Protocol of the Session on December 8, 2016

Dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz – dieses Zeichen kennen Sie alle, hoffe ich. Das ist das Zeichen SOS und die Traditionsschiffer in Mecklenburg-Vorpommern und in Norddeutschland funken eben SOS, und das nicht erst seit gestern. Ich hoffe, nachdem ich die Debatte hier verfolgt habe, dass diese Signale auch in Berlin ankommen und dass der Bundesminister Dobrindt genau dieses Signal aus Mecklenburg-Vorpommern wie auch aus anderen norddeutschen Bundesländern vernimmt und diese Verordnung entsprechend anpasst und ändert. Ansonsten bleibt eins: Das deutsche Beamtentum hat wieder mal zugeschlagen und hat von Schifffahrt und Traditionsschifffahrt erst recht gar keine Ahnung. Und das darf einfach nicht sein.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Es ist also absurd, was Bundesminister Dobrindt dort macht, und das hat die Hamburger Bürgerschaft bereits festgestellt. Abermals ein wichtiges und weiteres Beispiel für arrogante Politik, und dieses Mal werden eben die Traditionsschiffer an der Nase herumgeführt und sie werden einfach in Unsicherheit gewogen.

Zweitens will ich hier feststellen, dass man diesen Entwurf, im Gegensatz zu Ihnen, Herr Waldmüller, nicht mit dem Dachverband der deutschen Traditionsschiffe diskutiert hat – wir haben den Kontakt aufgenommen, haben mit den Kollegen dort diskutiert –, und das ist eben das, was wir nicht für gut halten. Man kann nicht einfach eine Sache in die Welt setzen, ohne das abzustimmen. Wir haben ja nun die letzten zwei Tage über Gemeinsamkeit, Zusammenhalt und all diese Fragen gesprochen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Das ist genau das Beispiel, wie es eben nicht gehen kann. Selbst das, was am 22.11. vorgelegt wurde, ist auch wieder nicht beredet worden. Und deswegen kann das noch nicht das Ende der Diskussion und der Entscheidung sein. Da sind wir uns ja einig. Wir werden – Herr Schulte hat schon gefragt – dem Antrag auch zustimmen.

Ich kann nur noch mal betonen, dass der Dachverband nicht mal diese Änderung offiziell kennt, er kennt sie auf

dem informellen Wege. Aber das ist eben nicht die Form, wie man Politik machen soll, und das darf die Politik zukünftig auch nicht machen, denn in Auswertung der Wahlen – das muss ich jetzt nicht betonen –, glaube ich, geht es genau um einen anderen Stil der Politik. Ansonsten heißt es, immer volles Rohr an den Betroffenen vorbei, aber das ist ja eben nicht nur die Bundesregierung, die sich solche Schoten erlaubt, das kennen wir auch von der Landesregierung.

Klar, wir wollen seit Langem Transparenz, auch in dieser Frage, und deswegen muss diese Entscheidung im Dialog getroffen werden. Klar ist auch, dass es um die Sicherheit geht. Aber man darf eben an die Traditionsschiffe, das ist hier ausgeführt worden, nicht die gleichen Anforderungen stellen wie an moderne Schiffe. Man darf auch nicht an die Ehrenamtler die Anforderungen stellen wie an die Berufsschiffer.

Und wenn dann vom Bundesverkehrsministerium und von Bundesverkehrsminister Dobrindt behauptet wird und der Eindruck erweckt wird, dass die Traditionsschiffe überproportional an Unfällen beteiligt sind, ist das einfach Unsinn, denn sie sind nur mit zwei Prozent an diesen Seeunfällen konkret beteiligt. Hinzu kommt noch, dass in dieser Statistik auch ausländische Traditionsschiffe mitgezählt werden. Da betrifft es – leider, da muss ich mich bei ihnen entschuldigen, aber es ist nun mal so – die Niederländer.

(Jochen Schulte, SPD: Das liegt daran, dass die immer einen Wohnwagen anhängen.)

Meine Damen und Herren, man kann das eine mit dem anderen nicht vergleichen, und deswegen geht es tatsächlich um die Schiffe, die Traditionsschiffe, die unter deutscher Fahne fahren. Aus diesem Grund wird es zwar die Hanse Sail weiterhin geben, aber eben nur noch mit niederländischen, russischen und anderen Gästen, die zu uns kommen, doch die Deutschen sind ausgeschlossen.

