Protocol of the Session on June 27, 2018

Ums Wort gebeten hat noch einmal für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Herr Professor Dr. Weber.

(Vincent Kokert, CDU: Als hätte ich es geahnt. Er war mit dem Redebeitrag seines Vorredners nicht zufrieden, das war ihm anzusehen.)

Liebe Bürger von Mecklenburg und Vorpommern! Wertes Präsidium! Werte Kollegen und liebe Gäste! Ich möchte nur ganz kurz noch in zwei Punkten ergänzen. Zum einen möchte ich sagen, ich habe selten mit so viel Unverständnis auf einen Antrag reagiert, wie auf den jetzt, einfach, weil die Sache ohnehin,

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

weil die Sache ohnehin schon aufgrund von zwei Anträgen in den Ausschüssen diskutiert wird.

(Thomas Krüger, SPD: Aber das ist hier schon gesagt worden.)

Da hätte man über diese Fragen auch weiterreden können.

(Zurufe von Torsten Renz, CDU, und Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Wir haben ein Grundprinzip in unserer Fraktion, dass wir Überweisungen in die Ausschüsse zustimmen, weil das dem demokratischen Grundprinzip entspricht. Das werden wir auch hier tun.

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Aber selten habe ich das mit so viel Bauchgrimmen gemacht wie dieses Mal.

(Beifall Nikolaus Kramer, AfD)

Zum Zweiten möchte ich in der Sache noch einen Satz dazu sagen. Alle Extremlösungen sind in dieser Frage sehr problematisch. Wenn wir sagen, wir schaffen die Ausbaubeiträge ab und das Land übernimmt die, wird das nicht lange Bestand haben. Dann laden wir die Kommunen – und alle, die es nicht machen würden, wären ein bisschen blöd – ein, schnell alle Straßen zu sanieren, solange das Land die Kosten trägt,

(Vincent Kokert, CDU: Ja, das stimmt leider!)

und wenn es geht, sogar Luxussanierungen. Das kann niemandes Interesse sein.

(Vincent Kokert, CDU: Ich staune ja!)

Wenn wir sagen, es bleibt alles beim Alten, dann haben wir die Probleme, auf die Herr Borschke zu Recht hingewiesen hat, dass Einzelne weit über Gebühr belastet werden. Das könnte man mit Härtefallregeln und wie auch sonst in den Griff bekommen. Außerdem glaube ich, dass man aufgrund der Eigentumsgarantie ohnehin Wertobergrenzen einführen muss. Straßenausbaubeiträge, die den Wert des Grundstücks auffressen, sind mit Sicherheit rechtswidrig. Wenn man dagegen klagt, dann würden die zu Fall kommen, wie überhaupt, ich habe das schon mal gesagt, mindestens die Hälfte der kommunalen Straßenausbausatzungen vor Gericht nicht standhalten würden. Das heißt, wenn sich jemand benachteiligt fühlt, dann kann er im Einzelfall klagen.

Die Zwischenlösungen, die jetzt daliegen, müssen in der Tat eine vernünftige Regelung finden. Es ist ein Unterschied zwischen einer Durchgangsstraße, zwischen einer Anliegerstraße. Es ist ein Unterschied, ob es ein Neubaugebiet ist, ob in einer Anliegerstraße oder in einem Gewerbegebiet einzelne Neubauten kommen. Das alles kann man satzungstechnisch regeln. Primär ist die Gemeinde betroffen.

Wenn man, Herr Borschke hat in seiner Rede das Urteil angesprochen, das Urteil kritisch liest, dann muss man sagen, eine generelle Abschaffung der Ausbaubeiträge durch ein Landesgesetz – und darauf ist das Bundesverwaltungsgericht extra nicht eingegangen, ich glaube, das ist Rechtspolitik – dürfte aber gegen die kommunale Selbstbestimmungsgarantie aus Artikel 28 Grundgesetz verstoßen, wäre also wahrscheinlich auch rechtswidrig.

