Protocol of the Session on September 24, 2020

(Thomas Krüger, SPD: Sie haben es nicht verstanden!)

Ja, hören Sie zu, Herr Krüger!

Und das zieht sich bis heute wie ein roter Faden durch die SPD-Politik. Es handelt sich um nichts anderes als um die ökosozialistische Umgestaltung der Agrarpolitik.

(Thomas Krüger, SPD: „Ökosozialistisch“?! Da haben Sie aber lange überlegt!)

Und das wirkt sich eben auch auf die Agrarpolitik aus und hat somit Auswirkungen auf die Weidehaltung.

Meine Damen und Herren der CDU, zu einem Antrag zur Weidehaltung fehlt Ihnen anscheinend der Mut, zum Beispiel zur Obergrenze. Aber um den Schein zu wahren, eben die Aussprache – ein bisschen meckern und die betroffenen Landwirte erhalten den Eindruck, jawoll, die CDU kümmert sich. Aber Kümmern reicht nicht, man muss auch handeln. Kümmerer haben wir bereits in Mecklenburg-Vorpommern. Ganz klar gesagt, alles, was hier geschieht, geschieht mit Ihnen und nicht gegen Sie. Sie tragen das in großen Teilen mit. Ich erkenne aber auch an, dass Sie auch vieles und Schlimmeres verhindert haben.

Meine Damen und Herren, der Umgang mit dem Wolf und die Folgen daraus sind von rot-grünen Ideologen gewollt, und das Ende der Weidehaltung wird billigend in Kauf genommen. Ganze Landstriche sollen anscheinend entvölkert werden.

Kommen wir zu den Fakten der Weidehaltung: Bedroht wird die Weidetierhaltung nicht durch den Wolf, sondern

durch eine vollkommen fehlgeleitete Agrar-, Naturschutz- und Umweltpolitik.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

Somit sitzt die größte Bedrohung der Weidehaltung in M-V hier in diesem Raum.

(Thomas Krüger, SPD: Oh!)

Meine Damen und Herren, aktuell gibt es elf Wolfsrudel in Mecklenburg-Vorpommern. Es stellt sich die Frage, wie viele Wolfsrudel verträgt Mecklenburg-Vorpommern.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Was sagen Sie denn?)

Hierzu ist ein Blick auf die Populationsdynamik und die Rudelstruktur sehr hilfreich. Bei im Schnitt fünf adulten Wölfen je Rudel und aktuell nachgewiesenen 21 Welpen kommen wir also auf mindestens 70 bis 80 Wölfe, die aktuell in Mecklenburg-Vorpommern leben. Die Dunkelziffer dürfte natürlich noch höher liegen, sodass wir sicherlich schon über 100 Wölfe in unserem Bundesland haben.

Nun stellt sich die nächste Frage: Wie viel Platz braucht ein Wolfsrudel eigentlich? Das wird in erster Linie von der Dichte an Beutetieren abhängen, daher von der Wilddichte oder eben aber von der Verfügbarkeit von Weidetieren. Erfahrungswerte aus Polen gehen davon aus, dass ein Wolfsrudel ein Streifgebiet von ungefähr 200 bis 250 Kilometer benötigt, um sich zu versorgen. Mecklenburg-Vorpommern umfasst eine Fläche von 23.000 Quadratkilometern. Daher, hier wäre nach dieser Rechnung Platz für 65 Wolfsrudel, wobei natürlich Siedlungsflächen, Wasserflächen, Ackerflächen et cetera abzuziehen sind. Rechnet man hier großzügig, ließe sich vielleicht die Hälfte unserer Landesfläche als potenzielles Wolfsterritorium beschreiben. Mehr als 25 Rudel dürfen demnach hier Platz finden.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

Nun wird mit jedem weiteren Rudel, mit jedem weiteren einzelnen Wolf der Druck auf die Weidehaltung zunehmen, da das Wild sich verstärkt auf die Anwesenheit des Wolfes einstellen wird und dieser wiederum Weidetiere als leichte Beute kennenlernen wird. Die Schäden werden also exponentiell zunehmen. Und legen wir ein Populationswachstum von 30 Prozent zugrunde, so erreichen wir den Höchstwert von 25 Rudeln bereits in wenigen Jahren, im Jahre 2023/2024 ungefähr.

