Protocol of the Session on November 21, 2018

Zum Abschluss möchte ich auf ein Thema kommen, was wirklich bedrückend ist in unserem Land, was ein Übel ist und Freiheit für Frauen verhindert.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Letzten Donnerstag ist die Woche „Gegen Gewalt gegen Frauen“ gestartet worden. Die Bundesfrauenministerin hat gestern die erschreckenden Zahlen der Gewaltstatistik präsentiert. Jede dritte Frau ist von Gewalt betroffen, vor allem in der Häuslichkeit. Dort, wo man sich eigent

lich am sichersten fühlen will, zu Hause, in den eigenen vier Wänden, begegnet vielen Frauen häusliche Gewalt, auch in unserem Land. Deshalb ist es wichtig, dass wir zwei Dinge tun:

Erstens. Gewalt gegen Frauen darf kein Tabuthema sein. Jede Frau in unserem Land muss wissen, wenn ihr das widerfährt, bekommt sie von uns Hilfe,

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

24 Stunden, rund um die Uhr, die Frauen sollen sich melden. Wir wollen nicht, dass sie erniedrigt werden und mit Gewalttätigkeit leben in ihren eigenen vier Wänden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Jens-Holger Schneider, AfD)

Alle fünf Minuten wird in Deutschland eine Frau misshandelt, gestalkt oder bedroht und deshalb ist es wichtig, dass wir auch konkrete Hilfe geben. Wir haben in unserem Land ein Beratungs- und Hilfsnetz, die Frauenhäuser, die Beratungsstellen. Bevor ich in die Politik gekommen bin und dann anschließend in den vielen Jahren habe ich immer wieder solche Frauenhäuser und Beratungsstellen besucht. Eine sehr prägende Erfahrung war für mich, dass ich mit einer jungen Frau gesprochen habe, die noch jünger war als ich damals, die in einer Beziehung gelebt hat, wo der Mann sie geschlagen hat. Das Kind hat das miterlebt und das Jugendamt war kurz davor, das Kind aus dieser Familie zu nehmen. Diese Frau hat mir gesagt: Frau Schwesig, hätte ich gewusst, dass es die Hilfe gibt, dass es dieses Frauenhaus gibt, was mich aufnimmt, was meine Sorgen ernst nimmt und mir hilft, einen Abschluss zu machen, einen Job zu finden, eine eigene Wohnung zu bekommen, wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich schon viel früher diese Spirale der Gewalt verlassen. Heute hat die junge Frau einen Job, eine eigene Wohnung und das Kind lebt bei ihr. Das ist das, was unsere Frauenhäuser, unsere Beratungsstellen leisten, und dafür sage ich herzlichen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Klar ist aber auch, das Dankeschön reicht nicht, sondern wir müssen diese Stellen gut finanzieren.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ach, echt?)

Darum geht es seit vielen Jahren.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Habe ich irgendwas verpasst?)

Mecklenburg-Vorpommern ist eines der wenigen Länder, die dauerhaft und verlässlich eine Landesfinanzierung für dieses Beratungsnetzwerk und diese Frauenhäuser zur Verfügung stellen. Das ist sehr gut und ich danke der Frauenministerin und dem Finanzminister, dass wir eine Lösung gefunden haben im letzten Haushalt, dafür zu sorgen, dass die Frauenhäuser bei uns im Land auch eine dritte Stelle bekommen, dass wir mehr Beratung zur Verfügung stellen können. Und ich freue mich sehr, dass wir auch in den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene durchgesetzt haben, dass wir zukünftig Bundesmittel zur Unterstützung erhalten. Das ist eine gute Nachricht, dass die Frauenministerin Frau Giffey gestern deutlich gemacht hat, der Bund wird uns zukünftig auch unterstützen.

Langfristig, finde ich, müssen wir zu einem gemeinsamen dauerhaften Finanzierungssystem von Kommune, Land und Bund kommen. Es ist wichtig, dass jede Frau, die Gewalt erlebt, auch in unserem Land Hilfe bekommt. Deshalb darf das Thema kein Tabu bleiben. Ich bitte uns alle, das immer wieder und überall zu sagen. Ich wünsche mir, dass Frauen in unserem Land gewaltfrei, selbstbestimmt und gleichberechtigt aufwachsen. Dafür müssen wir Frauen kämpfen, aber auch die Männer. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Burkhard Lenz, CDU)

Danke, Frau Ministerpräsidentin.

Für die AfD-Fraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Förster.

Sie können schon vorkommen. Ich will nur die Gelegenheit nutzen, bis Sie hier vorn Ihr Wort in Anspruch nehmen, die Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne zu begrüßen. Das sind Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Grimmen. Herzlich willkommen!

