Protocol of the Session on June 21, 2019

lage geändert? Was ist der Grund? Ebenso erwarten wir, dass die noch offenen Fragen geklärt werden. Wie konnte es sein, dass die Munition aus den Beständen der Landespolizei geschafft wurde? Gab es weitere Beamte über die vier beschuldigten hinaus, die Kenntnis vom Verschwinden der Munition hatten? Gibt es noch weitere Verbindungen zu Angehörigen der Bundeswehr, des Reservistenverbandes, der Bundespolizei oder anderen Landespolizeien? Welche Verbindung gibt es in die rechtsextreme Szene, zu „Nordkreuz“, der Chatgruppe „Nord“, „Uniter“, „Combat 18“? Wie wird zukünftig sichergestellt, dass solch verfassungsfeindliches Verhalten einzelner Beamter rechtzeitig entdeckt und im besten Fall verhindert wird? Was muss in der Polizeiausbildung geändert werden, um zu verhindern, dass Menschen mit extremistischen Bestrebungen überhaupt erst Polizisten werden? Diese und sicher noch weitere Fragen sind zu klären.

Der Innenminister hat einen Vorschlag gemacht, wie die Fraktionen auch über die Sommerpause eingebunden bleiben. Das begrüße ich ausdrücklich. Klar bleibt aber auch, dass der Innenausschuss dann weiterhin zuständig in der Verantwortung bleibt. Klar ist auch, dass wir eine externe Untersuchung – das hat der Minister hier ja angekündigt, dass wir die auch wollen – unterstützen, und das, denke ich, sollten wir auch miteinander begleiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es stellt sich für mich aber auch eine Frage in Richtung der AfD, und hier geht es nicht um das Wort „Neger“, das will ich ganz klar sagen. Meine Frage stellt sich, dass, wenn bei den Untersuchungen festgestellt wird, dass eine zentrale Figur – als Haik J. bezeichnet – dann Ihr Funktionär ist und Sie nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe diesen Mann in ein Gremium nehmen, wo es um die Ausarbeitung der Sicherheitspolitik Ihrer Partei geht und das Bestimmen der Sicherheitspolitik geht, dann frage ich mich schon, wie Sie mit solchen Dingen umgehen.

Ich könnte jetzt weitergehen über einen Schießklub, den Sie – nur für sich offenbar und Ihre Anhänger – gründen, in dem Sie martialisch auftreten, und ich könnte weitergehen an die parteiinternen Chats, wo sich Leute aus Ihrer Fraktion,

(Dr. Ralph Weber, AfD: Das ist nicht nur eine Unterstellung, das ist eine Lüge mit dem Schießklub!)

wo sich Leute Ihrer Fraktion,

(Dr. Ralph Weber, AfD: Sie sollten schon bei der Wahrheit bleiben!)

wo sich Leute Ihrer Fraktion in den Chats zusammengeschlossen haben und sich darüber unterhalten haben, wie man mit politisch Andersdenkenden umgeht. Und da ging es um Gewaltfantasien gegen politisch Andersdenkende. Ich möchte daran erinnern, dass diese Chats bis heute nicht von Ihnen veröffentlicht worden sind. Sie haben damals gesagt, Sie haben sie, Sie geben sie uns nicht. Es stellen sich natürlich die Fragen, ob Sie mit den Verbindungen, die Sie ins rechtsextreme Milieu haben, vielleicht auch weitere Informationen haben. Und ich fordere Sie auf, fangen Sie an, sich von Rechtsextremisten, von Reichsbürgern, von Identitären aus Ihren Reihen zu befreien, und hören Sie auf, als AfD der parlamentarische Arm einer gewaltbereiten rechtsextremen Szene zu sein!

(Dr. Ralph Weber, AfD: Das waren wir nie, das sind wir nie und wir haben uns besser distanziert als Sie von den Linksextremen!)

Meine sehr geehrten

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD – Glocke der Präsidentin)

Damen und Herren,

(Dr. Ralph Weber, AfD: Das ist eine Unverschämtheit! Ich hätte ein bisschen mehr Grips von Ihnen erwartet!)

Einen Moment, bitte!

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Er hat mehr Grips als Ihre ganze Fraktion zusammen. – Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Herr Professor Weber, Ihnen steht noch Redezeit zur Verfügung. Ich würde Sie bitten, die dann zu nutzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, klar ist, nach Hassreden kommt der Hass. Genau das sehen wir.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Es scheint so, dass das Klima für die, die sich als Auserwählte fühlen, ermutigend ist.

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

Der Höhepunkt ist die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, mutmaßlich von einem Rechtsextremisten. Walter Lübcke war ein Christdemokrat und hat sich für einen humanen Umgang mit Migrantinnen und Migranten eingesetzt. Das zeigt aber auch, dass nicht nur LINKEN- und GRÜNEN-Politiker im Fadenkreuz der Extremisten sind. Nein, meine Damen und Herren, der Hass richtet sich gegen Demokraten, gegen die Demokratie und gegen ihre Repräsentanten.

(Minister Dr. Till Backhaus: Das haben wir alles schon mal gehabt.)

