Protocol of the Session on June 12, 2020

Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 93. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 29: Beratung des Antrages der Fraktionen der CDU und SPD – Verlässliche Perspektiven entwickeln – Rahmenbedingungen für den Schuljahresbeginn 2020/2021 erarbeiten, Drucksache 7/5015. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/5087 vor.

Antrag der Fraktionen der CDU und SPD Verlässliche Perspektiven entwickeln – Rahmenbedingungen für den Schul- jahresbeginn 2020/2021 erarbeiten – Drucksache 7/5015 –

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 7/5087 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete für die Fraktion der CDU Herr Wildt.

Einen schönen guten Morgen, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Mitbürger! Am 16. März 2020 ist eine Art Blitz in unser Schulsystem eingeschlagen, gerade hier in Mecklenburg-Vorpommern. Wir haben es zu tun mit einer Pandemie, mit einem exponentiellen Wachstum und einem weitgehend unerforschten Virus, das sowohl tödlich wie auch symptomfrei verlaufen kann. Die Landesregierung hat in dieser Situation entschieden, die Schulen zu schließen, und diese Entscheidung wurde von den Fraktionen der SPD und CDU vollumfänglich mitgetragen. Es war unter den verschiedenen Optionen, die wir hatten, die vernünftigste, die verantwortungsvollste und daher auch die richtige Entscheidung, denn das Wichtigste ist es, Leben und Gesundheit unserer Kinder zu sichern und zu schützen.

(Zurufe von Horst Förster, AfD, und Dr. Ralph Weber, AfD)

Die Fallzahlen gingen dann aufgrund der guten Maßnahmen und des Erfolges dieser Maßnahmen, die Infektionszahlen, zurück bis Ende April. Daraufhin wurden auch diverse Lockerungen nach und nach im Schulsystem durchgezogen und wir konnten wieder zum wenigstens eingeschränkten Präsenzunterricht zurückkehren. Aber nach wie vor gilt, wir wollen keine waghalsigen Wetten auf die Gesundheit unserer Kinder eingehen. Die Gesundheit steht im Vordergrund und deswegen konnte die vollumfängliche Öffnung der Schulen noch nicht erfolgen.

Auch diese Entscheidungen der Landesregierung wurden von beiden Koalitionsfraktionen vollumfänglich mitgetragen. Allerdings haben wir dann auch schon Anfang Mai – beide Fraktionen – begonnen, darüber nachzudenken, wie mag das weitergehen nach den Sommerferien. Der jetzige Zustand – da sind wir uns, glaube ich, alle einig – ist nicht befriedigend, der kann nicht dauerhaft anhalten, sondern wenn die Infektionszahlen niedrig bleiben, wollen wir wieder zurückkehren zu einem normalen Schulalltag. Das muss das Ziel sein.

Und wenn man also da überlegt, wie soll denn dieser Schulstart nach den Sommerferien wieder beginnen, dann muss man dabei zwei wichtige Dinge berücksichtigen: Zum einen sind wir das erste Bundesland, was aus den Sommerferien wieder herauskommt – wir sind das erste, was hineingeht, wir sind auch das erste, was herauskommt –, und wir leben gleichzeitig im Tourismusland Nummer eins. Das heißt, gerade am 3. August sind wir noch mitten in der touristischen Hochsaison. Und für diejenigen, die es nicht wissen, im letzten Jahr waren 8,4 Millionen Touristen in Mecklenburg-Vorpommern. In einer starken Umschlagshäufigkeit sozusagen sind die Touristen in unser Land ein- und ausgereist. Dazu kommen noch Tagestouristen. Und es wäre fahrlässig, zu glauben, dass nun überhaupt keine Infektionen auf diesem Wege nach Mecklenburg-Vorpommern kommen könnten. Das sind die Rahmenbedingungen.

