Protocol of the Session on March 14, 2019

Thema doch wieder weiter gefasst, und von daher kann ich es mir natürlich nicht verkneifen zu sagen, dass in der öffentlichen Debatte die Frage viel wichtiger ist: Kann beziehungsweise wie kann ein konfliktarmes Nebeneinander von Mensch und Wolf organisiert werden? Hier warten die Betroffenen auf Antworten der Politik und sie warten aus meiner Sicht schon viel zu lange.

Natürlich finde ich es erfreulich, und der Minister hat es dargestellt, dass Bewegung in die Diskussion zum Umgang mit dem Wolf kommt und sich auch die Bundesumweltministerin jetzt bewegt, denn sie hat 2018 noch nach Brüssel gemeldet – und das wird ja auch stark debattiert –, dass sich der Wolf in Deutschland in einem schlechten Erhaltungszustand befindet. Aber – und das muss ich auch sagen für meine Fraktion – die jetzt erreichten beziehungsweise avisierten Schritte reichen bei Weitem nicht aus, um dem Ziel eines konfliktarmen Nebeneinanders von Mensch und Wolf entscheidend näherzukommen. Mit wie auch immer gearteten Einzelfallentscheidungen wird uns das nicht gelingen.

Diese Behauptung will ich auch gerne erläutern: Neben dem damit verbundenen bürokratischen Aufwand – ich verweise an dieser Stelle nur auf die Erfahrungen mit dem Bibermanagement – stellt sich schon die Frage, wie die Entnahme von sogenannten „verhaltensauffälligen Wölfen“ in der Praxis funktionieren soll. Eine Genehmigung dafür zu erhalten, bedingt den zweifelsfreien Nachweis, dass der konkrete Wolf mehrfach Nutztiere gerissen beziehungsweise sich in auffälliger Weise Menschen genähert hat, und das über vorgefundene DNA.

Und genau an dieser Stelle beginnt das Problem. Aus verschiedensten Gründen kann bei derartigen Vorfällen DNA nicht immer individualisiert werden, selbst wenn Wolfs-DNA nachgewiesen wurde. Der betroffene Tierhalter könnte einen Antrag auf Entnahme stellen, wenn der Wolf, dessen DNA individualisiert werden konnte, auch bei anderen Vorfällen als Verursacher nachgewiesen wurde. Zugriff auf diese Daten, diese individualisierte DNA, erhalten die Tierhalter aber nicht. Von daher kann man sicherlich darauf verweisen, dass es einen solchen Antrag noch nicht gab, aber auch die praktischen Möglichkeiten, einen solchen Antrag zu stellen, sind doch sehr eingeschränkt. Von daher kann ein solches Vorgehen nicht wirklich überzeugen und auch nicht die Lösung dieses Problems in Aussicht stellen.

Andere Länder, die, wie erwähnt, gut mit dem Wolf umgehen, und auch schon länger, haben nichtsdestotrotz auch Probleme, denn Frankreich erhöht ja gerade seine Abschussquote. Wenn denn alles so gut laufen würde in Frankreich, dann müssten sie zu diesem Mittel ja nicht greifen.

Und dann kommt es zur Frage, wie kann man denn jetzt rechtssicher handeln, und da wurde ja auch schon erwähnt die Frage des guten Erhaltungszustandes. Das wird ja hier infrage gestellt. Es gibt Auffassungen, die sagen, der gute Erhaltungszustand ist schon längst erreicht. Es gibt Auffassungen, die sagen, man kann die Populationsbetrachtung, so, wie sie die EU derzeit macht, nicht anstellen, sondern müsste die baltische Population hinzurechnen. Und ich bekenne freimütig, dass ich mich dieser Auffassung auch anschließe. Auch aus meiner Sicht werden hier in Mecklenburg-Vorpommern nicht alle Wölfe erfasst, die es tatsächlich gibt. Wenn man mit Betroffenen spricht, dann sagen die ganz

klar, wir wissen zwar, wo sie sind, aber werden einen Teufel tun und dazu eine Meldung machen, denn dann haben wir keinen Einfluss mehr darauf, was dann im Nachgang passiert und welchen Auflagen wir dann im Zweifel unterworfen werden. Und das ist eine Debatte, die stattfindet.

