Protocol of the Session on May 30, 2018

„Die eingeleiteten und realisierten Vernässungsmaß- nahmen sind einer ständigen Kontrolle durch die Planfeststellungsbehörde zu unterziehen. Der Vorha- bensträger hat eine mehrjährige wissenschaftliche Be- gleitung mit entsprechenden Untersuchungen sicher- zustellen, die sich auch auf die unmittelbare Umgebung bezieht. Zeigen sich im Haftungszeitraum Mängel, sind die daraus entstehenden Folgen durch die Vorhabens- träger zu beheben. Kommunen und Einwohner sind von Folgeschäden befreit. Im Sinne eines Auftraggebers ist das Land letztendlich zum Schadensersatz verpflichtet.“

Daran können wir heute auch uneingeschränkt festhalten.

Zusätzlich möchte ich sagen – und das ist ja heute auch schon angesprochen worden, obwohl ich dieses Thema nicht in den Vordergrund stellen will – zum A20-Bau oder Einfluss der Renaturierung auf Infrastrukturmaßnahmen: Ich lege mich hier nicht fest, was woran liegt und welche Ursachen bestimmte Maßnahmen haben. Aus meiner Sicht wird es wahrscheinlich ein Komplex von Vorfällen sein, die zu den Problemen bei der A 20 oder an anderen Infrastruktureinrichtungen geführt haben. Deshalb aber wäre sicherlich, wenn unsere Arbeitsgruppe noch existieren würde, ein Thema wirklich die Frage, ob so ein Moratorium sinnvoll ist, bis geklärt ist, welche Umstände haben zu den offensichtlichen Problemen an den Infrastruktureinrichtungen geführt und welche Maßnahmen sind geeignet, dem zukünftig entgegenzuwirken. Von daher, wie gesagt, vielen Dank für die Gelegenheit, unser hart erarbeitetes Papier hier noch mal in Teilen vortragen zu dürfen.

Es hat sich auch etwas geändert – ich muss es erwähnen, es ist bisher auch noch nicht erwähnt worden –, wir haben dann einen Haushaltstitel eingeführt, Nachsorge bei Schäden aufgrund von Veränderungen im hydrologischen System. Sicherlich ist der Mittelabfluss nicht so, wie wir uns das vorstellen. Da müsste man vielleicht auch noch mal genauer hinschauen und gegebenenfalls ist die Diskussion heute ja auch geeignet, das Thema noch mal aufzurufen und zu gucken, inwieweit wir da ein bisschen weiterkommen können. Es ist auch noch kein Ende in Sicht. Das ist, glaube ich, hier auch schon angeklungen, ich würde sagen, am ehesten bei Frau Dr. Schwenke, dass die Altprobleme – und das sind ja in der Regel Altprobleme – insbesondere im Landkreis VorpommernGreifswald immer noch dazu führen, dass auch neue Projekte eigentlich von der Bevölkerung grundsätzlich abgelehnt werden, weil eine große Skepsis besteht, dass sie dann im Problemfall alleingelassen werden.

Von daher habe ich mir mal die Mühe gemacht, weil ich alle Problemfälle ja noch regelmäßig begleite, mal einen kurzen Überblick zu geben über den Status quo.

Es ist hier schon der Galenbecker See angesprochen und als Vorzeigeprojekt genannt worden. Richtig ist aber auch, dass es selbst zum Galenbecker See eine Petition im Landtag gab. Es streiten sich nämlich heftig die Ornithologen und die Schmetterlingsfreunde über den Wasserstand, den man festlegen sollte, denn entweder ist es gut für die Vögel oder es ist gut für die Schmetterlinge. Für beide ist es nie richtig. Es ist auch immer noch in der Diskussion, obwohl die mittlerweile abgeklungen ist, die Frage, ob durch die Maßnahme feuchte Keller entstan

den sind. Zu dem Thema komme ich aber an anderer Stelle noch mal.

