Protocol of the Session on January 30, 2020

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

es ist sogar nachgewiesen, in dem Augenblick, wo sich in diesen Ländern, in denen ja nun mal hier und da viel Elend herrscht und die Fluchtursachen auszumachen sind, wenn sich dort die Verhältnisse bessern, was passiert denn dann? Dann steigt zunächst die Migration an. Und warum? Weil man ja nicht mit dem Freifahrtticket hierherkommt, sondern man muss den Schleuser bezahlen. Mit der Verbesserung der Lebensverhältnisse steigen die Einkommen und die Fähigkeiten, den Schleuser zu bezahlen. Das ist die bittere Realität! Trotzdem sind wir die Letzten, die was dagegen haben, Fluchtursachen zu bekämpfen, nur es ist überhaupt kein Argument, daraus ableiten zu können, wir seien dazu so in der Lage, dass hier die Migration, dass dann hier keiner mehr herkäme. Das ist also geradezu aberwitzig!

Und wie die Außengrenzensicherung aussieht, Frontex – es war nicht mein Thema, Sie haben damit angefangen –, das haben wir hier gesehen. Ich darf erinnern an den Rückkehrerappell. Ich habe da mit mehreren Soldaten gesprochen, wie es im Mittelmeer aussieht, die dort für Frontex fahren vor der libyschen Küste, die die Küsten

wache, die libysche Küstenwache unterstützen sollen und Schleuser bekämpfen sollen. Was machen sie wirklich? Ihre Tätigkeit beschränkt sich auf das Boarding. So, und was, ich habe die Soldaten gefragt, ich habe sie gefragt: Wie sieht denn das aus, was macht ihr denn da? Ich werde das nie vergessen. Da sagt einer der Soldaten: Ja, wenn die uns sehen in den Schlauchbooten, dann machen die so, dann wird der Seenotfall wirklich richtig drastisch hergestellt, weil sie ja in Schlauchbooten kommen, und dann bleibt ja nun auch gar nichts übrig, als sie an Bord zu nehmen.

Im Übrigen, 2018, das sind auch offizielle Zahlen, zahlte man im Mittelmeer 5.000 Dollar pro Flüchtling, pro Migrant. Das sind auf einem Boot von ungefähr 50 Leuten 250.000 Dollar, in zwei Booten ist das dann eine halbe Million Dollar. Das ist der Hintergrund, weshalb natürlich die Migration stattfindet, insbesondere, wenn Sie jetzt die Aktion „Sophia“ wieder einrichten wollen, und das sagen auch linke Politiker, dann muss man das bedenken, was da passiert. Man will doch nicht das Geschäftsmodell der Schleuser unterstützen, man tut es aber praktisch, weil natürlich in dem Augenblick, wo diese Boote dort fahren, die ja die Schleuser mit modernsten Geräten ausmachen, entsteht natürlich dieser Pull-Faktor und wir haben wieder viel mehr Flüchtlinge, die dann auch schlimmstenfalls im Mittelmeer ertrinken.

Wenn Sie das verhindern wollen, dann müssen Sie zustimmen, dass von mir aus Boarding gemacht wird, aber dann müssen die Flüchtlinge wieder an die Küste zurückgebracht werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Dann verhindern Sie das Sterben im Mittelmeer!

(Zuruf von Karen Larisch, DIE LINKE)

Sie verhindern es aber nicht, wenn Sie im Grunde am Horizont die Frontex fahren lassen,

(Zuruf von Karen Larisch, DIE LINKE)

damit die Schleuser die in die Nähe bringen, denn die Schleuser sind natürlich, wenn unsere Boote dort erscheinen, selbst weg, die steigen ja nicht mit ein. Nehmen Sie das doch mit zum Einschlafen,

(Karen Larisch, DIE LINKE: Nee!)

eine halbe Million Dollar für zwei Fuhren, dann wissen Sie, was da wirklich real abläuft!

(Beifall Dr. Gunter Jess, AfD)

Und dann sagen Sie unseren Bürgern,

(Zuruf von Karen Larisch, DIE LINKE)

jedes Mal, das ist auch ein Fall der Desinformation,

(Karen Larisch, DIE LINKE: Wissen Sie, was da mit Frauen und Kindern gemacht wird?)

jedes Mal werden Migranten vor dem Ertrinken gerettet. Dann sagen Sie, wie der Seenotfall wirklich aussieht, damit die Leute auch wissen, was da wirklich passiert!

So, und das alles heißt ja nicht, dass wir nicht den Menschen helfen wollen. Sie helfen aber viel mehr, wenn Sie zum Beispiel Schutzzonen einrichten, in den Herkunftsländern oder in der Nähe der Herkunftsländer, wo die Menschen erst mal kulturell besser aufgehoben sind und wo sie Schutz haben. Und da gibt es auch Zahlen zu. Nicht das Mehrfache, das Zigfache erreichen wir mit denselben Mitteln vor Ort, als das, was wir hier erreichen, wenn die Leute hier erst herkommen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ich fasse noch mal zusammen: Uns ging es darum und allein darum, das Problem der Nichtbeachtung der Einreisesperren, das Problem, dass solche Wiedereinreisen verhindert werden müssen, dass der Fall Miri, der hat das deutlich gemacht, und dass die daraufhin von Seehofer gestartete Initiative, dass sie sinnvoll ist, dass sie bejaht wird und dass Sie sie unterstützen sollen, wenn Sie denn die Durchsetzung des Rechts auf Ihre Fahnen geschrieben hätten. Und ich stelle fest, abgesehen von der CDU sind Sie alle dagegen.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Vielen Dank für Ihre „Koalitionsarbeit“!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/4620. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/4620 bei Zustimmung durch die Fraktion der AfD sowie die beiden fraktionslosen Abgeordneten und im Übrigen Gegenstimmen abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 22: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Selbstbestimmungsrechte von Frauen stärken – Paragraf 219a Strafgesetzbuch streichen, Drucksache 7/4623.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Selbstbestimmungsrechte von Frauen stärken – § 219a Strafgesetzbuch streichen – Drucksache 7/4623 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Bernhardt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Wir haben Ihnen heute einen Antrag vorgelegt, der da lautet: „Selbstbestimmungsrechte von Frauen stärken – § 219a Strafgesetzbuch streichen“. Wir diskutieren hier dieses Thema nicht das erste Mal im Landtag, wir hatten es bereits vor einem Jahr.

