Protocol of the Session on June 10, 2020

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Alles andere, was Sie hier vorbringen, ist vollkommene Irreführung und lenkt vollkommen vom Thema ab.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/4961. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/4961 bei Zustimmung durch die Fraktion der AfD, des fraktionslosen Abgeordneten, ansonsten Gegenstimmen aller anderen Fraktionen und der fraktionslosen Abgeordneten abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – MecklenburgVorpommern als Land der guten Arbeit – Befristete Beschäftigung zurückdrängen, auf Drucksache 7/5004.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Mecklenburg-Vorpommern als Land der guten Arbeit – Befristete Beschäftigung zurückdrängen – Drucksache 7/5004 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Foerster.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Corona hat vieles verändert. Erstmals seit vielen Jahren sorgen sich Unternehmer wieder verstärkt um die Zukunft ihrer Firma und Beschäftigte um die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes. Und noch eines scheint sicher: Die Arbeitslosenzahlen werden weiter steigen.

Besonders bedroht sind in solchen Zeiten zwei Gruppen, die Leiharbeiter und die befristet Beschäftigten. Und wer da glaubt, dass es sich aufgrund der robusten Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklungen der letzten Jahre inzwischen um ein Randphänomen handelt, dem möchte ich gern die aktuellen Zahlen noch einmal in Erinnerung rufen:

Erstens sind branchenübergreifend mehr als vier von zehn Neueinstellungen in Deutschland befristet. Von 2,74 Millionen im dritten Quartal 2019 geschlossenen Beschäftigungsverhältnissen waren 1,17 Millionen oder 42,6 Prozent befristet.

Und zweitens sieht es auch hierzulande keinen Deut besser aus. Immer noch gibt es mehr als 92.000 Beschäftigte mit befristeten Arbeitsverträgen. Auch in Mecklenburg-Vorpommern wurde in den letzten Jahren jedes zweite Arbeitsverhältnis nur befristet begründet.

Nun werden einige hier darauf verweisen, dass es sich beim Thema Befristung um eine bundesgesetzliche Regelung handelt. Andere werden sich erinnern, dass dieses Thema in der Vergangenheit bereits auf Antrag meiner Fraktion verschiedentlich eine Rolle spielte.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Und möglicherweise sind auch ein paar ganz helle Köpfchen dabei, die sich entfernt daran erinnern, dass es doch dazu auch mal etwas im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD im Bund gab. Alle drei Gruppen liegen übrigens richtig. Ja, das Teilzeit- und Befristungsgesetz muss der Bundestag ändern. Das hat er allerdings bisher nicht getan, obwohl die SPD die Streichung der sachgrundlosen Befristung schon in zwei Bundestagswahlkämpfen versprochen hat.

Ja, dazu steht auch etwas im Koalitionsvertrag, Seite 52, falls jemand Lust hat, nachzuschlagen. Die GroKo hatte sich darauf geeinigt, dass in Unternehmen mit mehr als 75 Beschäftigten maximal 2,5 Prozent der Beschäftigten sachgrundlos befristet werden dürfen, und die zulässige Laufzeit sollte zudem von 24 auf 18 Monate sinken.

Und ja, meine Fraktion hat das Thema Befristung diverse Male auf die Tagesordnung gesetzt, und sie tut es wieder, weil sich im Bund traurigerweise seit Jahren nichts tut. Mal sehen, was die Redner der Koalition dann heute hier präsentieren, um zu begründen, dass es diesbezüglich nicht vorangeht. Hoffentlich haben sie mal etwas Neues mitgebracht.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich glaube, eher nicht.)

Mir ist das Lied von den zwingend notwendigen Flexibilitätsanforderungen noch gut im Ohr, genauso wie die Lobpreisungen auf die vielen unbefristeten Arbeitsverträge. Ich glaube, damit wird das Thema unzulässig kleingeredet, denn es geht ja hier nicht nur um Statistik. Es geht

um Menschen, deren Beschäftigung einfach ohne Grund befristet wird, und darum, was das mit ihnen macht und was es für sie bedeutet. Daran sollten die Damen und Herren vom Wirtschaftsflügel der CDU denken, wenn sie jetzt längst tot geglaubte Slogans vom „Sozial ist nur noch, was Arbeitsplätze sichert“ wieder aus der Mottenkiste holen.