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Wir brauchen eine vermittelnde Lösung. Das soll in den Ausschüssen besprochen werden. Ich kann den Betroffenen, weil die Ausschüsse eine gewisse Zeit brauchen und bis das dann umgesetzt ist, auch wieder Zeit ins Land geht, nur raten, wenn die Ausbaubeiträge eine Höhe erreichen, die in der Tat substanziell und individuell gefährlich wird, klagt dagegen. In den sechs Fällen, in denen sich Bürger an mich gewandt haben, sind in allen sechs Fällen die entsprechenden Ausbaubeiträge ganz entfallen oder jedenfalls um große Teile reduziert worden,

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

weil die Satzungen meistens die Grundlage dafür nicht hergeben. Aber das ist ein problematisches Gebiet. Ich freue mich auf die Auseinandersetzung und die Diskussion in den Ausschüssen und denke, das sollte auf keinen Fall übers Knie gebrochen werden. Das verlangt nach einer vernünftigen, allen Seiten gerecht werdenden Lösung. Deswegen ist der Ausschuss der richtige Ort dafür,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

und da wären wir auch ohne den Antrag der BMVFraktion gewesen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ums Wort gebeten hat für die Fraktion der CDU der Fraktionsvorsitzende Herr Kokert.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In erster Linie, muss man sagen, ist es zu begrüßen, dass wir so offen dieses Thema hier diskutieren. Das ist ein Thema, was viele Menschen im Land bewegt, nicht nur Betroffene. Es gibt übrigens ebenfalls Betroffene, die in der Vergangenheit schon bezahlt haben. Ich gehöre persönlich auch dazu. An die müssen sie ebenso immer denken,

(Jochen Schulte, SPD: Nee, Vincent, an dich denke ich nicht!)

wenn sie alle möglichen Operationen an diesem Thema bewegen. Denken Sie immer daran, es gibt schon Menschen, die das bezahlt haben.

Aber ich will anders einsteigen. Vielleicht haben Sie schon mal nachgelesen in der Landesverfassung, dass wir uns als Land verpflichtet haben, den Kommunen eigene Einnahmen zur Verfügung zu stellen.

(Martina Tegtmeier, SPD: Zum Glück!)

Warum haben wir das damals gemacht? Das war klug von denjenigen, die es damals aufgeschrieben haben, weil ansonsten die gesamte kommunale Selbstverwaltung ad absurdum geführt wird. Wenn du die Kommunen nur am langen Gängelband hast und nur noch mit Landes- und mit Bundesgeldern die Kommunen füttern würdest, dann kannst du denen natürlich auch sagen, was sie zu tun und zu lassen haben. Das ist am Ende so. Deshalb haben wir uns in der Landesverfassung verpflichtet, ihnen eigene Einnahmen zu überlassen.

Jetzt müssen Sie mir mal die Frage beantworten, und das ist hier zum Teil behauptet worden – ich habe ohnehin festgestellt, heute haben nur Experten geredet zu Straßenausbaubeiträgen –, aber Sie müssen mir mal die Frage beantworten: Warum sind Straßenausbaubeiträge eigentlich in jedem Bereich ungerecht?

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Es gibt eine Zuwegung zu einer Straße, da stehen fünf Eigenheime, da ist bislang ein Sandweg ohne Straßenbeleuchtung. Jetzt sage ich Ihnen, in einer mittelgroßen Stadt liegen wir in einem Oberzentrum, da haben die Anwohner, die dort mit ihren fünf Eigenheimen wohnen, sehr wohl einen Zugewinn im Verkehrswert, wenn dahin eine befestigte Straße gebaut wird. Das kann man doch nicht einfach vom Tisch wischen. In diesem Fall halte ich es für sehr gerecht, dass nicht nur die Allgemeinheit das bezahlt, sondern auch die fünf, die davon profitieren. Ich finde, diese Beispiele müssen Sie durchaus abwägen.

