Protocol of the Session on June 10, 2020

(Glocke der Präsidentin)

Einen Moment bitte, Frau Tegtmeier!

Ich habe das jetzt lange so hingenommen, dass hier ein sehr starkes Gemurmel ist, aber ich kann so langsam die Rednerin nicht mehr verstehen.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Ich bitte jetzt, das Gemurmel etwas einzustellen.

Ja, und ich werde Ihnen jetzt auch...

Frau Tegtmeier, Sie haben das Wort.

Und ich werde Ihnen das jetzt auch nicht ersparen. Ich hatte gedacht, ich könnte mich hier sehr abkürzen, nachdem die Sozialministerin ja hier wirklich ausführlich alle Facetten beleuchtet hat, aber einiges werde ich dazu doch noch sagen und habe ich ja auch bereits gesagt.

(Unruhe und Heiterkeit bei Minister Harry Glawe und Karen Larisch, DIE LINKE)

Also noch mal: „Die seit Ende der 1960er-Jahre in Gang gekommene Pluralisierung der Lebensformen... und Individualisierung... der Lebensführung stellen deshalb eine Rückkehr zur historischen Normalität der Vielfalt dar.“ Das lassen Sie sich mal wirklich langsam runtergehen!

(Zurufe von Dr. Ralph Weber, AfD, und Holger Arppe, fraktionslos)

Das ist eine Normalisierung der Lebensformen, wie wir sie hier historisch belegbar vorgefunden haben und gelebt haben.

Ich will jetzt aber nur noch mal zum Schluss – doch schon zum Schluss! –

(Zurufe vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE: Oh!)

zu einer Studie kommen,

(Minister Harry Glawe: Nein! Noch weiter!)

und zwar, das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in seinem Band 48 hat Familienleitbilder erforscht. Und die haben eine repräsentative Umfrage von 5.000 Menschen zwischen 20 und 39 Jahren im Jahr 2012 durchgeführt – es ist also noch gar nicht so lange her –, die Menschen relativ jung, also in dem Alter, wo man Familien gründet und Familien lebt. Und das hat zu folgenden Ergebnissen geführt, und da fasse ich das mal sehr knapp zusammen – also die Studien sind ganz ausgeweitet, sehr umfangreich –, erst mal: Das Leitbild davon, was Familie ausmacht beziehungsweise wie sie sich normalerweise zusammensetzt, lässt sich nicht auf eine Formel bringen, weil seine Konturen eben sehr unscharf sind. Es hat aber einen eindeutig bestimmbaren und gesellschaftlich einheitlichen Kern, nämlich die Kernfamilie. Also die Kernfamilie wird quasi von jedem als Familie wahrgenommen. Sie ist damit auch als Musterbeispiel als Familie durchaus zu sehen.

Aber sie ist eben das Musterbeispiel, und die befragte Klientel hat sich mehrheitlich dafür ausgesprochen, und zwar in ganz hohen Prozentsätzen, dass diese Lebensform nicht die einzige sein kann, sondern sie ist ganz dicht gefolgt, also über 90 Prozent findet diese Lebensform als Familie, also das ist als Familie ein sehr anerkanntes Modell, aber fast genauso anerkannt als Modell ist zum Beispiel ein homosexuelles Paar mit Kindern. Das ist von der prozentualen Anerkennung nicht weit entfernt. Also ein Paar aus Mann und Frau, die verheiratet sind, mit ihren Kindern zusammenwohnen, davon haben gesagt 99,9 Prozent, das sehen wir als Leitbild einer Familie. Aber auch 97,4 Prozent haben gesagt, ein Paar aus Mann und Frau, die nicht verheiratet sind und mit ihren Kindern zusammenwohnen, sind genauso für uns eine Familie,

(Zurufe von Minister Harry Glawe, Thomas de Jesus Fernandes, AfD, und Jens-Holger Schneider, AfD)

also auch ohne Trauschein, und für ein schwules oder lesbisches Paar, das mit eigenen Kindern zusammenwohnt,

(Zuruf von Stephan J. Reuken, AfD)

immerhin noch 88,1 Prozent.

Wenn wir hier lediglich die Ehe zugrunde legen,

(Dr. Ralph Weber, AfD: Das hat niemand gesagt.)

also keine Kinder im Spiel sind,

(Dr. Ralph Weber, AfD: Gar niemand!)

die Sie ja auch so hervorheben –

(Dr. Ralph Weber, AfD: Ich habe noch nie auf die Ehe rekurriert.)

Sie betonen ja in Ihrem Antrag, Ehe und Familie stehen unter besonderem Schutz –,

(Dr. Ralph Weber, AfD: Das hat mit Familie überhaupt nichts zu tun.)

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Im Grundgesetz, Frau Tegtmeier!)

das steht doch...

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Im Grundgesetz steht das drin! Junge! – Zuruf von Horst Förster, AfD)

(Glocke der Präsidentin)

Einen Moment bitte noch mal, Frau Tegtmeier!

(Die Abgeordnete Martina Tegtmeier spricht bei abgeschaltetem Mikrofon.)

Frau Tegtmeier, einen Moment bitte!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere von der AfD, sehr geehrte Herren, Sie haben gleich zwei Redner angemeldet und können dann darauf auch eingehen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Was?! Das ist ja nicht auszuhalten!)

Bitte, Frau Tegtmeier, fahren Sie fort!

Genau, Sie zitieren das Grundgesetz natürlich nur, weil Sie damit gar nicht einverstanden sind. Na gut, wenn Sie das so gemeint,

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Sagen Sie mal, merken Sie noch irgendwas, Frau Tegtmeier?)

wenn Sie das so gemeint haben,

(Zurufe von Stephan J. Reuken, AfD, und Dr. Ralph Weber, AfD)

dann ist es ja gut.

Also die Offenheit für die Anerkennung von Lebensformen als Familie variiert über verschiedene Regionen und soziale Milieus. Das spielt auch noch mal eine Rolle. Hier in Ostdeutschland, bei uns also, wird eine nicht konventionelle Lebensform eher als Familie wahrgenommen als in Westdeutschland, unter höher Gebildeten eher als unter Menschen mit niedriger Bildung, und Frauen zeigen eine größere Offenheit, nicht konventionelle Lebensformen als Familie anzusehen, als Männer. Bei Ihnen sind ja keine.

(Heiterkeit bei Jens-Holger Schneider, AfD, und Holger Arppe, fraktionslos)