Protocol of the Session on March 23, 2023

(Heiterkeit bei Petra Federau, AfD – Zurufe vonseiten der Fraktion der AfD: Hab ich gesehen.)

Hier wird das Thema Rassismus auf französische Art köstlich und versöhnlich bearbeitet. Vorurteile und insbesondere auch ethnische Vorurteile werden sich nie ganz ausrotten lassen. Was wirklich zählt, ist der menschliche Umgang miteinander und die Fähigkeit, ein Vorurteil im Einzelfall zu revidieren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Entscheidend ist, jedem Individuum mit Anstand entgegenzutreten. Und das, Herr Noetzel, sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben!

(Beifall vonseiten der Faktion der AfD – Enrico Schult, AfD: Jawoll! Sehr richtig!)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Für die Fraktion der CDU hat das Wort die Abgeordnete Ann Christin von Allwörden.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kampf gegen Rassismus ist Gegenstand der heutigen Aussprache, und eigentlich sollte man meinen, dass Rassismus im Jahre 2023 kein Thema mehr ist. Dass man das überhaupt noch thematisieren muss, ist eigentlich schon traurig. Die Realität sagt uns allerdings was ganz anderes. Wir müssen das thematisieren, und das auch dringend.

Es gibt auf dem Planeten Erde erwiesenermaßen nur eine Spezies Mensch und diese heißt Homosapiens.

(Thore Stein, AfD: Ja, das ist eine Spezies, stimmt.)

Die Hautfarbe eines Menschen sagt jedenfalls nichts über seine Fähigkeit oder seinen Charakter aus, sagt nichts über seine Intelligenz oder seine soziale Kompetenz aus – nicht im Ansatz.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Trotzdem gibt es nach wie vor rassistische Stereotype, und zwar nicht nur negative, sondern auch positive. Ich lese beispielsweise mitunter sogar in völlig unverdächtigen Zeitungen, dass farbige Sängerinnen eine besonders schöne Stimme hätten, Italiener seien besonders temperamentvoll und Chinesen besonders fleißig. Ich will das alles gar nicht näher bewerten, darum geht es nicht, man muss sich aber trotzdem immer darüber im Klaren sein, dass zwischen dem Philosophieren über vermeintliche Mentalitätsunterschiede und dem Rassismus ein sehr, sehr schmaler Grat ist.

Und ich möchte darauf gerne auch näher eingehen. Ich glaube, Frau Pulz-Debler hatte das gesagt, es geht ja auch um Selbstreflexion, und ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt in dieser Aussprache. Und ich glaube, ich hatte das auch schon mal im Zusammenhang mit einer Debatte über Rechtsextremismus gesagt: Ich bin in einem sehr privilegierten Umfeld aufgewachsen und hatte auch mit Rechtsextremismus als Kind und Jugendliche bis zu einem bestimmten Alter keine Berührungspunkte und ebenso wenig meines Erachtens auch mit Rassismus. Das spielte einfach lange keine Rolle in meinem Leben, und es ist ja generell erst mal auch gut, aber sagt natürlich noch überhaupt nichts darüber aus, was in einem Menschen vorgeht, wenn man überhaupt gar keine Berührungspunkte hatte und welche Dinge Einfluss auf einen Menschen genommen haben im Laufe der Kindheit und der Jugend.

Aber die Berührungspunkte kamen natürlich und logischerweise in meinem Berufsalltag. Und ich gehöre schon zu den Menschen, die erstens von sich behaupten können, kein Rassist zu sein und zweitens trotzdem ihr Verhalten immer zu reflektieren, weil ich glaube, dass das das Entscheidende, die entscheidende Frage im Umgang mit dieser Thematik auch ist.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass es eben auch nicht alleine darauf ankommt, was ich denke, sondern dass es auch darum geht, was jemand anderes darüber denkt, wie mein Verhalten auf ihn wirkt, also sprich, es ist eine Frage von Senden und Empfangen.

