Protocol of the Session on December 12, 2019

oder Enthaltung abzugeben. Damit Ihr Votum korrekt erfasst werden kann, bitte ich Sie sich nach Aufruf, wenn möglich, von Ihrem Platz zu erheben und Ihre Stimme laut und vernehmlich abzugeben. Darüber hinaus bitte ich alle im Saal Anwesenden, während des Abstimmungsvorganges von störenden Gesprächen Abstand zu nehmen.

Ich bitte nunmehr die Schriftführerin, die Namen aufzurufen.

(Die namentliche Abstimmung wird durchgeführt.)

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme abzugeben wünscht? – Weitere Meldungen sehe ich nicht. Von daher schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen, mit der Auszählung zu beginnen, und unterbreche die Sitzung für zwei Minuten.

Unterbrechung: 15.07 Uhr

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Wiederbeginn: 15.09 Uhr

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sitzung und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt. An der Abstimmung haben insgesamt 61 Abgeordnete teilgenommen. Mit Ja stimmten 14 Abgeordnete, mit Nein stimmten 47 Abgeordnete, niemand enthielt sich der Stimme. Damit ist der Antrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/4440 abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Gemeinnützigkeitsrecht endlich modernisieren, Drucksache 7/4446.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Gemeinnützigkeitsrecht endlich modernisieren – Drucksache 7/4446 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Rösler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor etwa eineinhalb Jahren haben wir zum Thema „Gemeinnützigkeit von Vereinen“ bereits hier im Plenum beraten. Unsere Fraktion hatte dazu einen Antrag eingebracht. Getan hat sich seither wenig. Besser geworden ist nichts. Im Gegenteil, einiges hat sich weiter zugespitzt und zum Schlechteren gewandt. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac, die politische Kampagnenplattform Campact und jüngst die Bundesvereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten VVN-BdA, all diesen Organisationen wurde die Gemeinnützigkeit aberkannt.

(Horst Förster, AfD: Zu Recht!)

Viele andere bangen noch um diesen Status. Diese Entwicklung basiert auf einem Urteil des Bundesfinanzhofes. Die Lesart des Urteils ist eine enge und sehr konservative.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Meine Damen und Herren, in den vergangenen Monaten wurde das Gemeinnützigkeitsrecht offenbar dafür missbraucht, auf politisch unliebsame Vereine Druck auszuüben, ihnen mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit zu schaden und sie in Verruf zu bringen. Dieser Eindruck drängt sich jedenfalls auf, denn politisch andersgelagerte Vereine, wie beispielsweise die Vereinigung für Wehrtechnik, ein Verein der Rüstungslobby, brauchen sich um den Status der Gemeinnützigkeit keine Sorgen zu machen.

Die derzeit mehrdeutige Rechtslage bei der Gemeinnützigkeit leistet dieser Entwicklung Vorschub. Die Finanzämter haben einen großen Interpretationsspielraum, die Gemeinnützigkeit an- oder eben auch abzuerkennen. Für eine Organisation oder einen Verein ist nicht vorhersehbar, ob und wann ihre politischen Aktivitäten ihren Status der Gemeinnützigkeit gefährden. Sie sind abhängig von den in der Praxis sehr unterschiedlichen Auslegungen ihres lokalen Finanzamtes.

Meine Damen und Herren, diese Unsicherheit muss endlich beseitigt werden. Es muss klargestellt werden,

dass bürgerschaftliches und politisches Engagement auch gemeinnützig sein können.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Wir sind uns im Klaren darüber, dass die Materie kompliziert ist. Der Katalog in Paragraf 52 Abgabenordnung ist umfänglich. Die Ziele, die als gemeinnützig anerkannt werden können und sollen, sind nicht so ganz einfach zu benennen. Dennoch ist es dringend notwendig, sich auf dieses schwierige Feld zu wagen.

Meine Damen und Herren, denkbar sind mehrere Methoden, um ein modernes Gemeinnützigkeitsrecht zu schaffen. So könnte beispielsweise geregelt werden, dass die Mitwirkung von Vereinen an der politischen Willensbildung der Allgemeinheit dienen muss. Diese Vereine sind dann als gemeinnützig anzuerkennen, sofern sie sich auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen. Und bei entsprechender Grenzziehung, etwa die Verhinderung von Parteienfinanzierung und die Gewährleistung voller Transparenz, muss die Gemeinnützigkeit für bürgerschaftliches Engagement, für politisches Engagement geöffnet werden. Das ist kompliziert aus unserer Sicht, aber auch machbar.

