Protocol of the Session on June 14, 2002

Ich verstehe auch nicht, woher Sie das haben.

(Busemann [CDU]: Lesen Sie doch mal Ihren Parteitagsbeschluss!)

Ich verstehe das wirklich nicht. Wir sagen - das sollten Sie sich einmal ins Stammbuch schreiben -, dass wir den Elternwünschen Rechnung tragen wollen: Dort, wo Gesamtschulen gewollt werden, und zwar vom Schulträger und von den Eltern, sollen sie auch hin. Das ist exakt die Position der SPD, keine andere.

(Beifall bei der SPD - Oestmann [CDU]: Das ist nur die halbe Wahr- heit!)

Dabei verschweigen wir nicht, dass es bei der Gymnasialbeteiligung im Gesetz auch um Gesamtschulfragen geht. Es wird aber auch darum gehen, kleine Gymnasien einrichten zu können. Genau das haben wir im Schulgesetz ermöglicht: bis Klasse 10.

Ich will jetzt noch kurz auf die wichtigsten Auswirkungen des Gesetzes eingehen.

Die Sprachförderpflicht vor der Einschulung habe ich bereits genannt. Wir haben hier ein verzahntes Konzept - ich konnte es Ihnen gestern vorstellen -, zusammen mit dem Kindergartenbereich.

(Möllring [CDU]: Die ist doch ver- schoben auf 2005! Seien Sie doch wenigstens ehrlich!)

Die Kindergartenzeit ist die beste Zeit, in der Kinder Deutsch lernen sollen; das haben wir aus der PISA-Studie gelernt. Wir haben nicht gedacht, dass es an dieser Stelle solch ein erhebliches Problem gibt. Deshalb setzen wir dort kräftig Geld ein. Es ist schon genannt worden: Kita und Schule bekommen zusammen 22 Millionen Euro mehr. Wir werden das auch in der Schule mit Diagnostik fortsetzen.

Zweiter Punkt. Eine wichtige Veränderung ist die flexible Eingangsstufe in der Grundschule. Dadurch bekommen wir einen anderen Schulanfang. Wenn die Kinder schwächere Leistungen erbringen, unterfallen sie schon ein halbes Jahr früher der Deutschförderpflicht und können ein Jahr länger in der 1. und der 2. Klasse bleiben, wenn es nötig ist. Das heißt, die flexible Eingangsstufe bietet eineinhalb Jahre mehr Zeit für die Förderung von Kindern in der Grundschule. Wir ergänzen sozusagen die Schulkindergärten, die es nicht über

all gibt, und wir ersetzen das Vorklassensystem durch effektive Sprachförderung.

Ich will an dieser Stelle übrigens festhalten, dass Sie das alles ablehnen werden. Sie werden sich damit auseinander setzen müssen, dass Sie das alles ablehnen, obwohl das wichtige qualitative Weiterentwicklungen sind.

Der dritte Punkt ist die Einführung der Förderstufe. Auch hier wird vieles nicht richtig dargestellt. Im Mittelpunkt wird die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler stehen. Dafür brauchen wir allerdings gut fortgebildete Lehrer. Wir werden deshalb in unserem Finanzierungskonzept die Fortbildungsmittel verdoppeln. Wir werden auch die Förderstunden um 50 % erhöhen, sodass es ein anderes Förderkonzept in der 5. und 6. Klasse geben kann.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Sie soll Bindeglied zwischen der Grundschule und der weiterführenden Schule werden.

(Dr. Stratmann [CDU]: Ihre Zeit ist abgelaufen, Frau Ministerin!)

- Ihre Zeit ist abgelaufen, meine noch längst nicht.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Herr Präsident, sagen Sie etwas dazu!)

Frau Ministerin, niemandes Zeit ist abgelaufen. Ich möchte Sie darum bitten, dass wir uns doch so konzentriert an unsere Vereinbarungen halten, dass wir zwar großzügig miteinander sind, aber auch nicht sozusagen ausufern.

Ich werde die Mahnung annehmen.

Die Schulträger erhalten bei der Einrichtung der Förderstufe mehr Gestaltungsfreiheit; ich habe es erwähnt. Obligatorisch wird die Förderstufe an den kooperativen weiterführenden Schulen sein. Sie kann von den Schulträgern an der Haupt- und Realschule und am Gymnasium angebunden bzw. eingerichtet werden - wie wir es jetzt sagen müssen -, weil sie zur Schule gehört und damit auch schulbezogen ist.

Es wird einen Genehmigungsvorbehalt zugunsten der Schulbehörde geben. Wir haben eine reichlich bemessene Übergangsfrist gegeben, sodass die sinkenden Schülerzahlen mit einbezogen werden und wir wirklich die Personalkosten des Landes und auch die der Kommunen reduzieren und minimieren können.

