Protocol of the Session on November 22, 2018

Wenn Sie so weitermachen, dann werden Sie sich bald im Fernsehen bei „extra 3“ wiederfinden.

Ansonsten muss ich sagen, ich habe natürlich nicht erwartet, dass dieser Antrag heute hier eine Mehrheit findet. Und mir war auch klar, dass sich natürlich Herr Brade, insbesondere die Kolleginnen und Kollegen der SPD ein Stück weit gepiesackt fühlen werden.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Ich kann Ihr Unbehagen sogar ein Stück weit verstehen, denn jetzt, wo Ihre Partei sich bundesweit in einer schweren Krise befindet, sind Sie ja gezwungen, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, die nicht nur aus meiner Sicht, sondern auch aus Sicht vieler unabhängiger Politikexperten diesen Abwärtstrend eingeleitet haben. Man möchte ja bald sagen, mein Gott, jetzt haben sie es, wenn man hört, dass jetzt führende Sozialdemokraten das Ende von Hartz IV heraufbeschwören und eben auch einen deutlich höheren Mindestlohn fordern.

(Zurufe von Torsten Renz, CDU, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Allerdings ist das Misstrauen bei vielen Leuten da draußen inzwischen außerordentlich groß, denn allzu oft haben wir ja in den letzten Jahren gerade von Ihnen erfahren müssen, dass Ankündigungen in der Regel nicht die entsprechenden Taten folgten, und deswegen ist Skepsis durchaus geboten.

Und, Herr Brade, erklären Sie mir doch bitte einmal, wie das bei Ihnen nun wirklich läuft! Ich kann ja nachvollziehen, dass man versucht, sich in Krisensituationen demonstrativ unterzuhaken.

(Jochen Schulte, SPD: Damit haben Sie ja auch Erfahrungen, ne?!)

Aber wie läuft denn das bei Ihnen in der SPD bei Themen wie dem Mindestlohn? Setzen Sie sich da in einen Kreis und spielen dann so eine Art Bi-Ba-Butzemann,

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

und wer am Ende nicht im Kreis sitzt, der muss eine Aufgabe erfüllen? Dann haben wohl diesmal Thomas Oppermann und Olaf Scholz verloren

(Heiterkeit und Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

und mussten die 12 Euro Mindestlohn medienwirksam ins Gespräch bringen.

(Jochen Schulte, SPD: Es wird so ähnlich sein wie bei der Linksfraktion mit Sahra Wagenknecht.)

Aber Spaß beiseite! An diesem Beispiel wird doch noch einmal bestens deutlich, warum die SPD so an Glaubwürdigkeit verloren hat. Da stellt sich Vizekanzler Olaf Scholz fünf Minuten vor der Kabinettsitzung hin und erzählt den Medien etwas von 12 Euro Mindestlohn, anschließend geht er drei Türen weiter und hebt die Hand für eine Erhöhung von 35 Cent auf 9,19 Euro. Das ist doch bizarr. Und das gilt erst recht, wenn man bedenkt,

(Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

dass ein ganzes Jahr seit der von mir vorhin schon angesprochenen Erörterung des Themas Mindestlohnerhöhung im Bundestag ins Land gegangen ist und Sie somit ja mehr als genug Zeit hatten, eine andere Regelung auch innerhalb der SPD ernsthaft zu diskutieren.

Und, meine Damen und Herren, Herr Kollege Brade, jetzt nehmen wir mal an,

(Christian Brade, SPD: Jetzt haben Sie mich aber auf dem Kieker, was?!)

dass die Kollegen Oppermann und Scholz ihre Forderungen wirklich ernst meinten. Was macht denn dann die Landtagsfraktion der SPD heute bitte hier? Also wenn Ihre Kolleginnen und Kollegen als kleinerer Partner am Kabinettstisch in Berlin, also im Bund, schon nicht den Mumm haben, die eigenen Interessen durchzusetzen, dann müssten das doch die Genossinnen und Genossen übernehmen – zumindest müssten sie übernehmen, Druck zu machen –, die in den Ländern als größerer Partner in Regierungskoalitionen in der Verantwortung sind.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich denke, das ist der Sozialdemokratie fremd.)

Aber was ist passiert? Und was wird heute passieren? Nichts! Die SPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern wird heute eben nicht sagen, jawohl, 12 Euro müssten es mindestens sein, jawohl, wir werden uns im Bund dafür starkmachen,

(Zuruf von Christian Brade, SPD)

jawohl, wir wollen einen Mindestlohn für alle, und jawohl, wir wollen ihn auch mit stärkeren Kontrollen durchsetzen.

(Jochen Schulte, SPD: Wie hoch ist der Mindestlohn in Thüringen, Herr Foerster?)

Warum nicht? Wovor haben Sie denn Angst? Dass Ihre Umfrageergebnisse noch weiter nach unten gehen?

(Jochen Schulte, SPD: Gibt es überhaupt einen Mindestlohn in Thüringen? – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Das ist ja nun kaum noch möglich. Also stehen Sie doch zu den Worten Ihres Vizekanzlers und Ihres Bundestagsvizepräsidenten und lassen Sie Taten folgen! Wir stehen dafür bereit.

(Jochen Schulte, SPD: Aber auch nur mit dem Mund, Herr Kollege.)

