Protocol of the Session on June 11, 2020

Deshalb ist es wichtig, das Thema Kinderrechte weiter zu debattieren. Sie könnten mir nun entgegnen, dass Sie schon handeln, so, wie wir es in den letzten Landtagssitzungen zu diesem Thema hier erlebt haben. Aber was wir eben auch feststellen müssen, ist, dass es nicht ausreichend war, was bisher geschehen ist.

Blicken wir mal zurück: Bereits im November 2017 hatten wir dem Landtag einen Antrag vorgelegt, mit dem die Landesregierung aufgefordert werden sollte, die damals aktuelle Bundesratsinitiative der Länder Brandenburg, Thüringen, Berlin und Bremen aktiv zu unterstützen und darauf hinzuwirken, dass Kinderrechte und insbesondere Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen im Grundgesetz festgeschrieben werden. Dem wollte damals der Landtag so mehrheitlich nicht folgen, aber es gab dann einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen, die die Landesregierung auffordern wollten, eine eigene Bundesratsinitiative zur Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz vorzubereiten und 2018 vorzulegen.

Und was ist seitdem passiert mit der eigenen Bundesratsinitiative? Nichts! Innerhalb von drei Jahren gibt es eigentlich einfach keine eigene Initiative aus MecklenburgVorpommern heraus. Eine Umsetzung des Beschlusses gibt es bis heute – drei Jahre danach! – eben nicht. Es wird sich auf die zwischenzeitlich ins Leben gerufene Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Kinderrechte ins Grundgesetz“ zurückgezogen. Die Landesregierung von SPD und CDU sah aufgrund dessen keine Notwendigkeit mehr, den vom Landtag gefassten Beschluss umzusetzen. Das können wir bis heute nicht verstehen. Sie hatte einen eindeutigen Auftrag vom Landtag, ignorierte ihn und stattdessen machte sie ihr eigenes Ding, und das eben nicht zufriedenstellend. Und dazu komme ich noch.

Meine Damen und Herren, wir waren natürlich alle sehr gespannt, was die Arbeitsgruppe so vorlegen würde. Pünktlich, also kurz vor dem 30. Geburtstag der UNKinderrechtskonvention, wurde dann der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe vorgestellt. Wir haben dann letzten November festgestellt, dass man grundsätzlich begrüßen muss, dass es überhaupt einen Bericht gibt. Inhaltlich waren wir jedoch enttäuscht und sind es auch nach wie vor. Gerade in dem für uns wichtigen Bereich der Mitwirkung und Beteiligung blieb dieser Bericht weit hinter den Erwartungen zurück, und das haben wir Ihnen auch hier so mitgeteilt.

Frau Ministerin Drese hat den Bericht dann hier im Landtag verteidigt. Sie meinte damals, die Debatte sei mehr

fortgeschritten, als unser Antrag unterstellen würde. Eine weitere und alleinige Initiative des Landes halte sie aus den genannten Gründen für nicht zielführend. Dieser Antrag der Linksfraktion wurde nicht nur durch die Landesregierung, vertreten durch Frau Drese, abgelehnt, sondern auch von SPD und CDU.

Anschließend hat dann die Bundesjustizministerin auf der Basis des Abschlussberichtes einen Formulierungsvorschlag zu einer Verfassungsänderung erarbeitet, die die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz zum Ziel hatte. Und mit diesem Formulierungsvorschlag hat sich dann der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages im Januar dieses Jahres auf Initiative der Linksfraktion im Bundestag befasst. Und das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes kam dann zu dem Ergebnis, dass die vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorgeschlagene Variante, und ich zitiere hier, „hinter den völkerrechtlichen Staatenverpflichtungen … zurückbleibt“. Zitatende.

Insofern muss ich Frau Drese darauf hinweisen, dass schon zu diesem Zeitpunkt die Debatte doch noch nicht so weit fortgeschritten sein konnte, wie Sie dachten und wie man hier im Landtag vorbrachte. Zwischenzeitlich ist aus dem Koalitionsausschuss auf Bundesebene durchgesickert, dass man sich dort überhaupt nicht weiter einigen kann und es in dieser Legislatur wohl überhaupt keine Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz mehr geben wird, obwohl dies im Koalitionsvertrag so niedergeschrieben ist.

