Protocol of the Session on March 9, 2022

Ich danke den Fraktionen, auch der FDP und der GRÜNEN, dass sie sozusagen jetzt hier, die zwar damals nicht im Landtag vertreten waren, aber dass sie auch hier klar erkennen, dass da Aufarbeitung erfolgen muss. Und deswegen hoffe ich, dass wir hier mit diesem Votum heute ein klares Signal senden.

Und nochmals zum Schluss: Es ist kein Angriff auf die vielen fleißigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Damit meine ich alle, auch diejenigen, die aktuell demonstrieren. Und auch da fehlen Antworten, wie Sie wissen, meine Damen und Herren. Und deswegen, es ist ein Aufarbeitungsprozess der strategischen Fehlentscheidungen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Gemäß Paragraf 84 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung ist eine Aussprachezeit von bis zu 71 Minuten vorgesehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen und ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort hat gebeten die Wissenschaftsministerin Frau Bettina Martin. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Selbstverständlich hat das Parlament das Recht, einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Da haben wir noch mal Glück gehabt.)

Selbstverständlich werde ich und wird die Landesregierung all Ihre Fragen beantworten, Akten zur Verfügung stellen und bei der Zeugensuche helfen.

Und trotzdem möchte ich an dieser Stelle sagen, ich wundere mich doch ein bisschen über diese Forderung nach einem solchen Untersuchungsausschuss, denn, meine Damen und Herren, wir sollten im Interesse der Unimedizinen im Land nach vorne schauen und nicht nach hinten. Die Fragen, die Sie im vorliegenden Antrag

für den Untersuchungsausschuss aufwerfen, führen uns weit, ganze 25 Jahre, zurück in die Vergangenheit. Die Bearbeitung all der Vorgänge und Fragestellungen wird bei allen Beteiligten den Einsatz von enormen zusätzlichen Ressourcen einfordern, im Landtag, in der Landesverwaltung, aber auch bei den Unimedizinen, und all das, obwohl keine der gestellten Fragen nicht auch im regulären Wissenschafts- oder Gesundheitsausschuss geklärt werden könnten, all das, obwohl in Ihrem Einsetzungsantrag kein Thema genannt ist, das nicht schon längst auch Gegenstand von Akteneinsicht und Auskunftsersuchen von den Fachausschüssen des Landes,

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Genau.)

von Prüfungen durch den Landesrechnungshof oder anderen Behörden gewesen ist.

Erst vor wenigen Monaten fanden mehrere Sonderausschusssitzungen – Herr Peters hat es gerade erwähnt – statt, die sich über viele Stunden intensiv mit dem Thema Unimedizin auseinandergesetzt haben. Keineswegs wurde dort gemauert. Und im Nachgang konnten die Abgeordneten Akteneinsicht nehmen. Herr Peters hat es erwähnt, auch er hat das wohl getan, und ich weiß, viele von Ihnen haben diese Akteneinsicht auch getätigt.

Jetzt also trotzdem noch ein Untersuchungsausschuss, der alle Seiten unverhältnismäßig viel Kraft und Ressourcen kosten wird, dafür, dass Sie 25 Jahre nach hinten blicken. Nun gut! Meine Damen und Herren der Opposition, glauben Sie wirklich, dass diese rückwärtsgewandte Befassung im Interesse der Unimedizinen in Rostock und Greifswald ist? Ich glaube, dass diese kräftezehrende Aufarbeitung weder den Beschäftigten noch dem Wohl der Patientinnen und Patienten dient. Geht es Ihnen hier wirklich um die Sache?

(Franz-Robert Liskow, CDU, und Torsten Renz, CDU: Ja.)

Ich werde nach vorne gucken. Ich meine damit, es ist unsere Aufgabe, die beiden Standorte nach vorn auszurichten und ihnen jetzt die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen, damit sie den Anschluss an die Spitzenmedizin auch in der Zukunft behalten. Und vor allem geht es darum, die beste medizinische Versorgung für die Patientinnen und Patienten bei uns im Land sicherzustellen.

Die Universitätsklinika in Rostock und Greifswald sind das Rückgrat der medizinischen Krankenversorgung in Mecklenburg-Vorpommern. Sie erbringen rund ein Viertel der medizinischen Leistungen im Land, sie leisten hervorragende Arbeit im Bereich der Spitzenmedizin. Nicht zuletzt die Pandemie hat genau das gezeigt. Sie hat gezeigt, wie wichtig die Maximalversorger in diesem Land sind, für die Gesundheitsversorgung, aber auch, was für eine wichtige Rolle sie als Innovationstreiber im Land haben. Ich hoffe nicht, dass die Arbeit im Untersuchungsausschuss in den kommenden Jahren dazu führen wird, dass die hervorragenden Leistungen der Universitätsmedizinen immer wieder öffentlich in schlechtes Licht gestellt werden, denn das, meine sehr verehrten Damen und Herren, würde den beiden Unimedizinen definitiv mehr schaden als nützen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Denn was nützt es uns, in intensiver Rückschau nochmals festzustellen, dass vor 15 oder 25 Jahren Entscheidungen getroffen wurden, die im heutigen Licht gesehen zu den Problemen geführt haben, die die Unimedizinstandorte bei uns im Land seit Langem haben? Man kann wohl davon ausgehen, dass es damals gute Gründe für bestimmte Entscheidungen gab, die man aus heutiger Sicht so wahrscheinlich nie gefällt hätte. Das wissen Sie, meine Damen und Herren der Opposition, mindestens genauso gut wie ich, denn ich war damals noch lange nicht in politischer Verantwortung, viele von Ihnen aber sehr wohl.