Und wir hatten 2013 einen Bericht in der Zeitung, eigentlich überschrieben mit: Umweltskandal – Entsorgung einer unbekannten stinkenden Flüssigkeit im Galenbecker See. Das stellte sich dann allerdings heraus als Cyanobakterien, die für Menschen relativ unbedenklich sind, für Tiere in kleinsten Mengen allerdings tödlich. Die Diskussionen darüber, inwieweit das mit der Wiedervernässungsmaßnahme im Zusammenhang stehen könnte, wurden damals vor Ort auch heftig geführt und sind sicherlich ein Grund dafür, dass die Skepsis vor Ort nicht wirklich abgeflaut ist.

Eine immer noch aktuelle Problematik sind die Koblentzer Seewiesen, allerdings nicht in Verantwortung des Landes, sondern das war ja eine Ausgleichsmaßnahme für den A20-Bau. Vorhabenträger ist die DEGES. Dazu gab es einen Planfeststellungsbeschluss, der ein bestimmtes Wasserregime festlegte und ein Schöpfwerk vorsah, eine optionale Maßnahme, um die Maßnahmefläche vom Zerrenthiner Tiefland abzutrennen. Dann kam der Antrag, auf diese Option zu verzichten, und es folgte eine jetzt nahezu achtjährige Diskussion vor Ort, wie man denn damit umgehen sollte. Mittlerweile räumt selbst der Vorhabenträger ein, dass das Wasserregime völlig falsch eingeschätzt wurde und dass zum Bestand der Maßnahme nicht eine Abtrennung nötig ist, sondern dass Wasser aus der umliegenden Fläche auf die Maßnahmefläche geschöpft werden muss, um überhaupt die Maßnahme sicherzustellen. Da sieht es jetzt ganz gut aus. Man hat sich auch auf die Ertüchtigung eines vorhandenen Schöpfwerkes verständigt. Das wurde vor Ort immer so gewünscht.

Was vor Ort aber nach wie vor kritisiert wird, ist, dass man schon im Bereich der Planfeststellung immer wieder darauf hingewiesen hat, dass die Einschätzung falsch war, und es gab dazu eine Petition, die Petition ist abgetan worden. Weiterhin strittig sind allerdings Schöpfwerkskosten und weiterhin strittig sind auch die Auswirkungen auf eine anliegende Kreisstraße. Der Landkreis hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das besagt, die Wiedervernässungsmaßnahme ist schuld daran, dass regelmäßig grundhafter Ausbau erforderlich ist. Die erreichten Zielwasserstände, die eingeplant waren, werden regelmäßig oder zumindest in Spitzenzeiten überschritten. Es gibt ein anderes Gutachten der DEGES. Die sagt, es ist nicht so. Da werden wir sicherlich weiterdiskutieren, das führt allerdings auch nicht dazu, dass das Vertrauen in Renaturierungsmaßnahmen – in diesem Bereich zumindest – gestiegen ist.

Wir haben weiterhin, wenn man ein bisschen höher geht, den berühmten Martenschen Bruch. Da gab es auch eine Petition. Im Zuge dieser Petition durfte nicht nur ich, sondern auch die Einwohner lernen, wie weit die Beweissicherung durch den Eigentümer geht. Denn im Grunde genommen müsste man am besten 30 Jahre vor der Maßnahme angefangen haben, seinen Keller zu dokumentieren, um nachzuweisen, dass 30 Jahre vorher nie Wasser im Keller war, weil ansonsten könnte man nach der Maßnahme nicht dokumentieren, dass die feuchten Keller durch die Maßnahme bedingt sind. Also von daher, unsere Forderung nach der Beweislastumkehr hat nach wie vor Bestand und würde sicherlich auch, wenn wir über vertrauensbildende Maßnahmen reden, zu einer vielleicht nicht ganz so kritischen Sicht der Bewohner auf solche Maßnahmen führen.