Frau Drese, Sie waren da heute Vormittag optimistischer, aber wir möchten es nicht bei Hoffen und bei Bangen belassen bei diesen wichtigen Themen, sondern wir möchten, dass Mecklenburg-Vorpommern da aktiv drauf drängt, dass die Kinderrechte weiter im Grundgesetz verankert werden.

Und wenn ich all das Agieren der Landesregierung hier in Mecklenburg-Vorpommern in den letzten Jahren betrachte, und ich fasse es noch mal zusammen, keine eigene Bundesratsinitiative, obwohl ein entsprechender Landtagsbeschluss seit 2017 vorlag, Erarbeitung eines Formulierungsvorschlages in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, der den völkerrechtlichen Standards nicht gerecht wird, Ablehnung unserer Anträge zur Verankerung der Kinderrechte ins Grundgesetz, und wenn ich eben all dieses Agieren der Landesregierung sehe, dann finde ich es einfach nur unehrlich, wenn sich Frau Ministerpräsidentin Schwesig anlässlich des Internationalen Kindertages hinstellt vor die Medien und fordert, dass die Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden sollen. Insofern muss ich Frau Schwesig fragen: Was hat Ihre Landesregierung denn dazu beigetragen, um Ihre eigene Forderung zur Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz umzusetzen? Oder warten wir da ebenso jahrelang drauf wie auf die Umsetzung der kostenfreien Kita? Deshalb, Frau Schwesig, der Appell: Lassen Sie und Ihre Landesregierung den Worten auch Taten folgen! Alles andere ist einfach nur unehrlich und unredlich bei diesem Thema.

Und an Frau Drese gerichtet: Ich würde Sie deshalb noch einmal bitten, sämtliche von Ihnen hier im Plenum gemachten Aussagen zu diesem Thema, insbesondere zur Notwendigkeit einer eigenen Bundesratsinitiative, zu überdenken, und auch Sie zum Handeln auffordern. Es darf nicht passieren, dass wir in dieser Legislaturperiode des Bundestages keine Verankerung der Kinderrechte im

Grundgesetz mehr erleben, weil sich SPD und CDU bei diesem Thema uneins sind. Deshalb liegt Ihnen heute der Antrag vor und ich bitte um Zustimmung. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 61 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Für die Landesregierung hat ums Wort gebeten zunächst die Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung. Bitte schön, Frau Drese!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der vorliegende Antrag der LINKEN „UN- Kinderrechtskonvention in der Krise erst recht ernst nehmen“ thematisiert zum dritten Mal in kurzer Zeit das Vorhaben, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Nach den Aussprachen hier im Landtag im März 2020 und im November 2019 erneuere ich meine Forderung, dass wir endlich vorankommen müssen. Dies muss aber seitens der Bundesregierung geschehen. Die Länder haben das Nötige bereits seit längerer Zeit getan. Ich habe dazu in den angesprochenen Landtagssitzungen umfangreich ausgeführt und muss mich jetzt nicht wiederholen. Unter dem Strich bleibt unser gemeinsames Ziel, Frau Bernhardt, die Bedürfnisse und Rechte von Kindern auch verfassungsrechtlich auf neue Füße zu stellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist richtig, dass die aktuelle Corona- Krise die besondere Notwendigkeit dieses Vorhabens sehr deutlich gemacht hat. Die Pandemie hatte und hat immer noch große Auswirkungen auf die Familien. Quarantänemaßnahmen und Kontaktverbote, die Schließung von Krippen, Kindergärten, Horten, Schulen und Angebote der Jugendarbeit haben nicht nur für Verunsicherung gesorgt, sondern auch für Einschnitte in der Versorgung, in der Sicherheit, in der Freizeitgestaltung und in der Bildung der Kinder. Es steht außer Frage, dass in den vergangenen Monaten die Rechte von Kindern stark eingeschränkt worden sind, und dies macht unser Anliegen umso dringlicher. Die Krise zeigt nochmals deutlich auf, was notwendig ist, nämlich die zeitnahe Umsetzung der zwei zentralen Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention: das Kindeswohlprinzip, aber auch das Recht auf Beteiligung.

