Protocol of the Session on May 17, 2002

von Umgebungsvorbelastungen, die eventuelle Nichtbeachtung der Neufassung der TA Luft und die Verneinung gesundheitlicher Belastungen, die auch durch die zögerliche Beauftragung der laufenden Gesundheitsstudien durch die Landesregierung mit verursacht ist.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie bewertet sie die lokalen und regionalen Auswirkungen der genannten Vorhaben in Bezug auf die ökologische Belastungssituation, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die Verschärfung der Seuchenproblematik und die weitere Zerstörung bäuerlicher Produktionsstrukturen?

2. Wie stellt sie sicher, dass die Genehmigungsbehörden ihren Ermessens- und Bewertungsspielraum im Sinne einer Deckelung der weiteren Ausbauentwicklung nutzen, indem sie z. B. die bereits vom Bundeskabinett verabschiedete Neufassung der TA Luft in den Verfahren zugrunde legt?

3. Wie will sie verhindern, dass das geplante Mastplatz-Stilllegungsprogramm durch den anhaltenden Ausbau mit steigenden Größenordnungen konterkariert wird und damit lediglich den Strukturwandel beschleunigende Wirkung entfaltet?

Danke schön. - Herr Minister Bartels beantwortet die Fragen von Herrn Kollegen Klein.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn der Abgeordnete Klein von der „Fleisch produzierenden Agrarindustrie“ spricht, die ökologisch bedenklich sei, eine Gesundheitsgefahr für die Menschen darstelle und die zudem baurechtlich privilegiert werde, dann bewerte ich das als eine bewusste Verunglimpfung der Nutztierhaltung in Niedersachsen.

(Beifall bei der SPD)

Mit solchen Äußerungen schaden Sie, Herr Abgeordneter Klein, unserer Landwirtschaft mit allen damit verbundenen Konsequenzen.

Auch Sie sollten eigentlich wissen, dass die Tierhaltung in Niedersachsen fast ausschließlich im Rahmen bäuerlicher Familienbetriebe erfolgt und dass es sich nur bei 5,4 % der landwirtschaftlichen

Betriebe in Niedersachsen um gewerbliche Unternehmen handelt. Und das sind häufig noch bäuerliche Betriebe, die aus steuerlichen Gründen nur einen Teil ihrer Tiere gewerblich halten.

Entsprechend irreführend und geradezu falsch ist es, wenn Sie von der „Fleisch produzierenden Agrarindustrie“ sprechen. Sicherlich ist es nicht von der Hand zu weisen, dass es in Niedersachsen Regionen gibt - wie die Landkreise Vechta und Cloppenburg -, in denen die Konzentration viehhaltender Betriebe sehr hoch ist und die Viehdichte an ökologische Grenzen stößt. Dies habe ich an dieser Stelle immer wieder deutlich gemacht. Darauf zielen auch meine Aktivitäten. Wie Sie wissen, hat die Landesregierung hier längst reagiert und Maßnahmen ergriffen.

Um auf den Kern der Anfrage zu kommen, will ich auch zugestehen, dass die von Ihnen genannten Stallbauvorhaben in ihrer Größenordnung überdurchschnittlich groß sind. Ob wir das nun beklagen oder nicht, meine Damen und Herren, letztlich ist es auch eine Reaktion der Landwirte auf zunehmende Umweltauflagen und sicherlich auch auf steigenden Wettbewerbsdruck durch europäische und außereuropäische Konkurrenzen.

Verschärfungen des Umweltrechts heizen den Strukturwandel in der Landwirtschaft an. Auflagen wie sie sich aus der Umsetzung von EG-Umweltrichtlinien, wie der UVP- und der IVU-Richtlinie, den Novellierungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der TA Luft ergeben, stellen kleinere und mittlere Betriebe vor fast unlösbare Aufgaben. Um hier nur ein Beispiel zu nennen: Der Einbau von Biofiltern in einer Mastschweineanlage verursacht Kosten in Höhe von 7 Euro pro Tier, was ungefähr dem Durchschnittsgewinn pro Schwein in den letzten fünf Jahren entspricht. Das ist die Situation.

