Protocol of the Session on May 16, 2002

Dabei nimmt man auch alle Tricks der Auslegung von Statistiken in Anspruch. Da wird z. B. gefragt, wie viele Fördermittel seit 1990 eingesetzt wurden, und anschließend vergleicht man die geförderten Maßnahmen seit 1971. Das sind schon interessante Vergleiche. Ich weiß nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hat.

Weiter wird erklärt, wie wichtig eine kontinuierliche Förderung der Städtebaus ist, um anschließend, z. B. 1993, die Fördermittel auf null DM zu setzen, nur weil der Bund kein Programm aufgelegt hat. Wer hat Sie eigentlich davon abgehalten, in diesem Jahr, aber auch in anderen Jahren zusätzlich eigene Mittel einzustellen?

(Harden [SPD]: Die ererbte Woh- nungsnot, Herr Kollege!)

Dass das jetzt mit den leeren Kassen nicht mehr geht, ist relativ einfach zu erklären. Aber wir haben Situationen gehabt - gerade nach der Wiedervereinigung -, dass Niedersachsen zusätzliche Steuermehreinnahmen gehabt hat, die dazu angetan waren, neue Prioritäten zu setzen.

(Beifall bei der CDU)

Davon aber, meine Damen und Herren, sind der Wohnungsbau und die Städtebauförderung bei Ihnen völlig verschont geblieben.

Dass nach der Wiedervereinigung die Mittel zum Teil auf die neuen Bundesländer umgeleitet worden sind, ist aus unserer Sicht durchaus verständlich gewesen und auch heute noch verständlich. Dass wir darüber nach wie vor eine Neiddiskussion führen und sagen, die haben so viel Geld bekommen und wir haben so wenig bekommen, finde ich nicht in Ordnung.

(Beifall bei der CDU)

Denn ein Aufschwung Ost ohne finanzielle Begleitung funktioniert nicht, auch wenn Sie den anschließend zur Chefsache erklären. Das wird nicht gehen.

(Wolf [SPD]: Das sagt auch nie- mand!)

Meine Damen und Herren, auf die relativ schlappen Fragen in der Großen Anfrage haben Sie auch nur relativ schlappe Antworten erhalten. Das war wohl auch nicht anders zu erwarten. Die überwiegende Anzahl der zwölf Seiten ist mit Statistiken gefüllt; acht oder neun Seiten machen Statistik aus. Für mich ist das keine Antwort auf Fragen, die deutlich weiter gehen müssen, als nur aus Statistiken zu zitieren.

Ich will nur ein Beispiel nennen. Ihre Frage 5 ist folgendermaßen beantwortet worden: Überzeugungskraft der vorbereitenden Untersuchungen mit dem Ziel der Behebung der Missstände auf der Grundlage eines integrierten Handlungskonzepts. Wer das verstanden hat, hat schon einmal die erste Hälfte gewonnen, und wer es nachher auslegt, hat die zweite Hälfte gewonnen. Mit solchen Formulierungen ist also der zukünftigen Auslegung, wer in Fördergebiete kommt oder nicht, im Grunde Tür und Tor geöffnet.

Insgesamt, meine Damen und Herren, bieten die Antworten auf die Große Anfrage keine Perspektive in der Städtebauförderung und in der Wohnungsbaupolitik. Es wird nicht auf die drängenden Zukunftsfragen eingegangen: Wie reagieren wir auf die demographische Entwicklung? Wie reagieren wir auf Leerstandsprobleme insbesondere im Geschosswohnungsbau? In Hannover gibt es inzwischen 8 000 leer stehende Wohnungen. In anderen Städten sieht es ähnlich aus. Wie reagieren wir auf die Verödung der Innenstädte? Außer Ankündigungen nichts Konkretes.

Ich sage Ihnen, die Zukunft liegt vor allem in der Verbesserung des Wohnungsbestandes und nach

wie vor im Einfamilienhausbereich. Dort gibt es Nachfrage; sie wird aber nicht gefördert, weil Sie nach wie vor eine Konzentration auf die Ballungsgebiete mit Geschosswohnungsbau betreiben und damit neue Probleme und Leerstand finanzieren. Wenn Sie die Kommunen in Niedersachsen weiter so ausnehmen wie eine Weihnachtsgans, brauchen Sie bald keine Mittel mehr für die Städtebauförderung bereitzustellen, weil keine Kommune mehr in der Lage ist, die Gegenfinanzierung sicherzustellen.