Was wir auf Landesebene tun können, meine sehr geehrten Damen und Herren, das haben wir in MecklenburgVorpommern auch gemacht. Umfangreiche Aktivitäten im Bereich Kinderschutz und Kinderrechte wurden umgesetzt. So sind unter anderem Kinderrechte in einer strategischen Handlungsleitlinie des Landes, im Landesprogramm Kinderschutz, verankert. Sie finden ihren Ausdruck in verschiedenen Initiativen, Projekten und Maßnahmen.

Auch bei der Beteiligung von Jugendlichen haben wir mit dem Jugendbeteiligungsfonds und unserem neuen Onlinebeteiligungsportal MVMITUNS weitere wichtige Angebote geschaffen. Ich freue mich sehr darüber, wie gut dieses Projekt vorankommt und wie viele spannende Angebote auch in der Corona-Zeit, zum Beispiel über Webinare und Onlineaktionen, umgesetzt und wie gut sie etwa von Jugendsozialarbeiterinnen und -sozialarbeitern

sowie Beschäftigten an Schulen angenommen worden sind. So werden Jugendliche aktuell vorrangig über diese Multiplikatoren wie auch über weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendarbeit oder auch Begleitpersonen von Jugendgremien erreicht. Auch die Zusammenarbeit mit dem Beteiligungsnetzwerk funktioniert sehr gut. Und die Beteiligungslandkarte als Teilprojekt des Jugendbeteiligungsfonds wird sowohl von Jugendlichen als auch von den Trägern sehr gut angenommen und somit fortdauernd erweitert.

Insgesamt können wir konstatieren, der Schulungsbedarf für digitale Tools, Onlineveranstaltungen und Ähnliches ist extrem gestiegen und wir sind mit unserem Jugendbeteiligungsfonds hier sehr gut gestartet. Auch über die Landesgrenzen hinaus wird die Umsetzung des Jugendbeteiligungsfonds wahrgenommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, und noch etwas durfte ich für mich mitnehmen: Die direkten Fragen der Kinder und Jugendlichen an mich, zum Beispiel im Rahmen von Interviews mit dem Landesjugendring M-V, haben mir gezeigt, das müssen wir öfter machen. Ich möchte vielmehr Feedback auch von den Jüngsten unserer Gesellschaft bekommen. Und dafür können wir sehr gut die sozialen Medien nutzen. Corona ändert unsere Kommunikation, und das ist, wie ich finde, wenigstens ein positiver Nebeneffekt.

Doch auf Bundesebene sind wir ins Stocken geraten, und das gerade jetzt, wo viele Stimmen laut werden, ob in unserem eigenen Land, von unserer Ministerpräsidentin und von mir, in Berlin von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und von zahlreichen deutschlandweit aktiven Organisationen, die eine Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz fordern. Denn die CoronaKrise macht uns allen noch einmal ganz klar bewusst, dass Kinder und Jugendliche andere Bedürfnisse haben als Erwachsene, und diese wollen wir bei allem staatlichen und landesweiten Handeln beachten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dafür brauchen wir die Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung. Aktuell wird über einen Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums diskutiert. Grundlage dafür ist der Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom November 2019. Gerade Mecklenburg-Vorpommern hat sich hier intensiv in der Bund-Länder-AG eingebracht. Jetzt muss die Bundesregierung Fahrt aufnehmen und sich öffentlich positionieren. Dann können wir dazu Stellung nehmen. Der Referentenentwurf liegt uns, liegt mir nicht vor.

Und natürlich werden wir dort, wo wir es können, weiter Druck machen. Wir werden weiter darauf pochen, dass der Auftrag aus dem Koalitionsvertrag des Bundes in dieser Legislaturperiode erfüllt wird im Interesse unserer Kinder, im Interesse der Kinder in Mecklenburg-Vorpommern. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Danke, Frau Ministerin!