Meine Damen und Herren, die Polizei kann ihren hervorragenden Ruf – und den hat sie – nur dann verteidigen, wenn die Vorgänge komplett aufgeklärt sind und diese Vorgänge in Zukunft nicht mehr möglich sind. Ich bitte darum, dass in der Polizei selbst darüber diskutiert wird, wie es mit dem Korpsgeist steht. Ein falsch verstandener Korpsgeist muss überwunden werden. Am Ende geht es darum, dass die Polizistinnen und Polizisten sich damit auch selbst schützen, denn wenn durch falsch verstandenen Korpsgeist beispielsweise kriminelle Dinge verdeckt werden, ist das am Ende etwas, was allen Polizistinnen und Polizisten auf die Füße fällt. Schwarze Schafe dürfen niemals von der Herde geschützt werden. Kriminelle Vorgänge, Fehlverhalten müssen den Vorgesetzten und dem Dienstherrn gemeldet werden. Genau das wollen wir, meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Meine Damen und Herren, nur eine gut ausgebildete und eine gut ausgerüstete und eine personell gut aufgestellte

Polizei kann ihre Herausforderung am Ende auch wahrnehmen. Deswegen war es richtig, dass wir in den vergangenen Monaten darüber diskutiert haben – der Koalitionspartner, wir. Gemeinsam haben wir den Pakt für Sicherheit auf den Weg gebracht, und das war auch richtig so.

Meine Damen und Herren, die Taten Einzelner dürfen nicht der Polizei als Ganzes auf die Füße fallen.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Aha!)

Wir wollen unsere Polizeibeamten als Freund und Helfer in der Straße sehen, wir wollen, dass unsere Polizeibeamten immun gegen extremistisches Gedankengut sind. Und wer als Beamter, insbesondere als Polizeibeamter, den Staat vertritt, muss zu diesem Staat stehen, zu seiner Verfassung, seinen Gesetzen und Institutionen. Voraussetzung hierfür ist, dass kriminelles und extremistisches Verhalten Einzelner offensiv vollständig aufgeklärt wird, nicht verschleiert wird. Voraussetzung ist auch, dass diese Personen, soweit das rechtlich irgendwie möglich ist, konsequent aus dem Dienst entfernt werden. Genau das erwarten wir. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und Christel Weißig, Freie Wähler/BMV)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter.

Das Wort hat jetzt für die Fraktion Freie Wähler/BMV der Abgeordnete Herr Dr. Manthei.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte so anfangen, dass ich zunächst eine Lanze für die Landespolizei hier brechen möchte. Gern erwähnen hier einige unserer erfahreneren Kollegen aus den anderen Fraktionen, dass sie seit soundso vielen Jahre bereits hier im Landtag tätig sind, das ist ja auch völlig in Ordnung. Und an der Stelle möchte ich einfügen, dass ich eben schon viele Jahre vor meiner, ich sage mal, bezahlten politischen Tätigkeit, doch viele Jahre eng mit Polizeibeamten des Landes zusammengearbeitet habe. Ich war ja seit dem Jahr 2000 auch im Staatsdienst und als Staatsanwalt tätig, als Richter tätig, Strafrichter, Ermittlungsrichter, alles, was so den Bereich ausmacht, und habe dort viel Erfahrung gesammelt, und natürlich auch aus meiner heutigen Tätigkeit als Innenpolitiker kenne ich sehr viele Polizeibeamte. Deshalb bin ich mir sicher, dass in aller Regel die Polizeibeamten unseres Landes pflichtgemäß ihren Dienst für die Sicherheit der Einwohner erfüllen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und Freie Wähler/BMV)

Sofern ebenso ein gewisser Eindruck vermittelt wird, es gäbe ein systematisches Problem mit Skandalen in der Polizei, möchte ich bitten, vielleicht etwas vorsichtiger zu sein. Das würde mich jetzt erst mal noch nicht so überzeugen, weil das Problem ist, ich habe auch Gespräche in den letzten Tagen mit Polizeibeamten, mit mehreren sogar, geführt, und diese etwas pauschalen Vorverurteilungen, wenn ich so etwas mache, dann fühlen sich eben alle angesprochen, die einfach ganz normal ihren Dienst ordnungsgemäß verrichten. Ich werbe daher für eine differenzierte nüchterne Beurteilung.

Das will ich nur vorausschicken, weil ich auf der anderen Seite natürlich auch nicht bagatellisieren will. Wir haben nun mal den dringenden Tatverdacht gegen vier Polizeibeamte oder ehemalige Polizeibeamte des SEK. Sie sollen ihren Arbeitgeber bestohlen haben, sollen Munition gestohlen haben, und dies sollen sie Staatsgegnern überlassen haben. Des Weiteren gibt es den Vorwurf des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Waffengesetz. Wenn sich das bestätigen sollte, stellt sich die Frage, wie so etwas innerhalb des Landeskriminalamts möglich gewesen ist, weil ich glaube, wir alle erwarten von jeder Polizeibehörde die absolut sichere Kontrolle über die Verwendung der Munition.

