Protocol of the Session on April 24, 2002

(Beifall bei der CDU)

Zu diesen Grundsatzfragen findet sich in der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion zu wenig. Insbesondere fehlt ein politisches Konzept dafür, wie eine bessere Verteilung der Aufgaben zwischen der EU und den Mitgliedstaaten konkret vorgenommen werden kann.

(Rabe [SPD]: Ziffer 14 ff., Herr Kol- lege! Da können Sie das mal nachle- sen!)

- Herr Rabe, Sie können das gleich in Ihrer Antwort zum Besten geben. - Die CDU-Fraktion spricht sich für eine Zuständigkeitsverteilung nach dem Prinzip der begrenzten Ermächtigung aus. Danach sollte die Europäische Union nur dann zuständig sein, wenn eine Kompetenz in den Verträgen ausdrücklich vorgesehen ist. Im Übrigen bleiben die Mitgliedstaaten zuständig.

Dabei ist es notwendig, einen dualen Kompetenzkatalog aufzustellen, in dem nicht nur die Zuständigkeiten der EU, sondern auch solche der Mitgliedstaaten festgehalten werden, die von einem Eingriff der Union ausgenommen sind. Dazu gehören z. B. der Staatsaufbau der Mitgliedstaaten, der Verwaltungsvollzug, die kommunale Selbstverwaltung, die öffentliche Daseinsvorsorge, das Bildungswesen und die Kulturförderung. Meine Damen und Herren, nur mit einem solchen dualen Kompetenzkatalog kann auf europäischer Ebene verhindert werden, was bedauerlicherweise in den letzten Jahren kompetenzrechtlich im Verhältnis zwischen Bund und Ländern in der Bundesrepublik Deutschland geschehen ist.

Die innerstaatliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern hat deutlich gemacht, dass den Ländern in der Praxis nur die Zuständigkeiten verblieben sind, die im Grundgesetz ausdrücklich als Länderkompetenz festgeschrieben wurden. In allen anderen Bereichen wurden die Bundeszuständigkeiten kontinuierlich zulasten der Länder ausgeweitet. Eine solche Entwicklung darf sich auf

europäischer Ebene nicht wiederholen. Daher muss künftig dafür Sorge getragen werden, dass die von mir in Grundzügen dargestellte Kompetenzordnung vor Beeinträchtigungen geschützt wird. Aus diesem Grunde wäre die Einrichtung eines besonderen politischen Gremiums sinnvoll, das die Einhaltung der Aufgabenverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten und des Subsidiaritätsprinzips überwacht. Dieses Gremium sollte zu einem frühen Zeitpunkt im Gesetzgebungsprozess angerufen werden und kurzfristig über Kompetenzfragen beschließen können.

Meine Damen und Herren, ein wesentliches Prinzip der Europapolitik ist die Transparenz. Der Bürger muss künftig klar erkennen können, wer für welche Entscheidungen in Europa die politische Verantwortung trägt.

(Beifall bei der CDU)

Die Bevölkerung in Europa muss die Möglichkeit haben, über ihre Volksvertreter - sei es über die nationalen Parlamente oder das Europäische Parlament - auf die Entscheidungen in der EU effektiv Einfluss zu nehmen. Dies ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Menschen auch in Zukunft die europäische Integration positiv mittragen.

Die CDU-Fraktion hält verschiedene Reformen auf der Ebene der EU-Organe für notwendig. So sollte die Gesetzgebung dem Rat und dem Europäischen Parlament gemeinsam obliegen. Das Recht zur Gesetzesinitiative muss neben der Kommission auch dem Europäischen Parlament und dem Rat zustehen.

(Rabe [SPD]: Das ist doch alles un- strittig!)

- Wenn es unstrittig ist, ist es ja gut. Man darf es ja öffentlich als Position der CDU hier einmal diskutieren.

(Rabe [SPD]: Sagen Sie ruhig: Das ist eine gemeinsame Position!)

Eine Beschränkung des Initiativrechts auf die Kommission mag in der Gründungsphase der EU gerechtfertigt gewesen sein. Der Fortentwicklung der EU wird sie in keiner Weise mehr gerecht. Die Kommission sollte die politisch verantwortliche Exekutive sein, wobei der Kommissionspräsident vom Parlament mit Zustimmung des Rates gewählt werden sollte. Auch hier besteht hoffentlich Übereinstimmung.

(Beifall bei der CDU)

Zudem sollte der Rat grundsätzlich mit Mehrheit entscheiden.

Die CDU-Fraktion fordert die Landesregierung auf, die genannten Reformvorschläge im Rahmen ihrer Zuständigkeit auf europäischer Ebene einzubringen und durchzusetzen.

(Rabe [SPD]: Genau das steht in der Antwort der Landesregierung!)

Es bestehen allerdings erhebliche Zweifel, ob die Bundesrepublik Deutschland aufgrund des erheblichen Ansehensverlustes der Bundesregierung im Bereich der Europapolitik - hier sind wir möglicherweise unterschiedlicher Meinung, Herr Rabe das notwendige Gewicht haben wird, gemeinsam und partnerschaftlich mit den anderen EUMitgliedern die notwendigen Reformen zu gestalten und durchzusetzen.

