Protocol of the Session on September 13, 2018

(Dr. Ralph Weber, AfD: Die CDU schweigt.)

Und, liebe Frau Ministerin, ich bin sehr froh, dass Sie diese Position bekleiden. Ich bin zuversichtlich, dass Sie gemeinsam mit der Ministerpräsidentin zum Beispiel den Verfassungsauftrag aus Artikel 3 engagiert vorantreiben werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einem ernsten Appell schließen. Für mich ist die öffentliche Diskussion, sind diese völlig unberechtigten öffentlichen Angriffe ein alarmierendes Signal in Zeiten, in denen der Rechtsstaat allerlei Gefahren ausgesetzt ist und seine Akzeptanz keineswegs mehr unangefochten und selbstverständlich ist. Ich bitte deshalb alle, die in Mecklenburg-Vorpommern Verantwortung für diesen Staat tragen – wir hier als gesetzgebende Gewalt, die Regierung als ausführende Gewalt, besonders aber auch die rechtsprechende Gewalt –, seien Sie sich Ihrer Verantwortung, Ihrer besonderen Verantwortung sehr bewusst, führen Sie Diskussionen mit dem notwendigen Respekt voreinander und vor allem niemals losgelöst von der verfassungsmäßigen Ordnung, die für uns alle gilt und für die wir aktiv eintreten sollten! – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie jetzt eine Anfrage des Abgeordneten Manthei?

Ja, sehr gern.

Vielen Dank.

Ich habe eigentlich zwei Fragen, aber ich darf ja erst nur eine stellen.

Genau.

Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie – anders als vorhin die Frau Justizministerin – dafür sind, dass generell die Spitzenpositionen in der Justiz bundesweit …

Dann haben Sie mich missverstanden. Dann haben Sie mich missverstanden. Es ist so, dass der Grundsatz heißt: bundesweite Ausschreibung, aber dass es, wie wir alle wissen, in vielen Bereichen nicht passiert und es dafür gute Gründe geben muss. Das ist eine Ermessensentscheidung. In der Ermessensentscheidung kann man sagen, nein, das Personalkonzept ist mir wichtiger, wie auch immer. Am Ende würden darüber gegebenenfalls Richter entscheiden.

Wir haben das eben jahrelang hier so gemacht. Ich finde das nach wie vor nicht schlecht, aber ich meine, dass wir in jedem Einzelfall eigentlich eine solche Ermessensentscheidung treffen müssen und dass wir bei den höchsten Spitzenämtern immer bedenken sollten, sind wir denn wirklich so aufgestellt als Justiz des Landes, dass wir sagen – anders als andere Organisationen, bei denen wir alle davon überzeugt sind, da nimmt man manchmal die Spitze von außerhalb, damit da frischer Wind reinkommt –, dass wir sagen, nee, darauf können wir verzichten, wir sind so spitze, das brauchen wir alles nicht. Da könnte man natürlich schon auf den Gedanken kommen, allein dieses wichtige Führungsproblem Frauenförderung könnte vielleicht einen Impuls vertragen.

Insofern, generell, bin ich nach wie vor der Meinung, kann man im Ermessenswege dazu kommen zu sagen, wir schreiben beschränkt aus, auch in der Motivationsfrage, aber ich würde bei jedem Spitzenamt sehr gut finden, das, was die Ministerpräsidentin angeregt hat, jeweils zu überlegen, ist das nicht etwas, was man bundesweit ausschreiben sollte.

Gestatten Sie eine weitere Frage?

Ja, natürlich.

Ja, vielen Dank.

Hat sich wahrscheinlich schon erledigt, die Frage. Sie waren ja selber mehrere Jahre Justizminister beziehungsweise Ministerpräsident. Das heißt, haben Sie Ihre Meinung bis heute geändert in diesem Punkt oder, mit anderen Worten, haben Sie damals das auch so praktiziert oder damals ausschließlich landesintern ausgeschrieben, die Spitzenämter?

Nein, eine Spitzenposition, an die ich mich erinnere, haben wir auch bundesweit ausgeschrieben.

