Protocol of the Session on June 1, 2018

Liebe Mitbürger aus Mecklenburg und Vorpommern! Frau Präsident! Werte Kollegen und liebe Gäste! Wir haben hier das gleiche Bild, das wir immer wieder haben. In der Sache, wird gesagt, ist das ja alles so weit in Ordnung und das Anliegen können wir verstehen,

(Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

und dann wird mit irgendwelchen an den Haaren herbeigezogenen Argumenten deutlich gemacht, warum man unserem Antrag doch nicht zustimmen kann.

Am deutlichsten wurde das, Herr Koplin, als Herr Wirtschaftsminister Glawe gewagt hat, irgendwas gut zu finden an dem, was wir gesagt haben. Dann haben Sie, als Sie nicht mehr weiterwussten, sich umgedreht und haben gesagt: Sie verteidigen gerade einen Antrag der AfD. – Ja, das ist ganz schlimm, das darf man natürlich überhaupt nicht machen, einen Antrag der AfD verteidigen!

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Das habe ich so nicht gesagt.)

Das drückt genau das aus, was Ihre Geisteshaltung ist.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Wir haben uns eigentlich nichts anderes erwartet mit dem Antrag. Ich möchte trotzdem in der Sache zu ein paar Punkten noch was sagen.

Einmal, was die private Krankenversicherung angeht, Herr Koplin, wundert mich an sich grundsätzlich schon, dass Sie da Ihr Herz entdecken, denn das sind ja die Besserverdienenden, die da versichert sind, die hier gerade nicht betroffen sind. Aber davon abgesehen, an der PKV können wir nichts regeln, da gibt es keine Mindestbeiträge und sonst irgendwas. Wer die nicht zahlen kann, fliegt irgendwann raus und landet letztlich auch wieder in der gesetzlichen Krankenversicherung, aber es ist weder Regelungsbedarf noch Regelungsmöglichkeit für uns da.

(Zuruf von Karen Larisch, DIE LINKE)

Wenn Sie problematisiert haben, wer den Antrag stellen soll, dann muss ich sagen, schauen Sie doch einfach mal ins Krankenversicherungsrecht. Den Antrag auf Beitragsreduzierung beziehungsweise Bemessung nach den realen Einkünften kann nur der Versicherte stellen, die Krankenversicherung kann den Antrag nicht anstelle des Versicherten stellen. Also auch das ist substanzlos, was Sie dagegen eingebracht haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ihr letztes Beispiel, der kleine Schlüsseldienst, der nebenher Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung hat, Nebeneinkünfte, die bei Selbstständigen zugerechnet würden, und der dann plötzlich doch zahlen muss, und im nächsten Satz kommen Sie mit der Solidargemeinschaft und es kann doch nicht angehen, dass man zulasten der Solidargemeinschaft andere entlastet. Ja, genau das wollen wir auch nicht. Das wollen wir nicht, deswegen wird das wie bei Selbstständigen üblich zugerechnet. Wenn der kleine Schlüsseldienst aus seiner Unternehmung nicht leben kann, aber drei Mietshäuser unterhält, dann soll er eben die Beiträge, die er eigentlich zahlen kann, auch zahlen. Das ist Solidarprinzip, eigentlich etwas, was die Linksfraktion verteidigen müsste. Dass Sie das als Gegenbeispiel anbringen, hat sich mir überhaupt nicht erschlossen.

Und zum letzten Argument, Sie hatten den steuertechnischen Begriff der Liebhaberei gebracht, oder Frau Weißig von der BMV hat gesagt, ja, wenn jemand dauerhaft ein Geschäft betreibt, von dem er nicht leben kann, also

unter dem Mindestlohn als Selbstständiger lebt, sich also armrechnet oder als Selbstständiger quasi hobbymäßig sein Unternehmen betreibt, dann kann das doch nicht angehen. Was hätten Sie denn lieber? Wir wollen ja den Mindestbeitrag, und das ist kein sozialversicherungsfremder Betrag, die 127 Euro, sondern das ist genau der Beitrag, den man zahlen muss, wenn man beispielsweise als Student eigentlich aus der Versicherung rausfällt, aber weiter versichert sein möchte, und andere. Das ist ein originärer Beitragssatz, den die Sozialversicherung, die Krankenversicherung, die Pflegeversicherung selbst ermittelt hat, also völlig systemkonform.