Und ich möchte Ihnen gerne ein Beispiel nennen: Ich war auf Sylt auf Streife und bemerkte auf meiner Fahrt dann plötzlich, dass eine Straße durch ein Bauarbeiterfahrzeug komplett gesperrt war, und es war weder von der einen noch von der anderen Seite ein Durchkommen. Das ist für mich erst mal ein Anlass, als Polizistin da aktiv zu werden, weil es geht ja nicht, dass irgendjemand da eine Straße sperrt. Also spreche ich den Bauarbeiter, der noch im Fahrzeug auch saß und die Arme des Krans so ausfuhr, an, ob er eine Genehmigung dafür hätte und ob auch Absperrmaßnahmen noch geplant seien, ich hätte davon keine Kenntnis. Und er antwortete nicht gerade freundlich, mag vielleicht auch daran gelegen haben, dass es gerade eine sehr stressige Situation vor Ort war, weil eben Fahrzeuge da hupten und durchwollten. Sie können sich das vielleicht ein bisschen vorstellen. Auch ich war dann irgendwann etwas ungehalten und sagte dann zu ihm, hören Sie mal, das können Sie vielleicht bei sich zu Hause machen, aber nicht hier.

So, jetzt vielleicht zu dem Umstand, der Bauarbeiter war türkischer Staatsbürger

(Heiterkeit bei Horst Förster, AfD: Ach so! Ach Gott!)

und das Baufahrzeug hatte ein Hamburger Kennzeichen. Jetzt können Sie sich vielleicht denken, was ich gemeint habe und was mein Gegenüber gemeint hatte, was ich sagen wollte – also zwei komplett unterschiedliche Dinge. Glücklicherweise reagierte er aber so, dass ich den Fehler sofort bemerkte, also diese Kommunikationslücke schließen konnte, und sagte, nee, entschuldigen Sie bitte, ich meinte, das können Sie vielleicht in Hamburg machen, Sie haben hier ein Hamburger Kennzeichen, aber nicht hier auf Sylt.

(Petra Federau, AfD: Ja.)

Er hat es dann verstanden und sagte, oh, Entschuldigung, dass ich es anders verstanden habe.

(Horst Förster, AfD: Das ist ja schön.)

Aber das ist vielleicht ein gutes Beispiel dafür, worauf es ankommt: senden, empfangen, Verständnis dafür haben, Antennen für diese Problematik zu haben.

Und ein weiterer Aspekt: Jeder Mensch hat den gleichen Wert. Und das ist ein universelles Prinzip, an dem sich das Handeln des Staates und jedes Einzelnen täglich messen lassen muss. Unsere Verfassung bindet alle staatliche Gewalt an die Achtung der Menschenwürde. Die Gleichheit vor dem Gesetz und der Schutz von Minderheiten sind Kerne unseres Rechtsstaates. Doch leider gibt es auch heute noch Diskriminierung aufgrund von Kultur, Ethnie oder Religion.

(Nikolaus Kramer, AfD: Oder Parteizugehörigkeit.)

Menschenverachtende Äußerungen – und das ist leider nicht vielen klar, und da kommt Ihr Kommentar gleich wieder sehr passend –, menschenverachtende Äußerungen sind nicht von der Meinungsfreiheit geschützt.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sebastian Ehlers, CDU: Sehr richtig!)

Das Bundesverfassungsgericht hat sich an dieser Stelle ziemlich unmissverständlich geäußert. Das Strafrecht sanktioniert rassistische Diskriminierung. Und genau das ist auch richtig so. Und ich erhoffe mir eigentlich, dass gerade auch im Internet, in den sozialen Medien noch viel, viel härter dagegen vorgegangen wird. Der Kampf gegen Rassismus braucht nicht nur einen starken Rechtsstaat, sondern vor allem Bürgerinnen und Bürger, die Werte wie Freiheit, ein friedliches Miteinander und Toleranz im Alltag, vor allem auch – das ist, glaube ich, so ein Kernpunkt auch – Toleranz im Alltag schätzen und dafür mutig eintreten. Ein Demokrat widerspricht laut und deutlich, wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe oder Religion oder Herkunft herabgewürdigt werden.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Die Internationalen Wochen gegen Rassismus bringen dieses wichtige Thema mit zahlreichen Veranstaltungen in die Öffentlichkeit und ins Bewusstsein vieler Menschen. Ich bin Frau Ministerin Drese sehr dankbar, dass sie da einige aufgezählt hat, die 100-prozentig nicht im Ansatz abschließend waren. Jedenfalls hoffe ich, dass diese Aktionen bei uns in der Bürgergesellschaft viel Akzeptanz finden und sich viele daran beteiligen. In einer Bürgergesellschaft mit einer starken demokratischen Mitte, die durch gegenseitigen Respekt und Zusammenhalt gekennzeichnet ist, hat jede Form von Rassismus, Antisemitismus und Extremismus keinen Platz. Wir müssen uns gemeinsam für eine Welt einsetzen, in der jeder Mensch unabhängig von seiner Herkunft, seiner Religion und seiner Hautfarbe respektiert und wertgeschätzt wird. Ich sage das auch gerne immer wieder und habe es auch in meiner Rede, glaube ich, jetzt zum dritten Mal gesagt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, und an dieser Stelle noch ein Wort zum Antisemitismus: Ich nehme den wachsenden Antisemitismus mit allergrößter Sorge wahr. In der deutschen Mehrheitsgesellschaft gibt es leider so ein wenig die Tendenz, den Antisemitismus mit dem Holocaust gleichzusetzen und Antisemitismus als etwas zu begreifen, was im Wesentlichen hinter uns liegt. Meine Erfahrungen sind da leider völlig andere. Der Antisemitismus ist extrem wandelbar, und das macht viele Menschen leider blind dafür, ihn wahrzunehmen. So gibt es religiösen Antisemitismus, rassistischen Antisemitismus, kulturellen Antisemitismus, politischen Antisemitismus und wirtschaftlichen Antisemitismus.