(Beifall bei der CDU)

In zahlreichen Initiativen hat die CDU-Landtagsfraktion immer wieder gefordert, mehr für den Wohnungsbau und damit auch für die Bauwirtschaft zu tun. Wir haben auf die mangelhafte Finanzausstattung der Kommunen hingewiesen. Wir haben die Erhöhung der Mittel für das Konversionsprogramm gefordert. Wir haben gefordert, dass Schwarzarbeit intensiver bekämpft wird. Wir haben gefordert, auf die Bundesregierung einzuwirken, die Richtlinien für den verbilligten Verkauf von bundeseigenen Grundstücken wieder in Kraft zu setzen. Wir haben gefordert, die Eigenheimförderung für Familien ab zwei Kindern zu gewähren. Wir haben die steuerliche Förderung des Wohnungseigentums im Bestand gefordert. Wir haben die Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe gefordert. Wir haben ein Notprogramm für die Bauwirtschaft gefordert. Wir haben gerade in der Wohnungsbaupolitik zahlreiche Vorschläge unterbreitet, die alle von der SPD nach dem Motto abgelehnt worden sind: Was von der SPD kommt, ist gut, was von der anderen Seite kommt, ist schlecht. - Seien Sie sicher, meine Damen und Herren, so einfach ist die Welt nicht. Da seien Sie man ganz, ganz sicher. Sie haben jetzt die Antworten auf Ihre verfehlte Wohnungsbaupolitik bekommen. Sie werden es nicht erreichen, dass Sie mit dieser Großen Anfrage Ihre Wohnungspolitik in ein schönes Licht stellen können. Denn die Schatten, die Sie sehen, sind Ihre eigenen Schatten; und das wird der Schatten sein, der Sie bald schlucken wird.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Hagenah!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Immer wenn man als Oppositionspolitiker hier im Saal sitzt und hört, die Regierungsfraktion dankt der Regierung für die gute Antwort, und dann ein Regierungsvertreter kommt und für die schönen Fragen dankt, müssen wir ganz genau aufpassen.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN und bei der CDU - Harden [SPD]: Sie sind zu misstrauisch, Herr Kollege!)

Irgendetwas stimmt da nicht. Entweder war der Autor der Frage mit dem, der die Antwort gegeben hat, identisch, oder man hat sich zumindest sehr genau vorher abgesprochen. In diesem Fall sehe ich zumindest einen der beiden Tatbestände erfüllt.

(Harden [SPD]: Kein Grund für dieses Misstrauen!)

Deswegen möchte ich mich auch gar nicht so sehr mit den Fragen und den Antworten auseinander setzen.

Wir finden es viel spannender, darüber nachzudenken, wozu Sie in diesem Feld nicht nachgefragt haben. Das sind genau die Felder, auf denen Sie nicht so gerne aus dem Schatten herausgezogen werden möchten.

Die großen Zahlen, die der Innenminister gerade vorgestellt hat - das müssen wir erst einmal klarstellen -, sind mit einer Ausnahme zu zwei Dritteln vom Bund und von den Kommunen gezahlt worden.

(Harden [SPD]: Das ist bei Drittelfi- nanzierung immer so!)

Letztendlich hat das Land mit einer Ausnahme es noch nie geschafft, nur 1 Euro oder 1 DM mehr als das, was der Bund vorgegeben hat, zu investieren. Andere Bundesländer machen das anders. Sie nehmen die Städtebauförderung wirklich ernst.

(Harden [SPD]: Wir haben 5 Mil- liarden für den Wohnungsbau ausge- geben!)

- Wir sprechen heute über Städtebauförderung. Andere Länder haben bei der Städtebauförderung aktiv gehandelt. Da hat Herr Decker völlig recht. Da waren Anfang der 90er-Jahre Steuereinnahmen,

mit denen man Schwerpunkte hätte setzen können, als uns der Bund auf Schmalkost gesetzt hat.

(Harden [SPD]: Da wart ihr doch in der Regierung, verdammt noch mal!)

Interessant ist deshalb vor allem das, wovon nicht gesprochen wird. Da kommen wir auf die Probleme bei der viel zu schleppenden Abwicklung und Abrechnung. In der Anfrage wird relativ schlicht, ohne es zu kommentieren, dargestellt, dass nur 32 von 184 Gebieten bisher abgerechnet sind. Darunter sind einige der Gebiete, die schon mehr als 20 Jahre und noch länger in der Städtebauförderung sind und noch nicht abgerechnet sind. Dass das am Ende zulasten der Gebiete und der Städte läuft, die sich da so schludrig verhalten, sieht man am besten bei ein bisschen Selbstkritik an der Landeshauptstadt Hannover, die mit Linden-Süd deswegen sicherlich nicht in das Programm „Soziale Stadt“ hineinkommen kann, weil sie die Sanierung, die Anfang der 70er-Jahre begonnen hat, bis heute offensichtlich noch nicht abgerechnet hat.

(Harden [SPD]: Die finden die Zahlen nicht wieder!)

Wenn das auf die Art und Weise von mehr Kommunen, von mehr als 100, 150 Kommunen so gehandhabt wird, ist natürlich die Städtebauförderung überhaupt nicht aktuell am Ball. Dann sind die Probleme schon wieder nachgewachsen, bevor überhaupt die alte Rechnung beglichen ist.