(Zuruf von Frau Steiner [GRÜNE])

Von daher ist es nicht verwunderlich, sondern sogar zwingend, dass Landwirte, wenn sie in der Landwirtschaft bleiben wollen, den Stallneubau in einer Größenordnung vornehmen, die ihnen aufgrund der Kostendegression trotz erhöhter Umweltauflagen noch eine rentable Produktion ermöglicht. Auch das ist Realität.

Meine Damen und Herren, diese Zusammenhänge müssen natürlich auch die Umweltpolitiker kennen. Von daher bedarf es immer auch eines gewissen Augenmaßes, wenn man im Allgemeinen und

speziell in einer Region wie dem Oldenburger Münsterland der Umwelt nutzen will, ohne dabei die von der Veredlungswirtschaft ausgehende Wirtschaftskraft zu zerstören. Nachhaltigkeit umfasst nämlich neben ökologischen auch immer ökonomische und soziale Aspekte.

Sie sprechen in Ihrer Anfrage im Übrigen von einer Schieflage im Baugenehmigungsverfahren zugunsten von Anträgen zum Bau von Tierhaltungsanlagen. Davon kann keine Rede sein, meine Damen und Herren! Bauvorhaben sind generell nur zulässig, wenn öffentliche Belange dem nicht entgegenstehen. Ich weise hier zum wiederholten Male darauf hin, dass den Kommunen in diesem Zusammenhang ein umfangreiches Instrumentarium zur Verfügung steht. Dazu habe ich im Landtag bereits mehrfach vorgetragen.

Auch die Behauptung, die Genehmigungsbehörden würden Umgebungsvorbelastungen bei den Verfahren nicht berücksichtigen und die Neufassung der TA Luft könnte gegebenenfalls nicht zur Anwendung kommen, entbehren jeglicher Grundlage. Ich werde darauf gleich noch eingehen.

Die Frage, ob von Anlagen der Intensivtierhaltung Gesundheitsgefahren für den Menschen ausgehen, haben Sie, Herr Abgeordneter Klein, anscheinend schon für sich beantwortet. Die Landesregierung hält sich dabei lieber an Fakten und wartet die von ihr eigens in Auftrag gegebenen Studien ab. Sicherlich wäre es schön, wenn die Ergebnisse bereits vorlägen, aber ein Untersuchungsprogramm in dieser Größenordnung - 1,5 Millionen Euro stehen dahinter - und mit einer solchen Vielzahl von beteiligten Landeseinrichtungen, externen Projektteilnehmern wie z. B. der Universität München, und Beratern - Offis Oldenburg, Evangelisches Krankenhaus Oldenburg, Universität Vechta - bedarf nun einmal eines hohen Koordinierungsaufwands.

Ich komme nun zur Beantwortung der Fragen im Einzelnen.

Zu Frage 1: Was die ökologische Belastungssituation anbetrifft, so haben sich auch die von Ihnen angesprochenen Betriebe im Genehmigungsverfahren dem geltenden Recht zu unterwerfen. Insbesondere weise ich darauf hin, dass bei den hier zur Diskussion stehenden Stallneubauten die am 27. Juli 2001 beschlossenen Gesetze zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVURichtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Um

weltschutz zur Anwendung kommen. Danach werden Stallbauten in größerem Umfang als bisher einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zugeordnet.

Es ist jetzt zusätzlich geregelt, dass bei allen nach den Bestimmungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu prüfenden Tierhaltungsanlagen eine Umweltverträglichkeitsprüfung entweder zwingend durchzuführen oder wenigstens deren Erforderlichkeit im Einzelfall zu prüfen ist.

