Protocol of the Session on April 23, 2002

Meine Damen und Herren, bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich Frau Kollegin Litfin Gelegenheit zu einer persönlichen Bemerkung nach § 76 unserer Geschäftsordnung geben. Bitte schön, Frau Kollegin Litfin!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Frau Ministerin hat hier behauptet, ich hätte ihr nach der Pressekonferenz, auf der Frau Harms und ich unseren Schulgesetzentwurf vorgestellt haben, erklärt, wir würden diesen Entwurf aus taktischen Erwägungen noch nicht veröffentlichen. Ich erkläre hier: Ich habe nach dieser Pressekonferenz – in den darauffolgenden Tagen – mit der Ministerin überhaupt nicht gesprochen, schon gar nicht über unseren Entwurf zum Schulgesetz. Ich habe einige Zeit später mit sozialdemokratischen Kollegen, insbesondere mit dem Kollegen Meinhold, den ich ab und an auf dem Landtagsflur treffe,

(Oh! bei der CDU)

gesprochen. Er hat mich gefragt: Können wir euren Gesetzentwurf haben? – Daraufhin habe ich ihm gesagt: Noch nicht, weil wir den Gesetzentwurf noch mit Erziehungswissenschaftlern und Erziehungswissenschaftlerinnen beraten wollen. - Dann haben wir den Gesetzentwurf pünktlich zu dieser Plenarsitzung – nach den vorgesehenen Fristen – abgegeben. Am Sonntag traf ich die Frau Ministerin in Bergen-Belsen. Auf dem Weg zur Veranstaltung in der Gedenkstätte sprachen wir beide über den Ablauf der Gesetzesberatungen. Ich sagte ihr, dass ich darauf Wert lege, dass unser Gesetzentwurf eigenständig beraten wird, weil ich – das seien meine taktischen Erwägungen – die Befürchtung habe, dass unser Gesetzentwurf sonst neben dem der SPD-Fraktion untergehe. Daraufhin sagte die Ministerin zu mir: Aus taktischen Überlegungen wollen wir, dass das gemeinsam beraten wird. – So hat sich das abgespielt.

(Beifall bei den GRÜNEN – Buse- mann [CDU]: So sind die!)

Bitte schön Frau Ministerin!

(Busemann [CDU]: Darf man persön- liche Erklärungen debattieren?)

Eine kleine Ergänzung. Ich bitte um Entschuldigung, Frau Präsidentin, dass ich noch eine kleine Ergänzung vornehmen muss.

(Frau Harms [GRÜNE]: Eine Ergän- zung zu einer persönlichen Bemer- kung?)

Die Landesregierung kann doch, glaube ich, Stellung nehmen!

Frau Ministerin Jürgens-Pieper, ich darf Sie ganz kurz unterbrechen. Der Kollege Busemann hat sich zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, wenn persönliche Erklärungen abgeben werden: Seit wann werden die debattiert?

(Beifall bei der CDU - Adam [SPD]: Sie kann doch eine persönliche Erklä- rung abgeben! - Weitere Zurufe)

Sie haben Recht, Herr Kollege Busemann. Das ist richtig so. Wir werden das bei anderer Gelegenheit weiter diskutieren.

Ich wollte gerne eine persönliche Erklärung dazu abgeben.

(Zurufe von der CDU: Das geht nicht!)

Frau Ministerin, ich bitte Sie, das an anderer Stelle zu klären. Es geht im Moment nicht, Frau Ministerin.

(Möllring [CDU]: Das ist eine Unver- schämtheit gegenüber dem Parlament! - Gegenruf von Adam [SPD]: Sie da drüben müssen von Unverschämtheit reden, Möllring! An Ihrer Stelle wür- de ich ganz ruhig sein! - Weitere Zu- rufe - Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt auf

Tagesordnungspunkt 6: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Niedersächsischen Bauordnung - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD – Drs. 14/3330

Zur Einbringung hat sich Herr Kollege Harden gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir können nun wieder zu etwas ruhigeren Umgangsformen zurückkehren. Wir kommen zur Bauordnung.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung der Niedersächsischen Bauordnung setzt die SPD-Fraktion zwei Schwerpunkte:

Zum einen wird die vor sieben Jahren eingeführte Baugenehmigungsfreiheit fortgeführt, erweitert und dem zwischenzeitlich geänderten Baugesetzbuch angepasst. Die Prüfeinschränkung, die 1996 als Verordnung erlassen worden ist, wird neu ins Gesetz aufgenommen. Damit wird die Experimentierphase beendet, die Erfahrungen werden ausgewertet und in die Bauordnung übernommen.

Zum Zweiten führen wir die vielfach schon freiwillig eingeführte und vorweggenommene Barrierefreiheit bei der Errichtung neuer Wohn- und Verwaltungsgebäude in das Gesetz ein. Die Anforderungen des Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes erfüllen wir damit zeitnah für zwei wichtige Lebensbereiche. So sollen in Gebäuden mit mehr als vier Wohnungen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei sein. „Barrierefrei“, das wissen wir, heißt nicht „rollstuhlgerecht“. In jeder achten Wohnung eines Gebäudes müssen die

Wohn- und Schlafräume, Toilette, Bad und Küche künftig rollstuhlgerecht sein. Wir meinen, dass dies bei kluger Planung ohne wesentliche Mehrkosten einzuhalten ist.