Wahr ist auch, dass eine Klage vor dem OVG entschieden wurde, und das OVG hat quasi auch dem Vorhabenträger, sprich in diesem Fall war es aber das Bergamt, dokumentiert, das im Rahmen der Vorprüfung, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung stattzufinden hat – und das ist von den Bewohnern und der Bürgerinitiative dort auch immer gefordert worden –, es ist ihnen bescheinigt worden, dass sie das unzureichend dokumentiert haben, sodass also quasi vor Ort weiterhin große Zweifel vorhanden sind, ob nicht eine Umweltverträglichkeitsprüfung hätte stattfinden müssen.

Es ist noch ein Urteil anhängig vorm Europäischen Gerichtshof, zumindest habe ich es nicht gehört und jeder rechnet eigentlich mit dem sogenannten Hinterseeurteil, das dann möglicherweise auch dem Vorhabenträger aufgeben wird, noch mal eine Umweltverträglichkeitsprüfung nachzuholen, um das ganze Verfahren rechtssicher zu gestalten. Das führt dazu, dass der Bewirtschafter dort, die DBU, in weiten Teilen der Bevölkerung kritisch gesehen wird und alles, was die DBU noch für ihre Maßnahmen braucht, von der Bevölkerung oder auch von den dort zuständig handelnden kommunalen Verantwortungsträgern abgelehnt wird.

Wir haben in Kamp – wir haben es gehört – jahrelange Proteste, es hat Maßnahmen zur Verbesserung gegeben, das gehört zur Wahrheit dazu, die haben auch gewirkt. Es hat eine Klage gegeben, es hat ein Urteil gegeben, die erhöhten Schöpfwerkskosten sind dem Vorhabenträger aufgegeben worden. Da könnte man ja zufrieden sein, allerdings gibt es jetzt den Streit zwischen Land und Landkreis. Wer ist denn eigentlich Vorhabenträger? Der Landkreis sagt, das Land ist Vorhabenträger, das Land sagt, der Kreis ist Vorhabenträger. Von wem das Geld zu verlangen ist, ist bis jetzt immer noch nicht geklärt.

Polder Bargischow wird ja jetzt für Nord Stream als Kompensationsmaßnahme anvisiert, ist auch vorher planfestgestellt worden, allerdings nach langem Widerstand vor Ort und vielen Zugeständnissen. Da hat es auch Gespräche mit den Bürgern gegeben und in diesem Kontext will ich durchaus mal auf das Thema Freiwilligkeit kommen, denn auch da haben mich Klagen von Anwohnern erreicht. Eine ältere Dame bekam ein Schreiben der Landgesellschaft: „Wir beabsichtigen, Ihr Grundstück in Anspruch zu nehmen. Sie können uns das überlassen zum Preis von …“ Es entsprach nicht den gängigen Grundstückspreisen, möchte ich mal hinzufügen. „Wenn Sie sich nicht dafür entscheiden, wird in der 44. Kalenderwoche die Maßnahme durchgeführt und Ihr Grundstück dauerhaft unter Wasser gesetzt.“ Ob das nun freiwillig ist?! Wir haben es ausgewertet, wir haben Verbesserungen zugesagt. Die alte Dame wusste nicht mal, was die 44. Kalenderwoche ist.

Und es kamen auch durchaus Landwirte zu mir, und zwar viehhaltende Betriebe, denn nicht alles sind Eigentumsflächen, sondern es sind natürlich auch Pachtflächen. Pachtflächen, die manchmal aber für den Betrieb notwendig sind, können natürlich ohne Zustimmung, denn der Eigentümer ist in diesem Falle das Land, aus der Bewirtschaftung herausgezogen werden. Also von daher, es ist noch Luft nach oben, nicht nur in diesem Bereich.

Der Anklamer Stadtbruch ist auch angesprochen worden. Wie gesagt, immer noch gibt es viele Leute, die dem

Wald, der dort quasi jetzt nicht abgenommen und einer Nutzung zugeführt wurde, nachtrauern und das Bild, das dort entsteht, auch als nicht wirklich förderlich ansehen.

