Sie und die Ihnen nahe stehenden Verbände, das konservative Lager, waren ja nach der Veröffentlichung der PISA-Studie hinreichend geschockt - zu Recht!
Sie haben sich offensichtlich wieder eingekriegt und haben jetzt Ihre Reaktion auf die Ergebnisse von PISA gefunden. Es ist schon auf eine bemerkenswerte Weise interessant, wie konservative Bildungspolitiker diesen doppelten Rittberger hinbekommen und die Erkenntnisse von PISA so lange hin und her biegen, bis es in ihr konservatives Weltbild passt.
Da wird schlichtweg ignoriert, dass die allermeisten Länder, die besser sind als Deutschland, eben gesamtschulähnliche Systeme haben, dass sie Ganztagsschulen anbieten.
Dann verweisen Sie - wie wir sicherlich auch - auf Finnland und meinen, die wesentlichen Gründe dafür seien, dass die möglicherweise besser ausgestattet wären oder dass sie bei ausländischen Filmen - so war es in der Anhörung zu hören Untertitel hätten. Sie ignorieren völlig, dass andere Länder, die gesamtschulähnliche Systeme haben - wie z. B. Großbritannien, Italien, Frankreich -, zum Teil eine geringere Ausstattung haben als unser deutsches Bildungssystem, aber trotzdem bessere Ergebnisse.
Die Antwort auf PISA - wir haben das gründlich gelesen - ist für das konservative Lager die Auslese nach der 4. Klasse, ist das gegliederte Schulwesen in Reinkultur. Das ist eben das Schulsystem der 50er-Jahre.
Da können sich die konservativen Lehrerverbände noch so sehr - dies ist ja in der Anhörung so geschehen - hinstellen: Das ist ein Vorwurf, der stimmt. Das ist die schlichte Wahrheit. Das ist das Modell von gestern.
Wenn Sie die Anhörung noch einmal Revue passieren lassen, könnten Sie dann bestätigen, dass 90 % aller angehörten Verbände
in unserem Sinne und gegen Sie argumentiert haben und dass die restlichen 10 % in einem anderen Sinne, aber auch gegen Sie argumentiert haben, dass nicht ein einziger Verband in Ihrem Sinne argumentiert hat? Könnten Sie das hier heute so bestätigen?
Ich will einmal ganz eindeutig sagen: Für Sie ist logischerweise - ich kann das akzeptieren, teile diese Meinung aber nicht - der Stein der Weisen die Bildung homogener Lerngruppen. Das ist Ihr Modell. Sie wollen das begabungsgerechte Schulsystem.
Das ist Ihr Modell. Das muss festgestellt werden. Bei Ihrem Modell - das haben in der Anhörung viele genau so gesagt - werden die Schülerinnen und Schüler im Alter von zehn Jahren in feste Schubläden gepresst. Das ist so. Dies ist eine klare Absage an die Ausschöpfung des Bildungspotentials. Ihre Position ist in diesem Sinne in der Anhörung auch so kritisiert worden. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.
Die Bildung - das wurde von vielen Verbänden gesagt - heterogener Lerngruppen ermöglicht höhere Abschlüsse, höhere Leistungsniveaus sowohl der schlechteren und der mittleren als auch der besseren Schülerinnen und Schüler. Das genau ist das System, das in anderen Ländern gemacht wird. Dies halten wir auch für richtig.
Wir sind konsequent. Wir machen keine Auslese nach der 4. Klasse. Darum weise ich das entschieden zurück, was Frau Litfin gesagt hat. Bei uns ist das gemeinsame Lernen bis zum 6. Schuljahr eindeutig festgelegt. Mit unserem Modell bleibt das gemeinsame Lernen erhalten, und wir werden daran festhalten.
Ich habe noch drei Minuten und möchte jetzt zum Schluss meiner Ausführungen kommen. Wir können das hinterher noch diskutieren.
Der Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen - das will ich anerkennen - gehört sicherlich ins Lager fortschrittlicher Bildungsauffassung - eindeutig. Wir begrüßen es, dass die Grünen hier einen eigenen Vorschlag zum Schulgesetz vorgelegt haben. Das unterscheidet sie deutlich von der CDU.
