Ich will nicht verhehlen, dass die Landesregierung hier und da Handlungsbedarf wahrnimmt und versucht zu handeln. Aber es bleibt auch einiges offen, z. B.: Wann wird das vom Land geplante Projekt zur Aufnahme der Bestandsdaten der öffentlichen Bibliotheken in eine Verbunddatenbank realisiert?
Darüber hinaus muss sich die Landesregierung auch darüber im Klaren sein, dass sich gerade angesichts der PISA-Studie das Land bezüglich der Leistungsfähigkeit der kommunalen Bibliotheken nicht aus der Verantwortung nehmen darf. Das Land darf nicht nur die Musik bestellen, es muss auch die Kommunen in die Lage versetzen, entsprechend zahlen und handeln zu können.
Als Letztes möchte ich auf die Neuregelung durch das NHG hinweisen. Künftig soll die Verantwortung für die Bibliotheken bei den Hochschulen liegen. Die übergeordnete staatliche Verantwortung zum Sammeln, Aufbewahren und Aufbereiten von Informationen und deren Zugänglichkeit zu garantieren, wird - freundlich ausgedrückt - delegiert. Boshaft würde man davon sprechen, dass dem Hochschulpräsidenten der schwarze Peter der Mangelverwaltung zugeschoben wird. Man wird sehen, wie sich das entwickelt. Die vorliegenden Daten sind gerade deshalb wichtig, weil auf dieser Basis eine Evaluation und ein Datenvergleich der heutigen und künftigen Situation positiv begleitet werden kann und auch begleitet werden muss.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die universitäre Literaturversorgung und die Förderung der kommunalen Bibliotheken dürfen nicht weiter geschwächt werden. Der Qualitätsverlust in der Literaturversorgung darf nicht weiter fortschreiten.
Organisatorischer Wandel benötigt Motivation, einen neuen Führungsstil, ein politisches Konzept, einen angemessenen Zeitplan, in dem sich Zielstrebigkeit ausdrückt, und einen Etat, der das alles ermöglicht. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Bibliotheken sind dazu bereit. Eine Landesregierung aber, die erst handelt, wenn z. B. das bisherige Rechnersystem - siehe Seite 9 der Antwort auf die Große Anfrage - seine maximale Ausbaustufe erreicht hat, ist nicht Sachwalter der niedersächsischen Interessen. Wer heute Anträge vorbereitet, sie morgen stellen will, damit vielleicht übermorgen Probleme abgestellt werden, die sich bereits vorgestern abgezeichnet haben, der hat geschlafen. Der soll auch weiter schlafen, aber nicht regieren.
- Entschuldigung, erst der Minister. Wir hätten das gerne vorher gewusst. Wir nehmen es aber auch so zur Kenntnis. - Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir heute Gelegenheit haben, über die Situation der Hochschulbibliotheken in Niedersachsen zu diskutieren. Die CDUFraktion hat das unter die Überschrift gestellt: „Situation der Hochschulbibliotheken in Niedersachsen - Gestiegene Anforderungen, unzureichende Mittel“. Dabei muss man erst einmal zur Kenntnis nehmen, dass sich in diesem Bereich in den vergangenen Jahren ungeheuer viel verändert
hat. Das ist Ihnen nicht in jedem Fall mitgeteilt worden, Frau Mundlos. Deshalb haben Sie eben auch so gesprochen, wie Sie gesprochen haben. Wenn Sie es besser gewusst hätten, hätten Sie eine andere Rede halten müssen.
(Widerspruch bei der CDU - Frau Mundlos [CDU]: Sie sollten an das Februar-Plenum denken! Da haben Sie hinterher auch alles einsammeln müssen, was Sie gesagt haben!)
Zunächst einmal trifft es zu, Frau Mundlos, dass die Bibliotheken auf veränderte Informationsgewohnheiten ihrer Nutzer, auf gestiegene Anforderungen an Aktualität und Verfügbarkeit von Informationen und auf neue elektronische Medien neben den herkömmlichen Printmedien reagieren müssen. Ihre Behauptung, dass sich die Situation der Hochschulbibliotheken verschlechtert habe, trifft jedoch nicht zu.
