Protocol of the Session on June 20, 2019

Und wenn Sie selber gesagt haben, der Grad der organisierten Arbeitnehmerschaft, also Gewerkschaftsmitglieder, ist auf 15 Prozent gesunken – von Zeiten, wo wir weit über 50 Prozent waren –, dann sollten sich die Tarifpartner, das sind ja auch die Arbeitgeber, die immer mehr aus den Arbeitgeberverbänden ausscheren, oder über eine OT-Mitgliedschaft,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das ist der Punkt.)

so eine Witzfigur, wo man das eigentliche Thema, nämlich die Bindung an die Tarifverträge, ausschließt, wenn die beiden Tarifpartner nicht in der Lage sind, ihre jeweilige Klientel, die Arbeitnehmer vonseiten der Gewerkschaft und die Unternehmer vonseiten der Arbeitgeberverbände, davon zu überzeugen, warum es wichtig wäre, sich zu organisieren, in diese Gremien einzutreten, dann ist es ein bisschen merkwürdig, wenn dann der Antrag kommt, die Landesregierung wird aufgefordert, eine gemeinsame „Strategie zur Erhöhung der Tarifbindung in Mecklenburg-Vorpommern zu initiieren“.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das steht doch in der Koalitionsvereinbarung!)

Das ist doch, das ist nicht Aufgabe der Landesregierung. Das Tarifrecht ist mit gutem Grund und verfassungsrechtlich abgesichert in die Autonomie der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände übergeben, und da soll es bitte auch bleiben.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Und wenn Sie nicht in der Lage sind als altgedienter Gewerkschafter – und das Gleiche gilt für die Arbeitgeberverbände –, die Unternehmer davon zu überzeugen, dass sie Vorteile davon haben, sich entsprechend zu organisieren, dann sollen sie das doch bitte nicht auf die Seite der Regierung abschieben. Schuster, bleib bei deinem Leisten!

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Der Wirtschaftsminister hat zu Recht gesagt, dass man da sehr zurückhaltend ist. Die Tarifautonomie ist nicht nur ein hohes Gut, das uns auch lange sozialen Frieden hier im Land gesichert hat, sondern ein Verfassungsinstrument, verfassungsrechtlich abgesichert. Die Politik hat sich da sehr zurückzuhalten.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Das vielleicht zum Punkt II.1.

Noch schlimmer in meinen Augen wird dann der Punkt 2. Da sagen Sie, dass man die Allgemeinverbindlicherklärung erleichtern soll, indem man eben dieses Vetorecht abschafft. Um mal klar zu sagen, auch der Tarifvertrag ist ein Vertrag. Und ein Vertrag zeichnet sich dadurch aus, dass sich zwei Seiten einigen. Die Allgemeinverbindlicherklärung ist das Gegenteil davon. Da werden Nichtvertragspartner in eine Regelung, die sie selbst nicht abgeschlossen haben, hineingezwungen. Und deswegen ist mit gutem Recht der rechtliche Rahmen für diese Allgemeinverbindlicherklärung sehr eng gestrickt. Dass Sie den gern erweitern würden, weil nicht genug eintreten, nicht genug sich der Tarifautonomie unterwerfen und solche Tarifverträge abschließen, kann ich verstehen, aber der enge rechtliche Rahmen hat wiederum sehr viel mit der Tarifautonomie zu tun.

Sie sollten sich wirklich mal hinterfragen. Wäre ich Gewerkschaftler, würde ich Ihnen sagen, mehr Streiks, mehr erreichen, dann den Arbeitnehmern, die nicht gewerkschaftlich organisiert sind, eben kein Streikgeld bezahlen. Dann wird zwar die Gewerkschaftskasse leerer,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das ist heute schon so, dass nur Mitglieder Streikgeld bekommen. – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja.)

aber der Nutzen für die Arbeitnehmer größer. Insofern, auch das mit den Allgemeinverbindlicherklärungen kann weder rechtlich noch inhaltlich überzeugen.

Und in Punkt 3, da wollen Sie jetzt, dass diejenigen, die in die Gewerkschaft eintreten, oder auch Arbeitgeber – also Unternehmer, die Tarifbindungen leisten, die also im Arbeitgeberverband sind und keine OT-Mitgliedschaft eingegangen sind – sonstige Vergünstigungen bekommen, steuerliche Erleichterungen oder Ähnliches. Ich muss sagen, zum einen gibt es das schon. Es gibt die Möglichkeit der Differenzierungsklauseln, zwar, Sie hatten es selber gesagt, in engen rechtlichen Grenzen, aber es ist Unternehmern schon möglich, Gewerkschaftsmitglieder im gewissen Rahmen besserzustellen. Warum sie das tun sollen allerdings, das müssten Sie mir noch erklären. Man finanziert üblicherweise nicht den eigenen Gegner. Und es ist schon so, dass wir durch die Tariftreueerklärungen auch die Unternehmen, die tarifgerecht mindestens bezahlen, fördern. Mehr kann der Staat auch da nicht tun. Diese direkte Unterstützung durch Steuervergünstigung und so weiter, das wäre ein Angriff auf die negative Koalitionsfreiheit, also in meinen Augen sogar verfassungswidrig, was Sie da fordern.