Noch mal: Das Ziel, auf das wir uns verständigt haben, ist die Rückkehr in den schulischen Regelbetrieb. Alle Schüler sollen an allen Tagen möglichst Präsenzunterricht haben können. Wir müssen aber dementsprechend auch noch verschiedene Unterziele verfolgen. Die Gesundheit der Schüler steht im Vordergrund. Ich gebe dabei zu bedenken, dass die Krankheit nach wie vor nicht richtig erforscht ist. Wir wissen, dass es sehr schwere Verläufe auch bei Kindern geben kann, auch nach längerer Zeit, nach Monaten, Monate nach der Infektion. Wir müssen die Gesundheit der Familien schützen, die Gesundheit der Mitarbeiter und Lehrer. Und dabei steht besonders auch im Vordergrund, dass viele Kinder einen symptomfreien Verlauf haben. Das heißt, wir wissen gar nicht, dass sie infiziert sind, aber sie können durchaus andere Menschen anstecken, also auch da ein besonderes Risiko, das man berücksichtigen muss.

Natürlich geht es darum, den Bildungsauftrag wieder vollumfänglich auszuführen, und natürlich geht es auch darum, die Familien zu entlasten, die in dieser schweren Zeit, in diesen drei Monaten, darunter gelitten haben, dass die Kinder eben nicht vollumfänglich oder am Anfang gar nicht zur Schule gehen konnten und dass auch der digitale Unterricht natürlich am Anfang nicht besonders gut gelaufen ist – in einigen Schulen ja, in anderen Schulen nein. Aber es ist ja vollkommen unstrittig, dass da noch ein Nachholbedarf bestand oder besteht.

In diesem Spannungsfeld kann man also nichts dem Zufall überlassen. Und aus diesem Grund haben wir uns in der Koalition Gedanken gemacht, nicht nur die Ziele mitzugeben für die Landesregierung, die im Übrigen ja auch von der Ministerin geteilt werden, sondern auch uns zu überlegen, unter welchen Leitplanken kann man das denn erfüllen. Und wir möchten eben, dass es einen konzeptbasierten Start gibt. Wir wollen also nichts dem Zufall überlassen. Es geht nicht um Bauchgefühle, die sich dann auch noch täglich oder wöchentlich ändern können. Wir wissen ja, neuerdings haben wir 82 Millionen Virologen hier im Land. Also muss es klare Konzepte geben, die müssen wissenschaftlich fundiert sein, wissenschaftlich begleitet werden und auch vor allen Dingen konsistent sein.

Und wenn wir dabei auf die Kultusministerkonferenz verweisen, und nicht alle interessieren sich hier im Raum wahrscheinlich für die Kultusministerkonferenz,

(Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

aber dann können Sie davon zwei wichtige Dinge sich merken: Wir wollen keine Alleingänge des Landes Mecklenburg-Vorpommern, sondern wir wollen im Geleitzug der Bundesländer sein. Wir sind Teil Deutschlands und die deutsche Sicherheit hängt auch davon ab, dass alle 16 Bundesländer harmonisch bei diesen Maßnahmen agieren. Es kann nicht sein, dass ein Bundesland das unterläuft. Und das Zweite ist eben, wir wollen klare Konzepte, wissenschaftlich basierte Konzepte.

Als Nächstes ist es uns besonders wichtig, gerade auch in der CDU-Fraktion, dass es ein Frühwarnsystem gibt. Wie gerade schon ausgeführt, haben viele Kinder keine Symptome, weisen keine Symptome auf, und wir möchten eben nicht warten, bis die Infektionszahlen angestiegen sind und wir dann mit großer Mühe diese Infektionsketten wieder einfangen, sondern wir möchten systematisch in bestimmten Stichproben, regional und nach Schularten verteilt, Tests durchführen, auf freiwilliger Basis selbstverständlich, und das würden wir anbieten wollen für Schüler, aber natürlich auch für Lehrer, für die Mitarbeiter an den Schulen, damit einfach eine große Sicherheit an das Schulsystem zurückkehren kann.