Sie berufen sich dabei lediglich auf Kaufkraftverluste im Laufe der letzten Jahre und ziehen dazu in Ihrer Großen Anfrage als Indiz ein Papier des Niedersächsischen Beirats für Bibliotheksangelegenheiten von 1994 heran, das in erster Linie ein Modell zum Einkaufsetat für gedruckte Medien ist - von 1994, und das im Internet-Zeitalter! Dabei verkennen Sie erstens die Veränderungsgeschwindigkeit, die gerade auf dem Informationssektor und damit auf dem Arbeitsfeld von Bibliotheken ungeheuer hoch ist, und Sie haben zweitens überhaupt nicht die Innovationen zur Kenntnis genommen, die sich in den niedersächsischen Hochschulbibliotheken auf diesem Gebiet vollzogen haben. Ich erinnere daran: 1993 wurde das Internet als neues Informationsmedium entdeckt. Neue Dienste, z. B. Suchmaschinen, thematische Einstiegsportale und elektronische Diskussionsforen, entwickelten sich, bis Ende der 90er-Jahre die private und kommerzielle Nutzung des Internet einsetzte und zu umfassenden Veränderungen im gesamten Informationssektor führte.
Für die Bibliotheken bedeutete diese Entwicklung in der Tat eine große Herausforderung. Die Herausforderung ist aber nicht mit letztlich unbezahlbaren jährlichen Steigerungsraten der Einwerbungsetats, die in Niedersachsen seit Anfang der
90er-Jahre immerhin um ca. 4 % pro Jahr gestiegen sind, sondern vor allem mit einer neuen Angebotsstruktur und nachfragegerechten innovativen Dienstleistungen zu bewältigen. Frau Mundlos, wenn wir ununterbrochen den in der Regel zweistelligen Preiserhöhungen monopolartig strukturierter Zeitschriftenanbieter hinterherlaufen würden, dann würden wir die ganz gewiss reich und das Land auf Dauer arm machen. Denn wenn das alle machen würden, würden wir uns ausliefern. Das kann so nicht richtig sein.
Deshalb haben wir in diesem Haushalt die finanziellen Voraussetzungen dafür geschaffen, ein Zeitschriftenkonsortium aufzubauen. Das heißt, dass wir gedruckte Zeitschriften einkaufen, aber mit den Verlagen darüber verhandeln, diese Zeitschriften elektronisch innerhalb Niedersachsens und im zweiten Schritt dann innerhalb des Gemeinsamen Bibliotheksverbundes zur Verfügung zu stellen. Das ist die richtige Antwort. Dafür gibt es in den Niederlanden ein erfolgreiches Beispiel. Nur so können wir uns dem einseitigen Preisdruck der Verlage, der über mehrere Jahre hinweg mit ungünstigen Währungsrelationen im Verhältnis zwischen D-Mark und Dollar bzw. Euro und Dollar einhergeht, zur Wehr setzen. Ein Land, das ständig nur mehr Geld in den Haushalt einstellt, um höhere Preise zu bezahlen, fordert die Zeitschriftenanbieter geradezu heraus, die Preise mit noch höherer Schlagzahl zu erhöhen.
Also, wir müssen die Angebotsstruktur verbessern, und das geht nur über Innovationen bei Dienstleistungen in den Medien.
Die strukturelle Basis für diesen Weg wurde in Niedersachsen bereits Anfang der 90er-Jahre mit der Grundsatzentscheidung der Landesregierung getroffen, die Schritte der Bibliotheksautomation und die Schaffung einer digitalen Bibliothek dezentral in den einzelnen Bibliotheken zu organisieren. Die zentrale kooperative Komponente wurde dann 1996 durch die Bildung des Gemeinsamen Bibliotheksverbundes GBV, der sieben Bundesländer umfasst, gestärkt.
Durch diese drei Kooperationen wurden gleich drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Erstens reduzierten sich die personellen Aufwendungen des Landes für die gemeinsam finanzierte Verbund
zentrale um etwa 50 %, während zweitens für die Bibliotheken die Einführung EDV-gestützter kooperativer Geschäftsgänge zu einer Entlastung im Backoffice-Bereich führte, die zum Ausbau kundenorientierter Dienstleistungen eingesetzt wurde. So konnte die wöchentliche Öffnungszeit der wissenschaftlichen Bibliotheken in 2001 gegenüber 1995 um durchschnittlich mehr als 10 % verlängert werden. Es trifft nicht zu, wenn Sie sagen, dass Oldenburg, wo wir eine Steigerung von 60 auf 83 Stunden verzeichnen, ein Einzelfall sei. Ein Einzelfall ist dagegen das von Ihnen zitierte Konstanz. Das ist die einzige Hochschulbibliothek in Deutschland, die 24 Stunden lang geöffnet hat.