Was die Frauenförderung angeht, will ich mal auf Ihre ungefragte Frage eingehen, habe ich zum Ende meiner Dienstzeit als Justizminister ein Extrareferat eingerichtet, um die Fragen, die Sie bewegt haben, nämlich, wie kriegen wir Richterinnen dazu zu sagen, ich will mich dieser besonderen Anforderung der Verwaltungserprobung stellen, wie schaffen wir das, dass wir das nicht als Männer vom Tisch entscheiden. Sondern wir haben ein eigenes Referat eingerichtet, das das Gespräch mit den Richterinnen im Land suchen sollte. Das ist leider nach meinem Ausscheiden aus dem Amt nicht fortgeführt worden.

Gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Förster?

Selbstverständlich.

Herr Sellering, ich habe mich in meiner Rede bemüht, ganz konkret die Problematik anzusprechen, das Hasenwinkelkonzept. Ich habe das übrigens bei meiner Verabschiedung vor über zehn Jahren auch zum Mittelpunkt, fast zum Mittelpunkt meiner Rede gemacht, weil ich meine, es geht nicht nur um die theoretische Seite, sondern auch um die praktische Seite. Stimmen Sie mir zu, dass das Hasenwinkelkonzept, so, wie es praktiziert wird, praktisch Frauen mit Kindern abhalten muss oder es nur ganz wenigen möglich ist, dann die Anforderungen zu erfüllen?

Meiner Rolle als Abgeordneter entsprechend bitte ich, meine Rede so zu verstehen, dass ich sage, ich finde die Anregung der Ministerpräsidentin gut. Ich finde gut, wenn beide, Ministerpräsidentin und Justizministerin, sehr genau das Bisherige überprüfen. Ich stehe nicht an, als Abgeordneter zu sagen, macht das doch so oder so. Das ist vorbei. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt das Wort die Abgeordnete Bernhardt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute geht es in verbundener Aussprache um Stichworte wie Gleichstellung, Unabhängigkeit der Justiz und Führungspositionen in der Justiz. Ich habe das Gefühl, dass all diese Worte in der letzten Zeit einmal gewürfelt wurden, durcheinandergebracht wurden, in einen Topf geworfen wurden, um zu verwirren und um abzulenken. Dabei macht das Thema der Aussprache wie auch der Antrag der BMV eine Problematik deutlich: Wie werden Führungspositionen in Mecklenburg-Vorpommern in der Justiz besetzt? Und da müssen wir einmal sortieren bei den ganzen Stichwörtern.

Anlass aus unserer Sicht für die Aussprache waren zwei Sachverhalte in diesem Jahr, die hier bezüglich der Unabhängigkeit der Justiz zu denken geben, Unabhängigkeit – um da die Abgrenzung zu Herrn Sellering zu machen – in dem Sinn, als dass Entscheidungen immer von sachlichen Gründen getragen werden müssen und niemals von politischen Erwägungen. Da teile ich eben Ihre Einschätzung, Frau Justizministerin, nicht. Ich begründe das.

Fangen wir mit den jüngsten Diskussionen um die Stellenbesetzung des leitenden Oberstaatsanwaltes beim Generalstaatsanwalt an. Für alle, die nicht so sehr im Thema stecken: Ende August 2017 schrieb das Justizministerium die Stelle des Leitenden Oberstaatsanwalts beim Generalstaatsanwalt aus. Hintergrund war das Ausscheiden des Amtsinhabers zum 1. März 2018. Es gab zwei Bewerber auf den Posten. Am 14. Februar 2018 wurde der ausgewählte Kandidat, Herr Fiedler, durch das Justizministerium über sein Glück informiert, dass er der Beste im Auswahlverfahren war. Mit Schreiben vom 26. März 2018 wurde das Ernennungsverfahren zur Erteilung der Zustimmung an die Staatskanzlei gegeben. Trotzdem erfolgte die Ernennung erst am 18. Juli 2018, also fünf Monate nach der Mitteilung und komischerweise vier Tage, nachdem wir eine entsprechende Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt hatten. Begründet wurde die Verzögerung mit Gesprächen zwischen der Staatskanzlei und dem Justizministerium wegen der Unterrepräsentanz von Frauen in den Ämtern ab Besoldungsgruppe R3. Kleine Information am Rande: Bei den Ämtern ab der Besoldungsgruppe R3 bedarf eine Ernennung der Zustimmung der Ministerpräsidentin, so steht es in der Anordnung, die keine weiteren Kriterien anlegt – ein Missstand aus meiner Sicht, weil dieses Verfahren intransparent ist. Es hat also fünf Monate lang an der Zustimmung der Ministerpräsidentin gefehlt.