(Zuruf von Bernhard Wildt, BMV)

Die Alternative wäre, dass Sie dem Selbstständigen sagen, davon kann man ja gar nicht leben, was du hier erwirtschaftest mit deinem kleinen Schlüsseldienst, du musst dich jetzt arbeitslos melden, und dann fällt er ohne Beitrag in die Sozialversicherung, schadet der Solidargemeinschaft also, wenn Sie so wollen, noch mehr, als wenn er diesen Mindestbeitrag zahlt.

Insgesamt sind die Argumente, die Sie vorgebracht haben, wirr, konfus und nicht weiterbringend, und deswegen hoffen wir – die Hoffnung stirbt zuletzt – immer noch, dass Sie sich doch mal von Argumenten überzeugen lassen und unserem Antrag zustimmen, auch wenn wahrscheinlich das vergebliche Hoffnung sein wird. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion der AfD hat noch einmal das Wort der Herr Kollege Lerche.

Wertes Präsidium! Werte Abgeordnete! Werte Gäste im Saal! Liebe Landsleute! In der Debatte sind mir bei einigen Wortbeiträgen Sachen aufgefallen, wo ich jetzt noch einmal eine Frage an uns alle stellen möchte: Können Sie sich vorstellen, dass es Menschen gibt, die lieber würdevoll selbstständig sind, als alimentiert zu werden? Genau dieser kleine Schlüsseldienst – lassen wir ihn mal ohne Mehrfamilienhäuser dastehen, ohne Vermietung und Verpachtung –, der sagt, ich betreibe eine Dienstleistung weiter, die vielleicht nicht mehr so stark nachgefragt wird, auch der Schuster wird nicht mehr so stark nachgefragt, aber ich betreibe diese Dienstleistung weiter. Es gibt noch welche, die sie nachfragen, und ich nehme auch in Kauf, dass ich vielleicht unter 1.000 Euro im Monat verdiene. Und es gibt auch Menschen, die sich damit nicht arm fühlen, denn Armsein ist ein Gefühl. Wenn ich mir natürlich die grundlegendsten Dinge im Monat an Essen, Kleidung, Wärme und so weiter nicht leisten kann, dann bin ich arm, aber wenn ich das alles noch irgendwo mit meinem Geld bestreiten kann, dann muss ich mich nicht unbedingt arm fühlen. Das möchte ich hier noch zu bedenken geben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion DIE LINKE hat noch einmal das Wort der Abgeordnete Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will gern auf den Redebeitrag von Herrn Professor Dr. Weber eingehen und

noch mal betonen, dass es uns darum geht, eine sachgerechte Darstellung in einem Antrag zu ermahnen, und das war meiner Rede Sinn. Die PKV – weil Sie sagten, dass wir unser Herz für die PKV entdeckt hätten –, sie ist eine Realität, aber um die Realität abzubilden und einen Antrag auch würdigen zu können, muss man ihn dann auch aus unserer Sicht so darstellen. Das macht man gewöhnlicherweise mit einem Feststellungsteil, in dem die ganze Systematik dargelegt wird. Das hatte ich vermisst, das will ich hier noch mal präzisieren, weil Sie sich ja verwundert äußerten oder mit Verwunderung über meinen Wortbeitrag äußerten.

Zum Zweiten will ich sagen, woran uns gelegen ist als LINKEN. Wir wollen eine Absenkung auf den Betrag von 450 Euro als Mindestbemessungsgrenze. Das ist die Geringfügigkeitsgrenze. Damit würden wir – Herr Glawe schaut schon so skeptisch –,

(Harry Glawe, CDU: Sie wollen das pauschalieren, oder was?)

damit würden wir deutlich unter der Initiative der jetzigen Bundesregierung bleiben. Die Geringfügigkeitsgrenze scheint uns angemessen zu sein, jeder Euro, der darüber liegt, dann nach dem entsprechenden Beitragssatz.

Und weil Sie das angesprochen haben, diese Bemerkung zu Herrn Glawe bezüglich Ihres Antrages: Am Ende ist es so, auch wenn Anträge scheinbar eher so fast nur sachlich und wenig ideologisch daherkommen, sie sind immer politisch, ideologisch und programmatisch grundiert. Das will ich dann schon festhalten, dass also die eine Programmatik ja doch nicht mit der anderen übereinstimmt, sich hier aber Allianzen zeigen. Was uns betrifft, auch da sind wir ideologisch unterwegs und sagen, im Grunde …

(Torsten Renz, CDU: Aha!)

Na ja, ganz klar!

Das sollte Sie nicht verwundern, dass wir sagen, da nehmen wir eine Anleihe an die Bibel mit diesem wunderbaren Spruch „Einer trage des anderen Last“. „Einer trage des anderen Last“ ist ein wunderbares, Jahrhunderte, Jahrtausende über bewährtes Prinzip der Solidarität. Und weil wir das wollen, sagen wir, wenn wir uns jetzt über die Selbstständigen unterhalten, wäre das unser ganz konkreter Vorschlag, 450 Euro ist der Mindestbetrag, und dann aufwärts. Aber worauf wir im Endeffekt wirklich abstellen, ist eine solidarische Gesundheitsversicherung, in die alle einzahlen, alle, die über Einkünfte verfügen.

Also selbstverständlich, Herr Professor Dr. Weber, kommen dann auch wieder die Einkünfte in Betracht, von denen wir vorhin gesprochen haben. Alle zahlen ein, mit allen Einkünften veranlagt. Dann haben wir ein ganz anderes System und auch eine ganz andere Grundlage für ein solidarisches Gesundheitswesen. Das ist unser Anspruch, den wollte ich hier ausdrücklich noch mal formulieren. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/2148. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/2148 bei Zustimmung der Fraktion der AfD, ansonsten Gegenstimmen der Fraktionen von SPD, CDU, DIE LINKE und der BMV abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 35: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Bundesratsinitiative zur Überarbeitung des Gemeinnützigkeitsrechts, auf Drucksache 7/2155.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Bundesratsinitiative zur Überarbeitung des Gemeinnützigkeitsrechts – Drucksache 7/2155 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Rösler.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 12. April dieses Jahres titelte die SVZ: „Vereine zittern vor Finanzämtern“. In dem Artikel hieß es, dass die Anerkennungspraxis der Finanzämter bei Fragen der Gemeinnützigkeit alles andere als einheitlich ist. Daher müssen so einige gemeinnützige Vereine um ihren Status und damit um ihre Zukunft fürchten.

Zu demselben Ergebnis kommt auch eine Studie der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“. Hier wurden 404 Finanzämter in ganz Deutschland, also auch in Mecklenburg-Vorpommern, mit identischen Briefen angeschrieben und gebeten, die Gemeinnützigkeit eines Vereins zu bewerten. Im Ergebnis dieser Studie heißt es schließlich, „dass die Finanzämter bei der Beurteilung der Gemeinnützigkeit in gleichen Fällen unterschiedlich entscheiden“. Und weiter, Zitat: „Die Anerkennungsquote liegt in der Studie bei ca. 50 Prozent – folglich erscheint die Zuerkennung von Gemeinnützigkeit eher als Lotteriespiel denn als rechtsstaatliches Handeln.“ Zitatende.

Ergebnis: Nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern in ganz Deutschland wird das Gemeinnützigkeitsrecht uneinheitlich angewandt und führt zu Rechtsunsicherheit aufseiten der Anwender, der Vereine und Verbände.

Meine Damen und Herren, nicht nur in MecklenburgVorpommern, sondern in der gesamten Bundesrepublik gibt es eine lebendige Vereinslandschaft, die mit ihren facettenreichen gemeinnützigen Engagements wichtige Beiträge für eine funktionierende Zivilgesellschaft leistet. Dabei sind die steuerlichen Vorteile, die mit der Gemeinnützigkeit einhergehen, für die meisten dieser Vereine überlebensnotwendig. Ich gehe davon aus, uns allen ist an einer gesunden und aktiven Zivilgesellschaft gelegen. Daher fordern wir die Landesregierung mit unserem Antrag auf, sich im Bundesrat für eine Initiative zur Überarbeitung des Gemeinnützigkeitsrechtes einzusetzen, denn: Was ist die Ursache für die Ungleichbehandlung der Vereine und die daraus entstandene Rechtsunsicherheit? Der böse Wille der zuständigen Finanzbeamten? Wohl kaum. Ursachen für dieses Problem sind einzig und allein die Irrungen und Wirrungen eines Gesetzes, über dessen konkrete Anwendung in vielen Fällen seit Jahrzehnten Unklarheit herrscht.