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Förster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kinderrechte ins Grundgesetz –

alle paar Monate kommt der Antrag der LINKEN mit der Aufforderung an die Landesregierung, sich dafür einzusetzen, dass die Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden. Der Antrag ist überflüssig, weil die Landesregierung sich zu dieser Thematik bereits eindeutig positioniert hat

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

und sich ebenfalls für die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz einsetzt. Die Ministerpräsidentin hat diese Forderung kürzlich anlässlich des Weltkindertages nochmals erhoben. Dennoch danke ich für den Antrag,

(Marc Reinhardt, CDU: Bitte!)

dass wir diese Debatte führen können, denn zuständig ist an sich der Bundestag.

Es gibt verschiedene Sichtweisen, wie man mit diesem Thema umgeht. Man kann die Sache emotional betrachten, darüber nachdenken, wie gut oder schlecht es den Kindern bei uns und in der Welt geht und wie hilfreich ein spezielles Kindergrundrecht sein könnte. Rückblickend lässt sich feststellen, dass es Kindern, was ihre Überlebenschancen und Grundbedürfnisse angeht, noch nie so gut gegangen ist wie heute. Es ist noch nicht, noch gar nicht so lange her, dass Kinder auch hierzulande an Hunger gestorben sind oder Krankheiten zum Opfer fielen, die wir heute beherrschen. Und dennoch ist es keine Frage, dass es nicht allen Kindern nur gut geht, auch nicht in Deutschland. Es gibt auch hier Kinder in Not, nur die Maßstäbe haben sich verschoben. Die Fälle materieller Not verblassen gegenüber den Fällen seelischer Not. Ich denke da an die Fälle des Missbrauchs, wo Kindern unermessliches Leid zugefügt wird.

Ja, ich habe bei dem folgenden Satz gezögert, aber er gehört bei einer ehrlichen Debatte an dieser Stelle dazu. In Deutschland wurden 2019 rund 100.000 ungeborene Kinder abgetrieben. Das sind bei rund 778.000 Lebendgeburten fast 13 Prozent – eine traurige Bilanz. Ich sage das nicht, weil ich ein militanter Abtreibungsgegner wäre. Ich sage das in Richtung der Antragsteller, die viel über Menschenrechte und Kinderrechte reden, aber zugleich die Abtreibungen in das völlige Belieben der Schwangeren stellen und damit den verfassungsgemäßen Schutz des ungeborenen Lebens auf null reduzieren wollen.

Zurück zu den geborenen Kindern: Hier stellt sich die Frage, ob Kinder in unserer Rechtsordnung bisher nicht ausreichend geschützt sind und ob ein Kindergrundrecht notwendig oder im Interesse des Kindeswohls sinnvoll ist. Wenn die zum Schutz und zum Wohl der Kinder erlassenen Gesetze und Regeln an irgendeiner Stelle nicht ausreichen oder zu verbessern sind, dann ist das möglich. Dazu bedarf es keiner Grundgesetzänderung.

Ohnehin ist das Grundgesetz nicht dazu da, ständig geändert zu werden. Es ist zwar nur ein Gesetz, hat aber den Rang einer Verfassung. Es hat allerdings den Makel, dass es vom Parlamentarischen Rat nach den Vorgaben der Westalliierten geschaffen wurde, also nicht ganz unsere eigene Leistung ist, auch wenn sich die Deutsche Verfassungsgeschichte darin widerspiegelt. Und, was mehr und mehr in Vergessenheit gerät, das Grundgesetz hat auch nach der Wiedervereinigung gemäß Artikel 146 seinen Vorläufigkeitscharakter nicht verloren. Es soll nur solange gelten, bis eine Verfassung von dem deutschen

Volk in freier Entscheidung beschlossen worden ist. Das hätte 1990 durch eine Abstimmung übers Grundgesetz geschehen können – ein großes Versäumnis. Dennoch hat das Grundgesetz Verfassungsrang und sollte eben nicht beliebig geändert werden, vor allem dann nicht, wenn zu besorgen ist, dass der Zeitgeist die Feder geführt hat. Das Grundgesetz ist zwar nicht in Stein gemeißelt, aber eine Verfassung verliert an Wertigkeit, wenn sie je nachdem, was in Mode gekommen ist oder plötzlich allen ganz wichtig erscheint, geändert wird.

