Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Erwiderung durch den Minister habe ich mich eigentlich auf eine sachliche und fachlich fundierte Debatte gefreut. Aber so kann einem das Heft des Handelns und auch der Rede aus der Hand gleiten.
Natürlich – ich bleibe dann mal gleich bei dem, was Sie eingangs sagten – ist eine bundesweite Betrachtung mit dem Übergang zum regionalen Handeln ein didaktischer Redeprozess. Es geht in der geografischen Betrachtung auch immer um Maßstabswechsel. Und wenn wir den Maßstabswechsel von der Bundesebene auf die Landesebene bringen, dann haben wir selbstverständlich Unterschiede im Land zwischen Ost und West. Wir haben Unterschiede zwischen Stadt und Land, selbst dort noch am Stadtrand unterschiedliche Lebensqualitäten. Wir haben die Küste mit den touristisch geprägten Gemeinden und durch den Tourismus bevorteilten Gemeinden und das Binnenland. Und wenn ich mir meine eigene Gemeinde anschaue, dann habe ich da eine Fläche von 150 Quadratkilometern, auf die sich 29 Ortsteile verteilen, denen es auch nicht allen gleich gut geht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe in dieser letzten Stunde mehrfach Formulierungen gehört, die mich doch stutzig machen, wie Angleichung der Lebensverhältnisse. Nein, darum geht es überhaupt nicht. Es geht um die Entwicklung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Und was das bedeutet, das steht nicht im Grundgesetz – ich komme dazu noch mal –, sondern das steht im Baugesetzbuch, und zwar in der Präambel. Das ist das einzig verbindliche Dokument, wo gleichwertige Lebensverhältnisse in unseren Gesetzespaketen angemahnt worden sind.
Mit Ausnahme – Herr Wildt, ich bin da sehr dankbar, dass Sie darauf zu sprechen gekommen sind, und ich habe es mir hier schon vorbereitet –, es geht natürlich um das Beispiel Bayern. Genau aus diesen Gründen, weshalb Bayern das damals gemacht hat, wird über die Frage der gleichwertigen Lebensverhältnisse eigentlich in fast allen Bundesländern gesprochen, außer in den Stadtstaaten.
Herr Eifler, ich gestehe Ihnen zu, dass Sie einen Großteil Ihrer Rede geschrieben haben, bevor Sie meine gehört haben. Aber genau das, was Sie gesagt haben, dass ich hier das Land schlechtgeredet habe, ich weiß nicht, wo Sie da Ihre Ohren hatten.
Das ist genau so ein Unfug wie beispielsweise der Hinweis auf die Werften. Dieses Glück mit Genting ist uns doch in den Schoß gefallen. Dafür hat kein einziger Politiker und kein einziger Wirtschaftsfachmann in unserem Land etwas getan.
So, wie Sie reden, bin ich beispielsweise durchaus der Ansicht, wir sollten mal vielleicht bei unseren eigenen Reden genauer zuhören. Aber vielleicht waren Sie auch gestern und vorgestern nicht da, als der Kollege Albrecht den Tagesordnungspunkt 9 begründet hatte mit dem Ziel, einen Beitrag zur Herstellung gleicher Lebensbedingungen erreichen zu wollen, oder als der Kollege Waldmüller zum Tagesordnungspunkt 18 gesprochen hat, zu POMERANIA. Da ging es übrigens genau um diese Arbeitsbedingungen.
(Dietmar Eifler, CDU: Genau, weil wir es machen, genau. – Zuruf von Rainer Albrecht, SPD – Dietmar Eifler, CDU: Weil wir es machen, Herr Dr. Weiß.)
Das sind genau diese Sachverhalte, über die ich rede, und das hat ja nichts mit Schlechtreden zu tun. Oder wollen Sie Ihrem eigenen Kollegen hier ans Bein … – nicht – nässen?!
Das sollten wir doch lassen! Ich denke mal, dass das billige Polemik ist. Ich gestehe ja zu, dass das mit zum Geschäft gehört, aber bleiben wir doch beim Sachverhalt! Die Debatte über die Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen im Landtag ist nicht nur legitim, sondern sie ist notwendig, denn sie gehört ganz genau mit zu den Beiträgen, die uns hier gewissermaßen einen Überblick verschaffen, um nicht bei jeder Gelegenheit in einem Kleinlichen zu verbleiben. Es geht hier nicht um ein Detail, sondern wirklich um ein übergeordnetes Projekt, so, wie Raumordnung und Landesplanung eben übergeordnet sind.