In diesem Zusammenhang begrüßen wir selbstverständlich die Dialogtour des Finanzministeriums zur Klärung von Missverständnissen und Fragen diesbezüglich. Aber, meine Damen und Herren, Dialog und Handreichungen können nicht der Ersatz für ein klar formuliertes Gesetz sein. Deshalb muss das Gemeinnützigkeitsrecht endlich überarbeitet und modernisiert werden.

Genügend Hilfestellungen stehen der Bundesregierung schon zur Verfügung. Bereits 1988 hat eine unabhängige Sachverständigenkommission Empfehlungen zur Vereinfachung und Verbesserung des Gemeinnützigkeitsrechts unterbreitet. Dasselbe hat die Enquetekommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ im Jahr 2002 getan, genauso wie der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums vier Jahre später.

Wie reagierte die Bundesregierung? Mit ihrem Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements reformierte sie 2007 das Gemeinnützigkeitsrecht und ignorierte dabei alle bis dahin gegebenen Empfehlungen. Dies hatte zur Folge, dass das Gesetz weder einfacher noch besser gemacht wurde. Vielmehr ist es noch verwirrender und widersprüchlicher geworden und zudem geht es nicht mit der Zeit. Engagementformen verändern sich, neue zivilgesellschaftliche Strukturen und Betätigungsfelder entstehen und das Gesetz muss somit die realen Gegebenheiten auch für die ländlichen Räume und ihre Herausforderungen, die vielfach im Ehrenamt gestemmt werden, abbilden.

Meine Damen und Herren, viele von Ihnen sind studierte Juristen und mit dem Gemeinnützigkeitsrecht durchaus vertraut, aber können Sie den Bürgerinnen und Bürgern erklären, weshalb die Organisation des Karnevals hierzulande unter das traditionelle Brauchtum fällt und somit gemeinnützig ist, während die lokalen und durchaus traditionellen Dorffeste wie Sommerfeste, Weihnachtsfeste als gesellige Veranstaltungen angesehen werden und daher nicht Hauptzweck eines gemeinnützigen Vereins sein dürfen, obwohl sie unzweifelhaft für den Zusammenhalt in unserem Gemeinwesen essenziell sind? Können Sie den Bürgerinnen und Bürgern erklären, weshalb bürgerschaftliches Engagement explizit im Gesetz Erwähnung findet, es sich aber lediglich um eine leere Worthülse handelt, die von der Exekutive nicht angewandt wird?

Die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements zugunsten gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke in Paragraf 52 Absatz 2 Nummer 25 Abgabenordnung ist als substanziell eigenständiger Zweck anzuerkennen. Dies würde auch den Vereinen in unserem Land, die so vielfältig bürgerschaftlich engagiert sind, helfen.

Meine Damen und Herren, gemeinnütziges Handeln kann und muss viele verschiedene Formen annehmen. Der Versuch, es in den Zweckkatalog in Paragraf 52 der Abgabenordnung zu quetschen und diesen fortwährend zu ergänzen, kann nicht gelingen. Hier wird es immer blinde Flecken geben, ganz einfach, weil sich eine Gesellschaft zusammen mit ihren Problemen und Bedürfnissen stetig weiterentwickelt. Viele zivilgesellschaftliche Themen werden in Paragraf 52 überhaupt nicht berücksichtigt. Körperschaften, die sich beispielsweise für Frieden, Menschenrechte oder für die Rechte von Homo-, Bi- und Transsexuellen einsetzen, oder moderne Entwicklungen wie der E-Sport müssen sich auf andere Zwecke

aus der Abgabenordnung beziehen, um als gemeinnützig anerkannt zu werden, und das kann nicht der Sinn der Sache sein.