Bitte, Herr Förster, Sie haben das Wort.

Frauenwahlrecht ist unser Thema hier. Was hat die SPD wohl geritten...

(Peter Ritter, DIE LINKE: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!)

Oh, Entschuldigung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was hat die SPD wohl geritten, das Thema „100 Jahre Frauenwahlrecht“ zum Thema der Aktuellen Stunde zu machen,

(Thomas Krüger, SPD: Ja, das aus Ihrem Munde!)

wo DIE LINKE hierzu doch bereits einen Antrag gestellt hatte?! Das könnte man mit der Überschrift „Themenklau im Landtag“ auf den Punkt bringen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ein fairer Umgang ist das nicht.

Zurück zum Thema.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Am 30.11.1918 wurde durch den Rat der Volksbeauftragten, der quasi als provisorische Regierung fungierte, das aktive und passive Wahlrecht für Männer und Frauen in die Verordnung über die Wahl zur verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung geschrieben. Damit war das Frauenwahlrecht eingeführt und dieses ist für uns heute, wie wir schon gehört haben – wir alle wissen das –, eine völlige Selbstverständlichkeit.

Am 12.02.1919 sprach die Sozialdemokratin Marie Juchacz als erste Frau in der Weimarer Nationalversammlung, ich zitiere einige Passagen aus ihrer Rede.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, hören Sie genau zu! Das ist die Sprache einer Sozialdemokratie, die sich dem eigenen Volk noch verbunden fühlte und nicht mit Linksradikalen taktierte,

(Zurufe vonseiten der Fraktion der SPD: Oh!)

um eine multikulturelle Gesellschaft zu installieren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Zitatanfang: „Ich möchte hier feststellen und glaube damit im Einverständnis vieler zu sprechen, daß wir deutschen Frauen dieser Regierung nicht etwa in dem althergebrachten Sinne Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist.... Die Männer, die dem weiblichen Teil der deutschen Bevölkerung das bisher zu Unrecht vorenthaltene Staatsbürgerrecht gegeben haben, haben damit eine für jeden gerecht denkenden Menschen, auch für jeden Demokraten selbstverständliche Pflicht erfüllt.“ Zitatende.

Zum Schluss ihrer Rede wendet sich die Abgeordnete den Kriegsgefangenen zu und öffnet uns die Augen für die Not und das Elend jener Tage. Zitatanfang: „Wir wollen unsere Stimme laut ertönen lassen, damit auch die Frauen in den anderen Länder es hören, daß es deutsche Frauen, deutsche Männer und Frauen sind, die sich innerlich empören gegen dieses furchtbare Unrecht, das uns hier geschieht. Es ist nicht berechtigt, daß man unsere Volksgenossen uns so lange fernhält. Wir wenden uns auch hier an dieser Stelle gegen die furchtbare Blockade, die uns auch heute noch und jede Stunde mit dem Hungertod bedroht. Dieser Hunger, der schon so viele unserer Volksgenossen dahingerafft hat, weicht auch heute noch nicht von unserer Seite, trotzdem der Friede vor der Türe stehen sollte und trotzdem der Völkerhaß heute schweigen müßte, und es ist das Furchtbarste, was die Entente sich heute in dieser Stunde noch zuschulden kommen läßt, daß sie dieses wehrlose deutsche Volk auch noch weiter dem Hunger überliefert, nachdem sie viereinhalb Jahre und länger diese Blockade aufrechterhalten hat.“ Zitatende.