Und wenn es um die Problematik der Arbeitsbedingungen geht, in der Tat, das steht in unserem Antrag marginal, aber das hat auch seinen Grund. In der alten Bundesrepublik – und die gelernten BRD-Bürger, die schon 1990 und in der Zeit vor allem davor den entsprechenden Ausweis hatten, werden sich möglicherweise erinnern können – ist immer von Arbeits- und Lebensverhältnissen sowie Arbeits- und Lebensbedingungen die Rede gewesen. Erst seit 1992 ist das in der Raumordnung und Landesplanung aus dem Sprachgebrauch gekommen, weil die Akademie für Raumforschung damals festgestellt hat, dass Arbeitsbedingungen eigentlich Privatsache sind und gleichwertige Lebensverhältnisse vor allem mithilfe der öffentlichen Daseinsvorsorge erzielt werden sollen, und das hat ja mit den konkreten Arbeitsbedingungen nichts zu tun.
Aber genau in dem Moment, wo wir die ungleichen Verhältnisse in Deutschland und in dem Falle sogar ungerechten Verhältnisse feststellen, wenn ich auf den Arbeitserlös von 78 Prozent Einkommensäquivalent – das ist eigentlich nicht vorstellbar, vor allem es ist nicht be
gründbar – zu sprechen komme, dann hat das eben auch etwas mit der Arbeitswelt zu tun. Und da müssen wir natürlich eingreifen, politisch, und wenn nicht anders eben auch mit einem Staatsziel, mit einem Ziel, was wir uns selber vorgeben.
Die Linksfraktion beschäftigt sich übrigens schon sehr lange mit dem Thema und die Kollegen, die schon länger im Landtag sind, werden sich ja sicherlich noch an Helmut Holter erinnern, der bereits 2014 mit diesem Projekt, die gleichwertigen Lebensverhältnisse in die Landesverfassung zu schreiben,
(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zurufe von Jochen Schulte, SPD, und Vincent Kokert, CDU)
genau in dieses Horn gestoßen hat, die gleichwertigen Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen als Staatsziel in die Verfassung hineinzuschreiben,
und zwar es als gutes Signal zu verstehen, mindestens auch in Rückgriff auf das, was man in Bayern im Jahre 2014 letztlich mit der geänderten Verfassung umgesetzt hat. Als Staatsziel wurde die Förderung und Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern eingeführt.
Der Volksentscheid, auf den Herr Wildt dankenswerterweise bereits hingewiesen hat, wurde ja auch begleitet durch eine entsprechende Enquetekommission, die das vorbereitet hat. Nichts anderes wollten wir mit dem Hinweis beziehungsweise mit unserem Gedanken der Einsetzung eines entsprechenden Expertengremiums, allerdings nicht unbedingt so hoch angebunden wie in der Enquetekommission. Es hätte uns schon gereicht, wenn es ein Gremium wäre, so, wie es jetzt im Zusammenhang mit dem Bestattungswesen gemacht wird. Man muss ja nicht immer gleich die ganz große Keule schwingen. Viele Themen und Handlungsfelder treffen nämlich, wenn wir auf Bayern blicken, genauso zu wie bei uns. Der einzige Unterschied ist, wir haben die Ostsee, die haben die Alpen.
(Patrick Dahlemann, SPD: Na ja, es gibt noch ein paar andere Unterschiede. – Peter Ritter, DIE LINKE: Bayern hat zum Beispiel keinen Vorpommern-Staatssekretär.)
Ich will an dieser Stelle nur auf ein von der Enquetekommission dort beschlossenes Konstrukt verweisen – das hätte beispielsweise bei der Diskussion einer entsprechenden Expertenkommission bei uns auch diskutiert werden können. Die bayerischen Professoren Magel und Miosga haben in dem Falle ein interessantes Projekt vorgelegt zur Ergänzung von Raumordnung und Landesplanung. Bei diesem Modell ist die Rolle des Staates die des Gewährleisters und Befähigers.
