Protocol of the Session on June 14, 2002

Es wird durchaus begrüßt, die Maut als Gebühr für alle Nutzer unter gleichen Voraussetzungen einzuführen. Das wissen alle in diesem Hause. Wir haben darüber diskutiert. Nur darf es keine Maut auf die bekanntlich wesentlich höheren deutschen Steuern geben, die die deutschen Fernfahrer ihre Arbeitsplätze kosten und weitere deutsche Unternehmen in den Ruin treiben kann. Es gibt in Niedersachsen 4 000 Güterkraftverkehrsunternehmen mit 40 000 Beschäftigten, davon 2 000 Auszubildende. Diese fühlen sich im Stich gelassen und sind enttäuscht, dass Sie, Frau Ministerin, nichts für das mittelständische Gewerbe tun.

Das deutsche Güterkraftverkehrsgewerbe wird ruiniert, weil die politisch Verantwortlichen nicht willens oder nicht in der Lage sind, faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Das Bundesamt für Güterverkehr hat in seinem letzten Marktbeobachtungsbericht festgestellt, dass der Marktanteil der deutschen Unternehmen am gesamten grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr nur noch rund 25 % beträgt - jedoch weiterhin mit abnehmender Tendenz. Gleichzeitig ist die Verkehrsleistung ausländischer Wettbewerber, die auf deutschen Straßen erbracht wird, auf fast ein Drittel gestiegen. Jeder, der bewusst über die Autobahnen fährt, kann sich davon anhand der Lkw-Kennzeichen ein eindrucksvolles Bild machen. Heute fahren bereits mehr als 130 000 gebietsfremde Lkw täglich in die Bundesrepublik. Sie durchqueren die Republik nicht nur im Transitverkehr, sondern drängen in großem Maße auf den nationalen Frachtmarkt und entziehen den deutschen Unternehmen enorme Transportmengen.

(Bontjer [SPD]: Das sind viele Lu- xemburger!)

Europäische Wettbewerber zahlen pro Lkw 8 000 Euro weniger an Steuern und Abgaben. Für einen deutschen Lkw sind bei einer Strecke von

135 000 km 23 549 Euro zu zahlen. Für einen belgischen werden im Vergleich dazu 15 760 Euro - einschließlich Mineralölsteuer und sonstiger Abgaben - gezahlt.

Kürzlich gab es einen weiteren Schlag gegen das deutsche mittelständische Verkehrsgewerbe. Frau Ministerin, hier hätte die Landesregierung ruhig eingreifen können: Um weitere Kohlesubventionen für unsere Konzerne zahlen zu dürfen, hat die Bundesregierung im EU-Ministerrat den seit zwei Jahren gezahlten Dieselsubventionen in Frankreich, Italien und den Niederlanden ausdrücklich zugestimmt und auf deren Rückzahlung verzichtet.

(Eppers [CDU]: Unerhört ist das!)

Dafür, dass die Bundesregierung diese Kohlesubventionen für Konzerne sichert, muss das mittelständische Gewerbe büßen. Keiner stört sich daran.

(Beifall bei der CDU)

Unser Gewerbe - das möchte ich an dieser Stelle deutlich sagen - ist von der Bundesregierung verraten und verkauft worden. Es ist wie bei der Steuerreform: Den Konzernen gibt man es, und dem Mittelstand nimmt man es. Wir wehren uns auch dagegen, die Maut dafür zu verwenden, eigene Haushaltslöcher zu stopfen. Sie, Frau Ministerin, machen sich in Anbetracht der großen Zahl der Insolvenzen in diesem Gewerbe anscheinend keine Sorgen. 34 % mehr Insolvenzen gegenüber dem Vorjahr sind ein trauriger Rekord.

(Beifall bei der CDU)

Viele haben ihr angesammeltes Vermögen aufgebraucht und gehen sang- und klanglos unter. 1977 lag die Eigenkapitalquote im Güterkraftverkehr noch bei 17 %, 2001 liegt sie nur noch bei 1 %. Bereits 56 % der Unternehmen verfügen nicht mehr über Eigenkapital. Frau Ministerin, Sie erklärten vor einigen Monaten im Landtag, dass es dem niedersächsischen Verkehrsgewerbe gut gehe, es sei innovativ und habe eigentlich keine Sorgen. Wie weit haben Sie sich schon von der Basis entfernt?