Hier muss also lückenlos aufgeklärt werden. Die Vorwürfe sind schlimm, nicht nur einfach wegen Fehlverhaltens von Mitarbeitern gegenüber ihren Mitarbeitern, sondern weil eben Polizeibeamte Träger der Staatsgewalt sind. Sie haben eine ganz besondere Verantwortung. Sie üben nicht nur einfach irgendeine Tätigkeit aus, sie repräsentieren den Staat. Die Bürger dieses Landes dürfen und müssen in die Organe des Staates Vertrauen haben können. Das ist für mich der entscheidende Punkt. Deshalb müssen die Vorwürfe vollständig aufgeklärt und dann Konsequenzen gezogen werden.

Jetzt ist die Justiz am Zuge. Das Ermittlungsverfahren läuft. Die Ermittlungsbehörden müssen jetzt in Ruhe arbeiten können. Ich selbst weiß, wie das ist, wenn man als Staatsanwalt besondere Verfahren bearbeitet, die besonders im politischen Fokus sind. Es gibt dann verstärkte Berichtspflicht, man hat einfach viel, viel mehr Aufwand, und das ist ganz wichtig, dass man da eben die Kollegen in der Justiz jetzt in Ruhe arbeiten lässt.

Manch einer ist vielleicht etwas schnell dabei, im Moment zu urteilen. Das ist selten gut. Urteile sollten erst nach einer gründlichen Untersuchung des Sachverhalts gefällt werden. Dennoch, muss ich sagen, schließe auch ich mich teilweise der Kritik an. Ich möchte hier die Informationspolitik der Landesregierung gegenüber dem Landtag kritisieren. Wir als Innenpolitiker haben immer wieder scheibchenweise und auch sehr unsystematisch Auskünfte erhalten, mussten immer wieder nachfragen und selbst dann haben wir nur eine lückenhafte Information bekommen.

Ich möchte besonders auf die sogenannte Todesliste oder, objektiv vielleicht gesagt, Namensliste abstellen. Bis heute ist nicht klar, was es denn nun mit dieser Namensliste der 29 Personen, mit den Meldedaten dieser Personen auf sich hat,

(Marc Reinhardt, CDU: Das hat der Minister doch gesagt.)

die bei einer Prepper-Gruppe Ende August 2017 gefunden wurden. In den Medien wird sie ja bekanntlich als „Todesliste“ bezeichnet.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Dpa hat sie so bezeichnet.)

Aber bisher hieß es immer, das sei eine Zuständigkeit der Bundesbehörden. Das hat mich nie überzeugt und wundert mich bis heute, denn es geht um Einwohner unseres Bundeslandes, die hier möglicherweise bedroht sind. Und für die Gefahrenabwehr, für den Schutz der Einwohner dieses Landes ist das Land selbst, ist die

Landesregierung zuständig, egal, was der Generalbundesanwalt dazu sagt. Hier stellen sich eben Fragen, wer hier Gefährdungsanalysen erstellt.

Zunächst teilt die Landesregierung mit, es bestehe keine Gefahr, und jetzt wird doch – da möchte ich auch noch mal das hervorheben, was Herr Krüger gerade sagte – das Bundeskriminalamt aktiv. Die betroffenen Personen, die auf dieser Namensliste stehen, werden jetzt als Zeugen vom Bundeskriminalamt vernommen. Da frage ich mich: Wieso jetzt diese Aktivität, warum nicht früher? Was sollen diese Zeugen sagen?

Ich erinnere daran, hier geht es um ein Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat. Nun gehe ich mal davon aus, dass die Personen, die auf dieser Liste stehen, nicht als Zeugen dafür vernommen werden, dass sie irgendwas zur Tathandlung sagen können. Das Einzige, was mir einfiele, ist, dass sie eventuell irgendwie als Opfer in Betracht kommen.

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Ganz genau.)

Ich wüsste nicht, in welchem Zusammenhang ich hier – also ich stelle mir vor, ich bin Staatsanwalt, ich ermittle hier und habe das sicherlich tausendfach gemacht – den Zeugen etwas fragen soll. Der sitzt dann vor mir und ich sage, hier, du stehst auf der Liste. Was soll ich den fragen? Und das ist für mich ein Punkt, der ist unklar, der ist für mich unbefriedigend beantwortet, das kann ich nicht nachvollziehen. Das ist bis heute unklar. Wir wissen eben auch nicht, wer diese Liste verfasst hat, was mit dieser Liste bezweckt wird. Und gut, Herr Caffier hat es gesagt, warum die Landesregierung sich nicht kümmert. Sie ist der Ansicht, es bestehe keine Gefahr, aber es bleiben eben die Widersprüche wegen der Vernehmung als Zeugen im Moment.

Zusammenfassend möchte ich dafür werben, auf der einen Seite in der Negativbeschreibung unserer Landespolizei nicht zu übertreiben. Auf der anderen Seite müssen die Vorwürfe vollständig aufgeklärt werden, sowohl in strafrechtlicher als auch in disziplinarischer, polizeilichorganisatorischer Hinsicht, und sodann sind die Konsequenzen zu ziehen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und Freie Wähler/BMV)