Kieshofer Moor ist das Nächste, was obendrüber liegt. Da ist der Widerstand der Bevölkerung relativ groß. Es gibt da eine ganze Gemengelage, aber wir finden im Moment keine Lösung und die Lösung ist seit zwölf Jahren nicht zu finden, weil es ein Grundmisstrauen der Grundstückseigentümer in die Maßnahme gibt und auch wieder die Befürchtungen bestehen, dass Eigentum in Anspruch genommen wird und es keine Entschädigung für Schäden an Bäumen oder Ähnlichem geben wird.

Wir haben die Maßnahme Cämmerer See, da gab es eine ganz aktive Bürgerinitiative. Die Maßnahme ist abgesagt. Die Bürgerinitiative will sich auch auflösen, obwohl sie natürlich mit den jetzt geplanten Deichmaßnahmen so nicht zufrieden ist, aber das war ja auch den Medien zu entnehmen.

Womit ich mich schwer tue, ist der Ankauf dieses Schullandheimes in Peenemünde. Das Schullandheim ist angekauft worden für 670.700 Euro, sollte abgerissen werden und im Rahmen der Renaturierungsmaßnahmen über Ökopunkte eine gewisse Vergütung erfahren. Nun ist die Maßnahme abgesagt und nach allem, was ich so weiß, ist die präferierte Planung, dieses Schullandheim dann für einen Appel und ein Ei an die DBU zu geben. Damit tue ich mich natürlich schwer.

Zerninseesenke, Wolgastsee ist auch Gegenstand einer Petition gewesen, ist aber auch eine ganz komplexe Gemengelage. Da hat auch die Kommune versagt bei der Ausweisung von Baugebieten. Da ist die polnische Seite nicht bereit gewesen, mitzuarbeiten. Aber sagen wir mal so, diese ganzen Probleme sind natürlich Grund dafür, dass weitere Wiedervernässungsprojekte es schwer haben, selbst wenn sie in dem einen oder anderen Fall notwendig oder sinnvoll wären.

Nun kann man sich nach diesen Ausführungen fragen, warum dann Wiedervernässung. Ich habe es schon eingeräumt, es gibt gute Projekte, die im Einvernehmen mit Anwohnern und Nutzern auf den Weg gebracht wurden. Der Minister hat schon argumentiert mit den sechs Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalenten aus trockengelegten Mooren. Er präferiert den Anbau von Paludikulturen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang allerdings auf ein Verbundforschungsprojekt der Universitäten Greifswald und Rostock zu Stoffumsetzungsprozessen an Moor- und Küstenstandorten, die WETSCAPES, eingehen. Ich habe mich auf dem Parlamentarischen Abend mit der zuständigen Dozentin unterhalten und sie hat mir gesagt, sie bewegen sich noch im Bereich der Grundlagenforschung. Das heißt also, Prozesse, die dort stattfinden, und deren genaue Auswertungen befinden sich in einem Stadium, wo man quasi erst mal gucken will, wie sich das Ganze entwickelt. Von daher sind wir auch – und das habe ich am Anfang meiner Rede schon angedeutet – nicht so optimistisch, was die Perspektiven angeht, sondern wir wollen quasi erst mal wirklich wissenschaftlich validierte Ergebnisse haben, also immer noch die Frage, ob bestimmte Prozesse, so, wie wir sie uns wünschen, tatsächlich so eintreten, und nicht die Frage, wie sie eintreten.

Wir als Fraktion haben – und das haben wir auch in der Vergangenheit gemacht – die Forschung über Paludikul

turen unterstützt, denn ich denke mal, wenn wir wiedervernässte Moore haben, müssen wir auch über Nutzung reden. Nutzung war ja immer das Thema, das wir vorangestellt haben. Allerdings, der Beweis von wirtschaftlicher Tragfähigkeit in diesem Bereich steht noch aus. Wir haben uns auch Musterbeispiele angeguckt, aber wirklich durchkalkulierte Maßnahmen sind uns da noch nicht untergekommen.

