Darüber hinaus gelang Deutschland mit der EGKS wenige Jahre nach den Gräueltaten der Nazis und des Zweiten Weltkriegs die Integration in die Wertegemeinschaft, in die demokratische Wertegemeinschaft. Mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft wurde dieser Prozess fortgesetzt und die Integration wurde weiter intensiviert. 1992 schließlich wurde die EU gegründet. Der größte Erfolg dieses Prozesses ist zweifelsohne, dass der Dauerkriegsschauplatz Europa endlich befriedet wurde. Ein Krieg zwischen den ehemaligen Erbfeinden Deutschland und Frankreich zum Beispiel ist heute unvorstellbar.
Die europäische Wirtschaft entwickelt sich im Westen und seit dem Fall des Eisernen Vorhangs auch im Osten ausgesprochen positiv. Nach Jahrzehnten der Planwirtschaft wäre Mecklenburg-Vorpommern ohne die EU nicht ansatzweise dort, wo wir heute gemeinsam sind, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die Infrastruktur und die ländliche Entwicklung wurden genau wie die Landwirtschaft aus Brüssel gefördert. Nach Abschluss der laufenden Förderperiode werden round about 10 Milliarden Euro in unser Land geflossen sein. Es gibt keinen einzigen seriösen Wirtschaftswissenschaftler, der bestreitet, dass der gemeinsame Markt und die gemeinsame Währung die deutsche Wirtschaft so stark gemacht haben, wie sie heute ist, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und zur Wahrheit gehört auch, nirgendwo auf der Welt sind so viele Menschen so umfangreich gegen soziale Risiken abgesichert wie in der Europäischen Union. 70 Jahre Frieden, Freiheit, Wohlstand und Solidarität haben die Grundlage dafür geschaffen, dass wir mit nur 7 Prozent der Weltbevölkerung 25 Prozent der Weltwirtschaftsleistung erwirtschaften, und, liebe Kolleginnen und Kollegen, 50 Prozent aller Sozialausgaben, der weltweiten Sozialausgaben bereitstellen. Das ist beeindruckend und das macht die Attraktivität der EU für uns Menschen in der ganzen Welt aus.
Das Europa von heute ist so erfolgreich, dass es für uns eine Selbstverständlichkeit geworden ist. Europa ist ein überaus wichtiger Teil des Lebens der Menschen, ein überaus wichtiger Teil unseres Alltags. Die letzte Befragung hat es gerade wieder zutage gefördert. Das Problem ist nur, dass es uns offensichtlich oftmals nicht bewusst ist. Das haben uns nicht zuletzt die Abstimmung über den Brexit und die Diskussionen nach der Abstimmung gezeigt. Vielleicht haben wir auch alle ein Stück verlernt, für Europa und seine Errungenschaften zu kämpfen. Es ist populär – das konnte man gerade erleben – und einfach, auf Europa zu schimpfen.
So manches liegt ja auch im Argen, das ist vollkommen ohne Zweifel so. Aber gerade darüber zu diskutieren und Veränderungen anzuschieben, das ist doch unsere gemeinsame Aufgabe. Und genauso müssen wir auch für unsere europäischen Werte, unseren gemeinsamen Wirtschaftsraum und unseren politischen Einfluss in der Welt werben und kämpfen. Jeder Deutsche, jede Bürgerin und jeder Bürger, der hier in Deutschland lebt, profitiert davon.
Deswegen kann ich es nur begrüßen und begrüßen wir es, wenn die Bundeskanzlerin und der französische Präsident angesichts der vielen Herausforderungen gemeinsam mit den anderen Mitgliedsstaaten Europas weiterdenken und es weiterentwickeln wollen. In diesem Prozess wird natürlich über Positionen und Lösungen debattiert und verhandelt. Deutschland ist sich in vielen Punkten mit seinen Partnern einig. Bei anderen hingegen gibt es unterschiedliche Auffassungen, aber das ist doch Bestandteil von Demokratie.
Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung stehen ganz konkrete Maßnahmen für ein Europa der Wettbewerbsfähigkeit und der Investitionen, ein Europa der Chancen und der Gerechtigkeit und ein Europa des Friedens und der globalen Verantwortung. So sollen zum Beispiel die Investitionskräfte in Europa dadurch gestärkt werden, dass Initiativen wie das Europäische Investitionsprogramm ausgebaut, Forschung, Entwicklung und Bildung besser gefördert werden als bisher und soziale Grundrechte, insbesondere das Prinzip des gleichen Lohns für gleiche Arbeit am gleichen Ort in der EU, in einem Sozi
alpakt gestärkt werden. Die Zusammenarbeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik soll im Rahmen der Pesco, also der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit, intensiviert werden.
Auch Präsident Macron hat ganz konkrete Vorschläge in seiner Rede an der Sorbonne vorgeschlagen. Nach seinen Vorstellungen muss sich Europa zum Beispiel in Sachen Verteidigung mit einer gemeinsamen Eingreiftruppe, einem gemeinsamen Verteidigungshaushalt und einer gemeinsamen Handlungsdoktrin ausstatten. Das ist ein schwieriges Thema, insbesondere für uns in Deutschland, dem ich aber persönlich das eine oder andere abgewinnen kann. Es soll eine neue Partnerschaft mit Afrika aufgebaut werden, die auf Bildung, Gesundheit und dem Energiewandel basiert. Ein Europa der Innovationen möchte Macron mit einer Agentur für bahnbrechende Innovationen ausstatten, durch die neue oder noch unerforschte Forschungsbereiche wie die künstliche Intelligenz gemeinsam finanziert werden. Da sind viele Ideen dabei, mit denen Europa modernisiert und auch verbessert werden kann und die alle Mitgliedstaaten mittragen können.