Niedersachsen hat darüber hinaus, nachdem sie bereits seit 1996 in der Praxis auch erprobt worden war, im März 2001 die Verwaltungsvorschrift zur Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen (GIRL) verbindlich eingeführt. Diese wird, soweit die von Tierhaltungsbetrieben zur nächsten Wohnbebauung einzuhaltenden Mindestabstände unterschritten werden oder diese Anforderungen im Einzelfall nicht ausreichen, zur Beurteilung der Geruchssituation durch einen Sachverständigen herangezogen.

Meine Damen und Herren, bei der Einschätzung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die von Anlagen der Tierintensivhaltung ausgehen können, wird nach heutigem Wissensstand die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens angewandte Abstandsregelung zum Schutz der Anwohner als ausreichend angesehen. Es kann nämlich davon ausgegangen werden, dass dort, wo keine Geruchsbelästigung auftritt, auch keine nennenswerten Staubund Keimbelastungen auftreten dürften.

Sollten die wissenschaftlichen Studien in diesem Zusammenhang neue Erkenntnisse bringen, stünde selbstverständlich auch eine Änderung der Genehmigungspraxis zur Diskussion. Deshalb haben wir ja diese Studien in Auftrag gegeben. Ich betone aber nochmals, dass es dafür momentan keine gesicherten Erkenntnisse gibt.

In Frage 1 sprechen Sie auch das Seuchenrisiko an. Es ist richtig, dass eine hohe Viehbesatzdichte, internationale Handelsbeziehungen und umfangreiche Tiertransporte, wie sie in der Region Oldenburger Münsterland bestehen, die Möglichkeiten einer Seucheneinschleppung und –verbreitung erhöhen. Das Betriebsmanagement und das Handling von Seuchenausbrüchen sind für die Vorbeugung, die Früherkennung und die schnellstmögliche Eindämmung und Tilgung von Seuchengeschehen die entscheidenden Faktoren. Diese Voraussetzungen sind am ehesten bei größeren Betrieben mit mo

dernen Anlagen und hohen Hygienestandards zu finden.

Die Landesregierung hat im Übrigen in diesem Zusammenhang die Einrichtung einer Task Force beschlossen. Damit sollen Organisation und Effektivität des Seuchenbekämpfungsmanagements deutlich verbessert werden.

In der Frage 2 fragen Sie danach, wie die Landesregierung sicherstellt, dass die Bewilligungsbehörden im Rahmen ihres Ermessensspielraumes die noch nicht endgültig erlassene TA Luft bereits anwenden. Dazu ist grundsätzlich anzumerken, dass die Genehmigungsbehörden ihren Entscheidungen über Bauvorhaben im Außenbereich die jeweils gültigen Rechtsvorschriften zugrunde legen müssen. Darauf haben die Antragsteller einen Rechtsanspruch.

Was die Umsetzung neuer, aber noch nicht rechtskräftiger Vorschriften anbetrifft, so ist es mittlerweile gängige Praxis, dass die Behörden vor Ort schon frühzeitig vor dem Erlass der Rechtsvorschrift eingebunden werden. Im konkreten Fall der TA Luft heißt das, dass den nachgeordneten Behörden die jeweiligen Entwurfsfassungen unmittelbar nach ihrer Bekanntgabe mit der Aufforderung zugeleitet wurden, die Änderungen – soweit vertretbar – bereits anzuwenden. Das bedeutet, dass der Versuch unternommen wird, mit den betroffenen Antragstellern sozusagen ein Einvernehmen herzustellen.

Am 26. April 2002 hat der Bundesrat der von der Bundesregierung am 12. Dezember 2001 beschlossenen Neufassung der TA Luft mit geringfügigen Änderungswünschen zugestimmt, sodass noch vor der Sommerpause mit einem In-Kraft-Treten zu rechnen ist. Von daher meine ich: Schneller geht es an dieser Stelle weiß Gott nicht.