Wie überall setzt in der Natur auch bei der Wolfspopulation irgendwann eine natürliche Bestandsregulierung ein. Diese soll jedoch teilweise erst ab 40 Wölfen pro 1.000 Quadratkilometer greifen. Das würde in Mecklenburg-Vorpommern immerhin 400 bis 500 Wölfe bedeuten. Zum Vergleich: Schweden und andere Länder lassen circa 300 bis 500 Wölfe im ganzen Land zu. Das hätten wir dann hier in Mecklenburg-Vorpommern.

(Thomas Krüger, SPD: Die haben massive Probleme mit Inzest und so weiter.)

Diese Zahl wäre bei den angenommenen 30 Prozent Zuwachs übrigens im Jahre 2027 deutlich überschritten.

Schauen wir mal auf das Rissgeschehen. Der Wolf weitet sein Beutespektrum immer weiter aus. Betraf es bisher fast ausschließlich Wildtiere, Gatterwild und Schafe beziehungsweise Ziegen, so mehren sich zunehmend die Vorfälle, in denen Kälber und selbst Pferde angegangen werden. Erschreckend sind die jüngsten Vorfälle im Landkreis Nienburg. Dort wurden zuletzt zwei Pferde gerissen und ein drittes schwer verletzt. Ganz offenbar gibt der Leitwolf seine Kenntnisse und Erfahrungen an den Nachwuchs weiter. Allein im ersten Quartal 2020 wurden doppelt so viele Nutztiere in MecklenburgVorpommern gerissen wie im Jahr zuvor.

Aber, meine Damen und Herren, der Wolf ist nicht das einzige Problem. Die Flächenknappheit nimmt zu. Immer weniger öffentliche und private Flächen werden der Schäferei und der Weidehaltung zur Verfügung gestellt. Frau Schlupp hat ja schon darauf hingewiesen, insbesondere die Deichpflege wird Schäfern nach und nach genommen und es wird zu einer maschinellen Mahd übergegangen. Die Weidetierprämie wurde abgeschafft und soll vorerst nicht wieder eingeführt werden. Die Weidetierprämie für Schafe und Ziegen mit 30 Euro gibt es bereits in 22 Mitgliedsstaaten der EU.

Nach dem Wegfall der Mutterschafprämie seien die Schafsbestände in Deutschland zwischen 2006 und 2018 laut Verband von 2,5 Millionen auf 1,5 Millionen Tiere gesunken. Schafhalter stehen bei den landwirtschaftlichen Einkommen seit Jahren am unteren Ende. Stundenlöhne von zum Teil weniger als 6 Euro reichen nicht aus, um den Betrieb zu erhalten und die Familie zu ernähren. Nach der weitgehenden Entkoppelung der Direktzahlungen im Zuge der EU-Agrarreform 2003 steht die Bundesregierung der Wiedereinführung gekoppelter Prämien grundsätzlich ablehnend gegenüber. In den Verhandlungen über die Gemeinsame Agrarpolitik in der kommenden Förderperiode stemme sich Deutschland laut Nachrichtenagentur Agra-Europe gegen die Bemühungen anderer Mitgliedsstaaten, den Umfang der gekoppelten Zahlungen auszuweiten.

Und dann sind da noch viele andere ungelöste Probleme, wie der Rabenvogel zum Beispiel, der den armen Lämmern die Augen aushackt, ein drohendes Ernte- und Nutzungsverbot durch die ASP, durch die Afrikanische Schweinepest,

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

das Zurückfahren der Förderung

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

von 100 auf wieder 80 Prozent für Schutzmaßnahmen und so weiter und so fort. Und in Sachsen und in einem weiteren Bundesland, meine Damen und Herren, gibt es bereits eine Empfehlung, wieder zur Stallhaltung zurückzukehren. Es ist also schlecht bestellt um die Zukunft der Weidehaltung. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Für die SPD hat jetzt das Wort die Abgeordnete Aßmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ich bin sehr dankbar, Frau Schlupp, dass Sie als Fraktion diese Aussprache hier eingebracht haben, weil es nicht nur a) natürlich eine Wertschätzung gegenüber den Weidetierhaltern ist, sondern es gibt natürlich auch uns die Möglichkeit, mal zu zeigen, was denn hier in MecklenburgVorpommern eigentlich schon alles getan wird, um die Weidetierhalter zu unterstützen.

Auch wenn Herr Borschke natürlich meint, dass es so eine „ökosozialistische“ Agrarpolitik hier in diesem Lande gibt,

(Zuruf von Ralf Borschke, AfD)

dann zeigt es ganz klar, Herr Borschke, dass Sie vom Begriff „Nachhaltigkeit“ nach wie vor immer noch nichts verstanden haben.