Das kann nicht sein und deswegen bin ich der Überzeugung, dass wir hier einen Antrag vorliegen haben, der richtig und notwendig ist, Herr Schulte. Wir unterstützen ihn und ich kann nur sagen, ich hoffe, dass SOS und der Signalton aus Mecklenburg-Vorpommern, aus diesem Landtag in Berlin ankommen, damit die Traditionsschifffahrt auch in Zukunft unter deutscher Flagge eine Perspektive hat. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und Torsten Renz, CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 7/84. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 7/84 einstimmig angenommen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 20: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Psychosoziale Prozessbegleitung auch zukünftig sicherstellen, Drucksache 7/76.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Psychosoziale Prozessbegleitung auch zukünftig sicherstellen – Drucksache 7/76 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Bernhardt.

(Thomas Krüger, SPD: Frau Bernhardt wieder.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Juli 2010, das war der Start eines deutschlandweit einzigartigen Modellprojektes hier bei uns in Mecklenburg-Vorpommern, das war der Start der psychosozialen Prozessbegleitung für Kinder und Jugendliche. Kinder und Jugendliche wurden zunächst von zwei Sozialpädagoginnen und -pädagogen betreut und später kamen zwei weitere hinzu, wenn sie Opfer von schweren Sexual- oder Gewalttaten geworden sind.

Insgesamt waren 2016 vier Sozialpädagogen tätig. Sie hatten nicht etwa die Aufgabe, den Kindern und Jugendlichen bei der Bewältigung von Gerichtsverfahren und Vor- und Nachbereitung die Händchen zu halten, nein, sie sollten Kinder und Jugendliche, die Opfer von schweren Gewalttaten geworden sind, begleiten, auf die Verhandlung vorbereiten, indem sie sie mit allem vertraut machten. Die Prozessbegleiter haben die Kinder und Jugendlichen gestärkt und fachlich unterstützt, wie gesagt, vor, während und nach der Gerichtsverhandlung. Und nicht nur die Kinder und jugendlichen Heranwachsenden wurden durch die Prozessbegleiter unterstützt, auch die Familien der Opfer und nahestehende Personen geraten in schwere seelische und soziale Konflikte, vor allem dann, wenn die Gewalttat innerhalb der Familie stattgefunden hat. Bis heute waren es insgesamt 400 Kinder und Jugendliche, die in Mecklenburg-Vorpommern durch dieses Modellprojekt unterstützt wurden.

Sehr geehrte Damen und Herren, im Bundestag wurde im letzten Jahr das dritte Opferrechtsreformgesetz verabschiedet. Ab dem 01.01.2017 haben nicht nur Kinder und jugendliche Heranwachsende das Recht auf eine psychosoziale Prozessbegleitung, nein, auch Erwachsene werden diesen gesetzlichen Anspruch haben. Und nicht zuletzt war für die bundesrechtlichen Regelungen auch das Modellprojekt in Mecklenburg-Vorpommern ein Vorbild. Dafür muss Frau Kuder Dank und Anerkennung ausgesprochen werden. Das fällt in der Oppositionsrolle manchmal nicht leicht, aber ich denke, als Justizministerin hat Frau Kuder hier ein anerkennenswertes Modellprojekt auf den Weg gebracht.

Dieses Modellprojekt war bundesweit anerkannt. Beispielsweise war am 21.12.2014 in einer Pressemitteilung des Justizministeriums zu lesen: „Auf einer Fachtagung in Berlin haben Experten aus ganz Deutschland das Modell in Mecklenburg-Vorpommern gelobt.“ Oder weiter heißt es dann am 04.12.2015, also noch vor gut einem Jahr, die Regelung zur psychosozialen Prozessbegleitung solle am 1. Januar 2017 in Kraft treten. In dieser Zeit wird Mecklenburg-Vorpommern die Zahl der Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter aufstocken.

Genau das war auch der Grund, warum der Bundesgesetzgeber hier ausdrücklich in Paragraf 5 Absatz 3 Nummer 2 des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren die Möglichkeit gelas

sen hatte, stellenbezogen zu finanzieren und eben keine Fallpauschalen einzuführen. Deshalb ist die Frage: Warum jetzt die Abkehr von unserem bisherigen guten Modellprojekt, von der stellenbezogenen Finanzierung der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter hin zu Fallpauschalen?

Es wäre schön, Frau Hoffmeister, wenn Sie hierzu etwas in der Rede sagen könnten, warum jetzt die Abkehr von einem erfolgreichen Modell erfolgt, wo geplant war, die Prozessbegleiter noch aufzustocken und nicht bei ihnen einzusparen. Warum also die Abkehr von einem Modell, obwohl schon jetzt Verschlechterungen abzusehen sind? Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat beispielsweise gestern in einer Pressemitteilung getitelt: „Psychosoziale Prozessbegleitung … vor dem Aus?“. Die Befürchtungen stehen und die Befürchtungen sind einfach da.