Die Spitzenmedizin hat sich seitdem enorm verändert und damit die Anforderungen an einen Standort der Universitätsmedizin auch. Ein Beispiel: Heute müssen alle Bereiche interdisziplinär zusammenarbeiten. Da ist eine örtliche Zersplitterung – Herr Peters hat auch gerade darüber gesprochen –, da ist eine örtliche Zersplitterung der Universitätsmedizin auf mehrere Standorte weder medizinisch noch ökonomisch sinnvoll. Heute würde beispielsweise niemand mehr die Entscheidung treffen, die Neurologie weit weg von der Inneren in Gehlsdorf unterzubringen oder die Kardiochirurgie nach Karlsburg abzugeben – alles Entscheidungen, die zurückreichen und die sich heute als Hindernis für die innovative Entwicklung der Unimedizin erweisen.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Doch für dieses Wissen müssen wir nicht einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Dieses Wissen haben wir, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Die bauliche Infrastruktur ist eine der größten Herausforderungen für die Standorte. Das gilt insbesondere für Rostock, aber auch in Greifswald wird der Investitionsbedarf in diesem Jahrzehnt wachsen. Hier sind wir bereits tätig. Ich möchte in diesem Kontext auch noch mal herzlich Danke sagen für die Einrichtung des Sondervermögens Universitätsmedizin. Das gibt uns mehr Flexibilität und auch Handlungsfähigkeit. Wir haben in den letzten Jahren und sind auch aktuell dabei, die Anzahl der Standorte in Rostock erheblich zu reduzieren. Sie sind bereits von ehemals 16 auf heute 6 zurückgegangen. Aktuelles Beispiel ist der Neubau für Zentrale Medizinische Funktionen, das ZMF, am Campus Schillingallee.

Ich weiß, dass es darüber hinaus noch weiterer Anstrengungen bedarf. Wir sind bereit zu handeln und tun dies auch. Und deshalb kommen Sie mir jetzt bitte nicht – und das sind Sie schon, damit gekommen –, kommen Sie mir nicht schon wieder mit der Anschuldigung, ich würde irgendwelche Verantwortung wegschieben. Das ist eine falsche Behauptung. Ich trage als Wissenschaftsministerin selbstverständlich politische Verantwortung für die Unimedizin. Und es ist mein Ziel, dass die Universitätsmedizinen die notwendigen Rahmenbedingungen für eine zukunftsfähige Entwicklung haben. Da, wo es finanzielle Herausforderungen gibt, werden wir uns ihnen stellen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Aber – und das muss hier offensichtlich noch geradegerückt werden – die operative Verantwortung, diesen Rahmen auszufüllen, liegt beim Vorstand. Und es sind

die Einrichtungsleiter, die Ärztinnen und Ärzte und die Pflegekräfte, die dieser Verantwortung mit ihrer wichtigen täglichen Arbeit am Patienten nachkommen. Es geht darum, ihre Arbeit wertzuschätzen, ihnen Respekt entgegenzubringen. Und vor allem, es geht um die bestmöglichen Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Das ist auch wichtig, damit unsere Universitätsmedizinen als Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig bleiben, denn der Fachkräftemangel ist neben der baulichen Infrastruktur die zweite große Herausforderung.

Und die dritte Herausforderung ist, und das betrifft alle Maximalversorger in Deutschland, die dritte Herausforderung ist eine dringend notwendige Reform der Krankenhausfinanzierung für die Universitätsmedizinen. Das DRG-System führt zu einer erheblichen Unterfinanzierung und ist nicht nur für Rostock und Greifswald, sondern für fast alle deutschen Universitätsklinika ein Riesenproblem,

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

denn sie müssen als Maximalversorger Reservekapazitäten und Spitzenversorgung vorhalten, und das auch in bevölkerungsarmen Regionen.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Das ist mit erheblichen Zusatzkosten verbunden. Zählt man alle Defizite der Universitätsmedizinen zusammen und zieht dann noch die Landeszuschüsse ab, die in einigen Ländern stützend fließen, so landet man bei fast 1 Milliarde Euro Minus. Gut, dass die Ampelkoalition in Berlin sich im Koalitionsvertrag dieser Aufgabe stellt und dieses DRG-System verändern will. Wir werden in Mecklenburg-Vorpommern diese Entwicklung aktiv auf Bundesebene begleiten.

