Diese Gesellschaft wird Zuwanderung in vielen Bereichen brauchen. Diese Gesellschaft soll attraktiv für Zuwanderung sein. Damit sie das sein kann, müssen wir kritisch auf unsere Außenwirkung im aktuellen Umgang mit Geflüchteten achten. Auch unsere öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema, die mediale Begleitung durch Bilder und Berichte wird über den Wunsch, nach MecklenburgVorpommern kommen zu wollen, entscheidend sein. Wenn wir gemeinsam leben wollen, müssen wir Vielfalt verstehen und leben, dann hat Rassismus keinen Platz. Rassismus hat keinen Platz, weil er Menschen abwertet, verletzt und ausgrenzt.
Rassismus ist eine Form der Diskriminierung, also eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Menschen wegen ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihres Namens, der Sprache, ihrer Kultur, ihrer Religion. Er äußert sich zum Beispiel im Antisemitismus, im Antiziganismus und dem muslimfeindlichen Rassismus. Wir hören rassistische Beschimpfungen auf Demonstrationen, im Schulbus, beim Sport, Witze am Stammtisch, erfahren von Übergriffen auf Frauen und Mädchen, die Kopftuch tragen, von Zerstörung oder Beschädigung von Büros migrantischer Organisationen.
Betroffene berichten von rassistischen Erfahrungen in Institutionen, zum Beispiel bei der Wohnungssuche, bei der Schullaufbahnempfehlung, bei der Suche nach einem Hausarzt oder bei einer Antragstellung. Sie berichten von Problemen bei der Arbeitsaufnahme, davon, dass gut ausgebildete Migrant/-innen Jahre brauchen, um auf dem Arbeitsmarkt in Mecklenburg-Vorpommern anzukommen, oder von ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen. Wir erleben rassistische Berichterstattung. Migrant/-innen sind aufgrund ihres sozialen oder rechtlichen Status oft besonders verwundbar für Missbrauch und Gewalt. Rassismus ist in der Bevölkerung mit und ohne Zuwanderungsgeschichte verbreitet. Rassistische Einstellungen gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen beschränken sich nicht auf die rechte Szene, sie begegnen uns in allen Lebensbereichen. Wir haben es mit strukturellem Rassismus zu tun.
Woher kommt rassistisches Verhalten? Rassismus beginnt im Kopf. Rassismus hat eine etwa 500-jährige Geschichte und begann letztlich in der Hochphase der Kolonialisierung mit der Ausbeutung von Ländern und Menschen durch weiße Personen und gipfelte unter anderem in der Rassentheorie und der Rassenhygiene der nationalsozialistischen Weltanschauung mit all ihren fürchterlichen Auswirkungen für die Menschheit. Rassismus verändert sich durch die Zeit. Wir sind im Alltag davon umgeben, manchmal ohne dass es uns bewusst wird. Eigenes
rassistisches Verhalten oder der Gebrauch rassistischer Worte sind oft nur nach Auseinandersetzung mit dem Thema zu erkennen. Eignen wir uns Wissen an und stellen wir uns diesem Rassismus dann entgegen!
Rassistisches Verhalten ist auch ein Ergebnis von Intoleranz, der Ablehnung von allem, was anders und was fremd ist, von Nichtwissen, von Angst und Panik. Rassismus kann ein Ventil sein, um Problemen, Aggressionen und Frust zu begegnen. Rassistische Handlungen richten sich dabei gegen Schwächere, gegen Minderheiten, die sich nur schwer wehren können. Feststellen müssen wir, dass rassistisches Verhalten durch Hass und Hetze beeinflusst wird. Natürlich sind Meinungs- und Demonstrationsfreiheit zentrale Grundrechte unserer Demokratie, wir dürfen aber nicht zulassen, dass sie von extremen Gruppen oder Neonazis missbraucht werden.