(Wolf [SPD]: Da gibt es doch einen Enno Hagenah, der Stadtrat war!)

- Ja, da muss man etwas ändern, aber nicht nur in Hannover. Wir haben 150 nicht abgerechnete Gebiete in ganz Niedersachsen. Da ist erst einmal die Behörde, die das zu verantworten hat, diejenige, welche die Förderung vergibt und die fragen muss, warum nichts passiert und wann die Abrechnung geliefert wird.

(Wolf [SPD]: Das hättest du aber als Stadtrat machen müssen!)

Die fehlende Differenzierung zwischen klassischer Sanierung und dem Programm „Soziale Stadt“ haben wir hier schon häufiger kritisiert. Aber in dieser Antwort wird noch einmal deutlich, dass Sie es nach wie vor nicht von der Seite der Landesregierung problematisieren. Wir haben nun einmal zu wenig Kooperation der Ministerien, auch wenn es jetzt einen Katalog gibt, mit dem Sie Handrei

chungen für die Kommunen geben. Wir haben eine viel zu starre Form mit förmlichen Sanierungsgebieten. Da drohen eben die Ausgleichsbeträge. Deswegen machen die besser Situierten bei dem Programm „Soziale Stadt“ nicht so gerne mit und sind am liebsten bei der förmlichen Festlegung nicht in den Gebieten, weil die Ausgleichsbeträge drohen. Wir haben zu wenig nicht investive Mittel zur Anregung der Eigeninitiative. Sie wollen jetzt sogar die Bezirksregierung Hannover sanktionieren, weil sie zu flexibel mit der Vergabe der Mittel umgeht. Wir finden, sie hat sich genau richtig verhalten. Die anderen Bezirksregierungen sollten wir auf den Stand bringen, wie sich die Bezirksregierung Hannover verhalten hat. Es wäre bei dem Programm „Soziale Stadt“ richtig, sich umgekehrt zu verhalten. Was mit dem Programm angestrebt wird, ist letztlich, Eigeninitiative vor Ort zu wecken. Das kann man schlichtweg nicht mit dem Bau von Häusern oder dem Modernisieren von Häusern. Da muss man auch den Leuten Möglichkeiten geben. Sie haben zu wenig Innovationsbereitschaft bei der Genehmigungsbehörde. Bei der Bezirksregierung Hannover z. B. wird die Innovationsbereitschaft gerade platt gemacht.

Ein Indiz für die Verunsicherung in der Landesregierung über die Qualität der Praxis ist aus unserer Sicht, dass sie nicht evaluieren wollen, dass sie nicht untersuchen wollen, wie denn der Stand in Niedersachsen ist. Sie verweisen auf die Untersuchung, die auf Bundesebene gemacht wird. Da ist auf Bundesebene ein einziges Projekt in ganz Niedersachsen in der Evaluation enthalten.

Wir brauchen doch eine Bestätigung, ob die theoretischen Werte, die Sie immer noch mit 1 Euro, der investiert wird, zu 8 Euro angeben, und die segensreiche Wirkung der Konzepte, die uns vorgelegt werden, auch tatsächlich in der Praxis umgesetzt werden. Sie prüfen überhaupt nicht, wie sich denn tatsächlich aus dem Ihnen vorgelegten Programm nachher in der Praxis das entsprechend vor Ort verändert.

Wenn wir herumreisen und uns in den Standorten umsehen, müssen wir erleben, dass meistens als allererstes die Prestigeprojekte, die Bauinvestitionen, realisiert werden, dass aber die arbeitsfördernden Maßnahmen, die sozial integrativen Maßnahmen, die Arbeit mit Jugendlichen überhaupt nicht aus den Pötten kommen, weil an der Stelle nichtinvestive Gelder nötig wären. Aber die stellen Sie nicht zur Verfügung. Wir meinen insofern, dass Sie hier Ihre politischen Schwerpunkte nicht

richtig gesetzt haben und in der Versorgung mit sozialem Wohnraum auf dem Rückzug sind. Deswegen brauchen Sie auch diese Anfrage, um einmal mit der großen Zahl zu prahlen. Aber in der Praxis weisen Sie nichts, zumindest nichts Neues vor.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Beckmann ist der nächste Redner.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon sehr bezeichnend, dass sich von insgesamt 22 Fragen nur eine einzige - Ziffer 17 - der Anfrage mit der Zukunft der Städtebauförderung im Lande Niedersachsen beschäftigt.

(Harden [SPD]: Das ist bei Zwischen- bilanzen immer so!)

Die Zukunft sollte uns eigentlich mehr interessieren als die Zahlen und Statistiken, die abgefragt werden und mit denen hier Vergangenheitsbewältigung betrieben werden soll.

(Beifall bei der CDU - Zuruf)

- Wenn man Leistung gebracht hat, kann man das auch tun.