Sehr geehrte Damen und Herren, das Land steht zu seinen beiden Unimedizinen. Wir wollen einen Zukunftspakt mit ihnen schließen und sicherstellen, dass die Krankenversorgung und dass Forschung und Lehre für die Zukunft gesichert sind. Wichtig dafür ist, dass verlorenes Vertrauen wiederhergestellt wird. Wichtig ist, dass der Standort Rostock endlich wieder zur Ruhe kommt und sich darauf konzentrieren kann, was die Unimedizin am besten kann: ihre Patientinnen und Patienten bestmöglich zu versorgen und gut qualifizierte Nachwuchsärztinnen und Nachwuchsärzte auszubilden. Dafür machen viele Tausend Beschäftigte von der Pflegekraft bis zum Chefarzt täglich ihren Dienst am Krankenbett. Wir sind es ihnen schuldig, dass wir beste Rahmenbedingungen schaffen und einen Blick in die Zukunft, eine Perspektive geben. Ich hoffe sehr, dass es gelingt, dass dieser Untersuchungsausschuss nicht Parteienhickhack fabriziert, sondern einen echten Beitrag dazu leisten kann, den Universitätsmedizinen bei uns im Land eine gute Perspektive zu schaffen, denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, darum muss es uns gehen. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Ministerin!

Das Wort hat nun für die AfD-Fraktion der Abgeordnete Thomas de Jesus Fernandes.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrtes Präsidium! Was hier von den anderen Oppositionsparteien vorgelegt wird, ist ein Antrag zur Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der die Vorgänge in den Entscheidungen des einstigen Bildungsministeriums zu den Universitätskliniken ebenso klären soll wie wesentliche Entscheidungsabläufe in den Universitätsmedizinen selbst. Er begehrt nichts weniger als eine komplette, neue, gründliche Generalrevision, die offenbar notwendig ist, meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Man fragt sich zunächst, nicht zuletzt an die Adresse des bislang mitregierenden und nunmehr den Antrag mittragenden CDU-Ministers, weshalb die innere Kontrolle zum einen der Universitätsklinika, zum anderen des aufsichtsführenden Wirtschafts- und Bildungsministeriums, weshalb diese ihrem Organigramm nach komplexen Institutionen mit all ihren Behörden und Abteilungen es offensichtlich bislang versäumt haben, eine Revision im Sinne der von Ihnen im Antrag mehrfach beschworenen Good Governance zu leisten.

(Torsten Renz, CDU: Kennen Sie die Rede, die Sie da vorlesen?)

Nun werden Sie mal nicht käsig, ja?!

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

Ich halte hier eigentlich eine Unterstützungsrede. Ich kann sie auch weglassen. Ich kann es auch ganz einfach machen:

(Rainer Albrecht, SPD: Ja!)

Es sind hier richtig viele Versäumnisse aufgetreten. Sie sprachen von Betrug. Das stand ebenfalls in der Zeitung schon. Dazu hat sich unsere Ministerin nicht geäußert. Unsere Ministerin wollte den Fokus eigentlich nur ablenken, um dann – wie sie es damals auch schon gemacht hat, die SPD – vermeintlichen Schaden abzuwenden vom Klinikpersonal und von den Pflegekräften, an deren Seite wir natürlich ebenfalls stehen. Der Fokus ist nicht abzulenken in diesem Fall. Der Fokus ist eindeutig auf die Führungsebene beschränkt. Ich glaube, Sie haben den Antrag eben nicht gelesen, Frau Ministerin. Der ist nämlich sehr gut bis ins kleinste Detail ausformuliert.

Wir haben dazu Anhörungen gehabt hier im Landtag. Die Professoren haben über ihre Schwierigkeiten geredet, die sie dort haben, auch, dass sie in ihrer Entwicklung und der wirtschaftlichen Weiterentwicklung und in der besten Entwicklung auch für die Patienten nicht weiterkommen aufgrund von Blockaden der Führungsebene. Und die Führungsebene über dem Aufsichtsrat ist nun mal das Ministerium, auch wenn die Universitätsklinika natürlich frei sind in ihren Entscheidungen. Aber wenn es hier um Geldmittel geht, die dann auch noch versickern, und fragwürdige Rentenanlageprogramme, wo 30 Millionen Euro verschwinden, meine Damen und Herren, dann ist dieser Untersuchungsausschuss mehr als notwendig, auch aus unserer Sicht.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und wenn ich den Änderungsantrag der neuen Regierungskoalition dazu lese, dann läuft es mir eigentlich sogar eiskalt den Rücken runter, weil wir erinnern uns, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse sind sehr wichtig, das ist das schärfste Schwert hier der Opposition auch. Das ist ein Minderheitenrecht, meine Damen und Herren, das Sie mit diesem Antrag quasi auch noch mit den Füßen treten,

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LNKE)

indem Sie einen Änderungsantrag stellen, und es wird in Zukunft auch noch rechtlich zu bewerten sein, ob das in der Form auch möglich ist, indem Sie quasi die Minderheit umgehen, kraft Ihrer Größe überstimmen und eine Änderung des Einsetzungsbeschlusses herbeiführen, meine Damen und Herren. Auch wenn es hier für Sie wahrscheinlich nur um die Zusammensetzung geht, aber das ist entscheidend in der Mitarbeit auch in diesem Ausschuss, dass eben alle Parteien sich hier vernünftig beteiligen können.