Protocol of the Session on June 12, 2002

Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur vorgeschlagenen Ausschussüberweisung. Wer möchte, dass im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Federführung und im Ausschuss für Sozial- und Gesundheitswesen die Mitberatung liegt, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 17: Einzige (abschließende) Beratung: Mehr Sicherheit für Fahranfänger: Modellprojekt „begleitetes Fahren“ - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/3327 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr - Drs. 14/3468

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen, sodass ich gleich dem Kollegen Biel das Wort in der Aussprache erteilen kann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im letzten Jahr sind auf Deutschlands Straßen 7 000 Menschen ums Leben gekommen. Etwa ein Viertel von ihnen, also über 1 600 junge Menschen, waren noch keine 25 Jahre alt. Im letzten Jahr wurde diese Altersgruppe über 21 000 Mal verunfallt. Meine Damen und Herren, wir haben über 22 000 Gründe zu handeln. Deutschland nimmt im internationalen Vergleich keine gute Position ein. Wenn wir uns diese aktuelle Unfallstatistik anschauen, sehen wir, wie zwingend es ist,

zu handeln und etwas anzustoßen, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um diese erschreckende Zahl zu reduzieren.

Grund für die vielen Unfälle von Verkehrsanfängern ist oft der Mangel an Erfahrung und Übung. Der Umstieg auf ein ungewohntes Fahrzeug und die ungewohnte Situation, zum ersten Mal allein und ohne die Anleitung des Fahrlehrers hinter dem Steuer zu sitzen, führen oft dazu, dass junge Leute sich mehr auf die Suche nach dem Scheibenwischer oder dem richtigen Gang konzentrieren und dabei nicht genug auf den Verkehr achten.

Genau bei diesen Problemen kann man aber Maßnahmen ergreifen, meine Damen und Herren, die Abhilfe schaffen. Wir können den Jugendlichen in einer Übergangsphase erfahrene Fahrerinnen und Fahrer zur Seite stellen, die ihnen helfen können, die Situation im Straßenverkehr besser einzuschätzen, damit er oder sie Sicherheit entwickeln kann, und zwar dann, wenn es darauf ankommt: direkt nach der Fahrschule, zu Beginn des Fahrens.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, durch das Konzept zum Modellversuch „Begleitetes Fahren“ wird der Führerschein bereits ab 17 Jahren möglich. Das heißt aber nicht, dass wir die Jugendlichen jetzt noch früher ungeschützt auf die Straßen los lassen. Im Gegenteil, die Kernidee des Projekts ist, dass nach der Fahrschulausbildung zehn Monate lang immer ein erfahrener Fahrer oder eine erfahrene Fahrerin mit im Auto sitzt, bis die jungen Leute die nötige Sicherheit haben, um besser durch den Verkehr zu kommen.

Das heißt, meine Damen und Herren, dass die Fahranfänger ihre theoretische Prüfung schon mit 16 Jahren machen können und zum 17. Geburtstag dann eine eingeschränkte Fahrerlaubnis bekommen. Sie dürfen dann selbst steuern, aber bis zum 18. Geburtstag nur in Begleitung und nur unter bestimmten Auflagen: Es muss ein absolutes Alkoholverbot gelten. Am Wochenende darf nicht nachts gefahren werden, sodass die jungen Leute keine Extra-Taxis sind. Auf Autobahnen sollen sie auf keinen Fall schneller als 130 km/h fahren. Am 18. Geburtstag soll dann der Jugendliche ein Fahrtenbuch mit 5 000 gefahrenen Kilometern vorweisen. Dann erst können wir davon ausgehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass er oder sie den Verkehr wirklich beherrscht und sich sicher auf den Straßen bewegt. Die ersten 5 000 km werden also unter Aufsicht und Beratung von erfahrenen und älteren Personen gefahren. Dies können

Eltern oder auf besondere Weise dafür ausgebildete Personen sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in anderen Ländern funktioniert dieses Modell ausgezeichnet. In Österreich, Großbritannien, Frankreich und Luxemburg wird das begleitete Fahren schon praktiziert. In Schweden sind seit Einführung dieser Regelung die Unfallzahlen um 40 % gesunken. Das ist ein Erfolg, den wir uns für Deutschland auch wünschen. Das ist eine Zahl, die wir auch erreichen können. Insofern lohnt es sich, dieses Modell hier durchzuführen.