Hinzu kommt: Es gibt immer mehr alte Menschen, und es gibt auch immer mehr Menschen mit Handikaps, für die Barrierefreiheit eine wesentliche Erleichterung im Alltag bedeutet. Es ist eine moderne und zugleich Rücksicht nehmende Bestimmung, die sich in Zukunft segensreich auswirken wird.

Wir wissen, dagegen wird schnell das Kostenargument ins Feld geführt. Dieses Argument ist auch nicht immer falsch. Deswegen haben wir eine Ausnahmemöglichkeit für die Fälle vorgesehen, in denen das eigentliche Ziel nur mit unverhältnismäßigem Mehraufwand zu erreichen ist.

Kernpunkte dieser Novelle sind die §§ 69 a und 75 a. Der Landtag hat 1995 die Landesregierung aufgefordert, nach vier Jahren des Umgangs mit § 69 a einen Erfahrungsbericht vorzulegen, dessen Ergebnisse dann wiederum in die NBauO einfließen sollten. Dieser Bericht liegt dem Landtag seit langem vor. Er hat gezeigt, dass der § 69 a breite Anwendung gefunden hat und dass das Ziel, Baugenehmigungsverfahren zu verkürzen, erreicht wurde.

(Hagenah [GRÜNE]: Aber um wel- chen Preis!)

Architekten, Baugewerbe und Handwerk haben im Gegensatz zu vielen Bauaufsichtsbehörden den § 69 a positiv gewürdigt und möchten nicht mehr auf diese Möglichkeit verzichten, zeitnah und verlässlich planen zu können.

Die Bauämter haben in vielen Fällen über massive Verstöße gegen die Vorschriften der Bauordnung berichtet und führten diese vor allem auf den leichtfertigen Umgang mit dem neuen § 69 a zurück. Die Parlamentarier haben diese Auffassung nicht ganz geteilt. Wir als Ausschuss haben uns deswegen gesagt, wir fahren da mal hin und lassen uns das mal vorführen. Wir waren bei drei Kreisverwaltungen: in Lüneburg, in Gifhorn und in Westerstede.

Das Ergebnis war: Verstöße gegen materielles Baurecht wie Unterschreitung von Baugrenzen oder Baulinien, von Abstandsgrenzen oder Abweichungen vom Entwurf gibt es sowohl bei genehmigten wie bei genehmigungsfreien Bauten. Das

wurde besonders in Lüneburg deutlich, wo die Verwaltung uns beides vorgeführt hat, weil sie offenbar den Auftrag nicht richtig verstanden hat. Allerdings werden unbeabsichtigte Planungsfehler bei Bauvorhaben, die ein Baugenehmigungsverfahren durchlaufen, auffällig und können abgestellt werden. Bei Vorhaben nach dem § 69 a wurden Verstöße gegen die speziellen Vorschriften des § 69 a auffällig, die sich durch Gesetzesänderungen durchaus abstellen lassen.

Da die Verstöße gegen den Bebauungsplan vor Ort zuerst auffallen und deswegen auch schnell gehandelt werden muss, bevor das Haus fertig ist, kommt es auf eine gute Zusammenarbeit von Gemeinden und Bauaufsichtsbehörden an. Daran hat es offenbar in vielen Fällen gemangelt. Wenn die Abstandsgrenzen erkennbar schon bei der Bodenplatte unterschritten werden, muss der Bau sofort stillgelegt werden. Das heißt in der Regel, die Kreisverwaltung muss binnen 24 Stunden vor Ort sein und den Bau stilllegen. Sonst ist der Rohbau fertig, der Schaden nicht mehr zu beheben, und es kommt nur noch zu einem langen Rechtsstreit. Aber den wollen wir nicht.

Deswegen war eine Idee, die wir im Ausschuss hatten, die Gemeinden der Ortsnähe wegen stärker in das Baugeschehen einzubinden. So muss zukünftig ein Entwurf, also ein Lageplan und ein Satz Zeichnungen, bei der Gemeinde bzw. bei der Stadt eingereicht werden. Mit dem Bau darf erst begonnen werden, wenn die Gemeinde erklärt hat - wie bisher -, dass a) die Erschließung gesichert ist und sie b) darauf verzichtet, nach § 15 Abs. 1 Baugesetzbuch eine vorläufige Untersagung des Bauvorhabens zu beantragen - z. B. weil sie vorhat, eine Veränderungssperre zu erlassen oder das bereits getan hat.

