Protocol of the Session on March 12, 2002

Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten in der Staatskanzlei Senff und von der Fraktion der SPD Herr Brauns und Herr Endlein.

Meine Damen und Herren, damit keine Unklarheiten bestehen. Ich habe vorhin die Sitzung morgen früh versehentlich um 9 Uhr beginnen lassen. Die Sitzung soll natürlich um 10 Uhr beginnen; so wie wir es vereinbart hatten.

(Plaue [SPD]: Ich hatte mich schon gewundert!)

Wir beginnen mit

Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde

Für die Aktuelle Stunde liegen drei Beratungsgegenstände vor: a) Allers schlechten Dinge sind drei - BEB-Politik des Finanzministers ruiniert das Land - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/3206, b) Zuwanderung: CDU blockiert Steuerung und Begrenzung - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/3209 - und c) Bundes

und Landesregierung als Arbeitsplatzkiller: 22 % mehr Insolvenzen in Niedersachsen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/3214.

Es stehen insgesamt 60 Minuten zur Verfügung, die gleichmäßig auf die drei Fraktionen aufzuteilen sind. Das heißt, jede Fraktion kann über höchstens 20 Minuten verfügen. Wenn mehrere Themen zur Aktuellen Stunde vorliegen, wie heute, bleibt es jeder Fraktion überlassen, wie sie ihre 20 Minuten für die einzelnen Themen verwendet. Jeder Redebeitrag - auch von Mitgliedern der Landesregierung - darf höchstens fünf Minuten dauern. Nach vier Minuten Redezeit werde ich durch ein Klingelzeichen darauf hinweisen, dass die letzte Minute der Redezeit begonnen hat. Erklärungen und Reden dürfen nicht verlesen werden.

Ich rufe jetzt auf

a) Allers schlechten Dinge sind drei - BEBPolitik des Finanzministers ruiniert das Land - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/3206

Der Kollege Golibrzuch bringt ein.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit seiner Prozess- und Verhandlungsstrategie in Sachen BEB hat der Finanzminister dem Land Niedersachsen einen noch unüberschaubaren Schaden zugefügt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU - Wegner [SPD]: Unglaublich!)

Die Ursache des Streits - eine falsche Berechnung der Erdgasfördermengen in der Emsmündung Mitte der 80er-Jahre - war ein technischer Fehler. Der Gang durch drei Instanzen bis vor das Bundesverwaltungsgericht und bis vor die Wand der Finanzministerkonferenz kennzeichnet ein politisches Versagen, das seinesgleichen sucht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU - Wegner [SPD]: Sie wissen doch gar nicht, wovon Sie reden!)

Meine Damen und Herren, es war der SPDAbgeordnete Thomas Oppermann, der am 7. Mai 1997 im Haushaltsausschuss angeregt hat, man solle eine Vereinbarung mit den anderen Bundes

ländern schließen, wonach diese auch ohne Streitverkündung das Ergebnis des BEB-Prozesses gegen sich gelten ließen. Das Finanzministerium hat damals und in der Folge immer wieder behauptet, eine solche Vereinbarung wäre überflüssig und die Abrechnung des BEB-Prozesses über den Länderfinanzausgleich garantiert.

(Wegner [SPD]: Bleiben Sie doch einmal bei der Wahrheit!)

Heute, nach vielen Nachfragen der Opposition, wissen wir, dass diese Behauptung falsch und Ihr Verhalten fahrlässig waren. Ein Finanzminister, der sich so fahrlässig verhält, gehört entlassen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, allein durch den Gang vor das Bundesverwaltungsgericht hat das Land Niedersachsen Anwalts- und Gerichtskosten von deutlich mehr als 20 Millionen Euro angehäuft Kosten, die in jedem Fall ausschließlich beim Land Niedersachsen hängen bleiben werden. Sie behaupten, ohne diese von vornherein völlig aussichtslose Revision hätten Sie keine Chance gehabt, diesen strittigen Betrag über den Länderfinanzausgleich umzulegen. Das ist zunächst einmal ein politisches Argument, aber kein juristisches. Es hat nur einen ganz entscheidenden Haken. Auch nachdem Sie die Revision abgewickelt haben, haben Sie bei den anderen Bundesländern nichts erreicht. Sie haben nicht erreicht, dass diese Kosten auf den Länderfinanzausgleich umgelegt werden können.

