Protocol of the Session on May 13, 2020

Soll jedes Jugendamt erst unsere PM lesen, damit sie Sicherheit haben, wer in die Notfallbetreuung geht oder eben nicht?

(Torsten Renz, CDU: Ich frage mich, was wollen Sie alles als Landtag regeln? Da sehe ich ein Problem.)

Und genau das war das Problem. Hier fehlte die Information an den Landtag, was nun alles von der Notfallbetreuung in diesem konkreten Fall betroffen war. Deshalb müssen wir vorbeugend für zukünftige Krisen Regelungen treffen, Regelungen, die genau das Verhältnis von Landtag und Landesregierung in eben diesen Krisenzeiten regeln.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Ad-hoc-Empfehlungen des Deutschen Ethikrates „Solidarität und Verantwortung in der Corona-Krise“ fasste es schön zusammen. Darin heißt es, ich zitiere, Krisen seien oft die „Stunde der Exekutive“. Ich finde, wir dürfen die Stunde der Exekutive nicht zu Wochen und Monaten werden lassen. Deshalb: Stimmen Sie der Überweisung unseres Gesetzentwurfes zu! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Bernhardt!

Im Ältestenrat wurde vereinbart, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 58 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Fraktion der SPD Herr Schulte.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Oh, Herr Schulte, ich klatsche, wenn das was wird!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen!

Man kann, sehr geehrte Frau Kollegin Bernhardt, man kann dieses Ansinnen, das Sie hier mit Ihrem Gesetzentwurf unterbreitet haben, zumindest vom Grundsatz her nachvollziehen.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Teilen!)

Ja, auch teilen, Frau Kollegin Oldenburg. Die Einschränkung ist der Grundsatz. Ich erkläre das jetzt auch.

Das, was Sie hier ansatzweise, und jetzt geht es mir gar nicht um die Formulierung des Gesetzentwurfes, der hier vorgelegt worden ist, der hat, nehmen Sie es mir nicht übel, der hat an der einen oder anderen Stelle Defizite, da kann man drüber reden. Ich mache es an einem Beispiel deutlich. Sie haben gesagt, da soll eine Stellungnahme eines Ausschusses, des zuständigen Ausschusses einbezogen werden. Was machen wir denn jetzt rein theoretisch, wenn der zuständige Ausschuss einfach die Abgabe einer Stellungnahme verweigert? Ist nur als Beispiel gemeint.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist wie bei der Subsidiarität.)

Nein, nein, Herr Kollege Ritter, jetzt regen …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Da müssen wir auch keine Stellungnahme abgeben! – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Herr Kollege Ritter, bevor Sie sich jetzt künstlich aufregen, …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nein, das ist kein künstliches Aufregen, das ist Tatsache!)

Das ist doch …

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Na, Herr Kollege Ritter, bevor Sie sich jetzt …

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD – Glocke der Präsidentin)

Einen Moment bitte!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Schulte kann nicht mehr zu Wort kommen, er hat jetzt die Redezeit entsprechend.

Herr Ritter, Sie können noch mal nachher ans Pult kommen, oder Frau Bernhardt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ach!)

Bitte, Herr Schulte, fahren Sie fort!

Kollege Ritter, bevor Sie sich nicht künstlich oder doch künstlich aufregen, es ist ja nur ein Hinweis, über den man, und das sage ich auch an dieser Stelle, durchaus auch, zum Beispiel in einem weiteren Verfahren, in der Ausschussberatung reden könnte. Ich greife da mal zurück auf Beispiele, auf bundesgesetzliche Regelungen. Frau Bernhardt …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Dazu müssten Sie ja den Gesetzentwurf überweisen!)

Frau Bernhardt, da wird dann zum Beispiel in vergleichbaren Gesetzen, wo es um die Einschränkung von Grundrechten geht, dann entsprechend den Ermächtigungen, die damit verbunden sind, auch gleichzeitig gesagt, dieser oder jener fachlich zuständige Ausschuss soll beteiligt werden. Und wenn es zum Beispiel um die Frage einer Zustimmung geht, wird definiert,

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

die Zustimmung ist innerhalb von drei Wochen zu erteilen. Und wenn sie nicht erteilt worden ist, dann wird sie fingiert.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das wird ein Risiko!)

