Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich zur eingangs angesprochenen notwendigen differenzierten Darstellung der Wohlfahrtspflege kommen. Im Bereich der sozialen Arbeit agieren die Träger der Freien Wohlfahrtspflege sowohl im marktfähigen, das heißt entgeltfinanzierten, als auch im nicht marktfähigen, dem zuwendungsfinanzierten Bereich. Angebote und Leistungen im entgeltfinanzierten Bereich werden mehrheitlich, geschätzt circa 60 Prozent, von unternehmerisch tätigen privaten Anbietern unterschiedlicher Rechts- und Organisationsformen – GmbH, GmbH & Co. KG, AG und Ähnlichen – vorgehalten. Der danach verbleibende Anteil, also circa 40 Prozent, entfällt auf Träger der Freien Wohlfahrtspflege.
Im marktfähigen Segment agieren die Träger der Freien Wohlfahrtspflege vergleichbar den Unternehmen, Gesellschaften und Ähnlichen, entsprechend ebenfalls vergleichbar sind die angebotenen beziehungsweise erbrachten Unternehmensgegenstände. In diesem Rahmen sind auch die Träger der Freien Wohlfahrtspflege den gleichen Rechten, Pflichten und Marktmechanismen unterworfen wie die unternehmerisch tätigen privaten Anbieter, also Publizitätspflichten nach dem Handelsgesetzbuch beispielsweise, Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen nach dem SGB XI, nach dem Heimrecht, nach dem Einrichtungenqualitätsgesetz und Ähnlichem.
Übrigens finden Sie zum Beispiel im öffentlich zugängigen „Bundesanzeiger“ eine Fülle von Informationen über die Tätigkeit der Freien Wohlfahrt in diesem marktfähigen Segment. Für das marktfähige Segment kennzeichnend ist, dass die Angebote und Leistungen unmittelbar und vorrangig auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind und über Entgelte finanziert werden. Dies gilt insbesondere für unternehmerisch tätige private Anbieter, wohingegen – und dies ist eine wichtige Unterscheidung und manchmal auch eine wirtschaftliche Gratwanderung –, wohingegen die Angebote und Leistungen der Träger der Freien Wohlfahrtspflege im marktfähigen Segment weniger auf Gewinnerzielung denn auf Kostendeckung, Daseinsvorsorge und Gemeinwohlorientierung ausgerichtet sind.
Deshalb, und das sage ich hier auch ganz deutlich, müssen sich Träger der Freien Wohlfahrtspflege auch im Bereich der marktfähigen Leistungen dieser besonderen Verantwortung bewusst sein und ihr gerecht werden. Gemeinnützigkeit und Gemeinwohlorientierung bedeuten eine besondere gesellschaftliche Verantwortung auch im wirtschaftlichen Agieren. Deshalb ist das Fehlverhalten hochrangiger Vertreter zu Recht besonders schädlich für das Ansehen der Freien Wohlfahrtspflege und es ist übrigens auch strafrechtlich relevant und wird entsprechend von der Justiz verfolgt.
Damit will ich den Bereich des marktfähigen Segments für diese Rede beiseitelegen, denn worüber wir hier auf Basis der Oppositionsanträge sprechen und was im Übrigen auch Bestandteil des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist, sind die Angebote und Leistungen der Freien Wohlfahrtspflege im nicht marktfähigen Segment. Zur Verdeutlichung: Davon sind zum Beispiel die Vorgänge bei der AWO Müritz, beim DRK-Kreisverband Mecklenburgische Seenplatte oder die Diskussion über eine Kita auf Mallorca nicht umfasst. Diese Angebote und Leistungen sind im nicht marktfähigen Segment nicht entgelt-, sondern zuwendungsfinanziert. Es handelt sich dabei um:
Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatung, Migrationsberatung und die Beratung für sexuelle Gesundheit und Aufklärung.