Von daher steht für meine Fraktion fest, wir brauchen langfristig – eher kurzfristig – ein aktives Wolfsmanagement, das über Prävention, Öffentlichkeitsarbeit und Datensammlung hinaus Ziele definiert und Maßnahmen zu deren Erreichung festlegt und umsetzt. Dazu gehören …

(Minister Dr. Till Backhaus: Das haben wir.)

Ja, wenn wir das haben.

(Minister Dr. Till Backhaus: Das haben wir doch!)

Für meine Fraktion gehört zu einem Ziel auch die Definition einer Bestandsobergrenze – die Brandenburger sprechen von einer Akzeptanzgrenze –, die Ableitung von Abschussquoten und die Ausweisung von wolfsfreien Zonen. Die Abschussquoten sollen dabei im Rahmen von sogenannten Schutzjagden, wie bereits in Schweden praktiziert, umgesetzt werden.

Und an dieser Stelle gestatte ich mir den Hinweis, dass nicht für die Schutzjagd, sondern für die ebenfalls praktizierte Lizenzjagd von der EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Schweden eingeleitet wurde, das allerdings seit einigen Jahren ruht. Nur so kann aus Sicht meiner Fraktion ein einigermaßen konfliktarmes Nebeneinander von Mensch und Wolf gelingen. Die Betroffenen warten schon viel zu lange darauf. Deshalb sollte die Politik nicht weiter in Trippelschritten vorwärtsgehen, manchmal seitwärts ausweichen oder auch einen Schritt zurück machen. Was wir jetzt brauchen, sind schnelle und umfassende Lösungen.

Abschließend kann ich mich an dieser Stelle nur noch einmal wiederholen: Die Kostenproblematik ist nur eine, wenn auch wichtige Facette der Gesamtproblematik zum Umgang mit dem Wolf, aber es gibt niedrigschwelligere Lösungen als die von der Fraktion Freie Wähler/BMV skizzierte Kostenstatistik. Eine Diskussion darüber sollte man dabei aber auch immer im Gesamtkontext führen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV)

Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt das Wort der Abgeordnete Dr. Weiß.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie kennen das sicher: Sie stehen morgens auf, das Radio geht an, und wenn der erste Titel ein Ohrwurm ist, dann kann er einen schon den ganzen Tag verfolgen. Bei mir war es Herbert Grönemeyer mit seinem „Was soll das?“.

(Der Abgeordnete Peter Ritter pfeift.)

Und dann kam dieser Antrag, irgendwie passend. Müssen wir uns jetzt in diesem Jahr auch noch auf eine „Kostenstatistik Biber“ einlassen? Kommt das danach? Eine

„Kostenstatistik Kegelrobbe“, eine „Kostenstatistik Kormoran“?

(Zuruf von Burkhard Lenz, CDU)

Bietet sich ja eigentlich an, wenn man dem zustimmt. – Mit Verlaub, das ist natürlich Sarkasmus, aber es nimmt auch vorweg, dass wir diesem Antrag nicht zustimmen können.

(Zuruf von Dirk Lerche, AfD)

Was soll eine solche Statistik auch bringen, außer die Stimmung gegen die Einwanderung des Wolfes nach Mecklenburg-Vorpommern und Deutschland weiter anzuheizen? Ich kann Herrn Borschke und seiner Fraktion nur empfehlen, sich einfach den Mittelabfluss für die Präventionsmaßnahmen anzufordern. Dann haben Sie die gewünschten Informationen.

(Thomas Krüger, SPD: Genau so.)

Der Minister hat ja schon einige Summen genannt. Und wenn wir das Ganze auch noch im Agrarausschuss vertiefen wollen, die Landesregierung hat bisher dort jede Antwort auf die entsprechenden Fragen gegeben. Das gilt auch für entsprechende Förderanträge der Weidetierhalter, die Mittel, die dafür ausgereicht werden. Das ist ja alles kein Geheimnis.

