Protocol of the Session on August 26, 2020

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Es ist nicht das erste Mal, dass wir in dieser Legislaturperiode über die Situation unserer Justiz in Mecklenburg-Vorpommern hier im Parlament reden. Wir haben neue Stellen geschaffen, wir haben im Pilotprojekt die E-Akte eingeführt und ausgeweitet. Wir wollen auch im juristischen Bereich Digitalisierung am Schopfe packen. Und ja, bei circa 650 Staatsanwälten und Richtern in Mecklenburg-Vorpommern wird davon ausgegangen, dass ab 2026 mit circa 40 Pensionierungen pro Jahr zu rechnen ist.

Tatsächlich haben wir diese Diskussion nicht verpasst, sondern die Zahlen sind so weit bekannt. Unsere Justiz

ministerin hat diesbezüglich sogar schon im Kabinett eine entsprechende Initiative vorgestellt, wie wir diesem Trend entgegenwirken können. Und das seit Längerem auferlegte Nachwuchsprogramm des Landes ist ebenfalls da.

Es ist bereits deutlich erkennbar, dass wir in den vergangenen Jahren besonders viele Proberichterinnen und Proberichter eingestellt haben, ebenso ist eine neue Besoldungsordnung in Planung, denn natürlich wollen wir gegen diesen personellen Trend gegensteuern, der übrigens kein Phänomen ausschließlich in unserem Bundesland ist, sondern bundesweit wird über die Entwicklung diskutiert. Es ist unumstößlich, dass es momentan weniger Absolventinnen und Absolventen gibt, die beide Staatsexamen anstreben und sich zusätzlich gegen eine Anstellung im öffentlichen Dienst entscheiden. Wir wollen deswegen vollumfänglich die Attraktivität für diesen Bereich steigern!

Und ja, gerade die Vorschläge, die uns auch schon im Rechtsausschuss vorgestellt wurden, der Arbeitsgruppe sind hier eine wichtige Grundlage, die ein Bündel, wie eben schon gesagt, ein Bündel von Maßnahmen umfassen, um die große Welle, die auf uns zukommt ab 2026, die ungefähr 2030 ihren Höchststand erreicht, abzuflachen, um so einerseits, wie eben auch schon angesprochen wurde, mit der Steigerung der Attraktivität, wie zum Beispiel dem Altersteilzeitmodell, aber auch des vorzeitigen Ruhestands, wie diese Arbeitsgruppe vorgestellt hat, aber auch die Frage, wie man den Ruhestand hinausschieben kann, diese Welle abzuflachen.

(Präsidentin Birgit Hesse übernimmt den Vorsitz.)

Weiterhin hat die Ministerin erwähnt: Neuordnung der Einstellungsgespräche, die Verbeamtung der Referendare, die uns auch einen Zulauf aus vielen anderen Bundesländern bringt, und natürlich die ganz wichtige vorzeitige Einstellung der Nachwuchskräfte.

Meine Damen und Herren, wir haben diese Thematik auch schon im Rechtsausschuss befasst. Deswegen sind auch wir der Meinung, dass man dies nicht erneut zum Thema im Rechtsausschuss machen muss. Deswegen werden wir die Überweisung ablehnen und werden auch den Antrag ablehnen. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Das Wort hätte jetzt eigentlich der fraktionslose Abgeordnete Herr Arppe. Da er nicht anwesend ist, streichen wir ihn von der Liste.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Gute Idee!)

Und das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU Herr Dr. Manthei.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die hohe Pensionierungszahl in den nächsten 20 Jahren ist ja hinreichend bekannt und schon des Öfteren Thema hier im Plenarsaal gewesen. Ich will es noch mal kurz erklären, die Zahlen wurden ja auch schon genannt.