Nachdem der Umweltschutz bereits in das Grundgesetz aufgenommen wurde, soll der dazugehörige Klimaschutz auch noch explizit Verfassungsrang erhalten. Das alles geht in die Richtung Beliebigkeit und entwertet auf Dauer die Verfassung. Zudem werden mit der Verankerung solcher Staatsziele Erwartungen geweckt, die dann doch nicht erfüllt werden können. Auch das beschädigt letztlich die Verfassung, weil sie dann nicht hält, was sie scheinbar verspricht.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Die Aufnahme eines speziellen Kindergrundrechts in den Grundrechtskatalog des Grundgesetzes ist systemwidrig und absolut überflüssig, da Kinder als Menschen bereits Träger von Grundrechten sind. Niemand kann das ernsthaft bezweifeln. Der vorgesehene neue Absatz 1a zu Artikel 6 Grundgesetz lautet wie folgt: „Jedes Kind hat das Recht auf Achtung, Schutz und Förderung seiner Grundrechte einschließlich seines Rechts auf Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit in der sozialen Gemeinschaft. Das Wohl des Kindes ist bei allem staatlichen Handeln, das es unmittelbar in seinen Rechten betrifft, angemessen zu berücksichtigen. Jedes Kind hat bei staatlichen Entscheidungen, die seine Rechte unmittelbar betreffen, einen Anspruch auf rechtliches Gehör.“

Meine Damen und Herren, man muss kein Jurist sein, um festzustellen, dass dieser Absatz nichts, aber auch gar nichts Neues enthält, was nicht bereits gilt. Der Text läuft damit auf eine leere Verfassungslyrik hinaus. Geradezu ein Hohn ist es, wenn jetzt Corona zur Stütze des Antrags herangezogen wird. Damit wird so getan, als ob ein zusätzliches Kindergrundrecht irgendetwas daran geändert hätte, dass hier die Grundrechte der Kinder im Zuge der Corona-Restriktionen auf das Gröbste beschnitten wurden. Zudem ist es ein sprachliches Kompromissungetüm, das geradezu wehtut.

DIE LINKE beanstandet, dass die vorgesehene Verfassungsänderung hinter der UN-Kinderrechtskonvention zurückbleibt.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Das macht der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages und nicht ich! Lesen Sie den Antrag!)

Das mag sein. Die Konvention ist ein umfassendes Werk von 54 Artikeln. Sie gilt nach der Ratifizierung in 1992 wie ein deutsches Bundesgesetz, hat damit aber natürlich nicht zugleich Verfassungsrang. Das muss auch nicht sein. Nicht alles, was in den Gesetzen steht, muss zugleich Verfassungsrang haben, erst recht nicht das, was etliche Staaten mit völlig unterschiedlichen kulturellen Vorstellungen zusammengeschrieben haben.

Wo der vorliegende Entwurf hinter der Konvention zurückbleibt und wo die Diskrepanz liegt und was DIE LINKE

konkret an dem Entwurf stört, erschließt sich aus dem Antrag der LINKEN allerdings nicht.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Lesen Sie die Studie des Wissenschaftlichen Dienstes! Ich gebe nicht alles wieder.)

Ersichtlich wünscht DIE LINKE aber, und das wurde ja auch hier bei den Ausführungen von Frau Bernhardt deutlich, ersichtlich wünscht DIE LINKE aber eine stärkere Betonung der Selbstbestimmungs- und Beteiligungsrechte und damit auch der Rechte gegenüber den Eltern. Damit würde letztlich der Konflikt zwischen Eltern- und Kinderrechten in die Verfassung hineingeschrieben. Da- vor kann im Interesse des Kindeswohls nur gewarnt werden.

Zurück zur UN-Kinderrechtskonvention. Sie definiert Kinder als Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht abgeschlossen haben, sofern die Volljährigkeit nicht früher eintritt, wie in einigen muslimischen Ländern. Sie enthält viele Punkte, die für uns völlig selbstverständlich sind, zum Beispiel Ernährung, medizinische Versorgung, Bildung und so weiter. Und sie enthält Punkte, die so weich formuliert sind, dass sie eine vollkommen unterschiedliche Umsetzung zulassen, zum Beispiel die Artikel zur Meinungs- und Informationsfreiheit sowie Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit.