Protocol of the Session on March 9, 2022

Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE und SPD Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Feiertagsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern (Erste Lesung) – Drucksache 8/404 –

Das Wort zur Einbringung hat für die Fraktion DIE LINKE die Fraktionsvorsitzende Frau Rösler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 8. März kommenden Jahres ist es so weit,

(Rainer Albrecht, SPD: Jawoll!)

der Internationale Frauentag wird in MecklenburgVorpommern gesetzlicher Feiertag.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Rainer Albrecht, SPD: Sehr gut!)

Mit dieser Änderung des Feiertagsgesetzes erreichen wir für die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern ein Ziel, für das sich meine Partei und Fraktion über lange Jahre eingesetzt haben. Dieser Schritt schafft nicht nur ein Stück weit mehr Gerechtigkeit, was die Anzahl der Feiertage betrifft. Schließlich dürfen sich die Beschäftigten in den reichen Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern über zwölf und damit zwei gesetzliche Feiertage mehr als bei uns freuen, zwei Tage mehr Zeit, die sie mit ihren Familien oder Freunden verbringen können, mehr Zeit, in der sie sich von der Arbeit erholen können. Hinzu kommt, dass die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern ohnehin bis zu 60 Stunden im Jahr mehr arbeiten als im Bundesdurchschnitt.

(Rainer Albrecht, SPD: Jawoll! – Christine Klingohr, SPD: Richtig!)

Mit diesem freien Tag schaffen wir uns auch Zeit, den traditionellen Kampftag für Aktionen und Demonstrationen zu nutzen, um darauf aufmerksam zu machen, dass wir von einer tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter noch meilenweit entfernt sind. Wir schaffen uns Zeit, darauf aufmerksam zu machen und einzufordern, dass sich endlich etwas ändern muss im gesellschaftlichen Gefüge, und zwar für Männer und Frauen, denn auch nach über 100 Jahren des Bestehens des Internationalen Frauentages herrschen weltweit in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpommern in vielen Bereichen noch große Ungerechtigkeiten, die einer modernen Gesellschaft unwürdig sind. Und auch wenn es uns heute in mancher Hinsicht besser geht als unseren Großmüttern, unseren Urgroßmüttern, heißt das nicht, dass sich die Verhältnisse von selbst verbessern. Jedes Stück Selbstständigkeit, jeder Zuwachs an Rechten und Möglichkeiten musste mühsam erkämpft und zäh errungen werden. Meine Kollegin ElkeAnnette Schmidt wird darauf später noch eingehen.

Meine Damen und Herren, die Corona-Pandemie, die uns noch immer in den Klauen hält, hat glasklar offengelegt, es

sind vorwiegend Frauen, die in den Gesundheits-, Pflege- und Erziehungsberufen arbeiten, in den Supermärkten an den Kassen sitzen und das gesellschaftliche Leben am Laufen halten. Und immer noch wird die Arbeit in den Berufen, in denen vorwiegend Frauen arbeiten, schlecht bezahlt. Das ist nach wie vor eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, die endlich beseitigt werden muss.

Über zwei Jahre sind vergangen, seit die Menschen auf den Balkonen den weit überwiegend weiblichen Beschäftigten in der Kranken- und Altenpflege applaudiert haben, die sich auch unter Gefährdung der eigenen Gesundheit aufopferungsvoll für alte und kranke Menschen einsetzten. Tja, laut war der Ruf nach besseren Löhnen, laut das Klagen über die große Ungerechtigkeit, wie wenig diese Menschen verdienen, wie schwierig die Arbeitsbedingungen und wie stark die Belastungen sind. Über zwei Jahre ist das her und über zwei Jahre ist kaum etwas passiert. Während für die militärische Aufrüstung in diesem Land quasi über Nacht 100 Milliarden Euro aus dem Boden gestampft werden, sahen und sehen sich die Verantwortlichen in der Politik über Jahre nicht in der Lage, für Verbesserungen zu sorgen für die Beschäftigten in jenen Branchen, ohne die unsere Gesellschaft schlicht den Boden unter den Füßen verlieren würde.

Meine Damen und Herren, und ganz aktuell zeigt sich wieder, in Kriegsgebieten sind besonders Frauen und Kinder die Leidtragenden von kriegerischen Auseinandersetzungen. Und wir blicken mit Entsetzen, mit großer Besorgnis auf den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Ja, und wir stehen ganz fest an der Seite der Menschen, die durch diesen Krieg bedroht werden und unermessliches Leid erfahren. Und derzeit fliehen insbesondere Frauen mit ihren Kindern aus der Ukraine, um Schutz zu suchen. In ihrem Land müssen sie um ihr Leben fürchten. Die Flucht mit all ihren Auswirkungen trifft auch hier Frauen am härtesten. Sie brauchen unseren Schutz, und daher rufen wir alle Menschen auf, sich an den zivilgesellschaftlichen Hilfsaktionen zu beteiligen und dabei die besondere Situation von Frauen im Blick zu halten. Wir erleben gerade auch jetzt, wie grandios Frauen sich weltweit solidarisieren, wie sich Frauen an die Spitze von Hilfsaktionen stellen und für Spendensammlungen auch ganz gezielt den gestrigen Frauentag genutzt haben.

Meine Damen und Herren, meine Fraktion ist froh, dass es nach der anhaltenden Blockade durch die CDU endlich gelingt, diesem enorm wichtigen Thema – den Frauentag zum Feier- und Kampftag zu machen – die ihm gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Meine Fraktion ist froh, dass wir hier gemeinsam mit der SPD die Änderung des Feiertagsgesetzes auf den Weg bringen können, für ein Stück mehr Gerechtigkeit für alle Beschäftigten und mehr Zeit dafür, auf bestehende Missstände aufmerksam zu machen, auf Missstände, Hürden und Steine, die es auf dem Weg hin zu einer tatsächlichen Gleichstellung immer noch gibt, denn Frauenrechte sind Menschenrechte. Menschen, egal welchen Geschlechts, sollen das gleiche Recht auf individuelle Lebensentwürfe haben und auf Chancen zu ihrer Realisierung. Ich zitiere an dieser Stelle gern die österreichische Autorin Elfriede Hammerl, Zitat: „Wir Frauen müssen nicht die besseren Menschen sein. Wir können gut sein und weniger gut. Das ändert nichts an unseren Rechten. Wir erheben Anspruch, ganz gewöhnliche Menschen sein zu dürfen, Charakterschwächen haben zu dürfen, sogar unsympathisch sein zu dürfen und trotzdem nicht benachteiligt zu werden.“

Meine Damen und Herren, mit diesem Vorsatz hoffe ich auf eine gute Debatte und die Überweisung unseres Gesetzentwurfes.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Fraktionsvorsitzende!

Gemäß Paragraf 84 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung ist eine Aussprachezeit von bis zu 71 Minuten vorgesehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat für die Landesregierung die Justizministerin Frau Bernhardt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Landtagspräsidentin! An dieser Stelle bin ich froh, nicht nur als Justizministerin zu Ihnen zu reden, sondern ebenso als Gleichstellungsministerin.

Der Internationale Frauentag am 8. März soll auch in Mecklenburg, soll auch in Mecklenburg ein gesetzlicher,

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Mecklenburg-Vorpommern ein gesetzlicher …

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Ich habe es doch gesagt! Also wenn Sie sich an anderen Dingen auch so aufregen würden!

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der AfD und CDU)

Der Internationale Frauentag – noch mal – am 8. März soll auch in Mecklenburg-Vorpommern, Herr Ehlers, ein gesetzlicher Feiertag werden.

(Heiterkeit bei Sebastian Ehlers, CDU: Da bin ich ja beruhigt.)

Dafür haben Ihnen die Fraktionen von SPD und DIE LINKE einen Gesetzentwurf vorgelegt, einen Gesetzentwurf, der das Feiertagsgesetz ändern soll. Wann kann das Feiertagsgesetz geändert werden? Wenn es sich um Feiertage handelt, die entweder von kirchlicher Bedeutung sind, oder wenn es sich um Feiertage, um Tage handelt von besonders herausragender gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, genau der 8. März entspricht dieser besonderen gesamtgesellschaftlichen Bedeutung.

