Wenn ich die Zeitungen von damals durchlese, dann fällt mir eine ganze Reihe von möglichen Gründen auf. Da war die Rede davon, dass die besagte Firma ihre Deutschland- oder Europa-Zentrale mit mindestens 1 000 Beschäftigten in Hannover ansiedelt. Da war die Rede davon, dass diese Firma als Weltpartner mit einem zweistelligen Millionenbetrag in die Finanzierung der EXPO einsteigt. Da war die Rede davon, dass sich diese Firma an einer Stiftungslösung zur Gründung einer European Business School beteiligt. Das ist das, was wir heute als GISMA, als Managerakademie für Großkonzerne, kennen. Da war auch die Rede davon, dass diese Software-Firma mit der Stiftung Neurobionik eines in Hannover ansässigen Mediziners zusammenarbeiten will.
Ich glaube, dass nicht die Funktionalität, die Tauglichkeit bzw. die Anwendbarkeit der Software bei der Auftragsvergabe eine Rolle gespielt hat, sondern dass die sachfremden Gründe dafür ausschlaggebend waren, dass die Auftragsvergabe Mitte der 90er-Jahre so erfolgt ist. Das ist das eigentlich Skandalöse an diesem Vorgang.
Es ist auch nicht so, dass dem Land Niedersachsen durch diesen Vorgang kein finanzieller Schaden entständen wäre. Wir hatten bis vor wenigen Wochen in Niedersachsen ein unzuverlässiges, nicht taugliches Modul für das Mahn- und Vollstreckungswesen. Sie wissen, es gab bis zu 213 000 offene Forderungen mit einem Forderungsvolumen von bis zu 182 Millionen DM. Dieses Geld wird in Gänze nicht beizutreiben sein.
Wir haben, weil das über anderthalb Jahre aufgelaufen ist, im Doppelhaushalt 2002/2003 eine globale Mehreinnahme von 40 Millionen Euro veranschlagt. Aber der Rechnungshof weist völlig zu
Recht darauf hin, dass dieses Geld in dieser Form nicht mehr beizutreiben ist, weil Forderungsnehmer, also Firmen, mittlerweile Insolvenz angemeldet haben, weil Privatleute nicht mehr zahlen können, weil sie verzogen sind, weil schlicht die Daten nicht mehr vorliegen. Insofern wird es da natürlich einen Verlust geben. Ich meine nicht nur den Zinsverlust, der für das Land ohnehin auftritt; vielmehr geht es um echtes Geld, das dem Land durch die fehlende Funktionalität dieser Software verloren geht.
Das ist auch kein Einzelbeispiel. Wir wissen ganz genau, dass in vielen anderen Bereichen, in denen es um die Softwareausstattung der Landesverwaltung geht - ich nenne als Beispiel FISCUS und die Finanzämter; alle Betroffenen wissen, wovon ich rede -, Millionen und Abermillionen an Geld verbrannt werden, ohne dass man sich eine funktionierende Software einhandelt. Das heißt, dass es in dem Bereich überhaupt nicht darum geht, sinnvolle Lösungen für teures Geld zu implantieren, sondern darum, dass mit einer untauglichen Software gearbeitet wird.
Ein großes Problem ist dabei, dass die Landesregierung ihre eigenen Buchungen durch eigene Mitarbeiter nicht mehr nachvollziehen kann oder dass sie sie jedenfalls zeitweise nicht mehr nachvollziehen konnte. Wir haben ein Informatikzentrum Niedersachsen. Das leisten wir uns als Landesbetrieb. Die Beschäftigten dort leisten gute Arbeit. Aber es kann wirklich nicht angehen, dass Beschäftigte der Softwarelieferfirma dort sitzen und zeitweise als Einzige in der Lage waren, diese Buchungsvorgänge des Landes noch nachzuvollziehen bzw. in diese Buchungsvorgänge einzugreifen. Es hat hier eine Teilprivatisierung des Kassenwesens stattgefunden. Das ist aus Sicht des Haushaltsgesetzgebers, bei logischer Betrachtung aber auch aus Sicht eines Finanzministers in keiner Weise akzeptabel.
Wir haben Sie in den letzten Jahren immer wieder auf diese Fehler hingewiesen. Es ist ja nicht so, dass das alles aus heiterem Himmel kommt. Es gab genügend Hinweise, ob das Fehlbuchungen von Diäten waren, ob das die Probleme in den Fachhochschulen gewesen sind. Die einen haben Verlustvorträge ausgewiesen. Die anderen haben falsche Rückbeträge ausgewiesen.
- Herr Möhrmann, es geht nicht darum, dass das nicht auch anderen passieren kann. In anderen Bundesländern gibt es diese Probleme tatsächlich nicht. Sie haben zwar auch Schwierigkeiten mit der Einführung neuer Software. Das hat es aber noch keinen Rechnungshof gegeben, der eine nicht ordnungsgemäße Buchführung bescheinigt hat.