Der Katalog der steuerlich begünstigten Zwecke könnte unter anderem um folgende erweitert werden: Förderung der Wahrnehmung und Verwirklichung von Grundrechten, Förderung des Friedens, Förderung der sozialen Gerechtigkeit oder auch Förderung des Klimaschutzes. Zugleich muss sichergestellt sein, dass die Beteiligung am politischen Willensbildungsprozess unschädlich für die Gemeinnützigkeit ist.

Meine Damen und Herren, das Gemeinnützigkeitsrecht ist alt, sehr alt, etwa hundert Jahre. Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Steuerbefreiung für gemeinnützige Organisationen eingeführt wurde, bezog sich die Gemeinnützigkeit vor allem auf die Wohlfahrtspflege. Politik wurde ausschließlich als Sache der Parteien und der gesellschaftlichen Eliten angesehen. Die Gesellschaft heute ist aber eine ganz andere, sie ist demokratischer geworden. Themen, die vor hundert Jahren in der Politik keine Rolle spielten, haben heute eine hohe Brisanz. Wir erwarten von den Menschen mehr bürgerschaftliches Engagement, wir erwarten, dass sich Menschen öffentlich gegen rechte Hetze und Rassismus einsetzen.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Wir erwarten, dass sie sich für eine saubere Umwelt starkmachen,

(Zuruf vonseiten der Fraktion der AfD: Kampf gegen links!)

und wir erwarten, dass sie sich politisch bilden, bevor sie zur Wahl gehen. An eben dieser politischen Willensbildung wirken heute neben den Parteien genauso gesellschaftliche Organisationen, Vereine und Verbände in den unterschiedlichsten Bereichen mit. Sie bringen zusätzliches Know-how, andere Blickwinkel und Inhalte in die Diskussion ein.

Dieser gesellschaftlichen Entwicklung hängt das geltende Recht weit hinterher. Wir brauchen ein modernes Recht auf Gemeinnützigkeit. Wer der Allgemeinheit selbstlos dient, handelt gemeinnützig. Diese Kernaussage muss

im Mittelpunkt stehen. Ein Sportverein, der zu Aktionen gegen Hass, Hetze und Rassismus aufruft, darf nicht Gefahr laufen, seinen Gemeinnützigkeitsstatus zu verlieren.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zurufe von Thomas de Jesus Fernandes, AfD, und Dr. Ralph Weber, AfD)

Die Organisation VVN-BdA ist ein überparteilicher Zusammenschluss von Verfolgten des Naziregimes,

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern, Antifaschistinnen und Antifaschisten aller Generationen. Und er ist dem Gedanken der Völkerverständigung zutiefst verpflichtet.

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

Eine solche Organisation durch die Aufhebung des Gemeinnützigkeitsstatus an den Rand der Existenz zu bringen, dafür darf in Deutschland kein Raum sein.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

In einem offenen Brief an den Bundesfinanzminister fordert deshalb die Vorsitzende des deutschen AuschwitzKomitees und Ehrenvorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten Esther Bejarano die Aufhebung der Entscheidung gegen den VVN-BdA. Sie schreibt, Zitat: „Das Haus brennt – und Sie sperren die Feuerwehr aus!, wollen der größten und ältesten antifaschistischen Vereinigung im Land die Arbeit unmöglich machen?“

(Zuruf von Jörg Kröger, AfD)

„Diese Abwertung unserer Arbeit ist eine schwere Kränkung für uns alle.“

Und weiter heißt es:

(Peter Ritter, DIE LINKE: Körperhaltung, Herr Förster, Körperhaltung!)

„Wir Überlebende der Shoah“

(Peter Ritter, DIE LINKE: Jaja!)

„sind die unbequemen Mahner, aber wir haben unsere Hoffnung auf eine bessere und friedliche Welt nicht verloren. Dafür brauchen wir und die vielen, die denken wie wir, Hilfe!“

(Zuruf von Jörg Kröger, AfD)

„Wir brauchen Organisationen, die diese Arbeit unterstützen und koordinieren.“ Zitatende.

Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, gilt es, die Gemeinnützigkeit grundlegend zu reformieren. Ja, das Bundesfinanzministerium bereitet seit Längerem einen Entwurf zur Änderung der Abgabenordnung vor. Nach Darstellung des Ministeriums sollte mit der geplanten Reform klargestellt werden, dass eine gemeinnützige Tätigkeit mit politischen Mitteln begleitet werden kann, ohne dass dies negative Auswirkungen auf die Gemein

nützigkeit und die damit verbundene Steuerbegünstigung hat.

Angesichts der Bedeutung des zivilgesellschaftlichen Engagements und der in der Praxis bestehenden Probleme darf die Reform nicht zu kurz greifen. Und leider wurden diese Vorbereitungen im Bundesfinanzministerium wieder gestoppt. Deshalb wollen wir mit unserem Antrag noch einmal Druck machen und erwarten dies auch von der Landesregierung. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)