Das sind alles Leistungen, bei denen die staatlichen Ebenen – also Bund, Länder und Kommunen – ein besonderes Interesse daran haben, dass Menschen, die diese Angebote nutzen, nichts dafür bezahlen müssen. Deshalb erhalten die Träger für die von ihnen erbrachten Leistungen Zuschüsse beziehungsweise Zuwendungen. Das gilt selbstverständlich auch in unserem Land.
In diesem Bereich gibt es aus meiner heutigen Sicht historische Versäumnisse, vornehmlich in der Nachwendezeit, und auch Fehlentwicklungen. Es besteht Reformbedarf hinsichtlich mehr Steuerung, Kontrolle und vor allem hinsichtlich mehr Transparenz. So mag der historische Aushandlungsprozess Anfang der 90er-Jahre der in der LIGA zusammengeschlossenen Landesspitzenverbände der Wohlfahrtsorganisationen seine Berechtigung gehabt haben. Als Sozialministerin im Jahr 2018 sage ich aber, diese Intransparenz ist nicht mehr zeitgemäß. Wir brauchen in der Freien Wohlfahrtspflege vor allem auch einen Kultur- und Bewusstseinswandel hin zu mehr Offenheit und Information. Transparenz muss zu einem Leitprinzip gemeinnütziger Organisationen werden. Die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, sich mit Spenden, Mitarbeit oder Dienstleistungen an der sozialen Arbeit freiwillig zu engagieren, hängt entscheidend von dem Vertrauen in die Arbeit der Projekte, Organisationen und Fachkräfte ab. Transparenz unter anderem über Ziele, Arbeitsweisen und Finanzmittel ist die Grundlage dieses Vertrauens.
Dieses Thema beschäftigt mich seit meinem Amtsantritt und hier sind seit dieser Zeit deutliche Fortschritte erzielt worden. Aber auch schon in den Jahren zuvor ist einiges passiert, etwa mit der klareren Strukturierung im Landeshaushalt und der Verabschiedung mehrerer Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen an Vereine und Verbände der Freien Wohlfahrtspflege. Und zu keiner Zeit, das sage ich vor allem in Richtung der AfD-Fraktion, gab es einen rechtsfreien Raum in der Förderung der Freien Wohlfahrtspflege in Mecklenburg-Vorpommern.
Erstens der von Mecklenburg-Vorpommern maßgeblich mit herbeigeführte Beschluss der Arbeits- und Sozialministerkonferenz vom 07.12.2017. Unter dem Titel „Transparenz gemeinnütziger Organisationen“ wurde ein Antrag mehrerer Bundesländer, unter ihnen auch wir, zur länderübergreifenden Erarbeitung grundsätzlicher Standards zur Transparenz sowie zu Rechnungslegung und Publizitätspflichten gemeinnütziger Organisationen gefasst. Dieser Antrag an eine Arbeitsgruppe, die von Hessen und Mecklenburg-Vorpommern geleitet wurde, beinhaltet auch die Entwicklung einer Förderdaten- und Transparenzdatenbank. Darauf komme ich später noch zurück.
Zum Zweiten: Im Frühjahr dieses Jahres habe ich mich mit den Spitzenverbänden der LIGA auf eine Transparenzinitiative verständigt. Sechs Monate später sind alle Landesspitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege der
„Initiative Transparente Zivilgesellschaft“ von Transparency International Deutschland e. V. beigetreten und offiziell angenommen worden. Darin verpflichten sich die Unterzeichner im Rahmen eines für alle Organisationen gleichen Formats, offenzulegen, welche Ziele ihre Organisation verfolgt, woher die Mittel stammen, wie sie verwendet werden und wer darüber entscheidet. Sie stellen diese Informationen klar strukturiert und leicht auffindbar ins Internet und versenden diese auf Anfrage. Hauptbestandteil der Initiative ist eine Selbstverpflichtung mit zehn definierten Informationen, zum Beispiel zur Personalstruktur, zur Mittelherkunft und -verwendung sowie über Mutter- und Tochtergesellschaften.