Und, meine Damen und Herren, apropos bereit: Ich hatte mich seelisch und moralisch darauf vorbereitet, Herr Waldmüller, dass der Vorwurf kommt, wir würden als LINKE mit Blick auf unsere Forderung zum Vergabemindestlohn M-V ja selbst nicht stringent agieren. Wenn Sie uns hier vorwerfen, dass wir offenbar auch nicht wissen, was wir wollen, dann muss ich darüber ein Stück weit schmunzeln, denn Sie wissen doch ganz genau, dass die von uns vorgeschlagene Kopplung des Vergabemindestlohns an den TV-L ein mit den Gewerkschaften abgestimmter Kompromiss war, um auch der Regierungskoalition eine Brücke zu bauen. Leider hat das nicht funktioniert. Hier hat sich die CDU durchgesetzt.

Ich breche mir auch gar keinen Zacken aus der Krone zu sagen, dass die Frage, was wir da fordern, intern durchaus auch in meiner Fraktion für Diskussionen gesorgt hat. Nun habe ich aber Ihren Wunsch vernommen – und ich verspreche Ihnen, wir denken noch mal darüber nach –, eine erneute Novelle des Vergabegesetzes in diesem Punkt vorzuschlagen. Dann können wir ja hier Nägel mit Köpfen machen und künftig Aufträge nur noch an Unternehmen übergeben, die mindestens 12 Euro Stundenlohn bezahlen.

Meine Damen und Herren, Herr Glawe, Sie haben offensichtlich entweder vorhin wieder mit Ihrer Nachbarin gequatscht oder geschlafen wie ein Murmeltier.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU – Andreas Butzki, SPD: Der unterhält sich, der quatscht nicht. Das ist unparlamentarisch.)

Ich habe ja vorhin vorgeschlagen, den Mindestlohn in einem einmaligen Schritt vom Niveau her anzuheben und dann bei dem jetzigen Mechanismus zu bleiben. Und Sie

haben gesagt, dann könnte es bei 12 Euro Mindestlohn passieren, dass er zeitweilig oberhalb des Niveaus von Tariflöhnen liegt, die es im Moment gibt. Das ist richtig, aber das ist auch exakt die Situation, die wir bei der Einführung des Mindestlohns hatten. Das hat damals auch niemanden davon abgehalten, genau diesen Schritt zu gehen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich unbedingt noch etwas zu den Bedenkenträgern in der CDU sagen. Seit dem Beginn der Debatte um den Mindestlohn müssen wir uns von Ihnen ja permanent Untergangsszenarien anhören. Herr Waldmüller erklärte dazu – und ich habe mir da mal eine ältere Pressemitteilung rausgesucht – zum Beispiel Folgendes: „Der Mindestlohn ist kein Allheilmittel für die als ungerecht empfundene Entlohnung im Niedriglohnbereich. Er könnte sich … schnell als Bumerang erweisen. Verschiedene Wirtschaftsinstitute haben … darauf hingewiesen, dass ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn zur Vernichtung von Arbeitsplätzen“ für Geringverdienende gerade in den neuen Ländern „führen würde“.

(Torsten Renz, CDU: In welchem Jahr war denn das Zitat? Sagen Sie mal das Datum! Das Datum!)

Und so weiter, und so weiter, Herr Renz. Eine dieser Studien, die Herr Waldmüller da angesprochen hat, sagte übrigens den Verlust von bundesweit 600.000 Jobs, nein, nicht bundesweit, allein in Ostdeutschland 600.000 Jobs voraus.

(Torsten Renz, CDU: Aus welchem Jahr war denn das Zitat? Sagen Sie es mal, Herr Foerster, wenn Sie schon zitieren!)

Lieber Kollege Waldmüller, im Rückblick kann man wohl feststellen, dass Sie mit Ihren Prognosen grandios danebengelegen haben. Aber gelernt haben Sie daraus offenbar nichts. Und deshalb noch mal für Sie zum Mitschreiben:

Erstens. Der Industriestandort Deutschland ist nicht untergegangen. Das hat auch die Mindestlohnkommission übrigens festgestellt.

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Das ist nicht Ihr Verdienst.)

Das Gegenteil war der Fall: weniger offene Stellen,

(Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV: Das ist nicht Ihr Verdienst. – Zurufe von Egbert Liskow, CDU, und Wolfgang Waldmüller, CDU)

mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigte.

(Torsten Renz, CDU: Ich bin schon mal gespannt, wenn die Konjunktur nicht mehr so läuft, wie Sie dann argumentieren.)

Zweitens. Der prognostizierte dramatische Preisanstieg ist ebenfalls ausgeblieben. Die Preissteigerung in den Branchen, wo der Mindestlohn am meisten bewirkt hat, blieb in der Gesamtheit so überschaubar, dass sie jeden

falls keinen signifikanten Einfluss auf die Gesamtpreisentwicklung hatte.

Und drittens. Der Zusammenbruch von Unternehmen und der Verzicht auf geplante Investitionen – auch hier Fehlanzeige. Keine gravierenden Auswirkungen auf Investitionen, stattdessen überwiegend steigende Unternehmensgewinne.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Also nichts von all Ihren finsteren Untergangsszenarien ist wahr geworden. Nur eins ist zutreffend: Der Mindestlohn hatte Einfluss auf das Lohngefüge, vor allem am unteren Ende. Nicht nur diejenigen, die vorher weniger als 8,50 Euro verdienten, haben profitiert, sondern auch diejenigen, deren Löhne knapp darüber lagen. Dieser Plan ist also aufgegangen. Fehlt im Grunde nur noch eins: die Beseitigung des Geburtsfehlers mit der zu niedrigen Lohnhöhe.