Es ist mehr als verständlich, dass es die Landesregierung im Rahmen der Beantwortung der Großen Anfrage der CDU-Fraktion vermieden hat, auch eine Bewertung der rot-grünen Europapolitik auf Bundesebene vorzunehmen. Dabei wäre eine kritische Auseinandersetzung mit der katastrophalen Europapolitik der Bundesregierung notwendig.

(Lachen bei der SPD - Rabe [SPD]: Jetzt überziehen Sie ein bisschen!)

- Jetzt wird es interessant, Herr Rabe. - Wie in anderen Politikbereichen fällt auch in der Europapolitik die Bilanz der rot-grünen Bundesregierung verheerend aus.

(Zuruf von der CDU: Das ist wahr!)

Seit dem Amtsantritt der Regierung Schröder sind auf europäischer Ebene Ansehen und Vertrauen, das Deutschland in der Regierungszeit von Helmut Kohl erworben hat, nachhaltig zerstört worden.

(Beifall bei der CDU - Rabe [SPD]: Nur aus bayerischer Sicht!)

Über Jahrzehnte war die Europapolitik Deutschlands von zwei Grundsätzen bestimmt: Parteiübergreifend wurde der demokratische Konsens gesucht und verfolgt; das ist ganz wichtig. Zudem war Deutschland immer der kluge Anwalt gerade auch der kleinen Mitgliedsländer.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Die Regierung Schröder hat mit dieser langen europapolitischen Konzeption gebrochen.

(Rabe [SPD]: Nennen Sie mal Bei- spiele!)

Bei der Besetzung der Kommission von Romano Podi entschied sich Bundeskanzler Schröder für eine einseitige rot-grüne Lösung und schloss die CDU/CSU von der Mitwirkung in der Brüsseler Kommission aus.

(Zuruf von der CDU: Unerhört!)

Bei der Besetzung des Verfassungskonvents wurden sowohl als Regierungs- als auch als Parlamentsvertreter europapolitisch wenig profilierte SPD-Mitgliedern benannt

(Rabe [SPD]: Wer vertritt denn den Bundesrat?)

- Ich erinnere an Herrn Teufel. - Dies ist umso weniger nachvollziehbar, als ein europäischer Verfassungsvertrag später die Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag benötigt. Zudem wurde die Balance zwischen den Großen und Kleinen in der EU von der Bundesregierung mehrfach empfindlich gestört. Das begann mit der vertragswidrigen Drangsalierung Österreichs,

(Lachen bei der SPD - Adam [SPD]: Niedersachsen unterstützt Haider! Das ist ja interessant!)

setzte sich fort mit demonstrativen Sondertreffen des Bundeskanzlers mit ausgesuchten großen Staaten und findet seinen Höhepunkt in dem Versuch, den Stabilitätspakt auszuhebeln, ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als Deutschland eine berechtigte Rüge kassieren soll.

Diese im Grunde europafeindliche Politik fördert eine Polarisierung, deren Folgen für die EU insgesamt noch gar nicht abzusehen sind. Bereits jetzt lässt sich sagen, dass der politische Schaden in der EU immens sein wird. Die Zeitung Die Welt hat in ihrer Ausgabe vom 8. Februar 2002 das Vorgehen von Bundeskanzler Schröder gegen den blauen Brief wie folgt dokumentiert:

„Es ist Wahlkampf in Deutschland. Und weil man eine Beschädigung des eigenen Landes fürchtet, ignoriert die Bundesregierung beim Wettstreit um einen vermeintlichen Punktgewinn in Brüssel jede europäische Scham

schwelle. Droht ein blauer Brief, sieht Deutschland, der einstige Musterschüler Europas, seine Reputation in Gefahr. Da schert sich niemand mehr um die große Idee Europas, die auch der Bundeskanzler so oft staatstragend beschwor und über deren Bedeutung der Außenminister mit zerquälter Miene dozierte.“

(Beifall bei der CDU)

„Der Preis für die Pflege der eigenen Eitelkeit ist hoch. Den Schaden nimmt Europa, nehmen seine Institutionen, seine Instrumente, seine Glaubwürdigkeit, vielleicht sogar seine Währung.“

Es ist schlimm, meine Damen und Herren, dass diese europapolitischen Amokläufe des Bundeskanzlers von der Landesregierung gebilligt und mit getragen werden.

(Rabe [SPD]: Sie überziehen ganz schön, Herr Biestmann!)

Ihre großen Worte und Erklärungen zur Europapolitik, Herr Minister Senff, werden von der europapolitischen Tagespolitik Ihrer Partei und Ihres Kanzlers wiederholt ad absurdum geführt.

(Beifall bei der CDU)

Sollte es für die SPD und den Wahlkampf des Bundeskanzlers kritisch sein, werfen Sie alle europapolitischen Grundsätze, die Sie auch hier im Landtag und im Land so häufig beschworen haben, über Bord und sekundieren Ihrem großen Vorsitzenden in Berlin. Es wird höchste Zeit, meine Damen und Herren, für eine neue Europapolitik in Deutschland, die an die großen Erfolge der Ära Kohl anknüpft

(Lachen bei der SPD)

und Deutschlands Rolle in einem größer und stärker werdenden Europa kräftigt. - Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Adam [SPD]: Oh Gott!)

Das Wort hat Herr Europaminister Senff.