Und um eines gleich klarzustellen: Befristungen können durchaus Sinn machen, beispielsweise, wenn es um ein Projekt auf Zeit geht, bei vorübergehenden Auftragsspitzen, bei Elternzeit, längerer Krankheit oder wenn wir an unsere Wahlkreismitarbeiter denken, auch weil wir als Landtagsabgeordneter eben nur für eine gewisse Zeit gewählt werden. Das sind Befristungen mit nachvollziehbaren Sachgründen und solche Arbeitsverträge müssen auch in Zukunft möglich sein.

Sachgrundlose und damit geradezu willkürliche Befristungen braucht es dagegen nicht. Diese gehören endlich abgeschafft, und zwar gänzlich, und nicht wie im Koalitionsvertrag Bund geplant und in ihrer Wirkung für unser Land ja weit überschaubar. Denn denken Sie an die bei uns weit überwiegend anzutreffenden Betriebsgrößen. Mit mehr als 75 Beschäftigten ist man in MecklenburgVorpommern ja kein Kleinbetrieb mehr.

Die allgemeinen mit Befristungen einhergehenden Probleme sind hoffentlich jedem Abgeordneten hier im Saal bekannt. Ich will deshalb auch nur kurz an einige erinnern. Befristete Beschäftigungsverhältnisse werden häufig als verlängerte Probezeit missbraucht. Deshalb wollen wir Paragraf 14 Absatz 1 Ziffer 5 auch streichen, denn dieser erhöht den Leistungsdruck und macht Beschäftigte erpressbar.

Generell haben es befristet Beschäftigte schwerer, gute Löhne und gerechte Arbeitsbedingungen einzufordern. Krankheit, Schwangerschaft oder eine aus Arbeitgebersicht zu engagierte Betriebsratsarbeit – vieles kann dazu führen, dass der Vertrag nicht verlängert wird. Auf diese Art und Weise wird der Kündigungsschutz ausgehöhlt und deshalb gehört auch der Paragraf 14 Absatz 1 Ziffer 6 gestrichen.

Es gibt ausreichend Möglichkeiten, sich über die Qualität von Beschäftigten im Rahmen von Probezeiten ein Bild zu machen. Wer befristet beschäftigt ist, kann im Übrigen auch in vielen anderen Lebensbereichen nicht langfristig planen. Knapp 80 Prozent der befristeten Verträge in Deutschland haben laut Statistischem Bundesamt eine Laufzeit von weniger als zwei Jahren. Dies sorgt für Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche oder bei der Kreditaufnahme. Für ausländische Beschäftigte kann eine Befristung sogar nach Jahren noch darüber entscheiden, ob sie dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen oder nicht.

Der DGB-Index Gute Arbeit zeigt darüber hinaus, dass Zukunftssorgen bei befristet Beschäftigten deutlich weiter verbreitet sind. Wer so angestellt ist, hat nämlich ein höheres Armutsrisiko und wird häufiger arbeitslos. Er oder sie hat auch häufiger Angst vor Krankheit und Armut im Alter. Das alles ist belastend und Lebensqualität sieht wirklich anders aus.

Von der sachgrundlosen Befristung sind vor allem auch junge Leute betroffen. Gerade sie brauchen aber ihren Platz in unserer älter werdenden Gesellschaft. Und doch

ist ihre Lebens- und ihre Familienplanung erschwert, denn sie wechseln häufig von Stelle zu Stelle und manchmal sogar von Ort zu Ort.

Zusammengefasst: Die sachgrundlose Befristung ist eine einfache und vorteilhafte Sache für die Arbeitgeber. Die Beschäftigten zahlen dafür allerdings einen hohen Preis, und deshalb ist die Auffassung meiner Fraktion folgende: Für uns ist Flexibilität keine Einbahnstraße. Notwendig sind Verantwortungsgefühl und Empathie für die Unternehmen und die Beschäftigten gleichermaßen. Deswegen wollen wir nicht die Befristung in Gänze, sondern vor allem die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung im Paragrafen 14 Absatz 2 abschaffen. So bleiben die Unternehmen da flexibel, wo es nötig ist, und die Beschäftigten bekommen mehr soziale Sicherheit.