Im Unterschied zu der Regelung von 1995 kann mit dem Bau erst begonnen werden, wenn dem Bauherrn diese doppelte Bestätigung der Gemeinde vorliegt. Das ist nach spätestens einem Monat der Fall; das ist die Frist, die auch in anderen Verfahren nach Baugesetzbuch vorgesehen ist. In der Regel ist damit keine Verzögerung verbunden, insbesondere nicht bei Bebauungsplänen neueren Datums und wenn die Gemeinde ein Interesse daran hat, dass schnell gebaut und die Sache nicht verzögert wird.

Weiter muss auch bei genehmigungsfreien Bauvorhaben zukünftig ein Bauschild angebracht werden, wie das bei anderen Bauvorhaben bereits seit

langer Zeit der Fall ist. Daraus gehen auch Bauherr und Handwerksbetriebe hervor.

Deutlich wurde bei den Fachgesprächen vor Ort auch, dass die möglichen Bußgelder auch bei den massivsten Verstößen viel zu gering sind. Häufig konnte man die schon in die Kalkulation mit einbeziehen. Man hat gesagt, es gibt eine Strafe von 3 000 bis 5 000 DM, das kann man bei den Kosten leicht mit unterbringen, das nehmen wir in Kauf, Schlimmeres passiert nicht. - Deshalb wird von bisher 5 000 Euro, sprich 10 000 DM, auf 50 000 Euro bzw. von 50 000 Euro auf 500 000 Euro erhöht. Abschreckung muss sein.

Inhaltlich wird der § 69 a erweitert auf Wohngebäude geringer Höhe, auch mit mehr als zwei Wohnungen, und in Gebieten, die per Bebauungsplan als Kleinsiedlungsgebiet, reines und allgemeines oder besonderes Wohngebiet festgelegt sind. Damit ist die mögliche Bebauung derart qualifiziert, dass die Genehmigungsfreiheit erst möglich wird.

Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren, das jetzt im neuen § 75 a zu finden ist, werden Wohngebäude bis zur Hochhausgrenze, also 22 m, eingeschossige Gebäude bis 200 m² Grundfläche und landwirtschaftliche Gebäude bis 1 000 m² Grundfläche sowie die Gebäude ohne Aufenthaltsräume mit bis zu drei Geschossen erfasst. Zur Prüfung kommt dann nur noch das städtebauliche Planungsrecht: die Abstandsregelungen, die Einstellplätze und der Brandschutz sowie die Standsicherheit bei Bedarf. Diese Regelung hat sich als Prüfeinschränkungsverordnung bewährt und wird jetzt Gesetz.

Weitere kleinere Änderungen betreffen die Anforderungen an die Vorgaben, wie Bauaufsichtsbehörden personell auszustatten sind. So können zukünftig die Bezirksregierungen auch Gemeinden ab 20 000 Einwohnern die Möglichkeit einräumen, untere Bauaufsichtsbehörde zu werden. Damit sollen die kommunale Selbstverwaltung gestärkt und eine größere Ortsnähe ermöglicht werden. Wir gehen davon aus, dass von dieser Möglichkeit erst nach und nach Gebrauch gemacht werden wird.

Abgeschafft wird die Vorschrift des § 64 Abs. 2, wonach Bauaufsichtsbehörden Bedienstete mit der Befähigung zum höheren technischen Verwaltungsdienst sowie Bedienstete mit der Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst angehören müssen. Ich bitte, das nicht falsch zu verstehen. Es bleibt bei der Anforderung, dass

geeignete Fachkräfte vorzuhalten sind. Damit haben aber die Kreise, Städte und Gemeinden mehr Gestaltungsfreiheit bei Einstellungen. Ohne qualifiziertes Fachpersonal, das ist klar, lassen sich die umfangreichen Aufgaben nicht bewältigen. Allerdings war die bisherige Regelung ein Ausdruck staatlicher Misstrauensverwaltung, wenn man es bösartig formuliert, die anachronistisch geworden ist.

Ferner: Baugenehmigungsfrei werden auf allgemeinen Wunsch zukünftig Carports und Gartenhäuser bis zu 40 m³ Rauminhalt sowie Gewächshäuser bis 30 m³, dies allerdings nur im Innenbereich, damit nicht die ganze Gegend mit Dingen vollgebaut wird, die wir da nicht haben wollen.

Mit den vorliegenden Änderungen wird der Versuch unternommen, entgegen den zunehmend komplexer werdenden Vorschriften die Vereinfachung der 90er-Jahre durchzuhalten und noch zu erweitern. Die SPD-Fraktion ist im Verfahren für Verbesserungsvorschläge offen. Wir wünschen uns eine intensive, gleichwohl zügige Beratung, damit die am Bau Beteiligten recht bald von den Erleichterungen Gebrauch machen können.

Wir haben eine Bitte. Wir möchten, dass auch der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr und der Unterausschuss für Tourismus und Heilbäderwesen an der Beratung beteiligt werden, weil im Verfahren auch noch Gaststätten erwähnt worden sind. Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Harden. - Der nächste Redner ist Herr Kollege Decker.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Harden hat eben sehr umfangreich die Grundzüge dieser Novellierung der Niedersächsischen Bauordnung dargestellt. Deswegen brauche ich auf die Details nicht mehr einzugehen.