Erhoben wir damals, also nun vor über fünf Jahren, die Forderung, Alternativen für den Schiffbaustandort Wolgast zu entwickeln, hieß es schon damals, wir können da nichts tun. Allerdings hielt der damalige Ministerpräsident Erwin Sellering Rüstungsexporte in bestimmte Gegenden für, ich zitiere, „problematisch“. Und der damalige SPDKanzlerkandidat Peer Steinbrück kündigte im Zusammenhang mit diesem Rüstungsgeschäft im Fall eines Wahlsieges einen generellen Kurswechsel bei Rüstungsexporten an.
Passiert, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nichts. Auch mit dem Wahlsieg der SPD wurde es nichts. Zwei Dinge blieben jedoch stabil in all diesen fünf Jahren: der Export von Rüstungen und rüstungsähnlichen Gütern und die Weigerung, über Alternativen nachzudenken. Das hielt auch noch im Januar dieses Jahres. Im Rahmen der von
uns beantragten Aussprache auf der 28. Sitzung des Landtages am 24. Januar hieß es wieder, man könnte nichts tun. Und der für Vorpommern zuständige Staatssekretär erklärte mir und meiner Fraktion, dass wir erstens wenig bis keine Ahnung hätten, und sagte, ich zitiere: „Ministerpräsidentin Manuela Schwesig hat gleich zu Beginn ihrer Amtszeit vor Ort gezeigt, dass sie eng an der Seite der Werft steht. Ohne Zweifel konnten wir an dem Tag feststellen und zu dem Zitat stehen wir als Landesregierung: ,Bei den in Wolgast gebauten Patrouillenbooten handelt es sich nicht um Kriegsschiffe.‘“ Zitatende.
Er sprach weiter vom doppelten Vertrauensschutz, Vertrauensschutz für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Werft und Vertrauensschutz Richtung Saudi-Arabien, dass die Schiffe nur für den Zweck genutzt werden, für den sie gebaut, besser, angeblich bestellt worden seien, Vertrauensschutz für ein kriegsführendes Regime, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich habe das schon im Januar angezweifelt und auch schon vor fünf Jahren. Unsere Forderung nach der Suche nach Alternativen, um den Schiffsbau am Standort Wolgast zu erhalten, ist unser erklärtes Ziel. Wir wollen, dass auch in Zukunft in Wolgast Schiffe gebaut werden. Diese Forderung nach der Suche nach Alternativen wurden als populistische Vorträge abgetan. Nachdem im September neue Berichte, unter anderem im ARDMagazin „report München“ – ich empfehle allen, die das noch nicht gesehen haben, in der Mediathek noch einmal nachzuschauen –, über den Einsatz der Wolgaster Boote zu sehen waren, bat ich den Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Dr. Dietmar Bartsch, die Bundesregierung zu den dort öffentlich gewordenen Details zu befragen. Die Antworten der Bundesregierung habe ich interessiert und zugleich verständnislos zur Kenntnis genommen.
Die Antwort stammt vom 1. Oktober, das ist also noch nicht sehr lange her. In der Antwort heißt es, ich zitiere: „Zum Einsatz von aus Deutschland nach Saudi-Arabien exportierten Patrouillenbooten hat die Bundesregierung keine neuen Erkenntnisse.“ Weiter heißt es – wiederum Zitat: „Die Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland spielt bei der Entscheidungsfindung eine hervorgehobene Rolle. Wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die zu liefernden Rüstungsgüter zur internen Repression oder zu sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden, wird eine Genehmigung grundsätzlich nicht erteilt.“ Zitatende. Fortdauernde und systematische Menschenrechtsverletzungen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ist der Krieg, Kollege Förster, ist der Krieg, den SaudiArabien gegen den Jemen seit Jahren führt, sind auch die aufgrund der Seeblockade, an denen die Boote beteiligt sind, Millionen Verhungerten im Jemen …
(Thomas Krüger, SPD: Was für Belege? – Vincent Kokert, CDU: Den Beitrag habe ich gesehen, auch keine Belege.)
Sind auch die aufgrund der Seeblockade Millionen Verhungerten im Jemen, sind die Menschen, die zur Flucht gezwungen werden, Kollege Kokert,
Dann haben Sie den Beitrag nicht aufmerksam verfolgt. Aber ich habe mir vorgenommen, hier nicht so sehr auf Zwischenrufe zu reagieren, weil das Thema ist mir einfach zu wichtig und zu sensibel.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, sind das also keine fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen? Offenbar nicht, denn bislang sah die Bundespolitik keinen Anlass zur Umkehr und die Landespolitik sah für sich keine Handlungsmöglichkeiten. Bislang! Doch dann ist etwas passiert, liebe Kolleginnen und Kollegen, der verabscheuungswürdige Mord an dem regimekritischen Journalisten Khashoggi führte zu neuen Tönen in der Politik.