Meine Damen und Herren, jetzt habe ich wieder viel über die Bundesebene und darüber gesprochen, warum es aus dem Nordosten neuerlichen Druck braucht. Die Landesregierung kann aber auch in ihrem eigenen Einflussbereich tätig werden, und darauf zielt Teil 2 unseres Antrages.

Sehr gern folgen Sie ja der hundert Kilometer westlich liegenden Metropole Hamburg. Vielleicht setzen Sie ja dann heute mal ein Signal für die eigenen Beschäftigten, so, wie es Hamburg schon 2017 getan hat. Dort hat der Senat nach einer Bürgerschaftsentscheidung eine Personalrichtlinie erlassen, die sachgrundlose Befristung in Behörden und öffentlichen Unternehmen weitestgehend ausschließt. Nur begründete Ausnahmefälle sind zugelassen, die aber regelmäßig im Abstand von sechs Monaten überprüft werden. Und genau das fordern der DGB Nord und meine Fraktion auch für unser Land. Wir sind der Auffassung, dass künftig für alle sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisse in Ministerien und Landesbehörden vorzusehen ist, dass diese nach spätestens sechs Monaten mit dem Ziel entschieden werden, entweder einen Sachgrund auf- oder eine Entfristung vorzunehmen.

Schaut man sich die Zahlen an, dann stellt man fest, dass die Anzahl der sachgrundlosen Beschäftigungsverhältnisse im Vergleich zu 2011 in fünf von neun Ministerien gestiegen ist. Nimmt man die nachgeordneten Behörden noch dazu, stieg die Zahl auf 11 von 20 Bereichen. Das zu ändern, dürfte auch beim Blick auf die in den Ministerien zumindest überschaubaren absoluten Zahlen nicht so wirklich schwierig sein, reden wir da im Vergleich 2011 zu 2019 über ein Plus von 47 Befristungen, davon 13 sachgrundlos.

Die von der Landesregierung in feinstem Beamtendeutsch daherkommende Aussage, dass – ich zitiere – „eine generelle Beschränkung der gesetzlich zulässigen Befristungen … aus fachlicher Sicht nicht erforderlich“ sei „und … die Planung und Flexibilität der Ressorts … erschweren“, ist doch gelinde gesagt ein Armutszeugnis. Es ist wohl eher der fehlende politische Wille, der dazu führt, dass die Uhren hierzulande anders gehen als an der Alster.

Etwas anders stellt sich das freilich beim Blick auf die nachgeordneten Landesbehörden dar. Hier gab es im Vergleich 2014 zu 2019 einen Aufwuchs von 1.258 Befristungen, davon 180 sachgrundlos, und da sind dann folglich schon etwas dickere Bretter zu bohren.

Damit Sie, meine Damen und Herren von SPD und CDU, gleich in Ihren Reden nicht wieder so tun können, als hätte ich, der LINKE und Gewerkschafter Henning Foerster, mir hier etwas ganz Furchtbares ausgedacht, möchte ich Ihnen zum Schluss der Einbringung gern mal vorlesen, wie die Hamburger Politik ihre Entscheidungen seinerzeit begründet hat. Ich zitiere: „Uns ist wichtig, dass es in Hamburg künftig möglichst keine Arbeitsverträge mit Verfallsdatum, sondern faire und verlässliche Regeln gibt. Besonders sachgrundlose Befristungen sollten daher der Vergangenheit angehören.“ Dem ist nun wirklich nichts hinzuzufügen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 58 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Für die Landesregierung hat ums Wort gebeten der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit. Bitte schön, Herr Glawe!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Foerster überrascht nicht, kann man ja sagen. Die sachgrundlose Befristung ist natürlich ein Thema, das immer wieder die Politik bewegt. Aber Sie haben völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass in erster Linie ein Bundesgesetz dafür sorgt, dass einerseits in den letzten Jahren in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch in MecklenburgVorpommern, denke ich, deutlich mehr Arbeitsplätze durch die Wirtschaft geschaffen worden sind und damit eben auch soziale Schwierigkeiten oder auch der Arbeitsmarkt deutlich entlastet worden sind – das gilt natürlich nur bis zum Zeitpunkt der Corona-Krise –, immerhin zehn Jahre Aufwuchs von Arbeitsplätzen und zehn Jahre erfolgreiche Politik von SPD und CDU für dieses Land, für die Bürgerinnen und Bürger.