Mit aller Unterstützung können wir beweisen: In Deutschland ist es möglich zu handeln. Hier zeigt die Politik, dass sie handlungsfähig ist, dem Ziel verpflichtet, unabhängig von Wahlkampfzeiten und Parteigrenzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann hier auch sagen: Wir alle haben dies im Ausschuss einvernehmlich so gesehen und halten es für eine große Verpflichtung, dass das Parlament und die Politik insgesamt handeln, damit die Zahl der Unfalltoten gerade bei den Jugendlichen reduziert wird. Deswegen bin ich froh, dass alle Fraktionen dies so gesehen haben und den Antrag unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Rühl hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Modellprojekt „begleitetes Fahren“ - es geht, wie schon so oft in den vergangenen Jahren, um Verkehrssicherheit, dieses Mal um Verkehrssicherheit der Fahranfänger, die immer noch als zentrale Risikogruppe im Straßenverkehr gelten. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen uns - ich will sie nicht wiederholen -, dass es richtig ist, sich darum zu kümmern. Vor allem die Zahlen über die tödlich verunglückten jungen Verkehrsteilnehmer mahnen uns sogar dazu.

Der Antrag zu dem Modellversuch, Herr Biel, ist ganz einfach richtig. Auch aus diesem Grunde werden wir dem Antrag zustimmen, bitten allerdings darum, die Auswertung des Versuches auch hier zur Beratung zu bringen, damit wir uns über weiter gehende Rahmenbedingungen Gedanken

machen und darüber abstimmen können. Ferner sind wir der Meinung, dass die Verkehrswacht, die eine hervorragende Arbeit leistet, wie auch Sie immer wieder betonen, bei diesem Modellversuch mit einbezogen werden sollte, also nicht nur eine wissenschaftliche Begleitung bei dem Versuch vorgesehen werden sollte.

Herr Biel, Herr Wenzel - er wird sicherlich noch zu dem Antrag sprechen -, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch vor dem Hintergrund der vorgerückten Stunde und mit Rücksicht auf unseren Gastgeber im Leineschloss - dort können wir noch heute Abend ein Bekenntnis zum Handwerk ablegen

(Beifall bei allen Fraktionen)

meine ich, dass zu dem Thema alles gesagt worden ist. Wir sollten Redezeiten nur dann ausnutzen, wenn eine gemeinsame Abstimmung noch aussteht. Bei diesem Thema sind wir aber einer Meinung. Wir stimmen dem Antrag zu und hoffen auf einen erfolgreichen Versuch und dessen nachfolgende Beratung. - Danke.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Herr Kollege Wenzel hat das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Schweden sind ja mit einer ganz anderen Philosophie an das Thema herangegangen. Sie haben vor vier Jahren ein Gesetz verabschiedet und darin gesagt: Wir wollen, dass im Straßenverkehr kein Mensch mehr ums Leben kommt. - Dann haben sie angefangen, neu darüber nachzudenken: Wie müssen wir eigentlich Straßenverkehr, wie müssen wir Verkehr, wie müssen wir Mobilität gestalten, um dieses Ziel zu erreichen? - Dabei sind sie u. a. zu dem Vorschlag gelangt, den mein Kollege Ulrich Biel heute vorgestellt hat, und zwar mit dem Ergebnis: 40 % weniger Tote und Verletzte in der Altersgruppe der 18- bis 25-jährigen Fahranfäger.

Aber, sehr geehrte Damen und Herren, wir sind uns heute hier im Parlament vielleicht einig, in der Bundesrepublik insgesamt findet jedoch eine erbitterte Debatte zu dem Thema statt. Es ist nämlich ein zweiter Vorschlag im Spiel, und zwar die zweiphasige Ausbildung in der Fahrschule, d. h.

eine erneute Nachschulung nach der eigentlichen Ausbildung in der Fahrschule. Sie wird vom ADAC, vom DVR und auch von den Fahrlehrerverbänden propagiert. Diese Ausbildung kostet viel Geld, und von daher stehen hinter diesem Vorschlag auch sehr starke materielle Interessen. Zurzeit ist aber nicht absehbar, welcher Vorschlag sich durchsetzt: der Bessere oder der Teurere. Von daher sollten alle Fraktionen mit ihren Bundestagskollegen dazu in das Gespräch kommen, um sicherzustellen, dass wir am Ende das bessere Modell durchsetzen und nicht das Modell, mit dem man größere Geschäfte machen kann. Ich hoffe, dass wir das schaffen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr. Wer ihr zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich frage nach Gegenstimmen. - Stimmenthaltungen? - Ich stelle Einstimmigkeit fest.

Damit sind wir am Ende der heutigen Beratung. Wir werden morgen früh mit den Dringlichen Anfragen fortfahren. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend.

Schluss der Sitzung: 19:05 Uhr.