Es kam der Verdacht auf, dass die Berufung wegen Herrn Fiedlers Vergangenheit nicht sofort erfolgte, denn – und das macht die Geschichte so pikant – Herr Dr. Fiedler war der Staatsanwalt im Strafverfahren gegen den Staatssekretär Bäumer in einem SPD-geführten Ministerium. Sie erinnern sich, es ging um den Vorwurf der Untreue aufgrund fehlerhaft ausgestellter Förderbescheide damals gegen Herrn Bäumer. Entsprechend war natürlich auch die Reaktion unter den Richtern und Staatsanwälten auf die Verzögerung der Ernennung, die da lautete: „Ermittle gegen einen von denen und du wirst nicht mehr befördert!“.

Meine Damen und Herren, ich möchte diesen Vorwurf nicht kommentieren, aber es zeigt sich deutlich, dass in diesem Problem ordentlich Sprengstoff liegt. Allein, dass

ein solcher Vorwurf erhoben wird, egal, ob zu Recht oder zu Unrecht, beschädigt das Amt der Regierungsmitglieder, die Politik im Allgemeinen. Er beschädigt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat, in die Unabhängigkeit der Justiz. Ich finde, wir müssen alles Erdenkliche tun, um dies zu verhindern.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Hinzu kommt, dass auch die offizielle Begründung für die Verzögerung der Ernennung von Herrn Dr. Fiedler Fragen aufwirft. In der Antwort auf meine Kleine Anfrage vom 11. Juli 2018 heißt es: „Fü r die Zustimmung der Ministerprä sidentin zur Ernennung der Richterinnen und Richter und Staatsanwä ltinnen und Staatsanwä lte ab der Besoldungsgruppe R3 ist es erforderlich, dass zuvor die Rechtmäßigkeit des Auswahlverfahrens, der Auswahlentscheidung und des Ernennungsverfahrens geprüft worden ist. Dazu gehö rt auch die Prü fung der Verwirklichung der Gleichstellung von Mä nnern und Frauen in der Landesverwaltung gemä ß § 1 des Gleichstellungsgesetzes.“

Ohne Zweifel ist die Förderung der Gleichstellung aus unserer Sicht unbedingt notwendig und muss insbesondere bei den Führungspositionen in der Justiz vorangetrieben werden. Es kann nicht hingenommen werden, dass beim Landesverfassungsgericht, beim Oberlandesgericht Rostock und der Generalstaatsanwaltschaft Männer an der Spitze stehen, dass in allen vier Landgerichten und den vier Staatsanwaltschaften Männer die Präsidenten beziehungsweise Leiter sind. Und dass das Bild genauso bei den drei Verwaltungsgerichten und dem Finanzgericht aussieht, bleibt unkommentiert. Nur drei von zehn Amtsgerichtsdirektoren sind Frauen. Aber es kann mit dieser Begründung in kein laufendes Ernennungsverfahren eingegriffen werden, wo zuvor schon die Rechtmäßigkeit des Auswahlverfahrens geprüft wurde. Das hat Frau Justizministerin so richtigerweise dargestellt. Da ist auch und ganz besonders die Regierung an Recht und Gesetz gebunden.

