Protocol of the Session on April 26, 2018

(Peter Ritter, DIE LINKE: Rückenwind- antrag. So viel Zeit muss sein.)

Das Parlament soll dem Finanzminister Rückenwind geben,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Aufpassen, dass wir ihn nicht so vollpusten!)

damit er sich beim Bund

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

für eine Weiterentwicklung der vereinfachten Steuerklärung für Rentnerinnen und Rentner einsetzt. Ich frage mich auch nach der bisherigen Debatte allerdings, ob es dieses Antrages tatsächlich bedarf. Denn wo ist eigentlich das Problem? Ich war bisher davon ausgegangen,

dass der Finanzminister längst aktiv ist und sich der Aufgabe schon angenommen hat. Das hat er hier selber ausgeführt, was bisher getan worden ist

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das macht nichts.)

und was in Zukunft noch zu leisten ist.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Es muss trotzdem gepustet werden.)

Aber gut, der Antrag schadet nicht.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wind unters Höschen machen.)

Die Koalition kann sich und ihren Finanzminister hier frenetisch feiern.

(Torsten Renz, CDU: Nein, frenetisch nicht.)

Sei es drum!

(Zuruf von Bernhard Wildt, BMV)

Das Amtsveranlagungsverfahren für Rentnerinnen und Rentner, wie es seit Mai 2017 in Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt werden kann, ist ja wirklich ein Schritt in die richtige Richtung, und das haben wir auch im vergangenen Jahr so öffentlich erklärt, genauso wie der Bund der Steuerzahler.

Ich erinnere auch daran, dass es natürlich zu Beginn des neuen Verfahrens noch einige offene Fragen gab. Der Kollege Gundlack ist darauf eingegangen. Die Fragen wurden zum großen Teil beantwortet

(Peter Ritter, DIE LINKE: Echt?)

und ich will hier deshalb nicht wiederholen.

(Torsten Renz, CDU: Sehr gut!)

Ein wenig Kritik bleibt und das hat ja scheinbar auch die Koalition erkannt. Das Verfahren ist in der derzeitigen Form noch nicht so ganz ausgereift. Es gibt viele Kosten und Aufwendungen, die Rentnerinnen und Rentner haben und die sich durchaus steuermindernd auswirken könnten. Spenden, Krankheitskosten, haushaltsnahe Dienstleistungen, Versicherungen und so weiter

(Torsten Renz, CDU: Das haben wir aber nicht gesagt. Das ist auch eindeutig festgeschrieben.)

können in diesem vereinfachten Verfahren nicht einfach geltend gemacht werden.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Wenn nun Rentnerinnen und Rentner, die derartige Aufwendungen hatten, den Aufwand einer normalen Steuererklärung scheuen – und das ist ja vielfach so – oder aus Unwissenheit der Steuerminderungsmöglichkeiten keine normale Steuererklärung abgeben, zahlen sie natürlich aufgrund dieses vereinfachten Verfahrens möglicherweise zu viele Steuern. Das ist problematisch, ja, und

das ist auch ungerecht. Es sollte eben nicht sein, dass Rentnerinnen und Rentner durch dieses vereinfachte Verfahren Jahr um Jahr mitunter zu viele Steuern zahlen, weil sie automatisch veranlagt werden, und umsatzsteuerstarke Betriebe eben nur alle Jubeljahre eine Betriebsprüfung haben. Also darin sehen wir schon eine Ungerechtigkeit und die muss natürlich irgendwie behoben werden oder zumindest muss das Risiko hier verringert werden.

Wie gesagt, das Verfahren ist noch nicht ganz ausgereift. Dennoch werden wir natürlich diesem Antrag der Koalition zustimmen, auch wenn es sich mal wieder nur um einen Schaufensterantrag handelt. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Torsten Renz, CDU: Rückenwindantrag! Ich denke, Rückenwindantrag?!)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der BMV der Fraktionsvorsitzende Herr Wildt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Mitbürger! Die Fraktion der Bürger für Mecklenburg-Vorpommern lehnt den vorliegenden Antrag ab.