Und wir stellen uns das so vor, dass man je nach Bedarf diese Testreihen eben halt auch intensivieren kann – nehmen wir mal an, es gibt mehrere Infektionsherde – oder eben auch weiter runterfahren kann auf ein Minimum, aber wir müssen darauf vorbereitet sein, testen zu können. Und das Wort „Frühwarnsystem“ ist an dieser Stelle absolut angebracht, denn gerade dadurch, dass die Kinder oft keine Symptome haben, aber aus den gesamten Schulbezirken, zum Beispiel aus 1.000 Familien, sich an einer Schule treffen, haben wir natürlich auch das Infektionsrisiko in diese 1.000 Familien zurück.

Als Drittes wünschen wir uns eine flexible Reaktion, das heißt, wenn es zu Infektionen kommen sollte, dann ist natürlich das Abschalten oder das Schließen des gesamten Schulsystems die letzte aller Möglichkeiten. Das möchten wir natürlich auf jeden Fall vermeiden, solange es geht. Das heißt, so, wie wir das auch jetzt in anderen Ländern sehen, könnte man dazu übergehen, einzelne Klassen nur vom Unterricht zu befreien, einzelne Schulen zu schließen, vielleicht die Schulen eines Schulbezirks zu schließen, je nachdem, wie stark die Infektionen sind. Da muss eine flexible Antwort möglich sein. Aber es muss gewährleistet sein, dass jeder weiß, was er zu tun hat. Wir können nicht dann im Falle eines Falles erst anfangen zu überlegen, was machen wir jetzt, sondern das muss jetzt über die Sommerferien gut vorbereitet werden. Daran wird natürlich auch schon gearbeitet.

Und das geht Hand in Hand mit den Hygienemaßnahmen. In dem Moment, wo Infektionen auftreten, müssen die Hygienemaßnahmen eventuell geändert werden, verstärkt werden. Das gilt übrigens auch für die Schülerbeförderung in den Bussen, das gilt auch für die Sanitäreinrichtungen. Und dementsprechend sind dort auch die Schulträger angesprochen, nicht nur das Bildungsministerium, sondern eben auch die Schulträger. Aber das Bildungsministerium muss natürlich das alles koordinieren.

Damit bin ich schon beim nächsten Punkt: Digitalisierung. Ich hatte es gerade gesagt, das lief am Anfang noch nicht perfekt. Wir können uns das noch durchaus besser vorstellen. Und da hat tatsächlich das Ministerium Riesenfortschritte erzielt in der Zwischenzeit. Die Plattform „itslearning” wurde jetzt beschafft, wird dann auch im

nächsten Schuljahr eingesetzt werden können. Und da geht es zum einen natürlich um den Plan B, falls wir wieder vom Präsenzunterricht teilweise zum digitalen Unterricht kommen müssten. Das muss abgesichert sein, besser, als es bisher war. Aber die Digitalisierung – und da läuft das Ministerium bei SPD und CDU offene Türen ein –, die Digitalisierung ist natürlich sowieso ein wertvoller Beitrag für den Schulalltag, und das soll auch ohne Corona-Krise und ohne Covid-Krise Bestandteil des Schulsystems bleiben. Und ich lade also alle ein, insbesondere auch die Oppositionsfraktionen, sich das mal anzuschauen oder nicht gleich den Kopf zu schütteln,

(Peter Ritter, DIE LINKE: So wie die BMV früher immer?!)

sondern natürlich spielen diese E-Learning-Plattformen eine ganz große Rolle und können da auch wirklich einen wertvollen Beitrag leisten.

Die Kollegen, die Bildungspolitiker von SPD und CDU, haben sich das gemeinsam angeschaut. Wir haben uns da umfangreich informiert. Und ich glaube, Andreas Butzki, man kann sagen, wir waren begeistert davon. Wir sehen das sehr positiv.

(Andreas Butzki, SPD: Das stimmt.)

