Protocol of the Session on August 28, 2002

sachsen überhaupt noch eine Chance hat, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch und große Unruhe bei der CDU - Glo- cke der Präsidentin)

Seit Jahren haben wir über dieses Problem geredet. Seit Jahren haben wir Sie darauf aufmerksam gemacht. Die Bauunternehmen sind zu uns gekommen und haben gesagt: Wir brauchen endlich Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt. Das ist von Ihnen ausgesessen worden, und Sie haben sich geweigert, dies zu organisieren.

(Beifall bei der SPD)

Die neue Bundesregierung hat dieses Problem angepackt, und zwar mit einem Gesetz zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und Schwarzarbeit.

(Zurufe von der CDU)

Sie hat sichergestellt, dass die Unternehmen, die ihre Sozialversicherungsabgaben nicht bezahlen, für das Desaster verantwortlich gemacht werden, das sie anrichten. Sie haben das 16 Jahre lang nicht hinbekommen! Wir haben es in wenigen Jahren geschafft, dies zu organisieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Biallas [CDU]: Wer hat denn die größten Firmen- pleiten zu verantworten?)

- Herr Kollege, wenn Sie über Firmenpleiten reden, dann denken Sie einmal darüber nach, wie viele Bauunternehmen Pleite gegangen sind, die sich an Tarifverträge gehalten haben und die sich gegen Schmutzkonkurrenz nicht wehren konnten, weil Sie es verhindert haben. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Wir haben gemeinsam mit den Gewerkschaften, mit dem Baugewerbe und mit der Bauindustrie hier in Niedersachsen ein Vergabegesetz gefordert, in dem klargestellt wird, dass die Unternehmen klar und deutlich angeben müssen, dass sie sich an Tarifverträge binden. Wir wollen nicht, dass diejenigen, die sich an Verabredungen halten, Nachteile gegenüber denjenigen haben, für die Verabredungen kein Thema sind und die Wildwest-Methoden haben wollen. Das war unser Ziel. Dem haben Sie

sich von Anfang an in Niedersachsen und auch auf Bundesebene verweigert. Das ist ein sozial- und tarifpolitischer Skandal, den Sie zu verantworten haben!

(Beifall bei der SPD)

Nachdem Sie gemerkt haben, dass Sie damit nicht durchkommen, dass die Bauwirtschaft massiv gegen Sie vorgeht und geordnete Verhältnisse fordert, sind Sie eingeknickt. Anfangs hat der Kollege Wulff gesagt: Ja, Vergabegesetz schon, aber nur eines auf Bundesebene. Wir haben Ihnen da zugestimmt. Wir wollten ein Vergabegesetz auf Bundesebene. Als dieses Vergabegesetz vorgelegt worden ist, sind die CDU-geführten Länder eingeknickt und haben es im Bundesrat verhindert. Das ist die traurige Wahrheit, über die wir hier zu diskutieren haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Kommen Sie mir nicht mit dem Argument, es ginge auch um den ÖPNV, und deshalb würden Sie nicht zustimmen.

(Zuruf von der CDU: So ist es aber!)

Die Zustände, die heute auf dem Baumarkt zu verzeichnen sind, zeichnen sich auch bereits auf dem ÖPNV-Sektor ab. Wenn Sie dies nicht von Anfang an bekämpfen wollen, dann sind Sie mitverantwortlich für das, was dort passiert, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Wir jedenfalls haben die Absicht, Wort zu halten. Wir halten das Wort gegenüber den Gewerkschaften und gegenüber den Unternehmensverbänden in Niedersachsen. Wir haben unser Landesvergabegesetz mit der Tariftreueerklärung im letzten Jahr in den Landtag eingebracht. Wir haben es in der Beratung zurückgestellt, weil wir gemeinsam ein bundesweites Gesetz wollten. Ich muss heute feststellen, dass Sie offensichtlich auf Zeit gespielt und geglaubt haben, wir würden einknicken. Wir knicken nicht ein, sondern wir verabschieden heute ein Vergabegesetz, das den Kriterien gerecht wird, die wir mit den Tarifvertragsparteien verabredet haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden diejenigen verpflichten, die Angebote abgeben, und wir werden diejenigen, die Aufträge

erteilen, die öffentliche Mittel verbauen, verpflichten, sich daran zu halten, von den Unternehmen eine Tariftreueerklärung zu bekommen, die Erklärung, dass sie sich an Tarifverträge halten.

