Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir reden heute über „Lebensmittelverpackungen reduzieren“. Ein bisschen absurd ist es schon: Wir reden über ein Gesetz, das zum 01.01. vom Bund beschlossen wurde, was zum 01.01.2019 in Kraft treten soll, und unterstützen jetzt mit diesem Antrag sozusagen die Kritik, die die LINKEN im Bundestag schon geübt haben.
Der Kern der Kritik der Bundes-LINKEN ist, dass die Gewinnsteigerung privater Konzerne zulasten der Umwelt und der Kommunen geht.
Das ist die Quintessenz dessen, was die Kritik bei Ihnen ist. Das wird untermauert mit hinzugezogenen Fachleuten, die das Gesetzgebungsverfahren kritisch begleitet haben. Was Sie aber ausblenden, ist, dass es durchaus auch eine positive Begleitung des Gesetzesvorhabens gegeben hat.
Da will ich Ihnen nur sagen, dass beispielsweise der Deutsche Handelsverband den Gesetzentwurf für geeignet hält, die deutsche Vorreiterrolle im dualen Wertstoffsinne auszubauen. Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft sieht die Erhöhung der Recyclingquote als auch die Einführung der Zentralen Stelle als Fortschritt. Von dieser grundsätzlichen Zustimmung, die im Bundestag gegeben worden ist, ist in diesem Antrag nichts zu lesen. Deshalb sage ich, dass die Darstellung, die Sie hier mit diesem Antrag suggerieren, sehr einseitig ist. Deswegen ist es meines Erachtens lächerlich, auf Basis dieses Antrages den Bund aufzufordern, ich zitiere, „darauf hinzuwirken, das duale System mehr ökologisch auszurichten“.
Sie zitieren in dem vorliegenden Antrag Zahlen. Die sind auch alle richtig wiedergegeben, die Zahlen kann man auf der Internetseite des Umweltbundesamtes einsehen, das ist alles so korrekt wiedergegeben. In der Zeitreihe seit 1991 schwankt der Verpackungsverbrauch um circa 15 Millionen Tonnen. Das hat verschiedene Ursachen:
Zum Beispiel steigt der Wert der Einpersonenhaushalte in Deutschland und damit werden kleinere Fallgrößen gekauft – ganz normal.
Sie nehmen das aus der Datenreihe von 24 Beobachtungszeitpunkten und nehmen zwei heraus, um Ihr Anliegen zu untermalen, nämlich von 2015 und 2009. Das ist schon eine – na ja, wie soll man das sagen – abenteuerliche Vorgehensweise. Der niedrige Wert aus dem Jahre 2009 hängt mit der Rezession zusammen. Sie vermitteln aber den Eindruck, als sei der Anstieg mit den laxeren Verpackungsgesetzbestimmungen zu erklären.
Ich glaube, der Antrag ist eher ein Schnellschuss. Ich bin mit Sicherheit bei Ihnen, wenn Sie sagen, dass ein Verpackungsgesetz auf verändertes Konsumverhalten reagieren muss. Dazu gehören natürlich – das haben wir schon gehört – Fast Food, die To-go-Gastronomie, dazu gehört der Versandhandel, der an Bedeutung gewinnt, und dazu gehört der Anstieg der Einpersonenhaushalte. Der 160-seitige Gesetzentwurf der Bundesregierung geht aber darauf sehr viel konkreter ein als dieser Antrag.
Ihrem Antrag fehlt auch eine solide Datengrundlage. Da meine ich nicht, was ich gerade zitiert habe, diese zwei Hilfszeitpunkte, die Sie herausgenommen haben,
damit meine ich das, was ich eingangs gesagt habe, dass das Verpackungsgesetz ja zum 01.01.2019 in Kraft treten soll. Ich frage mich, was für eine Glaskugel Sie haben, um vorauszusehen, wie sich das mit dem Verpackungsmüll ab 2019 in Zukunft auswirken soll. Lassen Sie uns doch lieber genau beobachten, wie es wirkt, wenn die alte Verpackungsordnung ausläuft.
Die Landesregierung bereitet sich aktuell auf die bundesgesetzliche Lage vor, das ist klar. Im Koalitionsvertrag beim Bund auf Seite 139 fortfolgend wird sich klar zur Weiterentwicklung der Produktverantwortung bekannt und lässt hinsichtlich eines Wertstoffgesetzes hoffen. Insofern kann ich nur sagen, dass das einfach zu dünn und zu einseitig ist und wir deswegen diesen Antrag ablehnen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine ganze Reihe von Erwiderungsanmerkungen sind durchaus berechtigt. Natürlich können wir uns alle selbst an die Nase fassen, unser eigenes Verhalten genauer betrachten und selber mehr Vorbild sein, das ist wahr. Ich nehme zum Beispiel keine Plastiktüten mehr. Ich habe immer einen Stoffbeutel in der Tasche.
