Protocol of the Session on March 13, 2002

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat die Kollegin Pothmer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Arbeitsmarktpolitik wurde bereits in der Januar-Plenarsitzung genutzt und, wie ich finde, auch ein Stück weit benutzt, um bundespolitische Debatten in einem zweiten Aufguss zu präsentieren. Ich glaube, dass wir mit solchen Debatten nicht den geringsten Beitrag zur Lösung der Problematik der Arbeitslosigkeit leisten. Bereits im Januar hatte ich den Eindruck - dieser Eindruck wiederholt sich leider heute -, dass es hier nur noch darum ging und geht, dass ein taffer Kerl einem anderen taffen Kerl mit noch tafferen Vorschlägen übertrumpft. Eine ernsthafte Auseinandersetzung wird mit solchen, wie ich finde, künstlichen und nur auf Abgrenzung orientierten Debatten verhindert.

Herr Wulff, Sie haben sich die Mühe gemacht, alle Vorschläge, die die CDU-Fraktion hier in Niedersachsen schon in Anträgen formuliert hatte, die die CSU in Bayern formuliert hat, die in Berlin und auch in Hessen formuliert worden sind, nochmals in zwei Anträgen zusammenzufassen. Das ist sicherlich eine ordentliche Leistung in Sachen Textrecycling, aber wirklich Neues bringen Sie damit natürlich nicht. Ich will Sie mal auf einige Forderungen hinweisen.

Sie fordern die sofortige Einschaltung von privaten Vermittlern. Sie fordern ein Gutscheinsystem für Arbeitssuchende. Und Sie fordern Leistungsanrei

ze für Vermittler. Während Sie hier in Niedersachsen diese Forderungen erheben, schreien ihre CDU/CSU-Kollegen in Berlin Zeter und Mordio.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Wie bitte?)

In Berlin beklagen sie, dass die Regierungskoalition genau diese Vorschläge in dieser Woche vorgelegt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN - Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das fordern wir seit drei Jahren!)

So weit zur Konsistenz Ihrer Politik.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Wer hat denn das kritisiert?)

Herr Wulff, im Sinne der Arbeitslosen fände ich es sehr viel hilfreicher, Sie würden mal mit Ihren Kollegen in Berlin sprechen, anstatt an dieser Stelle diese Forderungen an das Land Niedersachsen zu erheben.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das haben wir seit drei Jahren gefordert, Frau Pothmer!)

- Warum blockieren Sie das denn jetzt?

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Wer blockiert Prämien? Wer blockiert private Vermittler?)

- In Berlin wird genau das, was Sie hier fordern, derzeitig von Ihren Kollegen blockiert!

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das ist doch gar nicht wahr!)

Sie geben vor, in 26 Punkten die Arbeitsmarktpolitik neu zu strukturieren. Ich verzichte darauf, Ihnen jetzt noch einmal vorzutragen, was von diesen Punkten im Job-Aqtiv-Gesetz bereits alles geregelt ist. Sie sind offensichtlich nicht bereit, das zur Kenntnis zu nehmen. Ich will Sie aber darauf hinweisen, dass über die Regelungen im JobAqtiv-Gesetz hinaus längst weitere Regelungen beschlossen worden sind:

(Zuruf von Frau Schliepack [CDU])

Beispielsweise die Entbürokratisierung der 325Euro-Jobs, die tatsächlich ein Problem darstellt; deshalb muss das Kind aber nicht gleich mit dem Bade ausgeschüttet werden, wie es Ihr Antrag vor

sieht;.die Überwindung der Teilzeitmauer mit der flächendeckenden Einführung des Kombilohns, der im Großen und Ganzen Ihren Vorstellungen entspricht.

Gleiches für die befristete Gewährung eines Einstiegsgeldes, das einen größeren Anreiz zur Arbeitsaufnahme schaffen soll.

Angesichts dieser Übereinstimmungen frage ich mich, ob Sie mit Ihren Vorschlägen nur einen Popanz aufbauen, damit Sie etwas haben, auf das Sie einschlagen können.

Ich will jetzt aber doch noch einmal auf Niedersachsen zurückkommen. In welchem Ausmaß die bevorstehenden Bundestagswahlen die Sacharbeit bereits jetzt blockieren, konnten wir in der letzten Ausschusssitzung sehen. Eine Fachdebatte war jedenfalls selbst in nichtöffentlich tagenden Ausschüssen nicht mehr möglich. Die drei Beratungsgegenstände, die heute zur Abstimmung stehen, standen auf der Tagesordnung. Ich kann Ihnen sagen: Die Beratung im Ausschuss war eine reine Farce. Das lag ausschließlich an den Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben es tatsächlich zustande gebracht, den CDU-Antrag mit der Begründung abzulehnen, der sei zu unkonkret, während Sie den Antrag der Grünen mit der Begründung abgelehnt haben, der sei zu konkret.

(Frau Schliepack [CDU]: So ist es, genauso! - Frau Harms [GRÜNE]: So sind sie!)