Herr Minister Brodkorb, ich möchte das insofern noch etwas relativieren. Sie haben angekündigt, dass es eine sehr gute Broschüre geben soll, in der der Vorsitzende der Steuerberaterkammer und auch der Spitzenverband der Lohnsteuerhilferinge das also genau noch mal erläutern und genau erklären, wie das Verfahren wäre. Sollte es tatsächlich zu einem Vorliegen dieser Broschüre kommen, dann würden wir unsere Meinung ändern. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass die intensiven Beratungen dazu führen werden, dass man das Verfahren wieder verwirft. Und das möchte ich auch gerne mal genauer erklären, denn man muss verschiedene Gruppen von Rentnern unterscheiden.

Zum einen gibt es diejenigen, die nur über Renteneinkommen verfügen und damit zwar über den Grundfreibetrag kommen, aber schon durch die Berücksichtigung der Krankenkassenbeiträge oder auch durch andere jährlich wiederkehrende Aufwendungen, zum Beispiel Haftpflichtversicherungen, keine Einkommensteuern zahlen müssen. Es entstehen dann sogenannte Nullerbescheide. Diese Rentner können sich schon heute von der Pflicht zur jährlichen Abgabe einer Steuererklärung befreien lassen. Sie verpflichten sich im Fall der Änderung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse, zum Beispiel aufgrund von Miet- oder Zinserträgen aus einer Erbschaft, wieder eine Steuererklärung abzugeben. Solange sich aber nichts ändert, schreibt das Finanzamt diese Rentnerinnen und Rentner nicht mehr an. Das ist also das sauberste und einfachste Verfahren. Wenn man diesen ganz einfachen Standardfall hat, von dem hier immer die Rede ist, dann fallen die sowieso komplett raus und brauchen sich darum gar nicht mehr zu kümmern. Es gibt also schon eine einfache Lösung, die noch einfacher ist als die Amtsveranlagung.

Sollte jedoch der andere Fall eintreffen und es gemäß Steuerbescheid zu einer Steuernachzahlungspflicht für die Rentnerinnen und Rentner kommen, sieht die Lage ganz anders aus. Frau Rösler hat darauf auch schon hingewiesen und auch Herr Hersel, wobei da alles ein

bisschen verworren war, jedenfalls für mich. Ich möchte es noch mal ganz deutlich sagen: In diesem Fall kann es zu Nachteilen für die Steuerpflichtigen kommen, da unter Umständen wesentliche Aufwendungen nicht berücksichtigt wurden. Und das ist eben nicht so einfach zu erkennen für den Rentner, ist das jetzt eine wesentliche Aufwendung oder nicht, muss ich das schon im Vorfeld unterscheiden, ob ich an diesem Verfahren teilnehmen möchte oder nicht. Das sind zum Beispiel exemplarisch bei den Sonderausgaben private Krankenversicherungen, private Haftpflichtversicherungen, Haftpflichtversicherungen von Kfz, Wohnwagenanhängern oder auch Tieren, Unfallversicherungen, dann natürlich der im Alter leider oft sehr hohe Posten der außergewöhnlichen Belastungen durch Krankheitskosten, der wird ebenfalls in der Amtsveranlagung nicht berücksichtigt. Gerade Fahrten zum Arzt, Zahnarztrechnungen, Brillen, Hörgeräte, weitere Hilfsmittel spielen im Alter eine größere Rolle.

Im vorliegenden Antrag beschäftigen Sie sich aber nicht mit diesen großen Positionen, sondern Sie beabsichtigen nur, die Spenden und die haushaltsnahen Dienstleistungen mit einzubeziehen. Zu den Spenden: Schon jetzt können dem Spendenempfänger die Identifikationsnummern der Spender mitgeteilt werden und diese Daten werden damit auch zum Datenabruf bereitgestellt. Das geht jetzt schon. Aber eine große, gerade bei den Rentnern, eine große Anzahl von Kleinstspenden, einmaligen Spenden, Überweisungen wird nicht erfasst, da nur wenige dauernd ihre Identifikationsnummer angeben. Und bei den haushaltsnahen Dienstleistungen wären dann die Handwerkerrechnungen mit Kontoauszug als Nachweis für die bargeldlose Zahlung beizufügen, zum Beispiel für Schornsteinfeger, Heizungswartung, Teppichverlegung, Fensterputzen, Malerarbeiten, Haushaltshilfen, die Nebenkostenabrechnung der Mietwohnungen und so weiter, und so weiter.