Die Regionen funktionieren als Ausgestalter von Vielfalt, und zwar auf der Grundlage von vier Dimensionen. Diese Dimensionen der räumlichen Gerechtigkeit sind Verteilungsgerechtigkeit, die Verfahrensgerechtigkeit, die Chancengerechtigkeit, die Generationsgerechtigkeit. Ich will das nicht runterdeklinieren, wir sind hier nicht im Seminar, aber diese Begrifflichkeiten zeigen ganz deut
lich, dass man natürlich, wenn man sich intensiver mit dieser Frage beschäftigt, ganz was anderes will als eine dumpfe Gleichmacherei. Darum geht es nämlich nicht.
Ich habe bereits die Chance gehabt, Anfang der 90erJahre – in dem Falle waren das Kollegen der Sozialdemokratie – in der Stolpe-Kommission in Brandenburg mitzuarbeiten. Auch der spätere Ministerpräsident Platzeck hat das Ganze nicht so richtig auf die Reihe gekriegt. Der stellte sich nur hin und sagte, Gleichwertigkeit ist nicht gleich, und damit war das Thema vom Tisch. So kann man das natürlich auch nicht machen, gleichwertige Arbeitsbedingungen mit als Staatsziel aufzunehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe bereits über den Wandel der Benutzung des Begriffes in der alten Bundesrepublik geredet. Für mich ist alles, was an die Arbeit gebunden ist, auch eben noch mehr als einfach nur Erwerbsarbeit. Diese Fragestellung, wenn wir über Arbeit reden – das ist auch eine Selbstverständlichkeit, wenn man die Entwicklung der Persönlichkeit darstellt, wenn man sich in irgendeinem Beruf bewegt und einem entsprechenden Tätigkeitsgebiet nachgeht –, wird ja oft vergessen, wenn alles auf Gelderwerb reduziert wird.
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antragsinhalt ist auch die Aufwertung von Raumordnung und Landesplanung und regionaler Entwicklung oder sollte es sein. Ich spüre Ihre ablehnende Position, aber das sollten wir uns vielleicht noch mal überlegen, ob genau diese Position, Raumordnung, Landesentwicklung, Landesplanung und Regionalplanung, nicht aufzuwerten wert ist, weiter betrieben zu werden, beziehungsweise zu unterstützen. Der Minister hat bereits darauf hingewiesen, dass die Ausweisung ländlicher Räume im Landesraumentwicklungsprogramm in Mecklenburg-Vorpommern durchaus Neuland in diesem Feld ist. Wir haben mit genau dieser Ausweisung der ländlichen Gestaltungsräume, was der Bund übrigens auf Bundesebene mit den Landkreisen schon seit über 40 Jahren macht, auf Gemeindeebene etwas völlig Neues geschaffen. Und die Art und Weise, wie zunächst darauf reagiert wurde – wer in diesen Prozess involviert gewesen ist, der kann sich sicherlich noch gut entsinnen, dass einige, die sich mit einem Mal in einer gelb gefärbten Fläche in einer Landkarte befanden, der Minister sprach immer von gelber Milchtüte, die es zu füllen gelte, sich durchaus stigmatisiert fühlten.
Diese sind möglicherweise bei der Regionalanalyse genauso herangegangen wie Sie, Herr Eifler, dass Sie sich vorgestellt haben, dass Sie jetzt irgendeinem Defizit hinterherlaufen müssen oder Sie ein Defizit damit bescheinigt bekommen haben. Darum geht es ja überhaupt nicht, wenn man sich beispielsweise die Parameter anschaut, nach denen diese Karten gemacht worden sind. Aber es geht eben nicht um eine Stigmatisierung von Regionen, wenn ich eine Region befördern möchte und entsprechende Nachteile in der Lebensqualität der Menschen ausgleichen oder besserstellen möchte. Das machen wir ja auch beispielsweise nicht, wenn wir Modellvorhaben der Raumordnung organisieren. Die Modellvorhaben der Raumordnung, die in Mecklenburg-Vorpommern angesiedelt sind – da sind wir übrigens nach Nordrhein-Westfalen und Bayern durchaus spitze, wenn wir dann unsere Einwohnerzahl und unsere Größe als
Land sehen, wir haben sehr viele Vorhaben dabei –, in Wert zu setzen, und die Wertschätzung dieser Modellvorhaben, wo die Arbeit in den Regionalplanungsbüros geleistet wird, wäre durchaus mal an der Zeit, das auch entsprechend zu bewerten.