Sehr geehrte Menschen im Land, lassen Sie sich nicht Angst machen! Informieren Sie sich! Fragen Sie! Haben Sie den Mut zur eigenen Meinung!
wie Sie Gesehenes einordnen, welche Erfahrungen Sie machen, welche Veranstaltungen Sie besuchen und welche Haltung Sie letztendlich einnehmen. Wir müssen Rassismus nicht hinnehmen. Rassistische und menschenverachtende Äußerungen dürfen nicht zugelassen werden. Es braucht eine klare Haltung gegen Diskriminierung, Rassismus und jede Form von Extremismus. Rassistisch motivierte Straftaten müssen konsequent geahndet und aufgearbeitet werden. Ein Beispiel dafür ist der PUA zur Aufarbeitung des NSU in unserem Land. Angstfreie Teilhabe am Leben ohne Diskriminierung, Bedrohung oder Gewalt muss für alle Menschen möglich sein. Die Vielfalt der Gesellschaft muss sich in Institutionen und auf allen gesellschaftlichen Ebenen, in Behörden, der Wirtschaft, den Medien, der Wissenschaft und der Politik abbilden.
Wie gelingt uns der Abbau von Rassismus? Wie können wir Teilhabe aller Menschen an gesellschaftlichen Prozessen erreichen? Wie gelingt es uns, Vorurteilen und Angst zu begegnen? Einige Beispiele aus unserem Bundesland sollen dafür stehen. Wir müssen hinhören, hinschauen. Wir sollen davon wissen und als Politikerinnen und Politiker Haltung zeigen. Wir machen auf das Thema aufmerksam mit dieser Aussprache und mit den vielen Veranstaltungen in den Antirassismuswochen. Wichtig sind die Rahmenbedingungen.
Aktuell wird dafür in einem breiten Beteiligungsprozess auf Landesebene unser modernes Integrations- und Teilhabegesetz erarbeitet. Die Landeszentrale für politische Bildung hält Informationsmaterial bereit und unterstützt mit Veranstaltungen. Im Rahmen der Fortschreibung des Landesprogramms „Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken!“ werden neue Angebote entstehen. Die Integrationsbeauftragte des Landes beteiligt sich an der Erarbeitung von Bildungskonzeptionen und sensibilisiert damit für Rassismus, freie Bildung von Anfang an. Von ihr werden unter anderem auch das Austauschtreffen für Migrant/-innen im Ehrenamt, die Runde zur Interkulturellen
Öffnung in den Verwaltungen organisiert und der regelmäßige Informationsbrief herausgegeben. Der Flüchtlingsrat und weitere NGOs leisten durch Informations- und Weiterbildungsveranstaltungen einen wichtigen Beitrag. LOBBI und andere Vereine beraten Opfer von rassistischer Gewalt.
Wichtig sind Faktenwissen, Studien, wie schon erwähnt. Oder die Arbeiten des Sachverständigenrates für Integration und Migration sind uns da eine wichtige Grundlage. MIGRANET, unsere Dachorganisation der Migrantenorganisationen, organisiert eine rege Projektarbeit und in diesem Rahmen besuchen Gruppen den Landtag. Es werden Antirassismusberater/-innen ausgebildet. Die Migrantenbeiräte arbeiten in einigen Städten unseres Landes wie zum Beispiel Rostock, im Landkreis Rostock oder in Greifswald. Migrant/-innen organisieren Sonntagsschulen, um ihren Kindern die Muttersprache beizubringen. Wir stärken unsere Kinder mit entsprechender Jugendliteratur, die auch neue Inhalte zeigt.
Eine Wohnungsgenossenschaft beschäftigt interkulturelle Mitarbeiter/-innen. Ich konnte eine syrische Architektin oder eine türkischstämmige Mitarbeiterin in der Stadtverwaltung kennenlernen. Vereine tragen ihren Beitrag. So, wie jetzt im ganzen Land von der Mehrheit und der migrantischen Gesellschaft zu den aktuellen Antirassismuswochen Veranstaltungen organisiert werden, geschieht das auch zu den jährlich stattfindenden Interkulturellen Wochen oder den Entwicklungspolitischen Tagen im Rahmen der Aktion „weltwechsel“. So lassen sich noch viele Beispiele nennen.