Insgesamt zeugte schon der ganze Prozess während des vergangenen Jahres, wo die Vorbereitungen hätten getroffen werden können, davon, dass dies alles nicht gerade glatt ablief. Die Vorkehr für die Abkehr wurde erst ziemlich spät getroffen. Seit dem 01.01.2016 war klar, dass ab 2017 der gesetzliche Anspruch besteht. Gehandelt wurde seitens des Justizministeriums erst ab Anfang November und sicherlich ist das nicht alles der neuen Justizministerin zuzuordnen. Jedoch der gesamte Prozess seit November 2016 lief unter Ausschluss der Beteiligten und der interessierten Öffentlichkeit und verursachte viele Verunsicherungen, wie man auch in der Pressemitteilung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes erkennen kann.

Erst nachdem sich dann die Träger der psychosozialen Prozessbegleitung an das Justizministerium gewandt hatten, wurden die Schritte eingeleitet, ohne dies jedoch vorher mit denen, die es betrifft, den Trägern und den Prozessbegleitern selbst, abzusprechen. So viel zum neuen Umgang. Erst Ende November wurden dann auch die Träger in die Umstellung mit einbezogen. Diese hoffen, dass es zumindest einige Nachbesserungen geben wird.

Aus unserer Sicht helfen nur Nachbesserungen bei diesem Thema nicht. Vielmehr sollte unserer Meinung nach an dem erfolgreichen Modell der stellenbezogenen Finanzierung der Fachkräfte festgehalten werden, denn erstens sind die negativen Konsequenzen bereits im Gange. So ist die Prozessbegleiterin in Rostock zum 31.12.2016 gekündigt und auch in Neubrandenburg ist die Kündigung für die jeweilige Fachkraft ausgesprochen worden. Das sind nicht nur einfach Personen, die mal gekündigt werden, sondern das waren und sind Vertrauenspersonen von vielen Opfern von Gewalttaten. Ich glaube, keiner von uns kann nachvollziehen, was es bedeutet, selbst Opfer von einer Gewalttat zu sein, wenn man es nicht selbst miterlebt hat. Jedes Opfer verarbeitet eine Straftat unterschiedlich. Umso schwieriger ist es dann, erst einmal wieder Vertrauen aufzubauen, und umso unverständlicher ist es, wenn die Betroffenen ein zweites Mal in ihrem Vertrauen beschädigt werden, wenn die Vertrauenspersonen, denen sie sich bisher geöffnet haben, dann auf einmal nicht mehr da sind.

Zweitens. Ein weiterer Nachteil, den wir als Linksfraktion in der Umstellung sehen, ist, dass die Vergütung erst nach dem Abschluss des Verfahrens abgerechnet werden kann. Bis dahin müssen die Träger, denen die Fachkräfte der psychosozialen Prozessbegleitung anstehen, also vorfinanzieren. Gerade in der psychosozialen Prozessbegleitung sind es oftmals kleine Träger, die in Vorfinanzierung

gehen müssten. Wie das bei deren Finanzlage oder bei den Verfahrenslaufzeiten von nicht selten zwei bis drei Jahren funktionieren soll, weiß hierzulande keiner. Da helfen auch keine in Aussicht gestellten Vorschüsse. Zum Beispiel befürchtet aktuell der Deutsche Kinderschutzbund, der auch hier in Schwerin ist, das Aus.

Drittens. Das dritte Argument gegen das vorgesehene neue System ist die Höhe der Vergütung. Es sollen ja für das Vorverfahren Kosten vorgeschossen werden, was dann 520 Euro wären. Wie man damit über ein dreijähriges Verfahren bei einer Stelle kommen soll, ist mir schleierhaft. Allein das ist aus unserer Sicht schon ein K.-o.-Kriterium für das neue Finanzierungsmodell.

Wie ich gehört habe, hat Frau Justizministerin die Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter dazu angehalten, darüber nachzudenken, ob sie nicht auch Beratung nebenbei anbieten könnten. Auch hier wäre noch mal Klärungsbedarf, welche Beratung das sein soll, um so über die Runden zu kommen. Der Bundesgesetzgeber hatte in seinem Gesetzgebungsverfahren viel Zeit und Mühen darauf verwandt klarzustellen, dass die Prozessbegleitung nichts mit einer rechtlichen Beratung zu tun hat und hier eine strikte Trennung vorliegen muss. Schließlich stünde dann immer die Gefahr der Zeugenbeeinflussung im Raum, deshalb auch der Grundsatz: Wer berät, darf nicht begleiten.

