Aspekte in den Blick genommen. Eines hat die Anhörung im Finanzausschuss unzweifelhaft gezeigt – und hier möchte ich ausdrücklich den Sachverständigen Professor Eichenhofer erwähnen, der sowohl in seinen schriftlichen Stellungnahmen als auch in seinen mündlichen Ausführungen einerseits zur Entstehungsgeschichte des Kindergeldes insgesamt, aber auch zur rechtlichen Würdigung in Bezug auf den Europäischen Gerichtshof Ausführungen gemacht hat –: Danach verstößt eine vom deutschen Gesetzgeber geschaffene, an die Lebenshaltungskosten am Wohnort des Kindes anknüpfende Indexierung des Kindergeldes unzweifelhaft gegen europäisches Recht. Der Hinweis der BMV auf die Begründung im bayerischen Gesetzentwurf zur Vereinbarkeit mit EURecht ist somit rechtlich unhaltbar.
(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Die ganze Staatsregierung hat unrecht, weil ein Professor das sagt!)
Der Staat unterstützt damit die primär von den Eltern getragene Unterhaltspflicht gegenüber ihren Kindern.
Als eine an die Eltern gerichtete Zahlung des Staates leitet sich eine individuelle Anspruchsberechtigung aus der individuellen Stellung jedes einzelnen Elternteiles ab. Zugleich ist das Kindergeld eine abstrakte, typisierende und pauschale Unterstützungsleistung des Staates, die eben gerade nicht auf die individuellen Unterhaltsverpflichtungen abstellt. Die abstrakte und pauschale Bemessung des Kindergeldes gewährleistet zum einen die Gleichbehandlung unter den anspruchsberechtigten Eltern, sichert zum anderen aber auch die unkomplizierte und aufwandsarme Zuweisung des Kindergeldes. Dies bedeutet aber eben auch, dass es nicht darauf ankommt, welche konkreten Lebenshaltungskosten für ein Kind entstehen, ob es nun in Deutschland, Frankreich, Polen oder Rumänien lebt oder wohnt oder – auf Deutschland bezogen – ob es in Altentreptow, in Rostock, in Offenbach oder Frankfurt, in Recklinghausen oder München wohnt. Der Unterschied in den Lebenshaltungskosten dürfte in allen Fällen beträchtlich sein. Ebenso spielt es übrigens keine Rolle, ob und auf welche Weise ein Kind gefördert werden muss, welche Hobbys es hat und welche Kleidung es gern trägt.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, im Übrigen, nach EU-Recht sind in einem anderen EU-Land wohnende Kinder mit denen im Beschäftigungsstaat des anspruchsberechtigten Elternteiles wohnenden Kindern gleichzubehandeln. Eine Änderung des geltenden EURechts wäre nur auf europäischer Ebene möglich. Vorstöße verschiedener Regierungen haben hier jedoch gezeigt, dass in der EU-Kommission keinerlei Bereitschaft dafür besteht. Die zuständige EU-Kommissarin hat
dazu erläutert, dass sich die Ausgaben für Familienleistungen, die möglicherweise indexiert werden könnten, auf weniger als ein Prozent der jährlichen Gesamtausgaben für Familienleistungen in den 28 – noch 28 – Mitgliedsstaaten beliefen. Dies trifft nebenbei bemerkt auch auf Deutschland zu. Mit der Indexierung wäre daher keine wesentliche Kosteneinsparung zu erreichen, stattdessen wäre damit aber ein wesentlich höherer Verwaltungsaufwand verbunden.
Der Sachverständige hat zu diesem Punkt in der Anhörung sehr praxisnah dargestellt, welcher irrsinnige Verwaltungsaufwand damit verbunden wäre, entsprechende Nachweise für eine Kindergeldindexierung einzufordern und zu überprüfen. Stellen Sie sich nur ein Kind vor, das in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, nun in Schweden mit den dort höheren Lebenshaltungskosten studiert und im Rahmen des ERASMUS-Programms für ein Jahr nach Bukarest geht. Für alles müssten Belege eingereicht und geprüft werden. Jegliche eventuell erreichbaren finanziellen Einsparungen bei der Auszahlung des Kindergeldes würden durch enormen Verwaltungsaufwand aufgefressen.
(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Absurde Beispiele helfen nicht weiter. – Tilo Gundlack, SPD: Das ist kein absurdes Beispiel.)
Insgesamt wurden im Jahr 2017 insgesamt 318 Millionen Euro Kindergeld für nicht deutsche Kinder auf ausländische Konten überwiesen. Gemessen an den Gesamtausgaben für Kindergeld von 35,9 Milliarden Euro sind das knapp 0,9 Prozent, also nicht mal ein Prozent.
Der Missbrauch dieser Kindergeldleistungen, auf den ich gleich noch zu sprechen kommen werde, wird nach Untersuchungen der Bundesagentur für Arbeit
für die Kindergeldstelle auf einen größeren Millionenbetrag beziffert. Wir reden hier also über eine Größenordnung deutlich unterhalb der Promillegrenze.
Ungeachtet der relativ geringen Dimension muss natürlich Missbrauch wirksam bekämpft werden. Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen durch organisierte kriminelle Strukturen die unrechtmäßige Inanspruchnahme von Kindergeldleistungen erfolgt. Diese Fälle widersprechen nicht nur dem Gerechtigkeitsempfinden der Menschen, sondern sie bringen darüber hinaus die überwältigende Mehrheit der ehrlichen ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Misskredit. Die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses fordert
daher die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene für eine bessere Kontrolle durch die zuständigen Behörden sowie eine Verstärkung der Zusammenarbeit der EU-Staaten bei der Bekämpfung von Sozialleistungsbetrug einzusetzen.
Lassen Sie mich abschließend noch etwas zur wirtschaftlichen europäischen Dimension des Themas sagen. Der Binnenmarkt und die Arbeitnehmerfreizügigkeit sind großartige Errungenschaften der EU. Gerade Deutschland profitiert in besonderem Maße von ausländischen Arbeitnehmern, die bei uns arbeiten und dabei Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Im Zuge der demografischen Entwicklung und des damit verbundenen Fachkräftemangels werden wir nach Einschätzung aller seriösen Wirtschaftswissenschaftler in Zukunft noch wesentlich stärker als bisher von Arbeitskräften aus anderen Ländern abhängig sein. Nach Auffassung der CDU-Fraktion müssen wir daher allen Anfängen wehren, die das Prinzip der EU-Freizügigkeit infrage stellen.
auf der rechten Seite des Parteienspektrums wie auch dieses Parlaments gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern immer wieder erklären und deutlich machen, wo die Vorteile der EU allgemein und der Arbeitnehmerfreizügigkeit im Konkreten
für Deutschland und jeden Einzelnen liegen. Nur auf diese Weise erwächst eine gute Politik zum Nutzen für unser Land. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag der BMV zur Indexierung des Kindergeldes für im EUAusland lebende Kinder haben wir uns im Finanzausschuss sehr intensiv beschäftigt. Der Ausschuss hatte, wie schon erwähnt, verschiedene Sachverständige um Stellungnahme gebeten, aber es folgte nur ein Experte der Einladung der Anhörung. Dafür waren seine Ausführungen allumfassend.
Meine Damen und Herren, die Argumente und die Herleitung der Sachverhalte waren äußerst stichhaltig. Bringt man die Aussagen auf den Punkt, kann es nur heißen, lasst die Finger davon. Rechtssystematisch, aber auch historisch und gesellschaftspolitisch betrachtet bringt eine Indexierung des Kindergeldes viele Probleme mit sich, ist zudem ungerecht und wird am Ende gar viel teurer als die bisherige Regelung.
Folgende Argumente sind besonders überzeugend, um eine Indexierung des Kindergeldes für im EU-Ausland lebende Kinder abzulehnen. Eine Indexierung führt nicht zu weniger Ausgaben, im Gegenteil, der Aufwand, ein neues Gesetz zu verfassen und dann immer monatsaktuell zu wissen, wo ein Kind eines europäischen Arbeitnehmers wohnt und welche Lebenshaltungskosten in dem jeweiligen Land anzusetzen wären,
ist immens hoch, immens personalintensiv und somit mit sehr, sehr hohen Kosten verbunden. Folgeregelungen und zahlreiche Probleme wären zu klären. Es gibt eine Reihe von EU-Ländern, in denen die Lebenshaltungskosten höher sind als in Deutschland. Das würde – richtig – ein höheres Kindergeld bedeuten.
Und wer soll die Lebenshaltungskosten für alle Länder sachgerecht überhaupt berechnen? Die Mitarbeiter in den Kindergeldkassen?
wenn man sich an den in den Mitgliedsstaaten gezahlten Kindergeldsätzen orientieren würde, dann würde sich Deutschland den politischen Prioritäten anderer Staaten unterwerfen. Das kann ja wohl vom Antragsteller nicht gewollt sein.
Und überhaupt, warum sollte nur im Hinblick auf das EU-Ausland indexiert werden, warum nicht auch im Hinblick auf die unterschiedlichen Regionen innerhalb Deutschlands? Im Großraum München, Stuttgart oder Hamburg ist das Leben teurer als in den ländlichen Regionen von Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein oder Brandenburg. Nach der Logik der Indexierungsbefürworter müsste quasi auch innerhalb Deutschlands ein unterschiedliches Kindergeld gezahlt werden, und diesen Unsinn will wohl niemand.