Aus der Antwort auf meine Kleine Anfrage geht hervor, dass bei der Ernennung von Beamten neben der Bestenauslese auch die Verwirklichung der Gleichstellung von Männern und Frauen berücksichtigt werden muss. Genannt werden als Kriterien die Paragrafen 1 sowie 7 Absatz 3 und Paragraf 9 des Gleichstellungsgesetzes. Während Paragraf 1 Gleichstellungsgesetz MecklenburgVorpommern die allgemeine Zielstellung des Gesetzes umschreibt, finden sich konkrete Vorgaben nur in Paragraf 7 Absatz 3 und Paragraf 9 Gleichstellungsgesetz. Dort geht es um die Formulierung der Ausschreibung und des Auswahlverfahrens. Die Formulierung in besagtem Fall war in Ordnung und auch das Auswahlverfahren war nicht zu beanstanden. Wenn sich nur Männer bewerben, kann ich selbstverständlich keine Frau auswählen.

Um es deutlich zu sagen – weil mir da Herr Krüger, der Fraktionsvorsitzende der SPD, etwas anderes in der Presse unterschieben wollte und einfach mal die Frage der Gleichstellung

(Thomas Krüger, SPD: Echt?)

mit einem bestehenden Verfahren vermischte –,

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

die Frauenquote in der Justiz gilt für uns ohne Wenn und Aber. Es herrscht ein Ungleichgewicht zwischen Frauen und Männern in der Justiz, und diesem Missstand muss Abhilfe geschafft werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Ein Instrument ist die Frauenquote. Es müssen noch weitere Maßnahmen ergriffen werden, um Karrierehindernisse für Frauen zu beseitigen und Karrierewege von geeigneten Frauen vor und in der Familienphase zu unterstützen. Hier muss etwas geschehen, Frau Ministerpräsidentin, da stehen wir an Ihrer Seite. Aber was haben Sie denn als Ministerpräsidentin getan, um das Thema „Gleichstellung in der Justiz“ voranzutreiben? Außer das in der Öffentlichkeit anzuprangern, sehe ich kein gemeinsames Vorgehen in der Landesregierung von Ministerpräsidentin und Justizministerin, um die Frauenquote zu erhöhen. Die letzten Medienberichte, letzte Woche beispielsweise „Schwesig besorgt über Justiz in MV“ in der SVZ, offenbaren eher ein Gegeneinander als ein Miteinander in der Landesregierung. Das ist aus unserer Sicht kein verantwortungsvolles Regierungshandeln.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Ich habe eher das Gefühl, dass Sie, Frau Schwesig, dieses Thema als Rechtfertigung für sich entdeckt haben, denn im Fall der Besetzung des Leitenden Oberstaatsanwaltes gab es im vorliegenden Fall keine Handhabe, die Ernennung mit dieser Begründung zu verzögern, einfach, weil wir sie nicht haben.

Zum Zweiten muss ich an den zweiten Sachverhalt in diesem Jahr erinnern, wo die Gefahr des Eingriffs in die Unabhängigkeit der Justiz durch Frau Ministerpräsidentin nahelag, weshalb ich mich auch vor diesem Hintergrund frage, wie ernst es Ihnen wirklich mit der Gleichstellung in der Justiz ist, Frau Ministerpräsidentin. Wir erinnern uns, dass Sie, Frau Schwesig, Anfang des Jahres Ihren politischen Staatsekretär und Chef der Staatskanzlei, Herrn Dr. Frenzel, zum Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht gemacht haben – ohne Ausschreibung der Stelle.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

Wo und wie haben Sie hier die Gleichstellung von Frauen und Männern denn gefördert? Wo war dort die Forderung nach einer Frau für diese Stelle? Es gab in diesem Verfahren nicht einmal eine Ausschreibung, an der sich eine Frau hätte beteiligen können. Da spielte die Gleichstellung von Mann und Frau sonderbarerweise keine Rolle mehr.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Dr. Ralph Weber, AfD)

Meine Damen und Herren, die Gleichstellung von Mann und Frau ist ungemein wichtig, aber sie darf nicht als Deckmantel für politische Einflussnahme in der Justiz missbraucht werden. Diese ganze Diskussion hier zeigt, wir haben ein Problem bei der Besetzung von Führungspositionen in der Justiz. Wir haben erstens ein Problem, wenn es um die Zugangschancen für Frauen geht, und wir haben zweitens ein Problem bei dem Besetzungsverfahren an sich.

Beim ersten Problem, der Gleichstellung, hat sich die Regierung auf den Weg gemacht, wie kürzlich im