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Auch weiterhin werden viele Betriebe aufgeben müssen, denn diese zusätzlichen Mautgebühren werden nicht von der deutschen Industrie übernommen. Das hat sie bereits angekündigt. Die Conti in Hannover erwägt beispielsweise, bei einer

weiteren Belastung durch Frachtkosten verstärkt an Auslandsstandorten zu produzieren.

(Beifall bei der CDU)

Wir meinen, dass eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ein wesentlicher Bestandteil eines starken und dynamischen Wirtschaftsstandortes und Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung - die wir doch alle wollen - ist. Frau Ministerin, wenn Sie nicht wollen, dass das Verkehrsgewerbe von der Wirtschaftsentwicklung abgekoppelt wird und dass auf unseren Autobahnen nur ausländische bzw. vorwiegend osteuropäische Lkw fahren, dann handeln Sie! Fordern Sie die Bundesregierung auf, dieser Verordnung nicht zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU)

In diesem gestörten Markt mit einem ruinösen Wettbewerb soll dem Gewerbe im Jahre 2003 eine weitere Sondersteuer in Form der Lkw-Maut abverlangt werden. Es können Einnahmen in Höhe von 3,4 Milliarden Euro verteilt werden. Es wird ja schon darüber diskutiert, wie man sie verteilt darüber kann man denken, wie man will. Das bedeutet weniger Investitionen in Arbeitsplätze und in schadstoffärmere Fahrzeuge. Umgerechnet auf die Mineralölsteuer - das muss man sich zu Gemüte führen - bedeutet das 50 Cent je Lkw mehr pro gefahrenen Kilometer. Das ist eine Mineralölsteueranhebung um mehr als 90 Pfennig pro Liter. Das sind 15 Stufen der Ökosteuer auf einen Schlag.

(Beifall bei der CDU - Frau Körtner [CDU]: Ungeheuerlich!)

Diese Lkw-Maut ist entgegen der Aussage des Bundesverkehrsministers nicht wettbewerbsneutral. Der deutsche Auftraggeber wird sein Augenmerk verstärkt auf die günstigen ausländischen Anbieter werfen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn das als gut angesehen wird, dann weiß ich nicht, was wir noch von der deutschen Wirtschaft erwarten können. Unsere guten deutschen Fernfahrer werden ihren Job verlieren. Man sollte sich das einmal merken: Der deutsche Staat verliert mit jedem ausländischen Lkw, der künftig statt eines deutschen Lkws über unsere Straßen fährt - es fahren dadurch ja nicht weniger Lkw -, 75 000 Euro an Steuern, Abgaben, Umlagen sowie zusätzlichen Sozialkosten.

Meine Damen und Herren, durch die Billiglöhne des Ostblocks wird es dazu kommen, dass diese Lkw unsere Bundesstraßen benutzen und somit einen Ausweg finden. Das müsste die Frau Ministerin doch nachdenklich stimmen. Wenn MAN in Salzgitter schon in 2001 Mitarbeiter entlassen musste - wir haben in diesem Hause auch darüber diskutiert -, weil es 15,9 % weniger Zulassungen gab, so erwartet man im Jahr 2002 sogar 25 % weniger Zulassungen. Die Auswirkungen auf die Arbeitsplatzsituation können wir uns selbst ausrechnen.

(Beifall bei der CDU)

Die deutschen IHK-Verbände weisen darauf hin, dass besonders der ländliche Raum stärker belastet wird. Auch das haben wir schon einmal deutlich gesagt. Die Verbände sagen deutlich, dass die vorgesehene Maut die deutschen Transportunternehmen in den Konkurs treibt und den Verkehrsmarkt unseren Nachbarstaaten überlässt.

(Beifall bei der CDU)

Wir erwarten daher von der Bundesregierung und von jedem Bundesland, die Rechtsverordnung, die noch einmal durch den Bundesrat muss, weil die Gebührenhöhe noch festgelegt werden muss, im Bundesrat abzulehnen. Diese Verordnung bringt keinen spürbaren Entlastungseffekt für das deutsche Güterkraftverkehrsgewerbe.

(Wenzel [GRÜNE]: Maut entlastet doch das deutsche Gewerbe!)

Ich komme zum Ende. Wir fordern die zugesagte Harmonisierung und keine Sargnägel für das Verkehrsgewerbe. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Ministerin, das Verkehrsgewerbe hat noch ein anderes Anliegen. Wolfgang Schultze und ich haben einen Aktenordner mit Unterschriften zu den fehlenden Parkplätze an Autobahnen bekommen. Ich möchte Ihnen diesen Ordner weiterreichen, damit Sie sich darum kümmern. Dort können Arbeitsplätze und vernünftige Rastplätze an unseren Autobahnen geschaffen werden.