(Rainer Albrecht, SPD: Sehr richtig!)

Dieser Feiertag soll nicht nur ein weiterer arbeitsfreier Tag werden, der 8. März ist viel mehr. Er ist ein Kampftag für die Gleichstellung der Geschlechter, dafür, dass Frauen ebenso wie Männer die gleichen Chancen auf ein gutes Leben haben. Wir als Landesregierung verbinden mit diesem Tag den Willen und den Anspruch, Gleichberechtigung und Gleichstellung in allen Lebensbereichen durchzusetzen.

An diesem Tag bildet sich zudem die Geschichte der weltweiten Frauenbewegungen ab. Und erst gestern

durfte ich eine Dame kennenlernen, der es besonders wichtig ist, dass man auch noch mal auf die Geschichte der Frauenbewegung hinweist. Und genau diesem Wunsch möchte ich gern auch an dieser Stelle nachkommen und noch einmal in die Geschichte zurückkommen, wo kommt der 8. März, wo kommt die Frauenbewegung überhaupt her. Bereits 1789, im Zuge der Französischen Revolution, verfasste die Frauenrechtlerin Olympe de Gouges eine „Erklärung der Rechte für Frau und Bürgerin“. Darin heißt es: „Die Frau wird frei geboren und bleibt dem Mann an Rechten gleich...“ Damit hat sie die erste universelle Erklärung von Menschenrechten vorgelegt, die gleichermaßen für Männer und Frauen gilt. Dieser egalitäre Ansatz fußte auf der Idee der Aufklärung, wonach alle Menschen, egal welchen Geschlechts, von Natur aus gleich sind.

Die Idee eines besonderen Kampftages für eine der wichtigsten Forderungen der Frauenbewegung – das Frauenwahlrecht – entstammte zunächst den Vereinigten Staaten und gelangte auch nach Europa. Die deutsche Sozialistin Clara Zetkin griff diese Idee auf und schlug 1910 vor, einen Internationalen Frauentag einzuführen. 1919 wurde dann endlich auch in Deutschland das Frauenwahlrecht erkämpft. Frauen konnten sich wählen lassen und Frauen konnten selber wählen – ein Meilenstein, wie ich finde, für unsere Demokratie.

In den letzten Jahren und Jahrzehnten wurde weiterhin viel für uns Frauen erreicht. Seit 1949 ist die Gleichstellung von Frau und Mann in unserem Grundgesetz festgehalten. Seit dem Jahr 1977 dürfen Frauen ohne die Zustimmung ihres Mannes arbeiten gehen. Seit 1997 ist die Vergewaltigung in der Ehe strafbar. Das alles sind Errungenschaften, von vielen mutigen Frauen ausgegangen, die die Gesellschaft gerechter gemacht haben,

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

die uns Frauen Rechte ermöglicht haben, die für viele von uns heute selbstverständlich sind.

Und auch wenn wir heute nicht mehr das Frauenwahlrecht oder die verfassungsgemäße Gleichstellung in den Vordergrund stellen, hat doch der 8. März seine Bedeutung als Kampftag für die Frauenrechte nicht verloren, denn leider ist es noch so, dass in vielen Bereichen Frauen in Deutschland immer noch nicht Männern gleichgestellt sind. Frauen verdienen im Schnitt 18 Prozent weniger als Männer und sind überdurchschnittlich von Altersarmut betroffen. Vorgestern war der Equal Pay Day. Es macht sehr nachdenklich, wenn Frauen bis zu diesem Tag unentgeltlich im Vergleich zu Männern arbeiten müssen. Wenn erst der 07.03. das Neujahr für Frauen bei der Arbeit ist, dann ist das einfach ein trauriges Zeichen, was es unbedingt anzugehen gilt, denn die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern ist zwar in Mecklenburg-Vorpommern ein wenig kleiner, zeigt aber immer noch, dass hier mehr getan werden muss, und wir tun mehr.