Das ist kein Problem, das kann man alles regeln. Deswegen sage ich das auch an dieser Stelle ganz deutlich. Und das ist jetzt nicht als Kritik gemeint, das ist wirklich als positiver Diskurs zu Ihrem Antrag, zu Ihrem Gesetzentwurf gemeint, dass man über die Frage, wie findet parlamentarische Kontrolle in dem Feld zwischen klassischer formaler Gesetzgebung, wie sie hier durch Gesetze stattfindet, und dem Bereich exekutiven Handelns durch Rechtsverordnung statt. Und wir haben bei Rechtsverordnung tatsächlich die Situation, dass etwas auf der Grundlage der jeweiligen Ermächtigungsgrundlage passiert, was man auch als Gesetzgeber machen könnte. Das ist ja die Delegation, die der Gesetzgeber durch die Ermächtigungsgrundlage macht.

Und vor dem Hintergrund wiederhole ich das noch mal: Man kann vom Grundsatz her bestimmte Zustimmungsvorbehalte, bestimmte Mitbestimmungsvorbehalte dann in einem entsprechenden Gesetzentwurf formulieren. Dafür wäre dann auch nicht das Infektionsschutzgesetz, sondern das Infektionsschutzausführungsgesetz hier im Land zuständig. Aber auch das ist nicht der entscheidende Punkt.

Der entscheidende Punkt, Frau Kollegin Bernhardt – und ich vermute einfach mal, dass Sie sich mit dem Thema dann ja auch, ich habe zumindest nach Ihrem Redebeitrag so den Eindruck gehabt, dass Sie sich mit dem Thema dann auch entsprechend tief beschäftigt haben –, der qualitative Unterschied, den ich sehe und weswegen ich diesen Gesetzentwurf, bezogen auf das Infektionsschutzausführungsgesetz, eigentlich für nicht zielführend halte, ist, wenn Sie sich die Gesetzentwürfe angucken, bei denen das klassischerweise stattfindet, dann sind das keine Gesetze, wo es darum geht, dass in einem relativ kurzen Zeitrahmen Rechtsverordnungen erlassen und gegebenenfalls auch überarbeitet werden sollen.

Also ein Beispiel dafür, für diejenigen, die sich nicht damit beschäftigt haben, vielleicht die Kolleginnen und Kollegen der AfD, nee, Kollegen der AfD,

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

da kommt zum Beispiel das Einkommenssteuergesetz in Betracht. Es gibt das Postgesetz, wo das in Betracht kommt. Es gibt das Telekommunikationsgesetz. Da gibt es einen entsprechenden Zustimmungsvorbehalt des Bundestages, wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe.

(Zuruf von Jens-Holger Schneider, AfD)

Das sind alles Gesetze, meine Damen und Herren, wo es nicht darauf ankommt klassischerweise, ob die Entscheidung, die durch diese Rechtsverordnung umgesetzt werden soll, oder das Verwaltungshandeln oder das Agieren der Menschen, dass ja letztlich durch diese Rechtsverordnung dann auch geregelt werden soll, jetzt innerhalb von 48 Stunden oder von 72 Stunden erfolgt. Da kommt es auf eine Woche oder mehr nicht an. Ich mache das völlig wertneutral. Das ist eine andere Situation als die, wie wir sie jetzt heute haben.

Grundlage oder Auswirkung im Bereich Infektionsschutzgesetz, Infektionsschutzausführungsgesetz ist eigentlich, und ich denke mal, darüber sind auch wir uns hoffentlich einig, so habe ich Sie auch verstanden, dass es in dieser Situation eines relativ schnellen Handelns der Exekutive bedarf. Und ich vermute mal, sehr geehrte Frau Kollegin Bernhardt, dass das auch die Überlegung war, weswegen Sie in Ihren Gesetzentwurf reingeschrieben haben, wenn es denn besonders eilbedürftig ist, dass man das dann im Zweifelsfall auch nachträglich machen kann.

Nur, wenn ich das jetzt so nehme, wie Sie es formuliert haben, dann habe ich natürlich die Situation, ich habe einen Verordnungsgeber, der seine Rechtsverordnung erlassen hat aufgrund einer Ermächtigungsgrundlage, und ich hoffe dann auch, dass sie dann tatsächlich auch innerhalb des Rahmens dieser Ermächtigungsgrundlage sich bewegt, weil ansonsten müssen wir nicht darüber diskutieren, dann wäre sie rechtswidrig. Und alles, was Sie gesagt haben, was die Aufgabe von Gerichten angeht, nämlich tatsächlich auch als dritte Gewalt das Handeln der Exekutive zu kontrollieren und gegebenenfalls auch zu korrigieren, das ist völlig richtig, darüber müssen wir überhaupt nicht diskutieren. Aber wir haben offensichtlich eine Situation, wo dann relativ schnelles Handeln erforderlich ist, und dann wird im Nachgang darüber informiert. Das ist eigentlich die Situation, die wir in den letzten acht Wochen, wenn ich das mal so beschreiben darf, oder sechs Wochen tatsächlich gehabt haben. Dann ist also eine Verordnung auch nach Ihrem Gesetzentwurf erlassen worden und dann wird der Ausschuss darüber informiert.