Ich sehe dies als ersten wichtigen Schritt hin zu mehr Transparenz und habe meine Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass dieser Schritt in den Kreisverbänden der Wohlfahrtsverbände nachvollzogen wird, und auch das zeigt Wirkung. Das ist ganz aktuell, dass der DRK Kreisverband Mecklenburgische Seenplatte der Transparenzinitiative ebenfalls beigetreten ist.
Zum Dritten: Wir haben als Sozialministerium die zehn Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen an Verbände und Vereine der Freien Wohlfahrtspflege von der ehrenamtlichen Mitarbeit über die Beratung von Menschen mit Behinderung, die Integration von Migranten, die Schuldnerberatung bis hin zur Spitzenverbandsförderung überarbeitet, geschärft und die Steuerung verbessert. Dabei haben wir Hinweise und Kritikpunkte des Landesrechnungshofes aufgenommen. So können zum Beispiel Fördermittel im Bereich ehrenamtliche Mitarbeit für verbands- und vereinsinterne Arbeit nicht mehr in Anspruch genommen werden. Derartige Ausgaben sind zukünftig ausdrücklich vom Zuwendungszweck ausgenommen. Wir befinden uns mit den überarbeiteten Richtlinien momentan in der Abstimmung mit dem Finanzministerium und wie immer auch in Abstimmung mit dem Landesrechnungshof. Unser Ziel ist es, dass die neu gefassten Richtlinien Anfang 2019 in Kraft treten können.
Zum Vierten sind wir im Sozialministerium dabei, ein Wohlfahrtsfinanzierungs- und Transparenzgesetz zu erarbeiten, und auch das kann ich Ihnen heute hier bereits sagen, wir sind auf dem Weg schon auf der Zielgeraden, zugegebenermaßen tatsächlich eine Mammutaufgabe. Der für den Gesetzentwurf übliche Beratungsfahrplan kann bald starten und hier kann und wird dann auch im Verlaufe des Verfahrens der Landtag und seine Ausschüsse sicherlich sehr intensiv darüber diskutieren.
Ich möchte gern, dass das Wohlfahrtsgesetz zum 01.01.2020 in Kraft tritt, und halte dies für wichtig, um eine Kopplung mit dem neuen Landesdoppelhaushalt herzustellen. Ziel des Gesetzes ist es, die Gewährung von Finanzhilfen des Landes an die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Mecklenburg-Vorpommern für nicht marktfähige und nicht refinanzierbare soziale Aufgabenbereiche und an die Landkreise und kreisfreien Städte für die Sicherstellung von Angeboten der sozialen Beratung auf eine dauerhafte Grundlage zu stellen.
Darüber hinaus dient das Gesetz der Transparenz und der Kontrolle der Freien Wohlfahrtspflege. Dies soll durch Regelungen zu allgemein zugänglichen Informationen über die Spitzenverbände und die Träger der Freien Wohlfahrtspflege und über die ihnen gewährten Finanzhilfen geschehen und dies soll auch durch Regelungen
zu Nachweis- und Berichtspflichten der Spitzenverbände und der Träger der Freien Wohlfahrtspflege sowie der Landkreise und kreisfreien Städte über den Einsatz und die Verwendung der Finanzhilfen des Landes geschehen. Ich will ein Gesetz mit einem klaren Bekenntnis zur Arbeit der Spitzenverbände und der Träger der Freien Wohlfahrtspflege. Sie sind und bleiben eine wichtige Säule unseres Sozialstaates.
das deutlich mehr Transparenz in der Freien Wohlfahrtspflege schafft und verbindlich vorschreibt, und ich will ein Gesetz, das eine Steuerung und Kontrolle der vom Land geförderten Arbeit der Spitzenverbände und der Träger der Freien Wohlfahrtspflege durch das Land besser gewährleistet. Kernstück dieses Gesetzes ist der Aufbau und die rechtliche Verankerung einer Förderdatenbank des Landes und einer Transparenzdatenband der Träger der Freien Wohlfahrtspflege im Bereich der sozialen Arbeit.