Das alles tun Menschen und Institutionen in unserem Bundesland. Sie tun es als Ausländerinnen und Ausländer, als Zugewanderte und Einheimische und durchaus gemeinsam, selbstbewusst und immer selbstverständlicher. Das müssen wir akzeptieren. Da halte ich es mit Professor Horst Seidler von der Universität Wien. Er prägte folgende Worte: „Was uns eint, sind die Gene – was uns trennt, sind die Vorurteile.“ Und ich unterstütze die Initiative, den Begriff „Rasse“ aus dem Grundgesetz zu entfernen.
Solange es Vorurteile, Ausgrenzung, Abwertung und Gewalt gegen Menschen wegen ihrer Abstammung, ihrer Hautfarbe, ihrer Kleidung, ihrer Kultur oder ihrer Religion gibt, in der Welt, in der EU, in Deutschland, hier bei uns in Mecklenburg-Vorpommern, werde ich dem entgegentreten und weiß viele Demokratinnen und Demokraten dabei an meiner Seite. Mischen wir uns ein! Und ich danke allen für die gute Debatte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleg/-innen! „Angst schwingt ,immer mitʻ“ heißt das von Lola für Demokratie und Tut
monde e. V. gemeinsam mit der Amadeu Antonio Stiftung sowie der Hochschule Neubrandenburg diese Woche veröffentlichte Lagebild Rassismus. Wir haben heute schon einiges daraus gehört und auch ich möchte meine kurze Redezeit dazu nutzen, mich primär mit dieser Studie zu befassen, und das hat zwei Gründe:
Zum einen ist es unmöglich, über Rassismus in M-V zu reden – und ich bin da auch meiner Kollegin Frau Oehlrich sehr dankbar, dass sie das Zitat vorhin gebracht hat –, es ist unmöglich, über Rassismus in M-V zu reden, ohne die Menschen zu Wort kommen zu lassen, die von ihm tagtäglich auf unseren Straßen, in Bussen, auf Marktplätzen, im Supermarkt, auf der Arbeit bedroht sind. Der Vollständigkeit halber, Frau Pulz-Debler hat auch Beispiele gebracht. Von ihnen stammt der Satz: „Angst schwingt immer mit.“ Und es ist nicht bloß ein Satz, sondern es ist ein trauriges Lebensgefühl, ein tagtäglicher Kampf um Akzeptanz, ums Dazugehören, den sie tagtäglich ein wenig mehr verlieren, ein Satz, hinter dem sich eine ganze Welt von Schmerz und Hoffnungslosigkeit verbirgt.
Und zum anderen bietet diese durchaus gelungene Studie einen dringend notwendigen Perspektivwechsel für alle, die eben nicht jeden Tag mit Rassismus kämpfen müssen. Wir müssen die Perspektive der Frauen aus der Studie und alle anderen Migrant/-innen bewusst immer wieder einnehmen, um zu verstehen, dass jeder Angriff auf die Andersheit des oder der anderen ein Angriff auf unsere eigene Freiheit ist, ein Angriff auf die freie Gesellschaft, in der wir gemeinsam leben oder irgendwann mal leben wollen. Insofern kann ich Ihnen allen nur sehr empfehlen, lesen Sie die Studie, hören Sie den Frauen zu und geben Sie ihnen im Anschluss Ihre Stimme, verehrte Kolleg/-innen!
Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma, sagte auf der Paneldiskussion anlässlich der Eröffnungsfeier der Wochen gegen Rassismus am Montag sinngemäß, wir werden den Rassismus und seine Auswüchse nie ganz besiegen, er ist ein trauriger Teil der Menschheitsgeschichte und wird es immer bleiben, aber – und es ist ein großes Aber –, aber wir müssen um die Mehrheit kämpfen, die Rassismus verachtet und ihn in allen seinen Formen bekämpft.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Katy Hoffmeister, CDU, und René Domke, FDP)
Wenn wir uns dieser Tage die rechte Stimmungsmache im ganzen Land anschauen, die Flugblätter mit Fake News, die Polarisierung ganzer Gemeinden, die ausländerfeindlichen Plakate und Demos, dann wissen alle Demokrat/-innen, dass jetzt mehr denn je wieder die Zeit gekommen ist, in der wir die Mehrheit erkämpfen müssen, die den Rassismus verachtet. Und in diesem Sinne lassen Sie uns diese Wochen gegen Rassismus und alle Wochen danach als Kampfansage im positiven Sinne verstehen, eine Kampfansage, die eine laute, bunte, vielfältige Mehrheit zusammenruft, die sich immer dann einmischt, wenn Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und all ihre hässlichen Fratzen sich uns entgegenstrecken, im Kleinen und im Großen, im Dorf und in der Stadt, im Verein, am Gartenzaun, beim Grillfest. Mischen wir uns ein, verehrte Kolleg/-innen! Mischen wir uns ein! – Vielen Dank!
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und Katy Hoffmeister, CDU)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur noch mal auf einen Punkt zurückkommen: Ich habe in meiner Rede eben gesagt, dass der Kampf gegen den Rassismus nicht missbraucht werden soll als Werkzeug zur politischen Willensbildung. Und im Laufe Ihrer Reden ist mir aufgefallen, Sie haben mehrfach, fast alle, den Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz zitiert. Dort ist der Katalog aufgeführt, weswegen man nicht benachteiligt werden darf, nämlich nicht wegen seiner Abstammung, wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung. Und dann kommt noch das Merkmal und seiner „politischen Anschauungen“. Und ich sage Ihnen, es ist kein Zufall, dass Sie das alle weggelassen haben.
Das ist kein Zufall, das kann kein Zufall sein, denn da wissen Sie ganz genau, dass Sie sich dann auf dünnes Eis begeben, wenn Sie denn ehrlich sind und mal darüber nachdenken würden, welch heiße Kartoffel das in Ihren Händen ist oder in Ihren Mündern.
Denn da wissen Sie ganz genau, dass Sie es da nicht so ganz ernst nehmen, wenn ich über Ausgrenzung und die Reaktion auf nicht genehme politische Einstellungen abstelle.
Sie haben sich ja wunderbar zu dem Rest Deutschlands, der bedauerlich nicht weiß geblieben ist, geäußert.
Also dieses Etikett an den Schulen gegen Rassismus: Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass es nirgends Rassismus geben darf. Und ich bin sehr skeptisch, wenn an solchen Schulen Abfragen durchgeführt werden, wo dann irgendwo ein Druck besteht, eine politische Meinung in bestimmte Richtung hier zu unterschreiben. Wie steht es denn an diesen Schulen mit der Freiheit des Denkens, der Freiheit des Diskutierens? Wie stehts dort mit der Freiheit des Wortes, wenn Sie dieses Etikett nicht verletzen wollen?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ein Schüler an dieser Schule, der eine kritische Auffassung zur Zuwanderung
hat, die nicht mit Ihrem diversen Weltglauben übereinstimmt, dass er da ganz große Schwierigkeiten bekommt.
Also ich werfe Ihnen vor – und ich werfe Ihnen damit auch Unglaubwürdigkeit vor –, dass Sie diese Alternative der politischen Anschauung bewusst weggelassen haben, weil sie nämlich damit sich selbst entlarven müssten, dass Sie sich daran nicht so genau halten.
(Michael Noetzel, DIE LINKE: Nein, weil es um Rassismus geht. – Zuruf von Steffi Pulz-Debler, DIE LINKE)