Wir wissen und wussten von Anfang an - Sie auch! - um die Chancenlosigkeit dieses Verfahrens. Sie wussten um die Chancenlosigkeit der Revision. Es macht mich schon sehr nachdenklich, wenn Akteneinsicht durch die Opposition beantragt worden ist und Sie uns wesentliche Teile dieser Akten zu dem Verfahren, nämlich die, die seinerzeit für die Entscheidung des Landeskabinetts zur Revision maßgeblich waren, vorenthalten. Sie werden dort etwas zu verbergen haben. Sie wissen, weshalb Sie uns diese Akten nicht geben; denn darin wird deutlich, dass auch die Fachleute der Landesregierung immer darauf hingewiesen haben, dass dieser Prozess nicht zu gewinnen sei.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Sie haben diesen Prozess aus politischem Kalkül heraus geführt. Sie haben darauf spekuliert, dass das Urteil eines Tages möglicherweise in eine wirtschaftliche Aufschwungphase fallen könnte und damit für das Land Niedersachsen leichter zu schultern wäre. Einen Prozess aus solch einem Kalkül heraus zu führen, stellt eine kaum nachvollziehbare Amtspflichtverletzung dar.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Sie haben dabei in Kauf genommen, dass die BEB auf diesen Betrag erheblich weniger Steuern zahlen muss, weil vor der Revision noch andere Körperschaftssteuersätze galten als danach. Sie haben die öffentlichen Haushalte um eine Steuerzahlung von insgesamt wenigstens 200 Millionen Euro gebracht. Nachdem Sie auf dieses Geld verzichtet haben, wollen Sie jetzt stattdessen die niedersächsischen Kommunen an der Finanzierung dieser BEB-Last beteiligen. Das machen wir nicht mit!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Wir wollen nicht, dass die niedersächsischen Kommunen damit belastet werden. Wir wollen stattdessen, dass Sie endlich einen Nachtragshaushalt vorlegen, mit dem Sie deutlich machen, wie Sie diese BEB-Last ernsthaft schultern und bewältigen wollen. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie uns und das Frühstücksfernsehen künftig mit der Behauptung verschonen, dass Sie in 2003 gleichzeitig die Schulden senken und neue Lehrer einstellen wollen. Sie wissen nicht nur aufgrund der BEB-Last ganz genau, dass Sie weder das eine noch das andere tun können. Sie verbreiten Falschmeldungen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Ich glaube, dass Sie hier in diesem Saal niemanden mehr finden, der jetzt noch daran glaubt, dass der Bund am kommenden Freitag, wenn die so genannte Rotbuchung für den Länderfinanzausgleich ansteht, die niedersächsische Rechtsauffassung 100-prozentig übernimmt und den Betrag wie vorgesehen auf alle Bundesländer nach dem Länderfinanzausgleich verteilt. Diese Erwartung haben wir nicht und auch niemand hier im Saale. Wir erwarten vielmehr, dass das Land Niedersachsen draufzahlen muss. Wir erwarten, dass der Bund diese Rechtsauffassung nicht teilt. Wir erwarten auch, dass das Land Niedersachsen wahrscheinlich zu

feige sein wird, den Bund auf die Zahlung eines höheren Betrages zu verklagen. Wir erwarten, dass dieser Landesregierung wieder einmal parteipolitische Solidarität im Bundestagswahlkampf vor Landesinteressen geht. Damit ist das Problem BEB nicht nur ein Desaster für den Finanzminister, sondern es kennzeichnet auch das Versagen des Ministerpräsidenten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU - Widerspruch bei der SPD - Adam [SPD]: Ach du meine Güte!)

Das Wort hat der Abgeordnete Möhrmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Golibrzuch, ich stelle fest: Sie sind ein grenzenloser Opportunist!

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Sie sind sich nicht zu schade, den Interessen des Landes an dieser Stelle ganz energisch zu widersprechen und ganz bewusst Schaden für das Land in Kauf zu nehmen.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei den GRÜNEN und bei der CDU - Zuruf von der CDU: Sie versaubeuteln das Geld des Landes!)

Meine Damen und Herren, den Schaden, den Herr Golibrzuch hier anrichtet, hat er nicht erst heute angerichtet. Er hat in der Vergangenheit jede Chance genutzt, um die Position des Landes zu schwächen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Frau Harms [GRÜNE]: Ein Unsinn!)

Meine Damen und Herren, ich bin ganz sicher: Wenn wir auf der Verhandlungsschiene geblieben wären, wäre Herr Golibrzuch hier aufgetreten und hätte gesagt: „Ihr hättet bis zur dritten Instanz klagen müssen. Das habt ihr davon!“ Das ist Ihr Opportunismus!

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: Richtig! - Frau Harms [GRÜ- NE]: Wer im Glashaus sitzt, Herr Möhrmann!)

Meine Damen und Herren, wenn man hier von Verantwortlichkeiten sprechen kann, dann gibt es meiner Meinung nach überhaupt keine Verantwortung auf dieser Regierungsbank. Wenn es eine Verantwortung gibt, dann auf den Oppositionsbänken!

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU und bei den GRÜNEN - Frau Harms [GRÜNE]: Das ist aber eine abenteuerliche Logik!)

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen auch sagen, warum. In der Zeit, als das Land Niedersachsen von den Einnahmen aus der Förderabgabe profitiert hat - das waren immerhin 8,5 Milliarden DM -, hat die jetzige schwarze Opposition die Verschuldung des Landes über Gebühr nach oben verschoben und keine Vorsorge betrieben.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wenzel?

Nein, Herr Präsident. - Trotz dieser hohen Einnahmen aus der Förderabgabe gipfelte es in einer Kreditfinanzierungsquote des Landes von 12 %. Wir nähern uns inzwischen einer Marke von 5,2 %. Wenn wir darüber reden wollen, was man in dieser Lage tun kann, Herr Golibrzuch, hätte ich von Ihnen erwartet, dass Sie in Berlin zusammen mit dem Finanzminister über Ihre grünen Freunde dafür gesorgt hätten, dass wir diese Probleme nicht bekommen. Auch Sie haben an dieser Stelle eine Mitschuld dafür - wenn es denn eine gibt -, dass bisher nichts erreicht worden ist.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das Kassenwirksamkeitsprinzip, das nach unserer Rechtsauffassung hier zur Anwendung kommen muss, wird im Länderfinanzausgleich seit Jahren angewendet. Ich denke z. B. an Steuerprüfungen oder Steuernachzahlungen. Ich bin mir ganz sicher - auch unabhängig von der politischen Couleur der Länder -, wenn das Land Niedersachsen in diesen Tagen eine Mehreinnahme zu verzeichnen gehabt hätte, hätten die gleichen Länder gesagt: „Jetzt gilt das

Kassenwirksamkeitsprinzip. Wir wollen etwas davon abhaben.“

Meine Damen und Herren, ich verstehe nicht, wie man als Opposition in dieser Lage, in der es wirklich schwierig werden kann - das will ich nicht in Abrede stellen -, so agieren kann wie Herr Golibrzuch heute. Das ist nicht in Ordnung!