Meine Damen und meine Herren, ich glaube aber auch nicht, dass dieses Finanzierungsmodell der Arbeit und den Aufgaben der psychosozialen Prozessbegleitung gerecht wird. Das ist nicht nur Händchenhalten. Wie gesagt, es geht hier um intensive Betreuung, da muss sehr viel erklärt werden, da müssen sehr viele persönliche Bindungen aufgebaut werden, das ist zeitlich und auch emotional sehr intensiv. Und natürlich werden nicht alle Tätigkeiten, die die psychosozialen Prozessbegleiter bisher ausüben, durch die drei Pauschalen, die vorgesehen sind, abgegolten. Sie sind daneben noch in der Prävention an Schulen tätig. Sie müssen sozusagen selbst durch Supervisionen ihre emotionalen Gefühle bearbeiten, und natürlich ist es auch ganz wichtig, dass die psychosozialen Prozessbegleiter Netzwerkarbeit durchführen.

Hier ist einfach die Frage, wie die drei Tätigkeiten über die Fallpauschalen abgegolten werden. Unserer Meinung nach nicht, was dann bedeuten würde, dass diese Arbeit für umsonst wäre oder ganz hinten runterfallen würde. Ein fallpauschalenbasiertes Modell entspräche ungefähr dem, was Anwälte oder Notare machen. Das wird der Tätigkeit von Prozessbegleitern aber nicht gerecht. Ich selbst war Anwältin, ich weiß, wovon ich da rede. Schließlich ist auch dieser Beruf hart, aber gerade die emotionale Belastung für die Prozessbegleiterinnen ist unglaublich hoch. Bei der Arbeit von Anwälten stehen auch menschliche Schicksale dahinter, aber was dieses Modell eigentlich unmoralisch macht, ist, dass hier Menschen dahinterstehen, Opfer von wirklich schweren Gewalttaten, die Schlimmstes erlebt haben und die das Erlebte unterschiedlich verarbeiten, und das kann man eben nicht mit einer Fallpauschale absichern.

Insofern hoffen wir, dass Sie unserem Antrag zustimmen und wir weiterhin bei der stellenbezogenen Finanzierung bleiben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Dr. Ralph Weber, AfD)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst die Justizministerin des Landes.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Ihrem Antrag zu Ziffer I, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, bin ich geneigt, mich einverstanden zu erklären. Das gilt – und das wird Sie nicht überraschen – allerdings nicht für Ziffer II, doch dazu später.

Zunächst: Selbstverständlich ist die psychosoziale Prozessbegleitung ein wichtiger Baustein des Opferschutzes im Strafverfahren. Bereits seit Jahren bieten wir in einem Modell, das jährlich befristet ist, in Mecklenburg-Vorpommern minderjährigen Opfern von Gewalt- und Sexualstraftaten diese intensive Form der Begleitung vor, während und nach der gerichtlichen Hauptverhandlung an, um ihnen die notwendige emotionale und psychologische Unterstützung in dieser schwierigen Situation zukommen zu lassen.

Frau Bernhardt, vielen Dank für die Aufzeichnung auch noch mal der Historie und der Aufgaben. Ich würde darauf im Moment in meiner Rede verzichten.

Mit diesem Projekt gehörten wir bundesweit zu den Vorreitern, und deswegen bin ich auch ganz persönlich sehr froh darüber, dass die psychosoziale Prozessbegleitung für diesen Personenkreis zum 1. Januar 2017 durch das dritte Opferrechtsreformgesetz bundesweit zu einem gesetzlichen Anspruch geworden ist. Erwachsenen kann dieser Anspruch ebenfalls zugeordnet werden. Diese bundesgesetzliche Regelung vom 21. Dezember 2015 greift im Übrigen einen in Mecklenburg-Vorpommern initiierten Beschluss der Justizministerkonferenz aus dem Jahr 2014 auf. Im Ergebnis heißt das, das, was wir als Projekt angefangen haben, findet nun Eingang in die bundesweit geltende Strafprozessordnung, und dies ist ein wirklich guter Erfolg, ein sehr guter Erfolg für ganz Mecklenburg-Vorpommern.