(Andreas Butzki, SPD: Nicht nur das! – Zuruf von Ralf Borschke, AfD)

Und wenn man auf Bundesebene schaut und wer sich da auf Bundesebene mal mit der SPD beschäftigt, weiß, dass gerade wir hier in Mecklenburg-Vorpommern eine ganz andere Linie an vielen Stellen fahren, als es in anderen Bundesländern oder auf Bundesebene innerhalb der Partei der Fall ist. Das stößt nicht immer auf offene Ohren, aber am Ende muss man gucken, welche Politik muss ein Landesverband, ein Land für sein Land machen, und deswegen darf man sich da auch ganz gerne mal unterscheiden.

(Ralf Borschke, AfD: Sie machen Politik für Ihre Klientel und nicht für das Land!)

Herr Borschke, wenn Sie hier solche unqualifizierten Zwischensprüche machen oder Zwischenrufe machen, dann ist das natürlich Ihr gutes Recht, aber es zeugt nicht davon, dass Sie hier wirklich Interesse an diesem Thema haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Sie sind einfach wieder dabei, dass Sie hier mit irgendwelchen populistischen Äußerungen Stimmung machen wollen, und das zeigt doch auch, dass Sie im Grunde genommen an dem Thema, nämlich die Weidetierhalter tatsächlich zu unterstützen, überhaupt kein Interesse zeigen.

(Andreas Butzki, SPD: So ist es.)

Was passiert hier in Mecklenburg-Vorpommern? Wir haben seit Jahren das Problem, da hat Frau Schlupp völlig recht, dass die Zahl der Tiere, der Nutztiere, in Mecklenburg-Vorpommern zurückgeht und auch der Weidetiere. Wenn man sich das anguckt, wie passt denn das zeitlich zusammen – nicht nur räumlich zusammen, sondern zeitlich zusammen, Frau Schlupp –, dann kann man klar erkennen, dass ein drastischer Rückgang sicherlich auch zusammenhängt mit der Entkopplung der europäischen Direktzahlungen. Wir haben als Deutschland entschieden, dass wir eben vollständig die europäischen Zahlungen entkoppeln wollen. Es gibt also nicht wie in 22 anderen Staaten Europas gekoppelte Zahlungen für Tierhaltung oder Weidetierhaltung.

Und obwohl es einen Bundesratsbeschluss gibt, den übrigens SPD-geführte Länder ganz stark unterstützen

und auch eingebracht haben, obwohl es einen Bundesratsbeschluss gibt, dass wir eine gekoppelte Zahlung, nämlich eine Mutterschafprämie oder eine GV-Prämie haben, haben das BMEL und Frau Klöckner leider wieder versäumt, das einzureichen bei der EU. Wir hätten ansonsten ab nächstem Jahr die Möglichkeit gehabt, Frau Schlupp, eine Weidetierprämie in Deutschland einzuführen. Diese Frist ist verpasst worden, also haben wir leider aufgrund Ihrer Parteikollegin mindestens zwei Jahre wieder verschenkt für die Weidetierhalter.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ei, jei, jei!)

Das finde ich sehr schade. Da können Sie persönlich auch nichts dafür, aber ich möchte es ansprechen, damit Sie einfach noch mal aus Mecklenburg-Vorpommern heraus die Chance nutzen, da entsprechend auch noch mal bei der Bundesagrarministerin Druck zu machen.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Alles, was wir machen können, denke ich, das haben wir in Mecklenburg-Vorpommern gemacht. Wir haben beispielsweise unseren Landwirtschaftsminister, der gesagt hat, okay, was kann noch getan werden, um gerade die Schaf- und Ziegenhalter weiter zu unterstützen, deswegen wurde die Prämie, die eben für Beweidung von extensiven Grünlandflächen möglich ist, auf den Höchstsatz hochgehoben letztes Jahr. Das sind 69 Euro pro Hektar mehr, die dort beantragt werden können. Wenn man natürlich runterrechnet, was ein Schäfer vielleicht an Fläche hat, ist das nicht der große Sprung, das gebe ich gerne zu, aber es ist alles das, was wir im Rahmen der jetzigen Fördermöglichkeiten tun konnten.

Ebenso angesprochen wurden die 100 Prozent Kompensation, wenn es um den Schutz der Weidetiere geht bei Angriffen oder Übergriffen und auch Schutz vor Wölfen oder auch die Anschaffung von Herdenschutzhunden. Ich möchte das Thema Wolf gar nicht so sehr wieder aufrollen hier.