Und ich habe auch mal die Frage nach dem Ausmaß von artenschutzrechtlichen Einschränkungen nach Renaturierung gestellt und auch da sind wir noch nicht abschließend, denn wenn ich jetzt wieder höre, wie viele geschützte Tierarten sich nach der Renaturierung wieder ansammeln, stelle ich mir natürlich die Frage, ob wir dann, wenn die sich dort angesiedelt haben, das, was dann zu nutzen wäre, noch nutzen können. Denn wenn die Tiere unter Schutz stehen, wissen wir ja, was passiert, dann ist auch die Nutzung ausgeschlossen.

Von daher gibt es – und die Überlegungen finden wir auch richtig – Überlegungen in Richtung eines ökologischen Finanzausgleiches zwischen den Ländern oder auch EU-weit. Das unterstützen wir ausdrücklich, aber Signale in diese Richtung gibt es noch nicht. Denn ich meine, mit dem Naturreichtum, den Mecklenburg-Vorpommern hat, ist es natürlich wichtig. Wenn wir so viele Flächen aus guten Gründen aus der Nutzung nehmen müssen, sind wir in bestimmten Bereichen in der wirtschaftlichen Entwicklung gehemmt und da kann es durchaus einen ökologischen Ausgleich geben und muss es perspektivisch auch.

Allerdings stelle ich mir auch die Frage, ob es strategisch nicht zu einem Bumerang werden kann, wenn wir überall die Vorreiterrolle übernehmen, denn sollten wir wirklich in der Diskussion mal so weit kommen, da Erstattungen auch über einen Finanzausgleich zu erhalten, erinnere ich bloß an die CO2-Zertifikate. Bestraft wurden doch diejenigen, die im vorauseilenden Gehorsam ihre Unternehmen auf einen vernünftigen Stand gebracht haben, und diejenigen, die da noch gezögert haben, sind dann auch dafür noch monetär vergütet worden. Von daher muss man wirklich überlegen, wie viel wovon macht man und arbeitet man nicht vielmehr verstärkt daran, erst mal die Grundlage, sprich einen ökologischen Finanzausgleich, auf den Weg zu bringen.

Deshalb möchte ich hier nur anregen, dass wir in diesem Zusammenhang mal über eine grundsätzliche Neuausrichtung der Eingriffs- und Ausgleichregelungen diskutieren, zumal wir ja auch immer diskutieren bei großen Maßnahmen, wo nehmen wir die Fläche für einen Ausgleich überhaupt hin. Und vielleicht verzichten wir weitgehend auf darüber hinausgehende Maßnahmen. Das will ich jetzt hier auch nur als Anregung geben und nicht weiter darüber diskutieren.

Abschließend, für meine Fraktion steht fest – und ich habe ja gehört, darüber haben wir weitgehend Konsens –, Wiedervernässung darf es nur mit und nicht gegen die Menschen geben. Einschränkungen der Lebensqualität sind nicht hinnehmbar. Schäden sind unbürokratisch zu erstatten. Wenn wir uns darüber alle einig sind, dann, glaube ich, werden die Debatten über Wiedervernässungsprojekte in der Zukunft nicht in der Härte geführt, wie wir das in der Vergangenheit getan haben. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und AfD – Zurufe von Andreas Butzki, SPD, und Jürgen Strohschein, AfD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12: Aussprache gemäß Paragraf 43 Ziffer 2 der Geschäftsordnung des Landtages zum Thema „Aktuelle Situation am Krankenhaus Wolgast“, auf Antrag der Fraktion DIE LINKE.