Gesetzlicher Regelungsbedarf ergibt sich aus der bundesgesetzlichen Regelung Paragraf 4 insbesondere für folgende Fragestellungen: Danach ist durch die Länder zu regeln, unter welchen Voraussetzungen Personen als Prozessbegleiterin oder Prozessbegleiter anzuerkennen sind und was hinsichtlich ihrer Aus- und Weiterbildung zu beachten ist. Die Bundesländer haben Eckpunkte für die Regelung der Ausführungsgesetze abgestimmt, um einen möglichst weitgehend einheitlichen Bundesstandard zu vereinbaren. Auf dieser Basis haben wir den Entwurf des Landesausführungsgesetzes erarbeitet, der sich gegenwärtig bis zum 14. Dezember dieses Jahres in der Verbandsanhörung befindet, die wir anschließend sorgfältig auswerten werden. Wir möchten dann dem Landtag einen Gesetzentwurf der Landesregierung im Januar nächsten Jahres so zuleiten, dass die Erste Lesung in der vierten Kalenderwoche wird stattfinden können.

Und nun, meine Damen und Herren, zur Vergütung der Prozessbegleiterinnen und -begleiter: Der Bundesgesetzgeber hat auch hierzu eine Regelung getroffen. Diese

Regelung sieht vor, dass die Vergütung in Form von sogenannten Fallpauschalen zu erfolgen hat. Für die psychosoziale Prozessbegleitung im Vorverfahren wird die Vergütung 520 Euro betragen, für die Begleitung im gerichtlichen Verfahren im ersten Rechtszug weitere 370 Euro und für die Begleitung nach Abschluss der ersten Instanz noch einmal 210 Euro. Durchläuft die Prozessbegleitung alle diese Verfahrensstadien, so erhält die Prozessbegleiterin beziehungsweise der Prozessbegleiter insgesamt 1.100 Euro. Dabei eröffnet das Bundesgesetz die Möglichkeit, auf die einzelnen Vergütungsbeträge Vorschüsse zu beantragen.

Die Fallpauschale hat der Gesetzgeber deswegen gewählt, weil der Aufwand für die psychosoziale Prozessbegleitung zwar von Fall zu Fall unterschiedlich sein kann, mit der Pauschale aber der voraussichtliche durchschnittliche Aufwand abgedeckt werden soll. Die Höhe von 1.100 Euro ist nicht willkürlich. Der Gesetzgeber hat das damit begründet, dass das die durchschnittlichen Fallkosten seien, die sich aus den Erfahrungen in Österreich, aber auch in dem Modellprojekt Mecklenburg-Vorpommerns ergeben.

Richtig ist allerdings auch, dass der Bundesgesetzgeber den Ländern die Möglichkeit eröffnet hat, eine andere Form der Vergütung zu wählen. Auch das geschah unter anderem mit Blick auf Mecklenburg-Vorpommern, denn wir haben in unserem Modellprojekt bisher stellenbezogen gefördert. Das bedeutet, dass wir einen 90prozentigen Stellenanteil finanziert haben, unabhängig davon, wie viele Fälle die jeweilige Prozessbegleiterin zu bearbeiten hatte. Das kann man und das muss man sicher auch zum Anschieben eines Projektes tun. Wir haben uns jetzt dafür entschieden, zu diesem Zeitpunkt, in dem der gesetzliche Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung in Kraft tritt, von dieser Art der Startfinanzierung Abstand zu nehmen und zur bundesgesetzlichen Fallpauschale überzugehen.

Das hat mehrere Gründe: Zum einen lassen sich die psychosozialen Prozessbegleiter doch mit anderen Berufsgruppen vergleichen, die für ihre Tätigkeit im Rahmen eines Gerichtsverfahrens vergütet werden, wie etwa die Verfahrensbeistände in Kindschaftssachen oder aber auch Betreuer. Weitere Beispiele ließen sich nennen. Alle diese Personen erhalten eine bundesgesetzlich geregelte Vergütung, weil sie eine bundesgesetzlich geregelte Leistung erbringen. Eine stellenbezogene Förderung ist in diesem Bereich auch kein Thema. Zum anderen erscheint das auch mit Blick auf den Haushalt vernünftig, den durchschnittlichen Aufwand für den einzelnen Fall zu vergüten. Das sehen fast alle anderen Bundesländer übrigens genauso und werden sich nach dem derzeitigen Stand ebenfalls auf die bundesgesetzlich geregelte Fallpauschale vereinbaren. Lediglich zwei Bundesländer gehen einen anderen Weg. SchleswigHolstein hat sich für eine stundenweise Vergütung entschieden und Niedersachsen beabsichtigt, zwar die bundesgesetzliche Fallpauschale zu zahlen, aber zusätzlich einen Zuschuss von jährlich 9.000 Euro je Stelle zu finanzieren.