In Ihrem Antrag der Punkt I singt das Hohelied auf die Tarifverträge. Das ist in Ordnung, da wird ja auch nichts gefordert, da könnten wir mitgehen. Da richtet sich jetzt der Änderungsantrag von CDU und SPD hin. Der ist mir nicht so ganz klargeworden. In Ihrer Ziffer 1 schreiben Sie, dass Sie nach deren Worten „der Entlohnung“ noch schreiben wollen, „dies gilt auch für tarifgleiche Verträge“. Es gibt keine tarifgleichen Verträge. Es gibt Tarifverträge, die zeichnen sich eben durch die Bindungswirkung aus,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

und es gibt vertragliche Regelungen, die eine tarifliche Regelung auf nicht tarifgebundene durch Arbeitsvertrag übertragen,

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Das ist Wortklauberei.)

aber tarifgleiche Verträge kennt unser Tarifrecht nicht. Da sollten Sie mal sprachlich nachbessern. Inhaltlich ist ja ein bisschen klar, was Sie meinen,

(Torsten Renz, CDU: Ach so?!)

aber das gibt es gar nicht, was Sie da schreiben.

Und in Ziffer 2, da schreiben Sie,

(Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

wollen Sie eingefügt haben das, was da drinsteht, nämlich: „Der Landtag betrachtet regionale Unterschiede...“ und so weiter „als ein Hemmnis für eine Steigerung der Tarifbindung.“ Da frage ich mich, was soll das bedeuten. Hemmnis im Sinn von „wir wollen das abbauen“ oder ein Hemmnis, weil man regionale Unterschiede ja auch bewahren muss und deswegen eine solche Stärkung der Tarifbindung an diesen regionalen Besonderheiten scheitern muss. Auch da bleibt mir völlig unklar, wie das zu erklären ist.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Sie haben ja gleich Gelegenheit, dazu zu sprechen. Vielleicht können Sie uns das mal erklären. So jedenfalls ist das mindestens sprachlich ganz schlecht ausgedrückt und Sie sollten für Klarheit sorgen.

Ansonsten kann man sagen, was Sie da im Teil I an kosmetischen Verbesserungen vorschlagen oder scheinbaren Verbesserungen, ist völlig unerheblich. Der Teil I ist beschreibend, lobt die Tarifverträge. Das kann jeder in Ordnung finden. Die eigentlichen Forderungen, die stehen im Punkt II. Darauf bin ich eingegangen, die können wir leider nicht mittragen. Insofern lobenswertes Ziel, aber falscher Weg. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Schulte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Vielleicht einfach mal zum Einstieg, weil der Wirtschaftsminister in seinem Redebeitrag gesagt hat, er würde nicht davon ausgehen, dass dieser Antrag der Fraktion DIE LINKE eine Mehrheit in diesem Haus finden würde, vielleicht kann man das ja etwas differenziert betrachten. Die Regierungsfraktionen haben ja, Herr Professor Weber hat es ja eben schon einmal angesprochen,

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

einen Änderungsantrag, …

Störe ich dich, Harry?

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

… einen Änderungsantrag zu Ziffer I des Antrages der Fraktion DIE LINKE eingebracht. Und namens der Regierungsfraktionen beantrage ich daher, auch im Zusammenhang natürlich über die Abstimmung des Änderungsantrages, aber wenn der Änderungsantrag zu Ziffer I dann eine Mehrheit findet, dass wir insgesamt getrennt über Ziffer I und Ziffer II abstimmen, sodass wir eine getrennte Abstimmung zu den einzelnen Punkten haben werden.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dann lassen Sie mich auf den Inhalt sowohl des Ursprungsantrages des Kollegen Foerster und der Fraktion DIE LINKE als auch noch mal des Änderungsantrages der Koalitionsfraktionen eingehen. Ich will jetzt die Worte des Wirtschaftsministers nicht wiederholen, dass ich den Kollegen der Fraktion DIE LINKE dankbar bin, dass sie das Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben. Sie haben ja vielleicht bei der Erstberatung der Tagesordnung für diese Landtagssitzungswoche gesehen, dass die Regierungsfraktionen – es war ein Antrag auf Aussprache der Fraktion der SPD, aber wir sprechen ja das zumindest dann auch mit unserem Koalitionspartner im Vorfeld ab –, dass wir das entsprechend, dieses Thema, auch auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung setzen wollten. Ich habe mich dann als Parlamentarischer Geschäftsführer, auch in Rücksprache mit meinem Fraktionsvorsitzenden, dafür entschieden, dass wir auf die Aussprache verzichten, weil das, was wir in der Debatte sagen können zum Thema Tarifbindung, Tarifautonomie, Stärkung auch der wirtschaftlichen Situation in diesem Lande – und letztendlich geht es ja auch um die Frage von Mitbestimmungsrechten und Bildung von Betriebsräten auch in

