Protocol of the Session on April 26, 2018

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Abgeordnete! Die Aussprache ist aus meiner Sicht wesentlich geprägt davon, dass wir hier, wie so häufig, eine erhebliche Begriffsverwirrung erlebt haben.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

Wer Begriffe nicht präzise gebraucht, kommt auch nicht zu richtigen Denkergebnissen.

(Thomas Krüger, SPD: Aha! Aber gut, dass wir Sie haben! – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Der wesentliche Irrtum liegt darin, dass hier generell Europa, dieser wunderbare Kontinent, mit der EU gleichgestellt wird.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Thomas Krüger, SPD: Nee, hat keiner gemacht.)

Die Ministerpräsidentin hat am Ende ihrer Rede in besonderer Weise auf die Gedanken der europäischen Friedensordnung hingewiesen und zum Ausdruck gebracht, dass gerade ihre Generation davon profitiert und es nicht anders kennt, als dass man hier in Frieden lebt.

Als der Krieg zu Ende ging, war ich drei Jahre alt. Ich war kürzlich im alten Ostpreußen am Haff, südlich von Königsberg, und habe den Ort aufgesucht, wo mein Vater gefallen ist. Meine Mutter musste nach dem Krieg alleinstehend mich zunächst großziehen. Gehen Sie mal davon aus, dass gerade meine Generation die Erfahrungen des Krieges und die Sehnsucht nach Frieden gewissermaßen mit der Muttermilch aufgesogen hat.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Darin muss mich keiner belehren, da brauchen wir auch keine Ratschläge.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Doch, die brauchen Sie schon.)

Ich denke mal, wenn wir das jetzt nüchtern betrachten, dann glaube ich, dass in dem Punkt auch eine ganz große Einigkeit hier besteht.

(Vincent Kokert, CDU: Das hörte sich aber anders an, Herr Förster! Das werden Sie uns nachsehen, ne? – Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Hier wird nicht, wie es früher mal war, über Krieg und Frieden diskutiert.

(Thomas Krüger, SPD: Doch, doch! – Vincent Kokert, CDU: Doch, selbstverständlich! – Dr. Ralph Weber, AfD: Welchen Krieg wollen Sie denn führen?)

Hier ist in dem Punkt – davon gehe ich jedenfalls gutgläubig aus – eigentlich eine große Übereinstimmung. Aber wenn wir dieses Europa als Friedensordnung ansehen – und ich stehe auch vollkommen dahinter und versuche jedenfalls, mich in die Gedanken derer zu versetzen, die nach dem Krieg gerade aus den Erfahrungen des Krieges diese Vision von Europa hatten –, dann stelle ich jetzt ganz einfach die Frage, ob wir uns nicht schon längst davon abgewandt haben. Denn wie wollen Sie erklären, dass die Türkei immer noch auf der Agenda steht, der EU beizutreten? Ich habe es jetzt nicht wörtlich, aber ich weiß, dass Helmut Schmidt sich ganz eindeutig dagegen ausgesprochen und das für ziemlich verrückt erklärt hat. Sie können es auch präzise machen: Wenn Sie dieses Europa als Friedensordnung haben wollen, dann doch nicht einfach nur so aus der Situation heraus, sondern gerade aufgrund der Erfahrung des Krieges, aufgrund der kulturellen und historischen Einheit dieses Kontinents.

(Thomas Krüger, SPD: Worüber reden Sie jetzt?)

Dann kommt plötzlich die EU dazu, jedenfalls soll die Türkei dazukommen, sie steht immerhin noch auf der Agenda, und dann käme ein Land dazu mit schon seit Jahrzehnten absolut etlichen Brennpunkten an seinen Grenzen, die Sie sich in die EU reinholen wollen. Soviel zur EU-Friedensordnung!

Da kommt einem doch der Gedanke, dass man im Grunde die alten guten Vorsätze längst aufgegeben hat und auf dem Weg eines neuen Blocks ist, wo vielleicht Macht und Machtsphären, Einflusssphären mitbestimmend sind. Wir haben es bis heute nicht geschafft, diese Vision zu konkretisieren auf diesem wunderbaren Kontinent.

Apropos Bündnisse und Friedenspolitik – wir haben gerade erlebt, dass Bündnisgenossen einen zweifelsfrei völkerrechtswidrigen Angriff in Syrien praktiziert haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Da hört die Friedenssehnsucht aber meines Erachtens auf, wenn man das zumindest – man macht zwar nicht mit, das ist schon mal gut – verbal unterstützt als ange

messen und gut. Da sehen Sie doch, dass der Alltag zum Teil aufgefressen wird, weil rundum auch hier Politik immer mehr Einfluss gewinnt.

Jetzt noch mal auf den Kernpunkt: Europa und die EU sind nicht dasselbe. Ich finde es einfach unerträglich, wenn Kritik an der EU – und das habe ich auch in den Worten der Ministerpräsidentin am Ende gehört –, wenn Kritik an der EU, und sei sie auch hier und da massiv, als Feindschaft gegenüber einer europäischen Einigung ausgelegt wird. Nehmen Sie einfach zur Kenntnis, dass man es auch hier und da verletzend empfindet oder als verletzend empfinden darf, wenn damit dieses ganze übliche Vokabular einhergeht von Hass und Spaltung und allem, was dazugehört! Sind denn die Länder, die nicht in der EU sind – dazu gehört die Schweiz, dazu gehört Norwegen und auch Großbritannien demnächst –, sind die denn alle Europäer zweiten Grades? Sind das alles kriegslüsterne, europafeindliche Gestalten? Nein, das sind Europäer. Wenn Sie es genau nehmen, den Brexit hat unsere Kanzlerin wesentlich mit verursacht,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

denn sie hat mit ihrer Migrationspolitik, die in anderen Ländern nicht gutgeheißen wird, mindestens diese zwei Prozent geliefert, die für den Brexit erforderlich waren.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Das ist hoch spekulativ, was Sie jetzt erzählen.)