Aussprache gemäß § 43 Ziffer 2 GO LT zum Thema Aktuelle Situation am Krankenhaus Wolgast

Im Ältestenrat wurde vereinbart, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann verfahren wir so. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Jeannine Rösler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Situation am Kreiskrankenhaus Wolgast ist nicht das erste Mal Thema in diesem Parlament. Meine Fraktion mahnt seit Dezember 2015 die Sicherstellung einer gut erreichbaren, qualitativ hochwertigen und patientengerechten Krankenhausversorgung an diesem Standort an, auch vor dem Hintergrund der besonderen Situation als Tourismusregion und der damit verbundenen angespannten Verkehrslage.

Für diejenigen, die damals noch nicht Abgeordnete waren, zur Erinnerung: Die Abteilungen Frauenheilkunde und Geburtshilfe und die Kinder- und Jugendmedizin am Kreiskrankenhaus wurden geschlossen. An ihre Stelle wurde, allerdings erst nach parlamentarischem und starkem außerparlamentarischem Druck, eine Portalpraxisklinik mit zehn Plätzen für die medizinische Notversorgung von Kindern eingerichtet. Damit könnte alles gut sein, jedenfalls nach den Darstellungen aus dem Wirtschaftsministerium. Mit einer Fachabteilung für Geriatrie, die seit September 2012 mit geplanten 30 Betten am Netz ist, ist das Kreiskrankenhaus auf den wachsenden Bedarf an Leistungen der Altersmedizin eingerichtet. Es gibt daneben Fachabteilungen für die Innere Medizin, die Anästhesie und Intensivmedizin sowie die Chirurgie, die auch Notfallverletzungen bei Kindern operiert, wenn nur kurze Behandlungs- und Beobachtungszeiten notwendig sind.

Da sind wir bei dem ersten Problem, das mehrfach zu hören war. Die Portalpraxis für die Notfallversorgung von Kindern hat nur ein beschränktes Leistungsspektrum. Sie ist nur bis 22.00 Uhr mit Ärzten besetzt. Leichtere Fälle soll der Kassenärztliche Bereitschaftsdienst versorgen, schwerere die Universitätsmedizin Greifswald. Das war politisch so gewollt. Die Form der Portalpraxisklinik ist bislang bundesweit kaum erprobt und sie ist auch noch nicht Teil der Regelversorgung der gesetzlichen Krankenkassen. Deshalb wird diese Form in Wolgast von der Landesregierung mit 1,66 Millionen Euro über drei Jahre gefördert. Danach soll eine Evaluation erfolgen – unseres Erachtens viel zu spät.

Wenn die Evaluation ergeben sollte, dass sich die Portalpraxisklinik für Kinder am Kreiskrankenhaus nicht trägt –

denn schon heute fahren die meisten Krankenwagen mit kranken Kindern an Wolgast vorbei –, was wären dann die Folgen? Soll der letzte Rest einer stationären medizinischen Versorgung für Kinder und Jugendliche am Kreiskrankenhaus geschlossen werden oder zahlt die Landesregierung weiter Millionenbeträge für den Erhalt dieser Form? Schauen Sie sich selber die Portalpraxisklinik an und sprechen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern! Es gibt von ihnen durchaus Anregungen, wie das Modell erfolgreicher werden kann. Ähnlich schwierig verhält es sich bei der geriatrischen Fachabteilung. Nach meiner Kenntnis ist die Tagesklinik nur zu 35 Prozent ausgelastet und arbeitet damit für das Kreiskrankenhaus nicht wirtschaftlich. Ein Zuschussgeschäft in dieser Größenordnung kann sich kein Krankenhaus leisten, erst recht nicht eines, das sich in schwierigem finanziellem und wirtschaftlichem Fahrwasser befindet.