Herr Foerster, ich will Ihnen noch mal zurufen, 570.500 sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse bedeuten eben jedes Jahr, dass wir seit 2006 insgesamt über 50.000 neue Arbeitsplätze hier in diesem Land schaffen konnten. Und da hat in besonderer Weise die Wirtschaftsförderung, aber auch die kluge Politik für den Mittelstand in Mecklenburg-Vorpommern dazu beigetragen.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Ihre Geschichte ist ja eine andere. Sie hatten die größte Arbeitslosenzahl an diese Große Koalition 2006 übergeben. 180.000 bis 200.000 – je nachdem, für welche Jahreszeit – sind ein Erbe, was wir angetreten haben.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Wir reden aber über befristete Beschäftigungsverhältnisse und nicht über die Arbeitslosenstatistik!)

Ja, ich habe das schon verstanden. Glauben Sie mal, ich muss Ihnen natürlich trotzdem auch mal sagen, was Sie einerseits fordern und was Sie selbst alles hinterlassen haben!

Und jetzt kommen wir zu der Frage der befristeten Beschäftigung. Natürlich ist es so, dass die befristete Beschäftigung immer noch ein teilweises Problem darstellt. Es ist richtig so. Andererseits ist es aber auch wichtig, dass man atmende Systeme hat, und zwar in besonderer Weise mit Blick auf die Wirtschaft, mit Blick auf Flexibilität von neu gegründeten Unternehmen. Und damit geht es auch einher, befristete Einstellungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für gewisse Zeiten zu organisieren, das haben wir auch nicht infrage gestellt.

Also wichtig ist, dass man insgesamt, wenn man in ein Unternehmen einsteigt, in ein neues Geschäft, dann ist es immer wichtig, auch flexibel zu sein. Wichtig ist auch, dass man das atmende System durchaus hat für Arbeitslose oder für diejenigen, die auf dem Arbeitsmarkt schwieriger zu vermitteln sind, oder Personen, die über 50 sind. Da ist es immer auch angezeigt, dass man befristete Beschäftigungsverhältnisse erst mal dann auch ausreicht, um dann die Chance zu eröffnen, diesen Menschen den Zugang zum Arbeitsmarkt wieder zu ebnen.

Also es gibt nicht nur schwierige Ansätze beim Bundesgesetzgeber oder auch bei der Umsetzung auf dem Arbeitsmarkt, sondern es gibt durchaus auch sehr positive Effekte, über die ich hier zumindest auch reden will, um den Gewerkschaften auch zu sagen, beides ist richtig. Eine Entfristung wäre schon gut, aber eine Befristung ist eben auch ein Mittel, um sich wieder auf dem Arbeitsmarkt zu bewerben und dafür zu sorgen, dass wir insgesamt die Chancen, die da sind, nutzen.

Im Übrigen will ich darauf hinweisen, dass es Fachkräftemangel auch heute gibt, auch durch Corona jetzt etwas verdeckt und nicht so in der Öffentlichkeit, aber das ist ein entscheidendes Thema, was viel wichtiger ist als jetzt die Frage der Befristung oder der Entfristung von Arbeitsverhältnissen.

Meine Damen und Herren, es geht darum, zukünftig auch Marktpotenziale weiter offenzuhalten, Beschäftigungsbedarfe noch besser, denn denen muss man auch entsprechen. Und es ist auch so, dass wir nicht nur auf diesen Faktor setzen, sondern wir setzen auch auf Innovation und Neugründungen in den Unternehmen, und oftmals ist es der Motor auch zur Entstehung neuer sozialversicherungspflichtiger Arbeitsverhältnisse. Die Flexibilität von Rahmenbedingungen ist hier gut und sinnvoll und ist ein effektiver Schritt, um Stück für Stück weiter Vertrauen und damit auch die Befristung, die begründet ist, sozusagen fortzusetzen und Zug um Zug auch darauf einzugehen, dass man Befristung oder sachgrundlose Befristung weiter zurückdrängt.

Allerdings wird man an den Universitäten und anderen Einrichtungen des Landes durchaus auch weiterhin Befristungen brauchen,

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)