Und an der Stelle möchte ich insgesamt mal sagen, dass in den letzten drei Monaten die Zusammenarbeit zwischen der SPD und der CDU, den Bildungspolitikern der beiden Fraktionen, sehr gut war, also kann man sich eigentlich gar nicht besser vorstellen. Und ich möchte da ausdrücklich auch die Bildungsministerin und das Bildungsministerium insgesamt mit einbeziehen. Es hat sich gezeigt, das war vielleicht einer von zwei Vorteilen in dieser Krise, dass die beiden regierungstragenden Parteien dann im Falle eines Falles sehr eng und sehr gut zusammenarbeiten.

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

Opposition hat es da ein bisschen schwerer,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nee, nee!)

aber sie setzt sich trotzdem auch durch.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Wir sind ja die, die wissen, wie es geht.)

Und den Antrag der Linksfraktion,

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Solche Sprechblasen können Sie doch lassen!)

den Antrag der Linksfraktion, Herr Ritter, lehnen wir trotzdem ab. Abgesehen davon, dass er jetzt zu kurzfristig kam,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Natürlich!)

enthält er einige Bestandteile, die wir gut finden, aber andere, die wir auch so nicht erfüllen können. Und das Besondere ist ja, wir haben die nächste Landtagssitzung erst Ende August und wir müssen jetzt einen Rahmen vorgeben für das Ministerium, der auch Freiheiten zulässt, denn natürlich muss auch reagiert werden, je nachdem, wie die Situation sich in den nächsten acht Wochen entwickelt.

Was ich aber gerne vorschlagen möchte, ist, dass sich der Bildungsausschuss – da wäre der Vorsitzende dann mal gefragt – schon vor Beginn der Schule einmal zusammentelefoniert im Mindesten oder trifft, um den aktuellen Stand durchzusprechen. Wir tun das natürlich in der Koalition sowieso, aber um die Opposition einzubinden, wäre das eine Idee an den Vorsitzenden.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Ende, aus!)

Vielen Dank und vielleicht greift der Herr Vorsitzende das ja auf. – Danke schön!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter!

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 55 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Landesregierung die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Bettina Martin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Noch fünf Schultage bis zu den Sommerferien! Ein krisengeschütteltes Schulhalbjahr geht zu Ende, und ich muss sagen, ich bin froh, dass wir in diesem Jahr als erstes Bundesland in die großen Ferien starten. Ich bin froh, dass wir dieses Krisenhalbjahr geordnet beenden können, denn jetzt heißt es, alle Kraft voraus und das neue Schuljahr vorbereiten. Und ich sage es hier ganz klar: Wir werden nach den Sommerferien, also am 3. August, mit einem verlässlichen täglichen Regelunterricht für alle Schülerinnen und Schüler in das neue Schuljahr starten.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Angesichts der im Vergleich zu allen anderen Bundesländern und weltweit sowieso sehr niedrigen Zahlen von Corona-Fällen in M-V ist es nicht nur vertretbar, sondern aus meiner Sicht absolut notwendig,

(Beifall Horst Förster, AfD)

dass wir den Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Bildung und Teilhabe endlich wieder weitestgehend ermöglichen. Das bereiten wir nun vor, gemeinsam, denn man könnte es nach dem Sommer ja niemandem mehr erklären, dass wir alle Restaurants geöffnet haben, Tanzschulen, Spielhallen, sogar Yoga-Studios, aber ausgerechnet die Kinder und Jugendlichen dann immer noch in nur sehr eingeschränktem Maße in die Schule gehen können. Nein, Kinder haben ein Recht auf Bildung und Teilhabe, und das müssen wir wieder einlösen!

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Daniel Peters, CDU)

Natürlich wissen Sie alle genauso gut wie ich, dass das Corona-Virus auch Anfang August noch nicht verschwunden sein wird, und es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass dann bereits ein wirksames Medikament oder ein wirksamer Impfstoff auf dem Markt sein werden.