- So sind sie. - Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion und Herr Schwarz, vielleicht kann man es sich leisten, die Vorschläge anderer Fraktionen zurückzuweisen, wenn man denn tatsächlich eine gute Bilanz vorzulegen hat. Das ist Geschmackssache. Aber in einer Situation, in der Niedersachsen die rote Laterne in Sachen Arbeitslosigkeit hat, finde ich, ist diese Haltung in hohem Maße arrogant!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Nun versuchen Sie, nicht mehr die Quote der Arbeitslosigkeit, sondern den Anstieg der Arbeitslosigkeit zum Maßstab von Erfolg zu machen. Da lacht doch die Koralle! Immer so, wie es Ihnen gerade passt.

(Frau Pawelski [CDU]: Wer lacht? - Wulff [Osnsbrück] [CDU]: Welcher Kollege lacht?)

Ich kann Ihnen nur sagen: Diese Mischung von Arroganz und Ahnungslosigkeit - ich möchte das vorsichtig ausdrücken, damit ich keine Rüge bekomme

(Möhrmann [SPD]: Das war sehr vor- sichtig!)

finde ich richtig gefährlich für die Arbeitslosen in diesem Lande. Wenn ich mir den Antrag ansehe, den Sie gestellt haben, dann kann ich Ihnen nur sagen: Mir wird wirklich blümerant, wenn ich daran denke, auf welchem Niveau diese Debatten geführt werden. Sie als SPD-Fraktion sehen sich offensichtlich genötigt, einen Antrag zu stellen, in dem Sie die Landesregierung auffordern, im Bündnis für Arbeit die Vorschläge der Bündnispartner zur Nutzung von Arbeitsplatzpotenzialen aufzunehmen.

(Frau Pawelski [CDU]: Peinlich!)

Ich habe immer gedacht, deswegen sitzen die zusammen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Heiter- keit bei der CDU)

Welche Auffassung haben Sie in der SPD-Fraktion eigentlich von der Kommunikationsfähigkeit Ihrer Landesregierung, wenn Sie sich genötigt sehen, solche Anträge zu stellen? – Das kann doch nur bedeuten, dass die Landesregierung im letzten Stadium des Autismus angekommen ist, und deswegen schreiben Sie solche Anträge.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPDFraktion, ich habe es endgültig satt, dass Sie für sich in Anspruch nehmen, die Beschäftigungspolitik sei Ihr Erbhof. Ich will Ihnen als weichende Erbin sagen: Wenn das tatsächlich irgendwann einmal Ihr Erbhof gewesen sein sollte, dann haben Sie Ihr Erbe aber verdammt schlecht verwaltet!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Bei der Einführung von Kombilohn mussten Sie zum Jagen getragen werden. Das Bündnis für Arbeit dümpelt so vor sich hin, dass Sie solche Anträge stellen müssen. Die Menschen, die durch den Verein zur Beschäftigungssicherung der Metallindustrie einen Arbeitsplatz gefunden hatten, muss

ten erst einmal entlassen werden, damit diese Landesregierung in die Strümpfe kommt. Und der Ministerpräsident droht, allen unter 25-jährigen jungen Menschen die Unterstützung zu streichen, wenn sie keinen Arbeitsplatz annehmen. Diese Forderung erhebt er aber zu einem Zeitpunkt, zu dem die Jugendarbeitslosigkeitsquote in Niedersachsen exorbitant hoch ist. Mit solchen Forderungen schaffen Sie überhaupt keine Arbeitsplätze, sondern Sie lenken von Ihrer eigenen Verantwortung ab und schieben denjenigen, die die Opfer Ihrer Politik sind, auch noch die Verantwortung zu.

Ich will Ihnen sagen: Ich fände es sehr viel klüger, wenn wir in den Ausschüssen - auch hier im Parlament - konkrete Vorschläge zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, wie wir sie in unserem Antrag „Beschäftigungsoffensive ‚Zeitarbeit mit 50plus‘ starten“ aufgeführt haben, machten. Wir wissen doch längst, dass es nicht den einen einzigen Königsweg gibt, sondern dass es sehr differenzierte und auf die Zielgruppen orientierte Vorschläge und Konzepte geben muss. Mir wäre es lieber - das richte ich auch an die CDU-Fraktion -, Sie würden sich den Mühen, die diese Ebene sicherlich mit sich bringt, etwas stärker unterziehen und in diese Richtung zielgerichtete Anträge stellen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Pothmer, Sie haben als Vergleich für einen etwas abwertenden Bereich den Begriff „Autismus“ verwandt. Im Interesse der Würde aller Kranken gilt dasselbe, was ich zu Herrn Schwarz gesagt habe. Insofern bekommen auch Sie einen Ordnungsruf.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Ich habe den einen Begriff vermieden und den anderen gesagt!)

Frau Pawelski hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schwarz, vorweg drei Bemerkungen an Sie:

Erstens. Damit Sie es ganz klar hören: Die beiden neuen Anträge, die auf der Tagesordnung stehen, sollen Initiativen des Landes Niedersachsen für den Bundesrat sein. Ich dachte, dass Sie das vielleicht selber lesen. Aber da Sie es nicht gelesen

haben, wollte ich dies noch einmal ganz deutlich sagen.

Die zweite Bemerkung bezieht sich auf die 630 DM-Verträge. Ich finde es schon stark, dass Sie bei den 630 DM-Verträgen die Wörter „sozial“ und „Renten“ in den Mund nehmen. Mit den neuen Regelungen erwirbt eine Frau einen jährlichen Rentenanspruch von nicht einmal 5 DM. Und das nennen Sie eine soziale Regelung? Wo leben Sie denn?!