(Zuruf von der CDU)

Das findet Zustimmung bei den Bündnispartnern. Allerdings werden Sie es vermutlich ablehnen, ohne Ihre konkreten Vorstellungen weiterzusagen.

(Zuruf von der CDU)

Wir werden durch mehr Kooperation im Schulgesetz ermöglichen, dass wir Förderverbünde einrichten.

Jetzt hören Sie sich an, was der Landeselternrat zu dieser Frage sagt: Mehr Kooperation zwischen selbständigen Schulen. Er hat uns geschrieben, und Sie haben eine Pressemitteilung lesen können. Er sagt darin:

„Dennoch kann die notwendige Ablösung der Orientierungsstufe durch eine Förderstufe für Eltern nur dann einen Fortschritt und eine Verbesserung darstellen, wenn alle Förderstufen eine pädagogische Einheit bilden,“

- sehr interessante Ausführung

„sie sich aber dennoch innerhalb ihrer Schulform inhaltlich weiterentwickeln können. Wir sind sicher, dass dies durch eine reformfreudige effektive Förderverbundkonferenz zu leisten ist.“

(Klare [CDU]: Ich finde das Wort „Förderverbundkonferenz“ ganz toll!)

So der Landeselternrat schriftlich, Herr Klare. Da können Sie noch so viel lachen. Das sollten Sie sich einmal vor Augen führen. Ihre Bündnispartner gehen gerade verloren; wir gewinnen sie. Und Sie werden heute dagegen stimmen!

Wir werden die Elternrechte stärken. Die Eltern entscheiden in Niedersachsen weiterhin über die Schullaufbahn ihres Kindes nach der Klasse 6. Es stimmt nicht, was vorhin dargestellt worden ist, dass wir früher selektieren. Sie entscheiden weiterhin nach Klasse 6. Wir bleiben dabei und halten

das für ein modernes Konzept, im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern. Die Eltern haben, austariert mit den Schulträgern, allerdings auch die Wahl nach Klasse 4. Dort wird sorgfältige Schulentwicklungsplanung und vor allem die Ermittlung des Elterninteresses notwendig sein; sonst werden Schulträger Fehlplanungen machen.

Meine Damen und Herren, wenn Sie das alles zusammennehmen - ich habe die wichtigsten Punkte genannt -, mit Zustimmung bei unseren wichtigen Partnern, mit mehr Mitverantwortung und Stärkung der Rechte, dann sollten Sie, Herr Wulff, daran denken: Es wird für Sie heute ein schwarzer Tag.

(Oestmann [CDU]: Sie sollten zum Schluss kommen!)

Wir sind vorhin an den Strafraum erinnert worden. Es ist ja Fußballzeit. Wir sind in Ihrem Strafraum und werden heute den Treffer landen! Das kann ich Ihnen sagen.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, damit hat die Landesregierung die Redezeit in der Summe um 35 Minuten überzogen.

(Zuruf von der SPD: Das war auch mehr als notwendig!)

Nach dem, was ich vorhin gesagt habe, bedeutet das die Möglichkeit der anteiligen Erweiterung der Redezeit für die Grünen, aber natürlich auch für alle anderen Fraktionen.

Frau Harms hat nun das Wort. Sie haben laut Uhr noch sechs Minuten und können natürlich die Hälfte von 17 Minuten dazunehmen.

(Zuruf von der CDU: Das ist eine Chance!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich befürchte, dass auch zusätzliche Minuten für die verschiedenen Fraktionen hier im Haus nicht unbedingt das Niveau der Debatte heben.

(Busemann [CDU]: Das wollten sie auch nicht!)

Ich komme zunächst einmal zu Herrn Wulff. Ich bin froh, dass ich in den letzten Monaten öfter in den Schulen in Niedersachsen Klinken geputzt habe. Das war für mich sehr nützlich. Ich hätte es begrüßt, Herr Wulff, wenn Sie z. B. dabei gewesen wären, als ich jüngst in der IGS Roderbruch gewesen bin. Herr Wulff, was Sie und Ihre CDU-Kollegen behaupten, nämlich dass die Gesamtschule eine Schulform sei, die die Eltern im Land in Angst und Schrecken versetzen würde, hat mit der Realität nichts zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die IGS Roderbruch kann sich vor Anmeldungen zum bevorstehenden neuen Schuljahr nicht retten.

(Möllring [CDU]: Weil alle vor der Förderstufe Angst haben! Das ist völ- lig klar!)

- Nein, weil Schüler, Lehrer und Eltern mit dieser Schule sehr gute Erfahrungen gemacht haben.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Weil es eine Ganztagsschule ist!)