Weil wir Sie immer wieder auf diese Probleme hingewiesen haben, weil der Finanzminister diese Probleme immer wieder in einer beispiellosen Überheblichkeit geleugnet hat, weil er sie bestritten hat und Fakten nicht zur Kenntnis nehmen wollte, allein aus diesem Grunde ist es angemessen, hier über seine Entlassung zu sprechen. Wir wissen auch - wir haben das mit dem Rechnungshof diskutiert -, es wird - da können Sie noch so viel manuell nachbuchen - für diesen Haushaltsabschluss keine Entlastung geben, jedenfalls nicht auf Vorschlag des Rechnungshofs. Wenn es keine Entlastung für den Finanzminister gibt, dann ist es angemessen, dass wir hier dessen Entlassung beantragen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte um die Entlassung des Finanzministers ist aus Sicht der Landesregierung eine Farce. Man kann über ein Thema sachlich diskutieren oder man kann permanent versuchen, es auf die persönliche Ebene zu ziehen. Die Opposition, insbesondere die CDU, hat sich zum wiederholten Male für das Letztere entschieden. Wenn man dieses Thema schon auf die persönliche Ebene ziehen will, dann sage ich Ihnen dazu Folgendes:
Ein Finanzminister, der in den Verhandlungen um den Länderfinanzausgleich und den Solidarpakt II ein für Niedersachsen hervorragendes Ergebnis erkämpft hat, wird nicht entlassen, sondern bestätigt.
Einen Finanzminister, der in allen wichtigen finanzpolitischen Diskussionen erfolgreich für das Land Niedersachsen gearbeitet hat - ich nenne nur die Tarifverhandlungen, die Frage der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, die Bundesbankstrukturreform oder die Auseinandersetzung um die Zukunft der öffentlichen Banken -, braucht das Land Niedersachsen, und deswegen wird er auch nicht entlassen.
Meine Damen und Herren, der Finanzminister Heiner Aller hat in seiner bisherigen Amtszeit jeden Haushalt ohne Fehlbetrag abgeschlossen. Schon deshalb werden wir ihn nicht entlassen.
- Herr Möllring, zu dem Zwischenruf, den Sie eben gemacht haben: Bei den Größenordnungen, die wir haben, sollten Sie einmal versuchen, eine ähnliche Punktlandung hinzubekommen, ohne dass Sie sich illegal Disketten beschaffen.
Wir können ja einmal über die Frage von strafrechtlichem Verhalten in diesem Zusammenhang nachdenken, wenn Sie das schon tun.
Ich möchte es einmal offen sagen, Herr Möllring: Einen politischen Vorwurf zu machen, das ist o.k. Die Entlassung eines Ministers zu fordern, das ist auch in Ordnung. Sie skandalisieren jedoch, indem Sie so tun, als läge ein strafwürdiges Verhalten vor.
(Möllring [CDU]: Das habe ich nicht gesagt! - Gegenruf von Plaue [SPD]: Natürlich! - Adam [SPD]: Sie wollen einen Menschen treffen!)
Herr Möllring, diese Spielchen können Sie von mir aus mit anderen Leuten treiben. Ich sage Ihnen: Wer im Glashaus sitzt - ich sage nur: Pecunia non olet -, der sollte nicht mit strafrechtlichen Vorwürfen arbeiten.
Wenn Sie das Wort „seriös“ im Umgang mit Finanzen in den Mund nehmen, dann fällt einigen bei uns eine Menge dazu ein. Übrigens: Ich nehme an, dass Sie das Buch, das Sie Herrn Aller geschenkt haben, nicht von Ihrem Verein haben bezahlen lassen, sozusagen als gute Tat.
Wir sind ja bei Herrn Möllring einiges gewohnt. Dass er aber an dieser Stelle die Strafrechtskeule heraushält, finde ich nicht in Ordnung.
- Natürlich haben Sie das getan. Leute Ihrer Fraktion - wir haben gerade eine Schulgesetzdebatte hinter uns - haben vor wenigen Tagen dazu aufgefordert, das Gesetz nicht zu vollziehen, obwohl es in Kraft tritt. Das zu Ihrem Rechtsstaatsverständnis, Herr Möllring!
- Wenn Sie wissen, was gemeint war, dann haben Sie den gleichen Eindruck von Herrn Möllring wie ich. Das ist ja interessant.
- Reden Sie lieber nicht über das Niveau. Sie sollten sich einmal die Rede von Herrn Möllring genauer ansehen.
Meine Damen und Herren, auch der Haushaltsabschluss für das Jahr 2001 ist - bereinigt man ihn um den Sonderfall der BEB-Rückzahlung - ein Haushaltsabschluss, den der Finanzminister ordentlich zustande gebracht hat. Dies zeigt deutlich, wer in den letzten Debatten um die Finanzpolitik in diesen Jahren immer wieder Recht behalten hat. Es war immer die Opposition, die erklärt hat, der Finanzminister könne die Haushalte nicht zum Ausgleich bringen. In jedem Jahr ist die Opposition damit der Unwahrheit überführt worden.