Herr Borschke, wenn Sie mich schon zitieren, ich bin ein Freund harter Debatten, dann zitieren Sie mich richtig und sagen Sie nicht einfach, ich habe alle als Scharlatan abgetan, die die Straßenausbaubeiträge abschaffen wollen. Ich habe wortwörtlich gesagt, auf dieses komplizierte Problem gibt es keine einfachen Antworten. Das haben Sie heute im Prinzip selbst beantwortet. Rotzen Sie hier nicht einfach so was los, denn a) waren Sie nicht dabei und b) habe ich mich schon mit der Bürgerinitiative getroffen und jedes Mal mit ihnen gesprochen, wenn sie vor der Staatskanzlei standen. Das würde ich Ihnen im Übrigen auch das eine oder andere Mal empfehlen, bevor Sie hier so lospoltern.

Aber ich will mich darüber gar nicht echauffieren, ich will nur sagen, in welchen Punkten ich Ansätze sehe. Ich sehe durchaus den Ansatz – und das hat Schwerin definitiv verkehrt gemacht, das muss man in dieser Runde auch mal sagen –, wir haben das ganze Problem, was jetzt hochgespult wird, mit völlig unverhältnismäßigen, wahrscheinlich drohenden Ausbaubeiträgen. Ich glaube, dass es nicht mehr so funktioniert, dass du den Leuten nicht vorher mitteilen kannst, was du in Zukunft als Kommune da planst. Das wird nicht funktionieren, das werden die immer ablehnen. Sehr wohl haben wir auch Verkehrsplaner, die sich in so einer Straße selbst verewigen wollen. Gerade wenn du da im denkmalpflegerischen Bereich unterwegs bist, kostet das manchmal alles einen Haufen Geld, und das soll auf die Bürger umgelegt werden. Dafür werden die regelmäßig kein Verständnis haben.

Deswegen wäre der erste Ansatz immer, wir müssen die Kommunen, wie auch immer, ich habe noch keinen konkreten Vorschlag, weil da kommt dann wieder die kommunale Selbstverwaltung ins Spiel, aber wir müssen die Kommunen definitiv dazu anhalten, dass sie ihre Pläne länger für diejenigen, die betroffen sind, auslegen und dass das auch mit denjenigen diskutiert wird. Die Möglichkeiten haben wir jetzt schon. Die Kommune, die das nicht macht, ist dann auch ein Stück weit selbst schuld, wenn hinter ihr oder vor ihr die Wogen über dem Kopf zusammenschlagen. Erster Ansatzpunkt.

Zweiter Ansatzpunkt. Dankenswerterweise sind mir Bescheide der Stadt Schwerin zur Verfügung gestellt worden. Da kriegen die Betroffenen einen Brief –, Frau Kollegin Tegtmeier, ich habe das gar nicht geglaubt, das haben die mir nur erzählt –, da habe ich gesagt, Leute, das kann ich mir nicht vorstellen, bringt mir die Dinger mit. Sie waren bei mir. Sie kriegen das Schreiben von der Stadt Schwerin vom 15.09. in die Hand und darin steht: „Wir teilen Ihnen mit, dass wir im Januar 2017 folgende Straße ausbauen wollen.“ Das schreiben die denen am 15.09., da ist das längst passiert. Ja, da kann ich mir Bürgerbeteiligung sparen. Das ist natürlich eine Witzveranstaltung. Da wird der Bürger nicht beteiligt, da kommt er sich einfach nur veräppelt vor.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das war Herr Nottebaum.)

So was darf es in Zukunft nicht mehr geben, ansonsten werden wir dafür nirgendwo mehr Rückendeckung finden. Also erster Punkt: mehr Bürgerbeteiligung. Daran müssen wir arbeiten.

Der zweite Punkt, auch ein Schweriner Problem: Du kannst niemandem erklären, wenn die Straße vorher eine Stichstraße gewesen ist, also nur zu den Anwohnern ging, und die Straße jetzt mit einmal geöffnet wird für den Durchgangsverkehr. Jeden Tag rollen da jetzt 5.000 Autos durch und dazu muss die Straße ausgebaut werden. Dann müssen Sie mal den Anwohnern erklären, warum die dafür aufkommen sollen. Das kann ich denen nicht erklären.

