände zu verbindlichen Verabredungen einladen.

Meine Damen und Herren, das Hochwasser hält sich aber nicht an Landesgrenzen, es interessiert sich nicht für Zuständigkeiten. Ich plädiere deshalb ausdrücklich für eine flussbezogenere Sichtweise. Niedersachsen ist Unterlieger an der Elbe und muss mit dem Hochwasser fertig werden, das von den Oberliegern „geliefert" wird. Die Abflüsse im eigenen Land beeinflussen die Hochwasserwelle so gut wie gar nicht. Deichbau, Überschwemmungsgebiete und andere Hochwasserschutzmaßnahmen müssen daher an der Elbe und Ems international, an der Weser länderübergreifend abgestimmt und angegangen werden. Wir brauchen einen gemeinsamen Aktionsplan, wie es ihn für den Rhein und die Weser bereits gibt und wie er für die Elbe in Vorbereitung ist.

Meine Damen und Herren, nach meiner Überzeugung müssen die Pläne zum Ausbau der Mittelelbe zwischen Dömitz und Hitzacker wie elbauf endgültig gestoppt werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es gab dazu - übrigens bereits 1996 - eine Vereinbarung zwischen dem Bundesverkehrsminister und den Naturschutzverbänden. Dieser Landtag hat Ende der 90er-Jahre kritisiert, dass diese Vereinbarung nicht eingehalten werden muss. Aber dazu gehört auch, dass der jetzige Bundesverkehrsminister erst nach dieser Hochwasserkatastrophe bereit ist, die Fortsetzung dieser Politik des Elbausbaus zu überdenken. - Ich meine, wir brauchen sie nicht zu überdenken, wir müssen sie stoppen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich sage hier deutlich: Es bleibt bei der Position der Landesregierung, dass wir im Unterlauf der Elbe die ökonomischen Interessen auch der Freien und Hansestadt Hamburg nicht gegen die Deichsicherheit ausspielen werden. Deichsicherheit hat auch in diesem Bereich Vorrang.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der Klimawandel ist da, und er beschleunigt sich zusehends. Wir haben es

mit schleichenden Veränderungen von Klimazonen und mit der Zunahme von Wetterextremen zu tun: Nur 1 °C höhere Durchschnittstemperaturen ergeben 6 % mehr Feuchtigkeit in der Atmosphäre und damit stärkeren und ausgiebigeren Regen. In Nordund Westeuropa mehren sich Flutkatastrophen, in Südeuropa fällt weniger Regen, die Dürren nehmen zu. Die Klimaveränderungen sind von Menschen zumindest mitverursacht. Das ist die Basis, auf der wir verhandeln müssen.

Wir verbrauchen nicht nur zu viel Energie, wir verbrauchen vor allem die falsche Energie. Deshalb kann die Folgerung nur sein, die Nutzung aus den fossilen Energieträgern noch stärker zu reduzieren.

Meine Damen und Herren, Niedersachsen hat dabei eine ganz besondere Verantwortung. Als Sitzland eines der größten Automobilunternehmens der Welt und als Anteilseigner an diesem Unternehmen sind wir nicht nur froh und durchaus auch stolz darauf, dass Volkswagen in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen zur Reduktion des Kraftstoffverbrauchs geleistet hat, sondern wir werden und müssen mit dem Vorstand des Unternehmens auch darüber reden, wie wir gemeinsam noch mehr bei der Nutzung alternativer Antriebsenergien tun können. Unsere Universitäten sind dazu bereit und auch in der Lage; das Unternehmen Volkswagen mit Sicherheit auch.

Meine Damen und Herren, ausgeschlossen ist für mich allerdings, dass wir in Abkehr vom Atomkonsens den Wiedereinstieg in die Kernenergie suchen, weil dabei kein CO2 freigesetzt wird.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wer diese Politik betreibt - wie CDU und CSU es tun -, der will den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Da wird die Klimakatastrophe gegen ein jahrhundertelanges Strahlenrisiko eingetauscht, und Niedersachsen wird dabei zum zentralen Atomendlager der süddeutschen Länder. Dabei werden wir nicht mitmachen. Wir sind kein Übernahmekandidat für die Lega Süd, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Landesregierung hat dem Ausbau der erneuerbaren Energien schon immer einen besonders hohen Stellenwert eingeräumt. Das Ziel des Bundes

ist, ihren Anteil an der Stromerzeugung bis 2010 auf 12 % zu steigern. Niedersachsen will dieses Ziel überbieten und stellt dafür dieses Jahr 13,2 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist, wenn ich es richtig sehe, gegenüber dem Jahr 1998 fast eine Verdoppelung.