Darüber hinaus – das wissen Sie alle – hat Frankreich auch im Bereich der europäischen Finanz- und Währungspolitik sehr weitreichende Vorschläge gemacht. Da müssen wir uns nichts vormachen, innerhalb Europas liegen die Vorstellungen sehr weit auseinander. Deutschland findet hier mit seiner Haltung übrigens viel Unterstützung bei mittel- und nordeuropäischen Mitgliedsstaaten. Die Isolation Deutschlands in der EU ist und bleibt eine Mär. Deswegen bin ich zuversichtlich, dass sich die Bundeskanzlerin und der französische Präsident auch hier auf vernünftige Regelungen einigen werden.
Doch unabhängig von den konkreten Verhandlungsergebnissen sage ich als überzeugter Europäer, mein Europa, unser Europa gibt es nur mit der EU, nicht gegen die EU. Der Handelskonflikt mit den USA, die Hegemoniebestrebungen Chinas, die Bekämpfung des Terrors, die Kriege im Nahen Osten und Afrika, die Flüchtlingskrise, die wirtschaftlichen Herausforderungen in den südeuropäischen Staaten, die Erosion des Rechtsstaates in einigen osteuropäischen Staaten – all das sind Herausforderungen, Krisen und Probleme, die wir als Staaten der Europäischen Union nur gemeinsam lösen können, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Kleinstaaterei und Nationalismus sind eine Sackgasse. Weiter kommen wir nur im Verbund. Ich kann Ihnen jedenfalls sagen, Macron und Merkel haben meine, haben unsere volle Unterstützung.
Nun wird durch den Titel der Aktuellen Stunde, liebe Kollegen, deutlich, dass die AfD eine andere Vorstellung von Europa hat.
(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD – Vincent Kokert, CDU: Eben keine Vorstellung! – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)
Nun sind alternative Vorstellungen einer Demokratie eine Selbstverständlichkeit. Genauso selbstverständlich ist es aber, dass man sich mit diesen Vorstellungen auch kritisch auseinandersetzen kann. Das gilt für alle Partner. Das Problem ist nur, wir wissen so einigermaßen, was die AfD in Europa nicht will, aber niemand hier im Saal und im Land weiß so recht, was die AfD stattdessen will.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind große Anhänger von Herrn Putin, Herrn Orbán und Herrn Kaczyński.
Putins Russland beispielsweise greift europäische Nachkriegsordnungen an. Es marschiert in das eine oder andere Nachbarland ein, es lässt Oppositionelle in der Heimat im Ausland verfolgen, notfalls auch töten.
Deshalb die Frage an Sie: Ist vielleicht Putins Russland Ihr Vorbild für Europa? Oder nehmen wir Orbáns Ungarn,
in dem Presse und Opposition gegängelt werden und man sich bei Bedarf auch antisemitischer Töne bedient,
oder Kaczyńskis Polen, in dem der Rechtsstaat geschleift wird und europäische Verträge und Vereinbarungen ignoriert werden.
Wenn das so ist, wenn Sie eine Rückkehr des Nationalismus und Egoismus wollen, wenn Sie die Zersplitterung Europas und eine erneute Blockbildung wollen, dann seien Sie ehrlich und bekennen Sie sich zu Ihren Vorstellungen!
Dann können Sie gerne den beleidigten Nigel Farage spielen, der sich seine plumpe Anti-EU-Politik auch noch von eben jener EU finanzieren lässt, aber erwarten Sie bitte nicht, von irgendjemandem als ansatzweise ernsthafter Verhandlungspartner wahrgenommen zu werden! Wenn Sie sich jedoch konstruktiv mit einer Fülle von Ideen einbringen wollen, dann darf ich Sie ermutigen, sie kommen genau zur rechten Zeit. Gerade ist in den Mit
Der europaweite Bürgerdialog ist Teil der großen politischen Debatte, die über Europa geführt wird. Sie alle, wir alle sind dazu herzlich eingeladen.
Parallel zu den Dialogen in den EU-Mitgliedsstaaten lädt auch die Europäische Kommission direkt zum Onlinedialog ein. Dort können Sie Kritik äußern, Vorschläge unterbreiten, Anregungen geben und sich so in den Reformprozess, der ohne Zweifel notwendig ist, für die EU einbringen. Wie sagte Ihr Fraktionsvorsitzender vor Kurzem zu den Landratswahlen noch gleich? Wer nicht wählen geht, hat auch keinen Grund zu meckern. Das sehe ich auch so.
Auf Europa bezogen heißt das aber für mich, wer sich nicht einbringt, braucht dazu auch keine Aktuelle Stunde zu beantragen.
Es liegt an Ihnen. Beteiligen Sie sich ernsthaft und konstruktiv oder geben Sie sich der Lächerlichkeit preis und machen Sie sich zum Lakaien von Putin!
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Europäische Union ist ein Erfolgsmodell für unseren einst kriegerischen Kontinent. Wir müssen zwar noch viele ökonomische und soziale Probleme lösen, ohne Zweifel, aber noch nie ging es den Menschen in Europa und insbesondere in Deutschland so gut wie heute.