Ich wollte mit der Migration gar nicht anfangen, irgendwer anders hat damit angefangen. Es ist doch schrecklich einfach. Wir machen die Tore auf – das hat übrigens Stoiber kürzlich in einer Talkshow wunderbar und vehement dargelegt –, wir machen die Tore auf, wir holen die Leute hier rein, ungefragt, nicht mal das deutsche Parlament wurde gefragt, ohne Absprache mit Europa und hinterher verlangen wir von den anderen, dass sie die Zeche bezahlen, die hier und da andere Einstellungen zu ihrer Identität haben. Das ist alles nicht so richtig ehrlich.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Sehr wahr.)

Nochmals: Dieses übliche Vokabular, Europa und die Idee Europas war nicht, dass die Nationalstaaten völlig aufgegeben werden.

(Thomas Krüger, SPD: Wer will denn das? – Zuruf von Stephan J. Reuken, AfD)

Da komme ich genau zurück auf die ungenaue Wahl der Begriffe. Ich habe es noch fast wörtlich in Erinnerung, dass Sie eben davon sprachen, wer zurück will zur Nation. Zwei Sätze später war das.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Zuerst haben Sie gesagt, zurück zur Nation. Das höre ich häufig hier, auch von Herrn Heydorn habe ich das schon gehört, und zwei Sätze später wird aus diesem Bestehen auf Nation ein überzogener Zynismus gemacht. Dann hörte ich, es war zwei Sätze später, wenn man „first nations“ sagt, ist das verwerflich. Ich gebe Ihnen vollkommen recht, nur, das, was jetzt auf der anderen Seite des Atlantiks stattfindet, findet kaum einer hier gut. Aber noch ist Europa, sind die Staaten Europas als Nationalstaaten verfasst, und das sind wir auch. Ich sehe auch

nicht, wie sich das vollkommen ändern sollte. Ich glaube nicht, dass die Deutschen oder die anderen Europäer das wollen.

(Thomas Krüger, SPD: Sie widersprechen sich. Sie widersprechen sich.)

Es geht nur darum, wie viel Souveränität man abgibt. Aber Sie tun so in Ihren Reden, dass derjenige, der am Nationalstaat festhält, gleich europafeindlich ist, dass der von gestern ist, dass der rückwärtsgewandt ist. Das sind die üblichen Vokabeln.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ich sage Ihnen, es fängt ganz unten an. So, wie wir die Kommune nicht abschaffen, so, wie wir in Deutschland verschiedene Länder haben, föderal verfasst, hat sich alles bewährt, so wird es auch immer die Nationen geben. Bei dieser kulturellen Vielfalt in Europa sind die auch am besten, soweit sie ihre Dinge erledigen können, eigenständig verfasst als Nationalstaaten. Man kann nicht blind die größere Einheit wollen und die Bausteine, die Europa zusammenführen und Europa ausmachen, mit Verachtung strafen. Da sind wir Deutschen ja ganz groß auf diesem Gebiet.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Sich zur eigenen Nation zu bekennen, Sprache, Kultur, Geschichte, alles, was dazugehört, und die eigene Identität zu bejahen und sich dazu auch zu bekennen, ist doch nicht zwangsläufig irgendwas, was europafeindlich ist. Das versuchen Sie ständig zu vermitteln. Das hat auch die Ministerpräsidentin am Schluss Ihrer Rede gesagt, diese Worte. Das ist dann gedanklich so die Kette: Wer gegen die EU ist, der ist gegen den Frieden, wer gegen den Frieden ist, der ist dann jemand, der Hass will oder Hass predigt.

Das ist einfach verwerflich, so zu diskutieren und damit umzugehen.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Es wird so oft davon gesprochen, wir sollten die Spaltung vermeiden. Vielleicht denken Sie mal darüber nach, dass das auch zur Spaltung beiträgt,

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

denn es gibt doch viele Gründe, warum Menschen EUkritisch sind.

Ich will Ihnen ein ganz einfaches Beispiel nennen. Ich habe gerade mitbekommen, dass die EU regelt, wie die Pommes frittiert werden sollen. Ja, da fragt man sich doch wirklich, ob das Subsidiaritätsprinzip noch gewahrt bleibt. Die EU-Datenschutzverordnung hat uns auch gezeigt, wie die Bürokratie jetzt im letzten kleinen Fußballverein auf dem Dorf wirkt. Es gibt viele Dinge, wo man sich wirklich an den Kopf fasst – bei aller Leidenschaft für Europa – und sagt, warum können das die Nationalstaaten nicht selbst machen. Der Punkt ist doch der – und nur das ist zukunftsträchtig –, dass jedes Land das, was es selbst erledigen kann, auch selbst macht.

Ich sage es noch mal, auf den Punkt gebracht: Die EU regelt, wie die Pommes frittiert werden, aber da, wo es

auf die EU ankäme, an der Außengrenze, da versagt sie komplett: Das ist doch das Problem.

Also ich komme zum Ende.

(Andreas Butzki, SPD: Besser ist es.)