Die von Ihnen gewünschte zusätzliche Statistik führt zu keinem Mehrwert, abgesehen davon, dass gleichzeitig wahrscheinlich dann auch wieder verlangt wird, Bürokratieabbau zu betreiben. Weder qualifiziert eine solche Statistik den Artenschutz des Raubtiers, mit dem wir leben lernen müssen, noch hilft sie den Weidetierhaltern, die unter einem enormen Existenzdruck stehen, aber nicht unbedingt wegen des Wolfes. Ich komme gleich darauf. Zudem wäre sie für die unter Personalnot leidende Umweltverwaltung nur eine zusätzliche Belastung und begleitet den populistischen Stimmungsauftrieb gegen den Wolf. Schon darum lehnen wir dieses Anliegen ab.

Die Weidetierhalter haben viel größere Probleme als den Wolf und fehlende Statistik über tatsächliche oder vermeintliche Folgekosten. Das Thema Wolf ist mittlerweile so hoch emotional und angstbeladen, dass es selbst in solchen Bereichen der Gesellschaft diskutiert wird, die nun wirklich mit dem Tier überhaupt nichts zu tun haben. Und wenn der Minister bereits darauf hingewiesen hat, dann möchte ich das auch noch mal unterstrichen wissen. Wenn man aufrechnen will, dann kann man das auch bei allen anderen Sachverhalten machen, wo Geld bewegt wird im politischen Raum. Manchmal wäre es vielleicht wirklich gut, die gleiche Emotionalität auch bei Kinderarmut, Defiziten in der Bildung, bei sozialer Spaltung der Gesellschaft und bei Rassismus in unserem Lande zu befördern. Aber ich will hier ganz bewusst nichts vermischen und auch nicht gegenrechnen. Niemand bestreitet doch, dass die Migration des Wolfes eine große Herausforderung darstellt.

Für mich und meine Fraktion ist es aber auch wichtig zu wissen, dass ins Zentrum der Debatte ein angemessener Herdenschutz und eine Weidetierprämie gehört. Die Schäferei ist doch schon lange in der Krise. Sie war es schon lange, bevor auch der Wolf überhaupt in Europa, in Mitteleuropa, wieder auftauchte und sich hier etabliert hat. Sie ist nämlich die große Verliererin einer schon

lange stattfindenden falschen Agrarpolitik auf Bundesebene. Ihr wurde zum Beispiel 2005 die Mutterschafprämie gestrichen. Das hat nun wirklich nichts mit dem Wolf zu tun, aber das hat viel mehr zu Existenznot geführt und in der Folge auch zu Altersarmut der jetzt in Rente gehenden Schäfer. Daran ändert auch wenig die Nutzung anderer Fördermittel der EU. Genau deshalb gibt es ja in 22 Mitgliedsstaaten der EU diese Weidetierprämie. Die wird weiterhin gezahlt. Aber bis heute verstehe ich nicht, warum ausgerechnet die Bundesregierung diese Prämie als Ausnahme in unserem Land so vehement ablehnt.

Meine Damen und Herren, damit ist gewissermaßen alles gesagt. Das einzig Gute an diesem Antrag ist, ich habe jetzt meine gestern überzogenen 20 Sekunden wieder raus. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort die Abgeordnete Aßmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Herr Borschke, dass Sie mit diesem „Bild“-Artikel anfangen, das habe ich eigentlich schon fast erwartet. Dass Frau Schlupp auf diesen Zug aufspringt, das hat mich ehrlicherweise enttäuscht, weil ich glaube, dass sie diese Milchmädchenrechnung einfach nicht machen muss. Sie weiß es besser.

(Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Aber es zeigt eben auch, wie einfach heutzutage Politik oder eben auch Entscheidungen gedacht werden, nämlich immer, indem man einfach irgendwelche Zahlen in den Raum schmeißt, billige Vergleiche heranzieht. Da springen dann Verbände auf. An dem Wochenende, als der „Bild“-Artikel groß durch die Medien gegangen ist, ist auch unser Landesbauernverband bei Facebook drauf aufgesprungen mit „Wie viel hätten wir da in Kita investieren können“. Ich finde das ehrlicherweise beschämend, solche Vergleiche zu ziehen, weil...

(Egbert Liskow, CDU: Warum?)

Das sage ich ganz gern, warum.

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Wir können gerne anfangen, wenn wir sagen, okay, wir geben Geld nur noch aus für den Menschen. Wir können gerne eine Mauer bauen, eine Betonwüste aufbauen, können sagen, wir erzeugen Lebensmittel nur noch im Labor. Kein Thema! Dann brauchen wir kein Geld auszugeben für Umweltschutz, Gewässer, Ökologie, wie auch immer. Aber ich glaube, dass keiner hier in diesem Raum tatsächlich so einen Zustand will. Und wenn wir auch in Zukunft noch vernünftig auf diesem Planeten leben sollen und wollen, dann sollten wir hier wirklich mal mit Artenschutz vernünftig umgehen und hier nicht solche – Entschuldigung – banalen und überhaupt nicht vernünftigen Rechnungen aufstellen,

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

ganz im Gegenteil!

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Und wenn man dann diese Rechnungen hat,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

wenn man dann diese Rechnungen aufzieht, sieht man, mit welchem Informationsdurst hier umgegangen wurde, also was das Landwirtschaftsministerium in jedem tierhaltenden..., also in jedem Haushalt, der Schafe oder Ziegen hält, wurde mit den Unterlagen der Tierseuchenkasse auch der Flyer verteilt, wo kann man Hilfe beantragen, was kann man beantragen, damit eben selbst der Privathalter finanzielle Unterstützung bekommt.

(Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Was tatsächlich davon abgeflossen ist, hat der Minister hier dargestellt, und das zeigt ja auch, dass wir im Landeshaushalt, wenn man da nämlich hineinguckt, immer schon viel mehr eigentlich geplant hatten, als tatsächlich abgerufen wurde. Das zeigt zum einen, dass die Landesregierung und auch der Landtag als Haushaltsgesetzgeber da sehr vorausschauend waren, das zeigt aber auch, dass es eine Reihe von Schaf- und Ziegenhaltern gibt, die diese Thematik immer noch nicht ernst nehmen. Und wenn ich dann dieser Tage auf der A 20 Abzweigstelle Glasin vorbeigefahren bin, wo eine Riesenherde Schafe steht mit einer kleinen Litze, vielleicht waren es auch zwei, aber kniehoch eingezäunt – Entschuldigung, da habe ich beim besten Willen überhaupt kein Verständnis dafür. Und wenn dann in so einem Bestand ein Wolfsangriff passiert, der quasi ungeschützt dort steht, dann haben wir wieder die großen Scherereien. Und wenn dann mit diesen Rechnungen hier aufgezogen wird, dann ist es einfach nur beschämend, wenn das Thema hier nicht ernst genommen wird.

Die Tierhalter werden keineswegs im Regen stehen gelassen, Herr Borschke. Ich hatte gesagt, die Mittel sind da, sie können auch abgerufen werden. Von daher ist das nicht das Thema. Ich finde wichtig, was der Minister auf den Weg gebracht hat mit dem Einreichen der neuen Richtlinie oder der überarbeiteten Richtlinie bei der Europäischen Union, dass wir nämlich zukünftig von der De-minimisRegelung wegkommen, also mehr als 15.000 Euro auch pro Betrieb tatsächlich an Förderung hier wahrgenommen werden kann.

Denn natürlich ist es so, Herr Borschke, es gibt wirklich Betriebe, die enorm unter diesen Kosten für die Zäune leiden. Das hat, glaube ich, hier in diesem Raum auch jeder anerkannt und da tut auch unsere Landesregierung alles dafür, dass damit in Zukunft auch besser umgegangen werden kann.