Für rassistischen Antisemitismus hat man in Deutschland durchaus Antennen, für alle anderen Formen des Antisemitismus weniger. Und insbesondere der wirtschaftliche Antisemitismus ist weit verbreitet und hat aktuell Hochkonjunktur. Wenn zum Beispiel darüber spekuliert wird, wer am Krieg in der Ukraine verdient und deswegen möglicherweise sogar Interesse an dem Krieg hat, dann ist der strukturelle Antisemitismus nicht weit.

(Heiterkeit bei Enrico Schult, AfD – Horst Förster, AfD: Wieso das denn?!)

Getreu dem Motto „Misch dich ein“ gilt es, hier klar Position zu beziehen, wenn jemand mit solchen Fantasiegeschichten um die Ecke kommt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bedanke mich sehr für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche den Internatio

nalen Wochen gegen Rassismus weiterhin einen erfolgreichen Verlauf. Und ich danke auch der Fraktion DIE LINKE für die Aufsetzung dieses Themas mit dieser Aktualität. – Herzlichen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete!

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das Wort die Abgeordnete Constanze Oehlrich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleg/-innen! Zu einer weltoffenen, demokratischen Gesellschaft gehört, dass für alle Mitglieder, ob Einheimische oder Zugewanderte, die gleichen Rechte gelten. Deshalb beginnt unser Grundgesetz in Artikel 1 auch mit dem Satz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Gleich danach in Artikel 3 folgt der Satz: „Niemand darf … wegen seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft … benachteiligt oder bevorzugt werden.“

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Da fehlt was.)

Das Grundgesetz will Menschen vor rassistischer Diskriminierung schützen.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Das lassen die immer weg.)

Dennoch machen Menschen hier bei uns im Land Rassismuserfahrungen. Eine der Interviewpartnerinnen aus dem Lagebild Rassismus „Angst schwingt ,immer mit.ʻ Erfahrungen von Frauen in Mecklenburg-Vorpommern“ von Christine Krüger und Júlia Wéber, Hochschule Neubrandenburg, sagt: „Eigentlich fühlte ich mich hier wohl, also am Anfang. Obwohl Rassismus immer ein Thema war. Aber bei mir ist es halt schlimmer geworden, als ich angefangen habe, Kopftuch zu tragen.“

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Das ist ein frauenverachtendes Symbol.)

„Dann habe ich vieles erlebt, es ist Alltag für mich geworden, dass mich Leute auf der Straße beschimpfen. Und jetzt hab ich Schwierigkeiten, weil ich ja meinen Abschluss im Sommer bekomme. Und bis jetzt habe ich keine Ausbildung gefunden, weil ich immer Absagen bekomme wegen dem Kopftuch. Oder sie sagen nichts. Wenn ich Vorstellungsgespräch habe, gucken die“ Menschen „mich so komisch an und verunsichern mich.“ Zitatende.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Und genau deshalb ist es wichtig, dass wir immer wieder, und zwar mit großer Öffentlichkeit, deutlich machen, die Demokrat/-innen stehen hier zusammen, wir sind ein offenes, menschenfreundliches Land, das Menschen aus anderen Ländern und Kulturen offen und annehmend begegnet und sie willkommen heißt.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)