(Beifall bei der CDU)

Frau Ministerin Knorre hat sich zu diesem Tagesordnungspunkt zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einen Satz, den Herr Heineking hier gesagt hat, kann man so wirklich nicht stehen lassen. Er hat nämlich gesagt, über die Verteilung und die Verwendung der Mauteinnahmen könne man denken, was man wolle. Das ist aber nicht so, meine Damen und Herren. Mit der Maut finanzieren wir in Niedersachsen den sechsspurigen Ausbau der A 1 zwischen Hamburg und Bremen. Darüber kann man nicht denken, wie man will.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen habe ich den Eindruck - Herr Heineking, ich muss das einfach sagen -, als ob die ganze Diskussion und das gesamte gesetzgeberische Verfahren inklusive Bundesrat und Vermittlungsausschuss an Ihnen komplett vorbeigegangen ist. Herr Heineking, das Gesetz ist dort abschließend behandelt worden. Zu allen Punkten, die Sie in Ihrem Antrag angesprochen haben, sind dort abschließende Entscheidungen getroffen worden.

(Heineking [CDU]: Nein! Die Rechtsverordnung!)

- Die Rechtsverordnung hat damit überhaupt nichts zu tun, Herr Heineking. Da werden noch einzelne technische Details geklärt. Die Fragen, die Sie angesprochen haben, sind schon längst erledigt. Sie haben das einfach verschlafen.

(Beifall bei der SPD - Eppers [CDU]: Das stimmt nicht! - Heineking [CDU]: Sie haben nichts dagegen un- ternommen!)

Die Fragen, die Sie angesprochen haben, betreffen die Mittelverwendung und die Festlegung der Verwendung der überwiegenden Einnahmen für die Infrastruktur. Es betrifft natürlich auch - das möchte ich hier betonen - die Absprachen, die die Bundesregierung einvernehmlich mit den Verbänden des Verkehrsgewerbes, also mit Ihren Verbänden, getroffen hat, nämlich die gezahlte Mineralölsteuer auf die zu entrichtende Maut anzurechnen. Dabei geht es um ein Volumen von 300 Mil

lionen Euro. Das ist so verabredet worden und stellt eine enorme Entlastung für das Verkehrsgewerbe dar.

(Beifall bei der SPD)

Da Sie in Ihrem Antrag die Verwendung der Mittel einzig und allein für den Straßenbau gefordert haben, möchte ich noch einmal auf das Bundesratsverfahren und auch auf den Vermittlungsausschuss verweisen. Die CDU-geführten Länder haben diesen Punkt nie eingebracht. Selbst der Antrag von Baden-Württemberg, das meiner Kenntnis nach immer noch CDU-regiert ist, hat diesen Punkt nicht enthalten, sondern aufgrund dieses Antrages haben wir alle uns darauf geeinigt, dass diese Mittel für die Infrastruktur insgesamt eingesetzt werden sollen.

Ich sage es noch einmal: Die Diskussion, die wir hier führen, ist Schnee von gestern. Das ist schon alles durch den Bundesrat durch.

Frau Ministerin Dr. Knorre, ich muss Sie kurz unterbrechen. Gestatten Sie eine Frage des Kollegen Eppers?

Ich möchte meinen Beitrag zunächst beenden. Der europäische Maßstab ist angesprochen worden. Ich glaube, hier muss ich noch einmal an Folgendes erinnern: Mit der Maut werden zum ersten Mal inländische und ausländische Lkw gleichermaßen belastet. Dann werden nicht mehr alle mit einem vollen Tank durch Deutschland hindurchfahren und keinen Finanzierungsbeitrag mehr leisten. Die Maut ist nämlich ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit in diesem Bereich.

(Beifall bei der SPD - Heineking [CDU]: Sie haben nicht zugehört!)

Herr Heineking, falsch ist auch Ihre Behauptung, dass die Bundesregierung einen Deal zur Verlängerung der Gewährung einer Dieselbeihilfe um weitere Jahre gemacht habe. Das ist nicht so. Die Dieselbeihilfe ist befristet bis zum Ende dieses Jahres. Ich bitte Sie, auch Ihre Kollegen darauf hinzuweisen, damit das hier nicht einen falschen Klang bekommt.

(Beifall bei der SPD)