Und noch einen bemerkenswerten Satz aus der Rede von Marie Juchacz möchte ich zitieren, wo sie sich dazu äußert, wie das Rüstzeug der Politik aussehen sollte, ein Satz, der uns angesichts der heute herrschenden politischen Kultur zu denken geben muss. Zitatanfang: „Scharfes, kluges Denken, ruhiges Abwägen und warmes menschliches Fühlen gehören zusammen in einer vom ganzen Volke gewählten Körperschaft, in der über das zukünftige Wohl und Wehe des ganzen Volkes entschieden werden soll.“ Zitatende.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Marie Juchacz hat es verdient, dass wir mit Respekt an sie erinnern. Sie stammte aus einfachen Verhältnissen und trat nach ihrer Scheidung als alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Kindern in die SPD ein. Ihre größte sozialpolitische Leistung wird darin gesehen, dass sie Ende 1919 die Arbeiterwohlfahrt gründete. An Mallorca wird sie sicherlich nicht gedacht haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ich habe kürzlich aus der Eröffnungsrede von Friedrich Ebert zitiert und wiederhole im Hinblick auf Marie Juchacz, von deren Denken und Sprache und der Haltung zum eigenen Volk hat sich die heutige Sozialdemokratie weit entfernt. Es war ein langer Weg bis zur Einführung des Frauenwahlrechts, die parallel zur Abschaffung des Zensuswahlrechts für Männer verlief. Unter Zensuswahlrecht versteht man ein ungleiches Wahlrecht, das an einen gewissen Besitz oder Steueraufkommen anknüpft, oder wie bei dem preußischen Dreiklassenwahlrecht, wo die minder Vermögenden zwar auch wählen durften, die Stimmen aber je nach Vermögen ein unterschiedliches Gewicht hatten. Deutschland und Österreich, welches sich damals nach dem Zerfall von Österreich-Ungarn Deutschösterreich nannte, waren mit die ersten Länder in Europa, die das Frauenwahlrecht einführten. Zuvor hatte nur Finnland 1906 das Wahlrecht der Frauen beschlossen. Als Letztes zog 1984 Liechtenstein nach, nachdem zuvor das Frauenwahlrecht in mehreren Volksabstimmungen abgelehnt worden war.

Die Gleichstellung im Wahlrecht war natürlich nur ein erster Schritt zur vollen Gleichberechtigung der Frau im wirklichen Leben. Es gab jedenfalls in Westdeutschland bis weit in die Nachkriegszeit eine Reihe von Vorschriften, die dem Grundsatz der Gleichberechtigung widersprachen und erst nach und nach geändert wurden. Ende der 50er-Jahre wurde das Letztentscheidungsrecht des Ehemanns in Ehesachen und das Recht des Ehemannes, ein Dienstverhältnis seiner Frau zu kündigen, aufgehoben. Die Zugewinngemeinschaft wurde als gesetzlicher Güterstand eingeführt und der Mann durfte nun nicht mehr über das Vermögen der Frau verfügen.

Ebenso wurde das väterliche Vorrecht bei der Kindererziehung, der sogenannte Stichentscheid des Mannes, aufgehoben. Aber erst 1977 mit der Reform des Ehe- und Familienrechts erhielt die Frau das Recht, ohne Einwilligung des Mannes erwerbstätig zu sein. Seitdem gilt das Partnerschaftsprinzip, wonach die Eheleute ihre ehelichen Angelegenheiten gleichberechtigt ohne gesetzlich vorgeschriebene Aufgabenteilung zu bestimmen haben. Im Scheidungsrecht trat das Zerrüttungsprinzip an die Stelle des Schuldprinzips.

Nun ist es aber nicht so, dass die seinerzeit noch bestehenden Vorrechte des Mannes praktisch noch eine wesentliche Rolle gespielt hätten. Der Gesetzgeber zog eher nach, was weithin bereits Realität war, wobei, was die Gleichberechtigung im Alltag anbelangt, sicher regionale Unterschiede, wie Stadt, Land, Konfession und Bildung, eine Rolle spielten.

Wirklich einschneidend war hingegen das neue Scheidungsrecht, das damals nicht nur positiv aufgenommen wurde, denn plötzlich sollte es nicht mehr darauf ankommen, wer schuld an der Zerrüttung der Ehe war. Bis dahin war die Schuldfrage von ausschlaggebender Bedeutung für die Folgen der Scheidung, denn daran war die Unterhaltspflicht geknüpft. Trennte sich die Frau grundlos, erhielt sie keinen Unterhalt. Trennte sich hingegen der Mann grundlos, traf ihn gnadenlos eine lebenslange Unterhaltsverpflichtung. Heute ist es nicht selten so, dass die gut ausgebildete Ehefrau dem Ehemann, der sie verlassen hat oder von dem sie sich nicht ohne Grund getrennt hat, auch noch Unterhalt zahlen muss. Die Frau ist nach neuem Recht zwar gleichgestellt, aber gegenüber früher von vornherein damit auch in

wirtschaftlicher Hinsicht viel mehr auf sich allein gestellt, egal, wie viel Kinder sie hat.

Das zentrale und längst nicht gelöste Problem der tatsächlichen Gleichheit besteht darin, wie sich Mutterschaft als natürliche Selbstverwirklichung der Frau unter den Bedingungen der individualisierten Leistungsgesellschaft verwirklichen lässt. Es ist völlig klar, dass die Lösung nicht darin liegen kann, die Frauen in den Haushalt zurückzudrängen. Die Lösung kann aber ebenso wenig darin bestehen, ein vorrangig auf den Beruf fokussiertes Frauenbild zu propagieren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)