Wir folgen aber Ihren Vorstellungen nicht, und zwar aus eindeutigen Gründen. Der Vorschlag der Grünen mit der sechsjährigen Grundschule entspricht nicht den Interessen und Bedürfnissen der Eltern. In der DIPF-Untersuchung ist das abgefragt worden. Weit mehr als 60 % der Eltern sehen es als schlecht oder als eher schlecht an, wenn die Kinder sechs Jahre lang gemeinsam in die Grundschule gehen.
Aber darüber hinaus muss man das finanzielle Moment sehen. Die flächendeckende Einführung der sechsjährigen Grundschule - selbst bis zum Jahre 2012 - ist von den Städten und Gemeinden des Landes gar nicht zu bezahlen. An nahezu sämtlichen Grundschulen müssten Räume ausgebaut werden, müssten zusätzliche Räume für die 5. und 6. Klassen geschaffen werden.
Hingegen würden die Räume in den Schulzentren leer stehen. Das ist schlichtweg volkswirtschaftlicher Unsinn.
Zudem muss ich grundsätzlich feststellen, dass die Grünen bei der Frage der Kosten sehr unehrlich sind. Diese Schulform mag für den Landeshaushalt möglicherweise keine zusätzlichen Kosten verur
sachen, wenn man sie so wie geplant umsetzt. Aber das ist zu bedauern. Bei unserem Modell, das die Förderstufe vorsieht, setzen wir zur Förderung der Schülerinnen und Schüler im Rahmen der Förderstufe zusätzliche Mittel in Höhe von etwa 17 Millionen Euro ein. Von diesen Mitteln finde ich bei den Grünen gar nichts. Wir nehmen Förderung ernst. Bei euch habe ich das nicht gefunden.
Meine Damen und Herren, außerdem muss man sich natürlich auch die pädagogischen und entwicklungspsychologischen Aspekte zu Gemüte führen, die gegen den Vorschlag der Grünen sprechen.
Die Verlängerung der Grundschulzeit aus pädagogischen Gründen halten zahlreiche Pädagogen, Erziehungswissenschaftler und Psychologen für falsch. Im Alter von etwa zehn Jahren ist eine neue Lebenserfahrung, ist ein Wechsel in eine andere, weiterführende Schulform - für uns dann die Förderstufe - eine notwendige Erweiterung des Erfahrungshorizontes. Das Kind stellt sich neuen Herausforderungen, die es bei beginnender Pubertät auch braucht.
Also: Aus finanziellen, organisatorischen und pädagogischen Gründen ist die sechsjährige Grundschule kein Zukunftsmodell für Niedersachsen. Das wird interessanterweise auch von den Verbänden so gesehen. Der VBE hat sich auf eine entsprechende Frage von mir, wie sie die verschiedenen Vorschläge beurteilten, wenn sie die Abschaffung der Orientierungsstufe akzeptierten, folgendermaßen eingelassen: CDU-Modell - generell Nein. Aber das Grünen-Modell generell auch nicht, weil es für Niedersachsen nicht passt. - Insoweit stimmt der VBE eher unserem Modell zu.
Meine Damen und Herren, die Ausführungen im Grünen-Entwurf zur Integration sind sehr interessant. Aber ich weise den Vorwurf der Grünen zurück, dass sich in diesem Bereich nichts mehr be
wegen würde. Im Gegenteil: Wir haben Integration weiter vorangebracht. Wir sind keinesfalls stehen geblieben. „Lernen unter einem Dach“ wird weiter eingeführt. Zu Beginn des nächsten Schuljahres werden weitere 33 Stellen für Regionale Integrationskonzepte geschaffen. Wir machen eindeutig weiter auf dem Weg der Integration.
(Schünemann [CDU] - zur SPD -: Nun klatscht doch endlich! - Gegenruf von Frau Seeler [SPD]: Das ist selbst- verständlich! Da brauchen wir nicht zu klatschen!)
Meine Damen und Herren, die Anregungen zur Schulkonferenz halten wir ebenfalls für durchaus interessant. Allerdings sind die Vorschläge, die Sie unterbreiten, sehr bürokratisch aufgeplustert. Wir halten es für vernünftig, diese Ideen im Kontext der Entwicklung hin zu autonomen Schulen und im Zusammenhang mit der Evaluation zu diskutieren. Auf diese Weise macht es Sinn, diese Anregungen im Zusammenhang mit der umfassenden Schulgesetznovelle in der nächsten Legislaturperiode zu diskutieren.