(Dr. Ralph Weber, AfD: In der Tat.)

Worum geht es? Es ist keine einfache Frage, wie wir finden. Es geht auf der einen Seite um den Schutz von

ungeborenem Leben und auf der anderen Seite um Informationen, um Selbstbestimmungsrechte der Frau. Es geht um die Frage, wie und unter welchen Umständen Schwangerschaftsabbrüche straffrei möglich sind, wie Betroffene informiert werden können, wie aber auch Ärzte Sicherheit haben, dass die Handlung, die sie vornehmen, nicht strafbar ist. Das macht deutlich, dass es eine schwierige Abwägung ist, und es ist eben keine einfache Frage. Das macht eben auch deutlich, dass schon die Frage,

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Mord ist immer schwierig.)

die Frage schwierig ist und dass es noch viel schwieriger ist, dies in gesetzliche Regelungen einzubinden.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Und deshalb liegt Ihnen heute erneut unser Antrag vor.

Bereits vor mehr als einem Jahr hatten wir einen ähnlich lautenden Antrag hier in den Landtag eingebracht. Damals entbrannte nicht nur im Landtag die Debatte um die Streichung von Paragraf 219a, sondern insgesamt auf der Bundesebene. Was war der Ursprung? Dieser Debatte hier im Landtag lag ein Sachverhalt aus dem Jahr 2017 zugrunde. Bereits Ende 2017 wurde eine Gießener Ärztin zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie auf ihrer Internetseite Informationen über Schwangerschaftsabbrüche vorhielt. Ende 2018 wurde dann das Urteil in zweiter Instanz bestätigt. Das Urteil sorgte bundesweit für große Empörung.

Meine Fraktion brachte daraufhin hier im Landtag einen Antrag ein, der dem heutigen sehr ähnlich ist. Inhaltlich ging es auch damals im Wesentlichen darum, das uneingeschränkte Recht auf Information zum Schwangerschaftsabbruch für betroffene Frauen herzustellen und eine Bundesratsinitiative, die damals von Thüringen, Berlin, Hamburg, Brandenburg und Bremen zur Streichung des Paragrafen 219a StGB vorgelegt worden war, zu unterstützen. Der damalige Antrag wurde von einer Mehrheit hier im Landtag abgelehnt.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Wird er heute auch wieder.)

Die Bundesratsinitiative endete in einer Art Kompromiss, der eine Überarbeitung des Paragrafen 219a StGB zur Folge hatte.

Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch vom 22. März 2019 wurde dann beschlossen, dass es Ärzten, Krankenhäusern oder Einrichtungen erlaubt sein soll, auf Tatsachen hinzuweisen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, oder auf Informationen einer zuständigen Bundes- oder Landesbehörde, einer Beratungsstelle nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz oder einer Ärztekammer über den Schwangerschaftsabbruch

hinweisen dürfen. Es wurde also einiges erlaubt, nur das, worauf es ankam, die Information über medizinische Eingriffe, die wurde eben nicht erlaubt. Die Gießener Ärztin informierte auf ihrer Internetseite daraufhin weiterhin über Schwangerschaftsabbrüche, und wegen dieser Homepage kam es zu einer erneuten Verurteilung am 12.12.2019, die in zweiter Instanz bestätigt wurde.

Meine Damen und Herren, die allgemeine Empörung über dieses Urteil war ähnlich groß wie schon im Jahr 2018. Das Landgericht Gießen befand, dass die Ärztin gegen das Werbeverbot verstoßen habe. Die Kammer machte allerdings gleichzeitig deutlich – und das bestätigt diesen vorliegenden Antrag –, dass sie es für fraglich halte, ob Paragraf 219a StGB verfassungsgemäß sei. Man habe, so heißt es, erhebliche Bedenken, sagte die Vorsitzende Richterin Regine Enders-Kunze, der Paragraf sei auch nach der Reform im März nicht gelungen, er sei ein Kompromiss im Schnellstrickverfahren und widersprüchlich.

Die Ärztin will nun glücklicherweise in Revision gehen und ihr Ziel bis zum Bundesverfassungsgericht weiterverfolgen. Da können wir sie nur unterstützen, dass hier endlich Rechtssicherheit geschaffen wird, denn nicht nur für die Ärztin ist klar, dass dieser Paragraf gegen Grundrechte wie Meinungs- und Berufsfreiheit verstößt, er beschneidet Frauen in ihrem Recht auf Informationsfreiheit und gehört in dieser Form aus unserer Sicht abgeschafft.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Die Überarbeitung des Paragrafen 219a StGB im letzten Jahr hat eben nicht zur Beseitigung bestimmter Unklarheiten geführt, oder deutlicher, sie hat nicht zur Beseitigung bestehender Ungerechtigkeiten geführt, denn anders ist aus unserer Sicht Paragraf 219a nicht zu werten. Er ist unrecht, er ist im offenen Widerspruch zu den Regelungen des Paragrafen 218a StGB gegossen

(Dr. Ralph Weber, AfD: Ein Quatsch!)