(Möllring [CDU]: An welche denn?)

- Danke, Herr Kollege Möllring, für den Zwischenruf. Wir sind nicht der Meinung, dass Pseudotarifverträge richtige Tarifverträge sind. Tarifverträge sind für uns nur diejenigen Tarifverträge, die mit tariffähigen Gewerkschaften abgeschlossen werden. Das formulieren wir in das Gesetz hinein. Ich bin gespannt, wie Sie dazu stehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Dies ist kein unbestimmter Rechtsbegriff, sondern ganz klar. Wir wollen, dass die Leute, die darüber etwas zu sagen haben, weil sie etwas davon verstehen, die Landesregierung beraten, welche Tarifverträge unter diese Kautelen fallen. Die Rahmenbedingungen nenne ich hier ganz eindeutig und klar: Tariffähig ist für uns nur eine Gewerkschaft, die einen Tarifvertrag abgeschlossen hat, wenn sie ihre Aufgabe als Tarifvertragspartner sinnvoll erfüllen kann. Sie muss durchsetzungsfähig sein, sie muss streikfähig sein, sie muss einen zureichenden Organisationsgrad haben, und sie muss über eine ausreichende Leistungsfähigkeit ihrer Organisation verfügen. Meine Damen und Herren, das sind die Kriterien, die rechtlich bereits ausgeklagt sind. Damit sind Pseudogewerkschaften ausgeschlossen. Tarifdumping ist mit uns nicht zu machen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich wundere mich sehr, dass unsere intensiven Gespräche in den letzten eineinhalb Jahren mit denen, die im Bau beschäftigt sind und wissen, welche dramatischen Verhältnisse sich dort entwickelt haben, auf der rechten Seite dieses hohen Hauses offensichtlich nicht angekommen sind. Mich wundert sehr, Herr Kollege Wulff, dass Sie nicht erkennen - auch aus Ihrer Partei sind Betriebsräte in diesen Bereichen tätig, die den öffentlichen Personennahverkehr organisieren -, welche Entwicklung sich dort abspielt. Wenn der öffentliche Auftraggeber mit Steuergeldern Aufträge erteilt - sei es im Bereich des Baus oder des ÖPNV und zulässt, dass Unternehmen, die sich nicht an Tarifverträge halten, diese Aufträge bekommen, dann sind sie dafür verantwortlich, Herr Kollege Wulff, dass unsere niedersächsischen Arbeitneh

merinnen und Arbeitnehmer arbeitslos werden und den Kommunen in der Sozialhilfe zur Last fallen. Wir wollen das nicht. Deshalb wird dieses Gesetz heute von uns verabschiedet.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Kollege Dinkla.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Plaue, die meisten Baubetriebe in Niedersachsen sind während Ihrer Regierungszeit Pleite gegangen,

(Beifall bei der CDU)

weil Sie die Investitionen hier zurückgefahren haben. Das hat auch mit Rot-Grün zu tun. Aber dafür noch Helmut Kohl die Schuld zu geben, ist ein bisschen billig, Herr Kollege Plaue. Das ist Karo einfach, und auf Pepita kann man kein Schach spielen.