Das Thema Gleichstellung ist für diese Koalition eine Querschnittsaufgabe in allen Politikbereichen. Dazu werden wir ein gleichstellungspolitisches Rahmenprogramm erarbeiten und auch dafür sorgen, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen weiter steigt. Es ist gut, dass diese rot-rote Landesregierung diesen Anspruch vorlebt. Unter der Führung einer Ministerpräsidentin und einer stellvertretenden Regierungschefin sind wir das

erste paritätisch besetzte Kabinett in MecklenburgVorpommern. Und ich denke, das ist ein gutes und das ist ein historisches Zeichen.

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Die neue Landesregierung wird sich auch dafür einsetzen, dass die Repräsentanz von Frauen in der Wissenschaft gestärkt wird. Unser Ziel ist es auch hier, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Und natürlich trifft das auch für den Bereich der Justiz zu. Lassen Sie uns zusammen als Landesregierung und Landtag dafür sorgen, dass wir hier weiter vorankommen!

Und noch ein weiteres Thema, wo wir unbedingt weiter vorankommen müssen, ist das Thema Altersarmut. Altersarmut ist häufig weiblich. Viele Frauen stehen im Alter finanziell schlechter da als ihre Partner, und bei Niedriglöhnen, Teilzeit und Gender-Pay-Gap ist es nicht verwunderlich, dass die Rente von Frauen über 65 Jahren im Durchschnitt 46 Prozent geringer ist als die von Männern. Deswegen ist es ausdrücklich zu begrüßen, dass die Bundesregierung den Mindestlohn auf 12 Euro erhöht hat und wir uns in Mecklenburg-Vorpommern für eine stärkere Tarifbindung einsetzen und die Vergabe von öffentlichen Aufträgen reformieren. Gute Löhne und gute Arbeit, meine Damen und Herren, sind der Grundstein für eine gelungene Gleichstellung.

Natürlich ist ganz klar, dass kein einzelner Tag, auch kein Feiertag, auf einen Schlag die Gleichstellung von Frau und Mann vorantreiben wird. Dennoch ist es ein Baustein, es ist ein wichtiges Signal. Es ist wichtig, ein Signal zu setzen. Berlin hat den Anfang 2019 gemacht und hat den Frauentag zum Feiertag gemacht. MecklenburgVorpommern will diesen Weg ebenso gehen, und das kann man nur begrüßen. Ich freue mich auch sehr, dass die ersten kommunalen Gleichstellungsbeauftragten bereits angekündigt haben, diesen Feiertag eben zum Kampftag mit Leben zu erfüllen und eben nicht nur zum Kaffeetrinken zu nutzen, sondern mit Aktionen – Aktionen, die auf die Probleme bei der Gleichstellung von Frau und Mann hinweisen, Aktionen für die Gleichstellung von Frau und Mann.

Und es ist ja auch nicht zu bestreiten, dass gerade Frauen in der Gesellschaft für ein solidarisches Miteinander sorgen. Sie tragen häufiger die größere Last in den Familien, sei es bei der Erziehung der Kinder oder bei der Pflege der Angehörigen. In den Lockdowns der letzten Jahre waren es vor allem die Frauen, die den Spagat zwischen Homeoffice und Homeschooling gemeistert haben. All diese Leistung verdient mehr Anerkennung als nur warme Worte in Sonntagsreden. Und ich weiß und ich finde es einfach traurig, dass einige hier im Plenum jetzt meinen, einen weiteren Feiertag könnten wir uns in Mecklenburg-Vorpommern nicht leisten, es würde doch zu viel kosten. Und ich finde es geradezu beschämend, dass immer dann, wenn es um Frauen geht, wenn es um die Anerkennung von Frauen geht, wenn es um die Wertschätzung von Frauen geht, auf einmal angefangen wird, hier die Kostenrechnung aufzumachen.

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

Und all diesen Bedenkenträgern möchte ich folgende Frage stellen: Wie viel wird durch Frauen in der Gesellschaft unentgeltlich geleistet?

(Eva-Maria Kröger, DIE LINKE: Milliarden!)

Wie viel haben gerade Frauen während der CoronaPandemie

(Eva-Maria Kröger, DIE LINKE: Milliarden!)

unter erschwerten Bedingungen gearbeitet? Würden wir hier eine seriöse Rechnung aufstellen, so, bin ich überzeugt, würden die Kosten für den Frauentag als Feiertag nicht ins Gewicht fallen.