Damit komme ich zum ASMK-Beschluss aus dem vergangenen Jahr zurück. So wollen wir in einer Zuwendungsdatenbank alle vom Land und dem Landesamt für Gesundheit und Soziales ausgereichten Zuwendungen an Träger der Freien Wohlfahrtspflege im Bereich der nicht marktfähigen sozialen Aufgabenbereiche veröffentlichen. Interessierte Bürgerinnen und Bürger können dann gezielt zu verschiedenen Aspekten der Zuwendungsvergabe Auskunft erhalten. In der geplanten Transparenzdatenbank stellen Träger in der sozialen Arbeit, die öffentliche Zuwendungen erhalten, dar, wer sie sind, welche Ziele sie verfolgen, sie machen darin zum Beispiel Angaben zur Mittelherkunft und Mittelverwendung sowie über die jeweilige Organisationsform des Zuwendungsempfängers. Sie listen Zertifizierungen, Siegel und Bescheinigungen auf und veröffentlichen die Satzung oder den Gesellschaftervertrag. Das Land verantwortet und kontrolliert diese Datenbank. Ich stelle mir vor, dass es ab einer jährlichen Zuwendungshöhe – in etwa von 25.000 Euro – zur Pflicht wird, solche Angaben darzustellen. Eine solche Pflicht könnte sich beispielsweise aus den Zuwendungsbescheiden ergeben. Der Zuwendungsbetrag wird erst ausgezahlt, wenn eine entsprechende Eintragung in der Transparenzdatenbank erfolgt ist.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich glaube, mit diesem Bündel an Maßnahmen stellen wir eine neue Transparenz im Bereich der Freien Wohlfahrtspflege her. Diese Offenheit, das ist meine feste Überzeugung, liegt auch im Interesse der Träger und Verbände. Wer transparent über seine Arbeit berichtet und darlegt, wofür die Mittel verwendet werden, schafft damit Vertrauen.
Noch ein Aspekt ist mir sehr wichtig, denn bei allen geplanten oder bereits umgesetzten Maßnahmen muss berücksichtigt werden, dass die staatliche Ebene in Deutschland und damit auch das Sozialministerium in Mecklenburg-Vorpommern weder die Fach- noch die Rechtsaufsicht über die Träger der Freien Wohlfahrtspflege hat. Wir brauchen vor diesem Hintergrund deshalb
auch eine Verbesserung der internen Aufsichtsfunktion innerhalb der Verbände und Vereine in der Wohlfahrt. Der Aufsichtsrat, die Mitgliederversammlung oder andere damit betraute Organe sollten bei der Wahrnehmung ihrer Kontrollaufgaben bestärkt werden, zum Beispiel durch verbesserte Schulungsmöglichkeiten etwa im Bilanzrecht.
Hier sehe ich übrigens ein zunehmend bedeutsamer werdendes Aufgabengebiet der LIGA der Spitzenverbände. Zu den wichtigen Aufgaben der Spitzenverbände, die im besonderen Landesinteresse liegen, gehört für mich die Beratung und Unterstützung der Fachkräfte und die Fort- und Weiterbildung der haupt- und ehrenamtlich Tätigen in den Kreisverbänden. Hier sollte auch im Hinblick auf die Entwicklung und Förderung von Prüfkompetenzen für die verbands- und vereinsinterne Arbeit etwas geschehen. Wir alle sollten mehr Transparenz wagen und offen über unsere Ziele und Leistungen sprechen und informieren. Meine Vorstellungen davon habe ich Ihnen heute ganz transparent dargestellt. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße schon mal für die CDU-Fraktion, dass die Landesregierung, sprich die Sozialministerin, rechtzeitig beginnt zu arbeiten,
um im Bereich der Förderung der Wohlfahrtsverbände gewisse Veränderungen perspektivisch zu vollziehen. Das mag aus Ihrer Sicht zu spät sein. Ich glaube nicht, dass Frau Hesse schon zehn Jahre oder länger im Amt ist. Seitdem sie jetzt im Amt ist, habe ich das Gefühl, dass sie an den,...
(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Marc Reinhardt, CDU: Die ist schon zehn Jahre im Amt.)