In Ihrer dritten Frage äußern Sie die Befürchtung, dass das geplante „Mastplatzstilllegungsprogramm“ durch den Bau neuer Ställe konterkariert werden könnte. Ich sehe zwischen der hohen Zahl an Bauanträgen und dem Herauskaufprogramm keine Zusammenhänge. Auch ohne das von mir geplante Programm würde der zu beobachtende Neubau von Ställen stattfinden. Das heißt, dass es durch das Programm zu einer Reduzierung des Viehbesatzes bei den teilnehmenden Betrieben und damit auch zu einer verminderten GV-Aufstockung in der Region kommt, wenn nicht sogar zu einer absoluten Reduktion. Die abstockenden

Betriebe dürfen nämlich die frei werdenden Ställe und Flächen nicht durch Dritte nutzen lassen.

Damit ist sichergestellt, dass es zumindest für einen Zeitraum von fünf Jahren - das ist der Zeitraum der Modulation und dieser Maßnahme - zu einer Reduzierung der Tierbestände kommt, die wir ohne das Programm nicht bekommen würden. Ich gehe dabei davon aus, dass Betriebe, die fünf Jahre lang ihre Ställe nicht genutzt haben, die Produktion auch nicht wieder aufnehmen werden.

Lassen Sie mich noch einen Satz zur umweltpolitischen Einordnung des Programms sagen. Ich gehe davon aus, dass es sich bei den teilnehmenden Landwirten in erster Linie um solche handelt, die ihre älteren emissionsträchtigen Ställe stilllegen wollen. Damit tritt eine besondere Entlastung der Umwelt ein. Hinzu kommt, dass es auch eine Reihe von Betrieben geben wird, die in Kombination mit anderen Programmen die Tierhaltung auf artgerechtere Haltungsformen umstellen werden. Ich würde mich freuen, wenn besonders viele Betriebe davon Gebrauch machen würden.

Von daher, meine Damen und Herren, teile ich die in der Anfrage geäußerten Befürchtungen des Abgeordneten Klein nicht.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Frau Kollegin Steiner, Sie haben eine Zusatzfrage.

Herr Minister Bartels, Sie haben gestern und auch jetzt wieder auf die Belastung der Landwirte durch die aufwändigen Umweltanlagen und den Kostenfaktor hingewiesen. Ich betone: Landwirte. Ich frage Sie: Sind Sie der Auffassung, dass es sich bei dem Gesellschafter agri, auch ein Futtermittelbetrieb, der in der Schweinezucht ein Gesellschafter ist, um einen bäuerlichen Landwirt handelt?

(Zuruf von der SPD: Die einen sagen so und die anderen so!)

Bitte schön, Herr Minister!

Frau Abgeordnete, ich kenne diesen Namen nicht oder habe ihn akustisch nicht mitbekommen.

(Frau Steiner [GRÜNE]: agri!)

Ich habe Ihnen eben deutlich gemacht, wie sich die landwirtschaftlichen Betriebe in Niedersachsen darstellen, welche Betriebe bei uns sozusagen bäuerliche Strukturen haben und wie hoch der Anteil der Betriebe ist, die als gewerbliche Betriebe eingestuft sind. Ich habe dann auch begründet, weshalb einige sich da haben einstufen lassen. Aber das sind 5,4 % der Betriebe in Niedersachsen, sodass wir mit Fug und Recht davon ausgehen können, dass wir eben nicht diese Strukturen in Niedersachsen haben, wie es sie teilweise in den neuen Bundesländern gibt, die Ihre Bundesministerin noch privilegiert, z. B. bei der 90er-Tiergrenze. Das muss man einmal ganz deutlich sagen. Wenn Sie daran Kritik üben wollen, dann richten Sie sie an Frau Künast.

(Zustimmung bei der SPD und von Ehlen [CDU])

Frau Kollegin Harms, Sie sind die nächste Fragestellerin.

Der Gesellschafter heißt GS agri und ist auch als Futtermittelkonzern tätig.