(Zustimmung bei der CDU)

Damit keine Zweifel aufkommen, meine Damen und Herren: Wir als CDU wollen Dumpinglöhne und unseriöse Praktiken am Bau zu Lasten unserer einheimischen Arbeitskräfte dauerhaft verhindern. Wir wollen aber eine rechtlich sichere Lösung und den einheimischen Arbeitskräften von tarifgebundenen Firmen den von den Tarifpartnern ausgehandelten sozial angemessenen Lohn sichern. Wir wollen keine illegale Beschäftigung und keinen ruinösen Preiswettbewerb, der auf dem massiven Einsatz von Niedriglohnkräften und auf Lohndrückerei beruht.

(Plaue [SPD]: Dann können Sie ja zu- stimmen!)

Aber wir wollen auch sicherstellen, Herr Kollege Plaue, dass es sich im Ergebnis um ein einfaches, mittelstandsfreundliches und leicht handhabbares Verfahren handelt, das gleichzeitig den hohen Anforderungen des Verfassungs- und Europarechtes entspricht.

Kennen Sie übrigens die trockene Anmerkung des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes in der Vorlage 21? - „Die mit dem Vollzug befassten Ministerien sind an einer Regelung interessiert, die möglichst einfach und ohne Hinzuziehung beson

deren juristischen Sachverstandes zu vollziehen ist...“ Das ist eigentlich die Herausforderung.

Ich sage Ihnen das in aller Klarheit zu Beginn, weil wir uns in der CDU nicht in die Ecke stellen lassen, als seien wir gegen Tariftreue und gegen die Interessen der Arbeitnehmer. Das machen Sie mit uns nicht.

(Beifall bei der CDU - Adam [SPD]: Dann stimmen Sie doch zu!)

Wir wollen aber eine rechtlich eindeutige und verfassungskonforme, aber auch praktikable und kontrollierbare Lösung. Auch das gehört dazu. Ich habe nach wie vor Zweifel, Herr Plaue, ob das, was uns jetzt vorliegt, diesem Anspruch genügen wird.

(Zustimmung bei der CDU)

Niemand kann erwarten, dass wir als CDU einer Lösung zustimmen, die nicht verfassungskonform ist.

Ich muss auch hier wieder darauf verweisen, dass sich die europäische Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe in einem gesetzlichen Novellierungsverfahren befindet, und muss mich schon etwas wundern, dass die rot-grünen Vertreter in Brüssel ein Ergebnis mit ausgehandelt und ihm zugestimmt haben, wonach die Beschränkung der Zulässigkeit von Ausschreibungen auf die Einhaltung örtlicher Tarifverträge als offensichtlicher Verstoß gegen europäisches Recht anzusehen wäre. Wenn ich richtig informiert bin, sind es rotgrüne Vertreter in der Kommission, die dort bislang am Tisch saßen und auch dies mit verhandelt haben. Ich kann nur hoffen, dass das auch bei unserem Landesvergabegesetz ausreichend rechtlich gewürdigt worden ist.

(Plaue [SPD]: Sie zitieren an den Fakten vorbei!)

Es gab ja mehrere Punkte, die bislang strittig waren und auch nach dem x-ten Änderungsantrag weiterhin unklar bleiben. Das macht sich insbesondere an der Auslegung des Begriffs „repräsentativer Tarifvertrag“ fest. Wie ist es zu dieser Situation gekommen? - Auf Bundesebene wurde ein Gesetzentwurf eingebracht, der selbst nach Auffassung der Niedersächsischen Staatskanzlei nicht verfassungskonform und damit auch nicht zustimmungsfähig war. Die Angriffe gegen die CDU sind insoweit überhaupt nicht nachzuvollziehen. Die Diskussionen im Bundestag und auf der Ebene des

Bundesrates waren in der Argumentation der SPD eindeutig. Herr Wiesehügel war ja hier in der Staatskanzlei Ihr Gesprächspartner. Sie haben sich ja mit ihm ablichten lassen. Er hat am 26. April 2002 im Bundestag gesagt:

„Wir haben auch festgelegt, dass es sich um einen repräsentativen Tarifvertrag handeln muss, der für die meisten Arbeitnehmer Anwendung findet.“