Ich bin sehr zufrieden und es müsste genau genommen auch in der aktuellen Diskussion eigentlich eine stärkere Rolle spielen, dass mittlerweile die Zahlen zur überfälligen 5. Landesprognose zur Bevölkerungsentwicklung vorliegen. Dort sehen wir wieder, dass genau die gleichen Gebiete bezüglich Migrationsprozessen, bezüglich der Bevölkerungsentwicklung, in der Altersstruktur et cetera bevorteilt und benachteiligt sind, die es in den letzten 30 Jahren auch gewesen sind. Das bedeutet, dass sich bei allen Bemühungen in den verschiedensten Politikfeldern diesbezüglich so viel nun doch nicht bewegt hat.
Es sei denn, wir müssen wirklich etwas überkompensieren, damit bestimmte Prozesse, wenn sie uns nicht passen, sich so verändern, dass wir damit besser umgehen können. Die ganze Entwicklung, die sich diesbezüglich zum Beispiel im Bereich des Gesundheitswesens abspielt, wo das Land dankenswerterweise unter anderem auch das Monitoring der hausärztlichen Versorgung, in dem Falle in der Mecklenburgischen Seenplatte, durchführt, ist ja geradezu beispielhaft und zeigt, dass es, wenn man es will, entsprechende Entwicklungen durchsetzen kann, ohne dass zunächst erst einmal der anstehende hausärztliche Versorgungs-GAP erschlossen wird.
Meine Damen und Herren, ich will nicht in Abrede stellen, dass sich etwas getan hat, ganz im Gegenteil. Es ist eine IMAG eingesetzt worden, die Interministerielle Arbeitsgruppe „Ländliche GestaltungsRäume“. Aber es ist mir viel zu leise. Es ist bisher noch nicht das entsprechende Echo an mich herangekommen, dass da etwas wirklich geschafft wurde. Die Strategiefonds beispielsweise könnten wir natürlich hoch und runter deklinieren. Aber warum soll ich in dem Zusammenhang noch mal über Feuerwehren und Breitband reden, wenn wir darüber heute, gestern und vorgestern schon gesprochen haben?
Auch beispielsweise zum Regionalbudget. Wenn ich durch das Land fahre, wenn ich nur durch meinen Wahlkreis fahre, meine Damen und Herren, dann erlebe ich natürlich Aufbruchsstimmung in den Dörfern, auch eine ganze Reihe von Optimismus, aber das hat natürlich immer damit zu tun, mit wem ich ganz konkret rede. Und nicht jeder Bürgermeister hat das gleiche Niveau wie beispielsweise sein Nachbar
oder derjenige in der Nachbargemeinde, der das eine oder andere geschickte Händchen rührt. Und dann muss man natürlich auch berücksichtigen, dass vieles in der Betrachtung immer davon abhängig ist, an welchem Standpunkt man sich befindet.
Ich kann mir gut vorstellen, dass jemand, der in dem Moment, wo er seine Position ändert, wo er beispielsweise eben nicht mehr auf der Bank einer Regierungspartei sitzt, ohne dass er sich verändert, mit einem Mal in der Opposition landet, das Gleiche, was er bisher gesagt hat, mit einem Mal ganz anders sieht. Und das – gut, das gestehen wir jedem zu – kann passieren.
die nicht vergessen werden sollten. Das Erste, meine Damen und Herren, es ist ja auch in der Diskussion gesagt worden, eigentlich steht das Ganze mit den gleichwertigen Lebensverhältnissen bereits im Grundgesetz. Ja, meine Damen und Herren, das stimmt. Das Begriffspaar „gleichwertige Lebensverhältnisse“ steht im Grundgesetz Artikel 72. Aber da geht es nur um die Zuständigkeit, da steht es nicht als Staatsziel drin. Da steht lediglich drin, dass im Falle, wenn das Thema angefasst wird, die Zuständigkeit zu klären ist. Nur weil es da drinsteht, heißt es ja noch lange nicht, dass es ein Ziel ist. Im Grundgesetz steht auch das Wort „liebe“
im Überwort „Kriegshinterbliebenen“, das bedeutet aber noch lange nicht, dass diesbezüglich das Ganze ein Erotikon ist.