Vor mir hat auch eine 78-jährige Dame gestanden, die mir gesagt hat, wissen Sie, ich habe das hochgerechnet bei den Beiträgen, die ich jetzt erhalten habe. Für die Beleuchtung kann ich mir jetzt hochrechnen, wie teuer war die Straße da, was kriege ich nachher für einen Beitrag. Das sind weit über 100.000 Euro. Das kann ich keinem erklären. Deshalb müssen wir da wirklich mit Augenmaß vorangehen. Auch das Verkehrsaufkommen muss bei der Klassifizierung der Straße eine Rolle spielen.

Auf den dritten Punkt habe ich am Anfang schon hingewiesen. Es muss doch eine Rolle spielen, wenn Ihnen jetzt ein Grundstück gehört im Umland von Schwerin – ich nehme das Beispiel deswegen so gern, weil es hier jetzt so aktuell ist – und Ihnen gehört dort ein kleines Häuschen, da wohnen Sie schon seit 40 oder 50 Jahren, Sie haben dort eine lange Wiese und vielleicht noch ein Gartenhäuschen, dann haben Sie jetzt das Problem, dass Sie ein ganz langes Grundstück haben, was an der betroffenen Straße anliegt, und Sie müssen horrende Straßenausbaubeiträge bezahlen, wenn die Kommune beispielsweise keine Tiefenbegrenzung hat oder, oder, oder. Das liegt aber am Satzungsrecht der Kommune.

(Tilo Gundlack, SPD: Eben.)

Das will ich ganz klar sagen. Wenn dann dieser Straßenausbaubeitrag bei irgendwo 150.000/160.000 Euro liegt, der Verkehrswert des Grundstücks aber nur bei 50.000 Euro, dann werden Sie diesem Bürger das nicht erklären können, dass er diesen Straßenausbaubeitrag bezahlen soll. Deswegen der dritte Anstrich von mir: Wir müssen danach schauen, wie ist überhaupt der Verkehrswert des Grundstücks

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

und hat der Bürger hinterher einen Mehrwert, wenn er durch diese Straße angeschlossen wird.

Aus meiner Sicht sind das die drei einzigen Punkte, die ich bisher in vielen Diskussionen rausbekommen habe, die dazu führen könnten, dass es uns überhaupt noch gelingt, auf der kommunalen Ebene diese Straßenausbaubeiträge zu halten. Ich sage Ihnen ganz deutlich, so bin ich damals gestartet und dazu stehe ich nach wie vor: Alles, was wir als CDU daran machen, machen wir nur, wenn der Städte- und Gemeindetag, also die Anrainerkommunen, da auch mitmachen. Ich nehme denen keine Einnahme weg, ohne hinterher sofort die Frage zu beantworten, wie sie diese Einnahme, die wir ihnen weggenommen haben, generieren können.

Jetzt noch mal was zu Herrn Kollegen Borschke, obwohl ich mich eigentlich mit diesem unsinnigen Gesetzentwurf gar nicht weiter beschäftigen will, aber eins muss ich trotzdem sagen: Was würden Sie als Kommune tun, wenn das Land jetzt in seiner unendlichen Weisheit kommt und sagt, alle Eigenmittel, die die Kommune aufbringen muss, die übernehmen wir? Herr Borschke, dann bauen Sie eine Straße first class, da spielt das Geld überhaupt keine Rolle, und dann bleiben wir nicht bei 20 Millionen, dann sind wir ganz schnell bei 50.

Meine Damen und Herren, wenn wir weiter verantwortungsvolle Haushaltspolitik für dieses Land machen wollen, darüber haben wir heute Vormittag schon geredet, dann kann das nicht der Weg sein, sondern wir müssen offen, ehrlich und fair im Ausschuss darüber diskutieren, wie eine Lösung aussehen könnte für die Straßenausbaubeiträge. Drei Beispiele aus meiner Sicht habe ich Ihnen genannt und damit will ich es bewenden lassen. – Vielen Dank.