diesem Land –, das kann man sicherlich auch in der Debatte zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE sagen, und dann muss man das nicht mit zwei Tagesordnungspunkten behandeln, einmal im Antrag und einmal in der Aussprache.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das vielleicht einfach nur, um auch den Respekt beider Regierungsfraktionen deutlich zu machen vor der Bedeutung dieses Themas.

Und ich will dann gleich auf die Anmerkungen von Herrn Professor Weber zu dem Änderungsantrag eingehen. Ich will jetzt keine semantischen Spitzfindigkeiten betreiben, aber man kann das natürlich so sagen, es gibt keine „tarifgleichen Verträge“, wobei man das auch wieder infrage stellen kann, weil wenn ich einen einzelvertraglichen Arbeitsvertrag abgeschlossen habe und der die identischen Regelungen eines Tarifvertrages übernimmt, dann muss ich mich ja schon fragen, ob dieser Einzelarbeitsvertrag nicht identisch ist im Inhalt mit einem Kollektivarbeitsvertrag. Und ist er dann tarifgleich, da kann man drüber streiten.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Herr, Herr …

(Dr. Ralph Weber, AfD: Wenn der Tarifvertrag sich ändert, ist die Gleichheit vorbei.)

Sie können auch Verweisungsklauseln aufnehmen, auch das ist den Arbeitsvertragsparteien... Also deswegen, Herr Professor Weber, lassen Sie uns nicht über Semantik streiten, Sie haben ja selber eingeräumt,

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

dass der Sinn und Zweck dessen, was gemeint ist, auch den Damen oder, nein, den Herren der AfD durchaus klar ist. Letztendlich geht es darum, und das ist ja in gewisser Weise vielleicht auch bedauerlich, Herr Kollege Foerster hat ja darauf hingewiesen, dass es eine Vielzahl von Arbeitsverträgen gibt oder dass es tarifgebundene Arbeitsverträge immer weniger gibt, aber dass es natürlich eine Vielzahl von Arbeitsverträgen gibt, die zumindest Teile, wesentliche Teile von tarifvertraglichen Regelungen aufnehmen. Und auch diese sollte man tatsächlich dann stärken, weil es ist zumindest ein erster Schritt. Und ich glaube, das ist das gemeinsame Ziel, ein erster Schritt in Richtung Tarifbindung.

Und zu der Ziffer 2 des Änderungsantrages der Koalitionsfraktionen, lassen Sie mich dazu auch gerade zwei Sätze sagen. Es ist einfach nur eine Feststellung der durchaus problematischen Situation bei uns im Land. Wir haben in der wirtschaftlichen Entwicklung MecklenburgVorpommerns – das begrüßen wir auf der einen Seite – Regionen, die sich durchaus positiv entwickelt haben und wo die Unternehmen auch stärker aufgestellt sind, und wir haben andere Regionen in diesem Land, wo die wirtschaftliche Entwicklung noch nicht ganz so ist, wie wir uns das wünschen. Dort gibt es halt auch Unterschiede in der Wirtschaftskraft der Unternehmen.

Und wir müssen eigentlich, und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist ja dann Aufgabe von Wirt

schaftspolitik auf Landesebene, wenn wir auch die Schwäche der Unternehmen, die wirtschaftliche Schwäche der Unternehmen möglicherweise als einen Ansatzpunkt dafür sehen, dass sich Unternehmerinnen und Unternehmer auf den Standpunkt stellen – ob zu Recht oder zu Unrecht, ich kann nicht in den Tarifvertrag gehen –, dann muss es doch Aufgabe von Landespolitik sein, diese Rahmenbedingungen zumindest so weit zu minimieren, dass man dieses Argument, ob es vorgeschoben oder tatsächlich vorhanden ist, dann der Arbeitgeberseite nimmt und deutlich macht, auch ihr in den etwas strukturschwächeren Räumen seid durchaus in der Lage, tatsächlich Tariflohn zu zahlen.