Sie haben recht, Herr da Cunha, es ist ja bundesweit ein Problem natürlich mit der Pensionierung. Wir haben aber noch zusätzlich eine Besonderheit in den neuen Ländern. Vielleicht mal zur Erklärung, warum diese Zahlen 2027 bis 2032: Das liegt daran, dass eben nach der Wende hier viele Juristen angefangen haben aus den Geburtsjahrgängen 60 bis 65, und dann ergibt sich eben diese Besonderheit, dass gerade in den Jahren 2027 bis 2032 hier durchschnittlich 39 Richter und Staatsanwälte in den Ruhestand gehen, etwa 40 Prozent des Personals. Und die Spitze ist auch schon angesprochen worden: 2031 werden fast 45 Richter beziehungsweise Staatsanwälte in einem Jahr in den Ruhestand gehen, und das bei einem Gesamtbestand, Frau Hoffmeister sagte es, von 638 Richtern und Staatsanwälten – nur noch mal, um die Zahl nochmals sozusagen hier noch mal zu verdeutlichen, weil das natürlich schon eine ganz schön gravierende Angelegenheit ist.

Wir als CDU-Fraktion sind uns natürlich ganz sicher und fest in der Meinung, dass dieser Pensionierungswelle entgegengewirkt werden muss. Es ist einfach ein verfassungsrechtlicher Justizgewährungsanspruch, der dahintersteckt. Die Funktionsfähigkeit der Justiz muss gewährleistet werden. Weil uns die Sache eben sehr wichtig ist, waren wir auch mit dem Arbeitskreis Recht, mit unserem justizpolitischen Sprecher Sebastian Ehlers hatten wir im Rahmen unserer Sommertour hierüber auch mit dem Richterbund gesprochen, um auch noch mal die Vorstellungen dort zu hören. Aber auch, wir waren dann im Anschluss auch noch beim Vertreter der Rechtsanwaltskammer und beim Rostocker Anwaltverein, das nur am Rande. Es wurde ja auch schon angesprochen, dass dieses Problem eben nicht nur bei Richtern, Staatsanwälten, sondern generell in der Justiz, gerade in der Anwaltschaft, auch ganz gravierend besteht.

Das Problem ist also längst bekannt und auch im Koalitionsvertrag benannt worden, mit der Folge, dass hier eine Arbeitsgruppe eingesetzt wurde, und die hat im April 2018 dann eben die Ergebnisse vorgelegt. Die Arbeitsgruppe kommt zu dem Ergebnis, dass hier zahlreiche Maßnahmen notwendig sind, zum Beispiel das Hinausschieben des Ruhestandes, aber auch, dass die Altersteilzeit wieder eingeführt werden sollte möglicherweise oder auch der vorzeitige Ruhestandseintritt attraktiver gemacht werden könnte.

Es ist also nicht so, wie Sie, Herr Förster, gesagt haben, dass hier ein Anstoß gegeben wurde durch den Gesetzentwurf, sondern dieses Thema ist längst in Bearbeitung. Der Gesetzentwurf ist heute nicht notwendig. Es ist ja richtig, das Thema vielleicht noch mal anzusprechen, aber den Gesetzentwurf brauchen wir heute nicht.

Ich möchte auch noch anmerken, dass mir auch – was, glaube ich, die Vorrednerin Frau Bernhardt auch schon angesprochen hatte –, mir der Gesetzentwurf auch ein bisschen zu kurz war, etwas zu oberflächlich. Sie haben ja in der Begründung dann noch ein paar Probleme angesprochen. Es gibt ganz erhebliche Probleme, und das hat auch der Richterbund, das hat auch die Arbeitsgruppe angesprochen. Was unbedingt auch beleuchtet werden muss, das ist eben die Frage zum Beispiel, wie ist das verfassungsrechtlich, wenn die Verlängerung der Arbeitszeit vom Interesse des Dienstherrn abhängig gemacht wird. Das ist tatsächlich schon die Frage, ob hier die richterliche Unabhängigkeit betroffen ist und man überlegen muss, und das wird sicherlich auch dann dis

kutiert werden im Gesamtvorschlag, den wir dann hier erwarten von der Regierung, wie man mit diesem Problem umgeht.

Sie haben so, ich zitiere, gesagt, das sei kein Problem, die Abwehr ungeeigneter Bewerber. Ich halte das aber schon für ein Problem. Wer maßt sich dann am Ende an, dass ein Richter oder Staatsanwalt eben nicht ein Jahr länger arbeiten darf und, wenn nicht, warum nicht. Dafür gibt es eigentlich keine Kriterien, mir sind jedenfalls keine bekannt.

Und darüber hinaus hat der Richterbund auch zum Beispiel die Frage aufgeworfen, ob hier finanzielle Anreize noch geschaffen werden müssen. Und letztlich ist auch die Frage, ob hier begleitende Gesetzesänderungen notwendig sind. Auch das ist im Gesetzentwurf überhaupt nicht angesprochen worden, sodass hier insgesamt der Gesetzentwurf auch viel zu oberflächlich ist.

Zusammenfassend schlage ich also vor, dass wir das jetzt hier nicht …, das halte ich jetzt für überflüssig, zu diesem Zeitpunkt diesen Gesetzentwurf hier zu beraten. Der Gesamtvorschlag der Landesregierung wird kommen. Wir haben es gehört von Frau Hoffmeister, er ist schon in der Ressortabstimmung. Und wenn dieser Vorschlag dann vorliegt, dann können wir den im parlamentarischen Verfahren dann beraten. – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Philipp da Cunha, SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD Herr Förster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist immer wieder erstaunlich zu erleben, was Sie alles so an Gründen finden, um einen Gesetzentwurf, der von der AfD kommt, abzulehnen und nicht in den Ausschuss zu überweisen.

(Der Abgeordnete Peter Ritter pfeift.)

Ich bin da gänzlich missverstanden worden oder Sie haben es bewusst missverstanden.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU – Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

Es geht hier überhaupt nicht allein darum, der Pensionierungswelle Herr zu werden. Ich habe natürlich genüsslich auf den aus meiner Sicht Koalitionsbruch hingewiesen, dass das Problem also mit der Arbeitsgruppe alles im Grunde vom Tisch verschwunden ist, nachdem es in der Staatskanzlei gelandet ist. Darum geht es aber gar nicht. Ich habe es auch sehr deutlich gesagt: Es geht zunächst einmal um die Flexibilisierung der Altersgrenze auch im richterlichen Bereich. Für den Beamtenbereich ist es eindeutig geregelt in allen Bundesländern, übrigens für den richterlichen Bereich nicht, bis auf Sachsen und Brandenburg. Also das ist das erste große Missverständnis beziehungsweise das, was Sie daraus gemacht haben.

Insofern ist es auch völlig falsch, das mit anderen Dingen zu verknüpfen, für den Vorruhestand, also dass man

unter bestimmten Voraussetzungen – bei Behinderungen und alles Mögliche, familiäre Gründe – vorher schon mit Abschlägen in den Ruhestand gehen kann, das gilt ja für die Richter schon längst so. Aber – die Ministerin hat es auch angesprochen, ich hätte nicht gedacht, dass sie da den Schwerpunkt sehen würde, weil da eigentlich das Problem liegt, das hat ja Dr. Manthei auch zum Ausdruck gebracht – im Grunde, warum ist es erst in zwei Ländern so? Nicht, weil die Länder sich gegen das Argument der Flexibilisierung sperren – da kann man sich ja gar nicht gegen sperren –, sondern aus diesen sogenannten verfassungsrechtlichen Bedenken. Niemand will eine Anspruchslösung, die also heißt, dass der Richter dann, wenn er einen Antrag stellt, automatisch verlängert. Da muss man sich doch gar nichts vormachen.

Wie sieht es denn aus in den Behörden und auch bei den Gerichten? Da gibt es Kollegen, da gibt es Richter, da freut man sich, wenn die in Pension gehen. Das gibt es in allen Bereichen.

(Torsten Renz, CDU: Wie war denn das bei Ihnen?)

Das gibt es an den Schulen, im Krankenhaus – überall. Und es gibt andere, die würde man gerne behalten.

Und es geht auch gar nicht, Frau Bernhardt, darum, das Ruhestandsalter zu verändern. Auch das ist eine bewusste Fehlinterpretation. Das ist so, wie es ist, und es soll gar nicht dran gerüttelt werden. Es geht um die Möglichkeit, auch im richterlichen Bereich die Flexibilisierung einzuführen, dass ein Richter, wenn er möchte und wenn Bedarf besteht,

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

über das 67. Lebensjahr hinaus weiterarbeiten kann. Und da ist es doch, jedenfalls, wenn wir mal so die Theorie der Bedenken weglassen und ganz praktisch denken, völlig klar, dass man da nicht jeden behalten will und dass man gerne die geeigneten, die dann auch möchten, behalten möchte.

Und dass die Einstellung, dass die Situation in dieser Situation, wo an sich der Anspruch auf Dienst beendet ist, weil das Ruhestandsalter erreicht ist, dass diese Situation praktisch und rechtlich sehr ähnlich ist der Einstellungssituation, liegt doch auf der Hand. Und deshalb, denke ich, haben die Sachsen nicht umsonst geschrieben, dass die Behörde, die sonst für die Einstellung zuständig wäre, hier zu entscheiden hat. Es muss sich doch jedem aufdrängen, dass an der Stelle die Beurteilung, die Eignung und so weiter geprüft werden kann.

Herr Dr. Manthei, machen wir uns doch nichts vor, natürlich ist das möglich, wenn man will! Aber Sie haben vollkommen recht, und Sie scheinen sich ja die Argumente des Richterbundes zu eigen zu machen, da gibt es ganz viele – aber nicht nur, sonst wären ja nicht Sachsen und Brandenburg vorgeprescht –, da gibt es viele, die da Bedenken sehen aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit. Da will ich einige Sätze zu sagen.

Die richterliche Unabhängigkeit ist ungeheuer wichtig, ist eine Säule unseres Rechtsstaats, aber sie wird zum Teil eben auch – auch durch die Rechtsprechung – so praktiziert, dass sie die Möglichkeiten gibt, auch persönliches, ich sage mal, ja, exotisches Verhalten zu zelebrie

ren. Das ist einfach so. Und ich halte es langfristig für die richterliche Unabhängigkeit, für das Ansehen der Justiz außerordentlich wichtig, auch über die richterliche Unabhängigkeit grundsätzlich neu nachzudenken.

Die richterliche Unabhängigkeit bedeutet nicht, dass man ganz beliebig terminiert, ich habe all solche Fälle vor Augen, nach dem Urlaub grundsätzlich nicht terminiert, weil man erst die ersten zwei Wochen krank ist. So was kommt alles vor, ohne dass im Grunde eingegriffen wird. Richterliche Unabhängigkeit endet da, wo die Dienstgeschäfte nicht ordentlich bearbeitet werden, und das gibt es. Und es ist unendlich schwer nach der derzeitigen Rechtslage, da als Dienstaufsicht tätig zu werden. Das ist richtig. Aber ich denke, gerade dieser spezielle Punkt hier, da sollte die Entwicklung auch etwas weiter gehen, man sollte die Probleme, die es ja vorher nicht gab – also der Gedanke, dass man über die Pension hinaus weitermacht, das ist ja im Grunde ein ganz neues Anliegen –, da sollte man auch das eine oder andere neu bedenken und auch mutig vorangehen.

Und interessanterweise, ich weiß nicht, ob das ganz wirklich die Auffassung der Justizministerin ist, hat sie sich auf dieses Gleis ja nicht begeben, hat gesagt, da sieht sie gar nicht so sehr die Probleme, sondern hat es dann geschoben auf die Stellensituation derzeit. Die Stellensituation derzeit spielt für diesen Antrag überhaupt keine Rolle. Es geht um die Flexibilisierung grundsätzlich, es geht auch um Richter, die das gerne möchten, die in dem Punkt genauso behandelt werden möchten wie Beamte, die, wenn sie 67 sind, noch voll über ihre Arbeitskraft verfügen. Sehen Sie mal, wie viele pensionierte Richter als Anwälte sich hinterher herumtummeln. Und es geht darum, dass es keinen vernünftigen Grund gibt, sie hier in ihrer Lebensführung, ihrer Planung, ihren Aktivitäten zu beschränken.

Also nochmals: Die Stellensituation interessiert hierfür überhaupt nicht. Es ist ein grundsätzliches Problem der Anpassung des Richterrechts an das, was sonst auch für die Beamten gilt. Das ist der Punkt und dem weichen Sie hier hervorragend aus, um Gründe zu finden, den Antrag nicht zu überweisen. Das ist die Wahrheit! – Vielen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/5262 zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuss und zur Mitberatung an den Innen- und Europaausschuss sowie an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Vielen Dank! Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung durch die Fraktion der AfD sowie des fraktionslosen Abgeordneten und im Übrigen Gegenstimmen abgelehnt.

Der Gesetzentwurf wird gemäß Paragraf 48 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung spätestens nach drei Monaten zur Zweiten Lesung erneut auf die Tagesordnung gesetzt.