Niedersachsen ist das Windenergieland Nummer eins der Bundesrepublik. 14 000 Arbeitsplätze in diesem Bereich sind längst geschaffen worden. Wir wollen im Offshore-Bereich dieser Energieform weiteren Vorrang geben, ebenso wie der Solarenergie und der Bioenergie.

Meine Damen und Herren, seit dem Regierungswechsel 1998 hat der Bund tatkräftig mit ökologisch und ökonomisch sinnvollen Reformen begonnen. In die Erfolgsbilanz zum Klimaschutz gehören das Erneuerbare-Energien-Gesetz, dass 100 000-Dächer-Programm, das Kraft-WärmeKopplungsgesetz, die Energieeinsparverordnung, das CO2-Gebäude-Sanierungsprogramm und – das sage ich eindeutig - auch die Ökosteuer.

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich zu einem Reduktionsvolumen von 21 % der Emissionen aller sechs Treibhausgase bis 2010 verpflichtet. Das ist europaweit, meine Damen und Herren, das ehrgeizigste Reduktionsziel. Und wir haben in Deutschland davon bereits 19 % geschafft.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dazu haben die Industrie, die Verkehrswirtschaft und die Privathaushalte beigetragen, aber auch eine Politik, die dem Klimaschutz Vorrang eingeräumt hat. Diese Politik ist oft angefeindet worden. Heute zeigt sich, dass die Bundesregierung von SPD und Grünen den Mut hatte, rechtzeitig Weichen zu stellen und auch unbequemen Wahrheiten nicht aus dem Weg zu gehen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir dürfen angesichts unseres aktuellen Hochwassers aber auch nicht die Überflutungen in den anderen Teilen der Welt ignorieren. Erstmals erreichen uns stärkere Ausmaße solcher Klimaveränderungen selbst, die reichen Länder des Nordens. Früher sind es ausschließlich die armen und ärmsten Länder dieser Welt gewesen.

Hochwasserkatastrophen sind längst zu einem globalen Problem geworden. Sie gehen einher mit Dürrekatastrophen und mit verheerenden Stürmen. Mittelamerika sowie Mittel- und Südmexiko werden erneut von tropischen Unwettern heimgesucht. Es gibt bisher 300 Todesopfer und 300 000 Obdachlose. In Asien sind mehrere Millionen Menschen von über die Ufer tretenden Flüssen und Seen bedroht. In Vietnam wurden Teile von Hanoi überflutet. Bis zu 50 000 Menschen sind auf der Flucht. Verheerende Überschwemmungen gibt es in Kambodscha und in Nepal. Im Nordosten Indiens sind mehrere hundert Dörfer überschwemmt.

Meine Damen und Herren, nicht nur in Deutschland zeigt die Natur uns Grenzen auf. Noch entscheidender ist deshalb, dass wir alle, national und international, die Ursachen dieser Naturkatastrophen bekämpfen. Denn nach allem, was wir wissen, sind es eigentlich keine Naturkatastrophen, sondern es handelt sich um menschliches Versagen.

Wir haben versagt, weil wir Wälder, die Speicher für Kohlendioxid und Wasser, rücksichtslos vernichtet haben. Wir haben versagt, weil wir durch unvernünftigen Verbrauch fossiler Energien zur globalen Erwärmung beigetragen haben. Und wir haben versagt, weil wir Landschaften versiegelt und für den Regen undurchlässig gemacht haben.

Meine Damen und Herren, wir können die sintflutartigen Regenfälle, die in Bayern, in Tschechien und in den ostdeutschen Bundesländern eine breite Spur der Verwüstung hinterließen, nicht als singuläres, als einmaliges Ereignis abtun. Wir haben nicht die Zeit, jahrhundertelange oder jahrzehntelange Debatten - je nachdem, wen man einsetzt der Wissenschaft abzuwarten, denn die Änderungen unseres menschlichen Verhaltens jetzt wirken sich erst in 20, 25 oder 30 Jahren aus. Die Natur präsentiert uns heute die Rechnung für die menschlichen Eingriffe der 70er-Jahre, meine Damen und Herren.

Deshalb ist es so wichtig, dass in Johannesburg eine Wende mindestens eingeleitet wird. Der Gipfel wird sich schwerpunktmäßig mit Armutsbekämpfung beschäftigen. Ich denke, Johannesburg muss sich aber auch mit dem Klimawandel und einer globalen Strategie dagegen befassen. Auch wenn die Beschlüsse vielen Kritikern nicht weit genug gehen: Wenn alle Länder die Ergebnisse umsetzen würden, käme ein Signal in die Welt, dass alle Nationen bereit sind, sich der Verant

wortung für unseren Planeten zu stellen. Und wir, meine Damen und Herren, in den reichen Ländern des Nordens sind dazu allemal zuerst aufgefordert. - Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)