Das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen zu Paragraf 35a EStG – Haushaltsnahe Dienstleistungen – hat 35 Seiten. 35 Seiten! Und das müssen also die Rentner im Vorfeld schon analysieren, ob sie das alles mit abgeben wollen oder nicht. Das von Ihnen gewünschte Vorgehen könnte dann ja nur so aussehen, dass zusammen mit dem Antrag zur Amtsveranlagung künftig diese Belege eingereicht werden, und das hat Herr Minister ja auch eben so ausgeführt. Die kämen also stapelweise im Finanzamt an und der Sachbearbeiter beim Finanzamt müsste die Eintragung in die Steuererklärung vornehmen. Inwieweit das überhaupt noch mit dem Steuerberatungsgesetz vereinbar wäre, ist aus meiner Sicht sehr zweifelhaft.

Und wie wäre es bei bestehenden Wahlmöglichkeiten, etwa bezüglich Einzel- oder Zusammenveranlagung? Soll das Finanzamt auch noch beraten? Dann wäre ja endgültig der Rahmen gesprengt und die chaotische Vermischung von Finanzämtern und Steuerberatern wäre perfekt.

Die ganz großen Probleme fangen an, wenn der Steuerbescheid mit einer Nachzahlung vorliegt. In diesem Fall haben die Steuerpflichtigen nur vier Wochen Zeit, einen Einspruch schriftlich einzulegen. Danach ist ein Steuerbescheid rechtskräftig und kann nicht mehr geändert werden. Viele Steuerpflichtige sind meist damit überfordert zu erkennen, was noch steuermindernd berücksichtigt werden kann, und können daher ihren Widerspruch

alleine gegen diesen Bescheid nicht begründen. Wenn Sie aber vorher keine Steuerberatung, keinen Lohnsteuerhilfering in Anspruch genommen haben, müssen sie innerhalb dieser vier Wochen reagieren. Wenn sie zufällig noch im Krankenhaus sind oder im Urlaub, wird diese Frist auch noch ablaufen.

Den Fall der eventuell zu viel einbehaltenen Kapitalertragsteuer möchte ich wenigstens auch noch nennen, denn die dafür erforderlichen Angaben liegen dem Finanzamt auch nicht automatisch vor. Es könnte also zu einer Steuererstattung kommen, die aufgrund einer versäumten Angabe dann unterbleibt.

Jedes Steuerjahr kann unterschiedlich ausfallen und die Auswirkungen können finanziell große Nachteile für Rentnerinnen und Rentner mit sich bringen. Ich bezweifele daher, dass das Amtsveranlagungsverfahren ein großer Erfolg werden wird, denn die Nachteile überwiegen aus meiner Sicht. Die Probleme mit unzufriedenen Rentnerinnen und Rentnern werden auftauchen, sobald die Nachzahlungsbescheide kommen. Bisher liegen ja erst 722 Anträge vor. Meines Wissens wurden erst im Februar 2018 25.000 Rentner angeschrieben. Daraus können überhaupt noch gar keine Bescheide erlassen worden sein und vorliegen. Also da bitte erst mal in Ruhe auswerten! Ansonsten gilt wie immer, Schuster bleib bei deinen Leisten, die einen machen die Steuerberatung und die anderen sind eben die Finanzämter, die die Steuern eintreiben. Das Amtsveranlagungsverfahren ist nur eine Vereinfachung in den Fällen, die schon bisher noch einfacher zu lösen sind. Für alle Fälle mit entstehender Steuernachzahlung ist es dagegen nicht gut geeignet.

So, und dann kommt natürlich immer noch der gute, konstruktive Vorschlag von meiner Seite. Wie kann man den Rentnern denn tatsächlich helfen?

(Torsten Renz, CDU: Ja.)

Und da bitte ich darum, darüber nachzudenken und Initiativen zu ergreifen, die Freibeträge und die Sonderausgabenpauschalen zu erhöhen und insbesondere Pauschalen für Krankheitskosten, denn die werden mit zunehmendem Alter immer höher. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der BMV – Christel Weißig, BMV: Das stimmt.)

Ums Wort gebeten hat noch einmal für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Gundlack.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!

Ja, wir wollen heute mal ein bisschen parlamentarischen Wind geben, nicht nur Wind, sondern parlamentarischen Wind, Frau Rösler.

(Jeannine Rösler, DIE LINKE: Rückenwind.)

Da haben Sie durchaus recht.