Allerdings bin ich der Meinung, dass nicht alle Bibliotheken 24 Stunden lang geöffnet sein müssen. Gerade im Internet-Zeitalter mit ganz neuen Zugriffsmöglichkeiten - online - müssen wir nicht einen so hohen Personalaufwand betreiben. Die Bibliothek in Bielefeld hat noch nicht ganz 24 Stunden geöffnet; das ist die zweite Bibliothek. Mir ist es wichtiger, die Öffnungszeiten aller Bibliotheken im Durchschnitt um 10 % zu steigern, als eine Vorzeigebibliothek 24 Stunden lang zu öffnen.
Zweitens. Wir haben darüber hinaus bereits neue innovative Service-Angebote wie interaktive elektronische Führungen oder Schulungen und elektronische Fachinformationsführer vieler Bibliotheken angeboten.
Drittens. Auch die Anzahl der Veranstaltungen der wissenschaftlichen Bibliotheken und damit ihr Beitrag zu den kulturellen Aktivitäten in den jeweiligen Regionen wurde gegenüber 1995 um rund 45 % gesteigert.
Auskunft dazu geben, welche kulturellen Beiträge von den Fachhochschulbibliotheken ausgehen, kann mir aber vorstellen, dass es da Potenzial gibt.
Schließlich wurde mit einer einheitlichen Benutzeroberfläche eine nicht zu unterschätzende Vereinfachung für das zentrale System und für die dezentralen Systeme geschaffen.
Ein besonders herausragendes Qualitätsmerkmal der niedersächsischen Hochschulbibliotheken ist der Gemeinsame Bibliotheksverbund. Dem gehören heute mehr als 400 Bibliotheken in sieben Ländern an. Darunter ist auch die Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz.
Der über das Internet frei zugängliche gemeinsame Verbundkatalog des GBV enthält mehr als 15,3 Millionen Titel und ist damit der größte Bibliotheksverbund Deutschlands, möglicherweise auch der größte Bibliotheksverbund Europas. Und der wird hier in Niedersachsen organisiert und von Niedersachsen aus gesteuert.
Aufgrund dieser strukturellen Veränderungen war es den Bibliotheken möglich, weitere nachfrageorientierte und technisch innovative Dienstleistungen einzuführen, die alle Literatur- und Informationssuchenden nutzen können. Die Bestände der großen Hochschulbibliotheken Niedersachsens sind fast vollständig in einem elektronischen Katalog nachgewiesen, der via Internet weltweit öffentlich zugänglich ist. Dazu hat die Landesregierung mit Projektmitteln von mehr als 2,6 Millionen DM im Bereich der Retrokatalogisierung beigetragen. Auf digitale Dokumente, seien es Hochschulschriften, Leibniz-Handschriften oder elektronische Zeitschriften, können Sie direkt vom Katalog und abhängig von Zeit und Ort zugreifen. Für die Bestellung von nicht mehr in Ihrer Bibliothek vorhandener Literatur stehen Ihnen verschiedene elektronische Lieferdienste zur Verfügung. Mit der schon 1996 erfolgten Einführung der OnlineFernleihe durch Endnutzer war der GBV bis 2000 bundesweiter Vorreiter.
Sie können Lieferwünsche elektronisch erledigen und lassen sich die gewünschte Literatur an den Ort Ihrer Wahl liefern - nach Hause, in die Firma, in Ihre Bibliothek oder bei Aufsätzen auch in Ihre Mailbox.
Die Basisfunktionalitäten einer digitalen Bibliothek und damit verbundene Selbstbedienungsfunktionen durch Endnutzer sind somit in Niedersachsen bzw. im GBV bereits seit langem als Teil des
Routinebetriebs verwirklicht und werden sich in diesem Jahr durch die Realisierung der datenübergreifenden Suche im GBV noch verbessern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen, dass die Landesregierung ihre Bibliotheken keineswegs vernachlässigt. Die Bibliotheken können vielmehr gut gerüstet den gestiegenen Anforderungen begegnen, und sie entwickeln sich immer mehr zu Zentren der Informationsversorgung an unseren Hochschulen, aber auch weit über unsere Hochschulen hinaus. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestiegene Anforderungen - unzureichende Mittel. So versucht die CDU-Fraktion die Situation der niedersächsischen Hochschulbibliotheken zu charakterisieren.
Diese Beschreibung trifft kaum auf unsere Bibliotheken zu, sondern viel eher auf die Opposition selbst; denn diese Große Anfrage war ein völlig unzureichendes Mittel, um evtl. die Regierung in die Ecke stellen zu wollen. Mit dieser Intention Ihres Antrages haben Sie es bestimmt nicht geschafft.