Wenn das Labor am Kreiskrankenhaus zum 1. Juni schließen soll, drohen die nächsten Probleme. Wie sollen die Fachabteilungen, insbesondere die Intensivmedizin, ohne ein Labor am Krankenhaus arbeiten? Wie sollen Notfälle qualitativ hochwertig versorgt und ungeplante Operationen dementsprechend geleistet werden, wenn es in Wolgast kein Labor mehr gibt? Wer jetzt auf Telemedizin und Datenleitungen verweist, der blendet aus, dass diese störanfällig sind und ausfallen können. In der Tat gab es bereits solche Ausfälle, sodass Daten erst verspätet ankamen. Selbst betriebswirtschaftlich gesehen, wäre eine solche Entscheidung höchst fragwürdig. Auch andere Krankenhäuser betreiben zumindest kleine Labore und es ist zu beobachten, dass der Trend der Automatenlabore in Deutschland wieder rückläufig ist.

Wenn die Entscheidung der Laborschließung nicht korrigiert wird, sehe ich schwarz für das Krankenhaus Wolgast, denn das Leistungsangebot der Fachabteilungen wird sinken. Vorschläge der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Strukturierung wurden dagegen ignoriert. Mitarbeiter werden sich anders orientieren und je nach Angebot das Kreiskrankenhaus verlassen. Und gute Angebote für gutes Krankenhauspersonal gibt es heute wirklich reichlich. Bereits heute werden im Kreiskrankenhaus nicht mehr alle freien Stellen besetzt, und das belastet die verbleibenden Mitarbeiter zusätzlich. Wenn jedoch auch Chefarztstellen nicht wiederbesetzt werden wie in der Chirurgie, wird das Leistungsspektrum des Krankenhauses eingeengt. Das kann für ein Krankenhaus wie Wolgast tödlich sein.

Meine Damen und Herren, das Kreiskrankenhaus Wolgast braucht dringend mehr Einfluss auf Entscheidungen der Unimedizin Greifswald zum Standort Wolgast. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beklagen, dass sie zu wenig Mitspracherechte haben, und sie fordern zu Recht einen Aufsichtsrat, weil der Beirat ein zahnloser Tiger ist. Meine Fraktion unterstützt diese Forderungen.

Die Informationspolitik scheint auch nicht die Beste zu sein. Viele Beschäftigte haben das Gefühl, dass alles nur in Hinterzimmern besprochen und festgelegt würde. Das begründen sie damit, dass sie kaum erfahren würden, was die UMG in Bezug auf das Krankenhaus Wolgast plane und wie das Konzept überhaupt aussehe. Sie können nicht nachvollziehen, dass der Träger nach drei Jahren immer noch nicht wisse, wohin die Reise gehen soll. Ich appelliere deshalb an Sie: Nehmen Sie die Sorgen und Hinweise der Beschäftigten ernst! Sprechen Sie nicht nur mit der Krankenhausleitung, sprechen Sie auch

ganz direkt mit den Beschäftigten, so, wie wir es getan haben! Ich hoffe, dass Sie ähnliche Erkenntnisse gewinnen und unser Anliegen verstehen.

Meine Damen und Herren, wir wollen mit unserem Antrag auf Aussprache die Informationen über die Situation am Kreiskrankenhaus bündeln, uns ein Bild machen und uns darüber verständigen, wie die Lage verbessert werden kann. Nach unserer Auffassung brauchen wir alle Krankenhäuser im Land für eine wohnortnahe Versorgung. Ich freue mich auf die Diskussion. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Für die Landesregierung hat ums Wort gebeten der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Kreiskrankenhaus Wolgast war, ist und bleibt ein wichtiger Bestandteil der Krankenhauslandschaft in Mecklenburg-Vor pommern. Als Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung soll es auch weiterhin in enger Kooperation mit der Universitätsmedizin Greifswald und den niedergelassenen Ärzten der Regionen seinen Versorgungsauftrag erfüllen und die Behandlung der Patienten auf hohem Niveau sicherstellen. Soweit, Frau Rösler, ist es doch völlig klar, das Krankenhaus wird nicht geschlossen und die Kooperation mit der Universität wird nicht aufgekündigt.