Wenn dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, der berühmte Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen brachte, will ich das positiv zur Kenntnis nehmen. Dennoch bleibt mir die Frage: Warum erst jetzt, warum kein Aufbäumen angesichts des unsäglichen Leids im Jemen-Krieg? Diese Frage muss jeder und jede für sich selbst beantworten. Was ich aber nachhaltig unterstützen und unterstreichen will, ist die vom SPDFraktionsvorsitzenden am 22.10. getroffene Feststellung, ich zitiere: „Alles, was mit Militär zu tun hat, gehört nicht dorthin. Und für mich gehören die Schiffe aus Wolgast dazu.“
Das alles klingt nicht mehr nach der berühmten Ausrede, es sind doch nur Patrouillenboote. Dafür bin ich Thomas Krüger sehr dankbar. Nein, das gehört dort nicht hin, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der Krieg in Jemen muss beendet werden, Waffenexporte nach SaudiArabien gehören verboten.
Und wenn das „Das gehört da nicht hin“ ernst gemeint ist – und ich kann wirklich nicht lächeln bei diesem Vortrag –,
wenn das „Das gehört da nicht hin“ ernst gemeint ist, lieber Kollege Kokert, müssen wir endlich ernsthaft über Alternativen für den Schiffbau am Standort Wolgast nachdenken. Endlich!
Der von uns in unserem Antragspunkt 3 vorgeschlagene Weg ist eine Art Konversionspartnerschaft, ohne die eine Problemlösung vor Ort nicht möglich ist, ein Instrument, mit dem wir bei der Standortkonversion ehemaliger Militärstandorte nur positive Erfahrungen sammeln konnten. Die Anhörung im Wirtschaftsausschuss zum jüngst vorgestellten Konversionsbericht der Landesregierung hat dies mehr als deutlich gemacht. Dass es Unterschiede gibt zwischen Standortkonversion und industrieller Konversion, ist mir auch klar. Aber in beiden Fällen ist Konversion Kompensation und Konversionspolitik ist Wirtschafts- und Strukturpolitik.
Das, lieber Kollege Liskow, hat übrigens auch die jüngst durchgeführte Konversionskonferenz meines Landesverbandes und der Landtagsfraktion am 6. Oktober in Wolgast deutlich gemacht. Und dass die Konversion von Rüstungsstandorten kompliziert ist, hat auch diese Konferenz deutlich gemacht, auf der wir mit Dr. Peter Wilke, einem ehemaligen Friedensforscher und jetzigen Unternehmensberater, und Dr. Reinhard Lüken,
Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik, genau über diese Fragen gesprochen haben. Beide teilten unsere Euphorie, was die Konversion von Rüstungsstandorten angeht, nicht in Gänze. Beide haben auch uns bestätigt, dass der Weg möglich ist, dass der Weg kompliziert ist, aber wenn man ihn gehen will, kann man ihn gehen.
und das ist im Übrigen keine neue Erkenntnis –, dass Rüstungskonversion viel Geld kosten wird. Aber kommen Sie mir jetzt nicht mit dem Argument, wir haben kein Geld! Wenn das Manöver, was heute in Norwegen begonnen hat, den deutschen Steuerzahler 90 Millionen Euro kostet,
(Vincent Kokert, CDU: Kandidieren Sie bitte für den Bundestag, Herr Ritter! Kandidieren Sie bitte für den Bundestag! – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)
braucht mir keiner zu erzählen, dass wir kein Geld haben, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie uns also gemeinsam nach Zukunftschancen für Wolgast suchen! Lesen Sie genau den Punkt 3,
den wir in unserem Antrag formuliert haben, welchen Weg wir dort vorschlagen, nämlich gemeinsame Diskussionen der Bundespolitik, der Landespolitik, der Kommune Wolgast,
des Betriebsrates, des Werfteigners und der IG Metall. Das sind die Partner, die an den Tisch müssen. Das ist nicht nur ein Problem der Bundespolitik. Sie können sich nicht länger verstecken! Sie können sich nicht länger verstecken!
Jetzt sind Alternativen gefragt, und zwar zivile Alternativen, und die müssen wir gemeinsam erkämpfen für den Schiffbaustandort Wolgast.