Das ist aber eine Situation, sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen, die haben wir heute auch schon, weil jeder Fachausschuss, egal, ob es jetzt der Gesundheitsausschuss ist oder irgendein anderer Ausschuss, Rechtsausschuss, hat heute jederzeit das Recht und, wenn er denn der Meinung ist, er sollte das auch tun, gegebenenfalls auch die Verpflichtung sogar, auch da sind wir nicht unterschiedlicher Meinung, dass er das dann tatsächlich bei sich auf die Tagesordnung setzt, sich informieren lässt, auch darüber debattiert.

Und das hat nur dann eine Konsequenz, wenn man das im Nachgang macht. Da kommt Ihr Konzept auch nicht gegen an, das ist auch, glaube ich, gar nicht so gewollt gewesen. Dann haben Sie diese Rechtsverordnung zumindest erst mal im Wege. Dann kann man höchstens darüber diskutieren, ob sie im Nachgang geändert wird. Wir haben aber, da komme ich wieder auf die Istsituation, wir haben aber eine Situation, wo diese Rechtsverordnungen, und ich halte das auch für wichtig, dass das die Ministerpräsidentin heute war – ich glaube, wir sind nun beide Juristen, dass wir das ähnlich sehen –, dass die Ministerpräsidentin das heute Morgen gesagt hat, diese

Rechtsverordnungen, und ich glaube, dass ich selbst Herrn Professor Weber da auf meiner Seite wiederfinde, müssen ohnehin tagtäglich überprüft werden, ob die dadurch vorgenommene Einschränkung von Grundrechten insofern verfassungsgemäß ist und ob sie noch verhältnismäßig ist. Das ist etwas, was man der Exekutive nicht abnehmen kann.

Und wenn man in diesem Prozess gerade in solchen Notfallsituationen – ich nehme extra nicht das Wort „Notstand“ in den Mund – regelmäßig und permanent überprüfen muss, was auch Aufgabe des Justizministeriums ist, insbesondere des Justizministeriums, aber insgesamt der Landesregierung, dann kann es uns natürlich passieren, und ich hoffe eigentlich sogar darauf, dass es passiert, nämlich gerade was die Frage angeht, Zurückfahren von Einschränkung von Grundrechten, dass wir in einen Rhythmus reinkommen, wo man sagen muss, je schneller die Einschränkungen aufgehoben werden, immer unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Aspekte, umso besser ist es, was die Wahrung der Grundrechte der Menschen in diesem Land angeht.

Und wenn ich dann Ihren Vorschlag aufgreife, Frau Kollegin Bernhardt, dann bin ich natürlich in einem Prozess, der das im schlimmsten Fall eigentlich verzögert, weil selbst wenn Sie eine schnelle Beratung im Nachgang machen, dann ist diese Beratung, wenn Sie sie ordnungsgemäß durchführen wollen – und es geht mir jetzt gar nicht mal darum, dass Sie dann noch zusätzlich Experten einladen, was ja durchaus sinnvoll sein kann, Sie haben es eben selber angesprochen –, dann wird dieses auf jeden Fall dazu führen, das mindestens eine Woche, nämlich das ist der Zeitraum, den man auch braucht, um das mit einer entsprechenden Ausschussberatung durchzuführen, Sie schreiben ja sogar in Ihrem Gesetzentwurf, mehrere Ausschüsse könnten beteiligt sein, dann dauert es eventuell noch länger, dass das eigentlich zu einer Situation führt, die wir nicht wollen, die Sie sicherlich nicht wollen, so habe ich Sie verstanden, und die wir auch nicht wollen. Und das ist das Problem Ihres Gesetzentwurfes, dass Sie eigentlich dadurch einen Zustand verfestigen würden, den Sie zu Recht nicht wollen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dann komme ich doch mal zu der Situation, wie sie heute stattgefunden hat, also nicht heute am 12. Mai, sondern in den letzten Tagen.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Heute ist auch der 13.! – Heiterkeit bei Tilo Gundlack, SPD, und Peter Ritter, DIE LINKE)