Dass Sie, Herr Kollege de Jesus Fernandes, die Welt nicht retten wollen, sondern eher Ihren eigenen Hintern, das war uns vorher schon klar.
(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Heiterkeit und Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)
Dass das Land nichts tun kann, sondern nur aufpassen und erst mal abwarten muss, wie das Bundesgesetz funktioniert, das können wir so nicht erkennen. Zumindest Beratungsangebote und die Unterstützung auch der Verbraucherzentralen, die das ja schon machen, wären zumindest ein Teil, was das Land tun könnte.
Außerdem steht hier nicht drin, Herr Borschke, dass wir Lebensmittelverpackungen verhindern wollen, sondern da steht drin „reduzieren“. Sie können nicht in Abrede stellen, dass da Wildwuchs existiert und dass das auch in den letzten Jahren nicht besser geworden ist, eher schlimmer.
Das Verpackungsgesetz hat selbstverständlich positive Ansätze und auch meine Kolleginnen und Kollegen im Bundestag haben nicht alles verteufelt, Herr Waldmüller. Das ist einfach nicht richtig. Aber ich gebe zu, wir hätten uns lieber ein durchdachtes Wertstoffgesetz gewünscht, was jetzt sozusagen in Aussicht gestellt ist und worüber man nachdenkt. Wir haben aber schon so lange über die zu hohen Abfallmengen geredet, dass das auch hätte schon vorliegen können.
Schaut man sich nun die Debatten an – einige Stellungnahmen haben Sie ja erwähnt –, schaut man sich nun aber die Debatten und Stellungnahmen zu dem Verpackungsgesetz an, sieht man, dass dort sehr oft das Wort „Kompromiss“ auftaucht. Das ist dann immer ein Zeichen dafür, zumindest für uns, dass man das eigentliche Anliegen, das man mit dem Gesetz verfolgt hat, am Ende nicht ganz und manches Mal auch nicht annähernd erreicht. Beim Verpackungsgesetz, das ist unsere Auffassung, ist das definitiv der Fall.
Ziel war es ursprünglich, die ökologischen Anforderungen an die Verwertung von Verpackungsabfällen nach fast 20 Jahren deutlich anzuheben. Meine Fraktion ist der Meinung, dass das neue Verpackungsgesetz dem nicht ausreichend gerecht wird. Wir haben ein Gesetz, das das Problem nach unserer Auffassung erstens von der falschen Seite und zweitens auch nur halbherzig angeht. Es ist richtig, Deutschland steht in Sachen Recycling im europäischen Vergleich gut da. Wir recyceln zwei Drittel unseres Haushaltsmülls. Kunststoffverpackungen …
Ich muss noch mal meinen Hinweis wiederholen. Es gibt hier so viele Gespräche zwischen den Bänken, ich bin
mir nicht wirklich sicher, wer überhaupt noch zuhört, das will ich aber nicht bewerten. Wenn man Dauergespräche führen möchte, dann bitte draußen in der Lobby mit dem Hinweis, dass Sie trotzdem die Beschlussfähigkeit hier sicherstellen müssen.
Also noch mal: Es ist richtig, Deutschland steht in Sachen Recycling im Vorderfeld der Europäischen Union. Wir recyceln zwei Drittel unseres Haushaltsmülls, allerdings werden Kunststoffverpackungen nach wie vor nur zu einem Drittel recycelt. Der Rest wandert in die Verbrennungsanlagen oder wurde zum Beispiel – das hat der Kollege Borschke auch schon genannt – nach China oder in andere Länder der Dritten Welt verschifft. Pro Kopf fallen im Jahr 218 Kilogramm Haushaltsmüll an. Damit sind wir Europameister und liegen 20 Prozent über dem europäischen Durchschnitt. So betrachtet, ist der aktuelle Stand sicherlich keiner, für den wir uns auf die Schultern klopfen sollten.
Mit diesen Zahlen im Hinterkopf lassen Sie mich bitte einige Punkte zu dem Verpackungsgesetz anmerken: Im Antrag kritisieren wir das Fehlen konkreter gesetzlicher Vorgaben für Verpackungen. Es ist zum Beispiel nicht geregelt, ab wann ein Lebensmittel als überverpackt gilt. In Paragraf 4 sind die Anforderungen an Verpackungen geregelt. Darin heißt es, Verpackungsvolumen und -masse sind auf ein Mindestmaß zu begrenzen, die Umweltauswirkungen bei der Wiederverwertung sind auf ein Mindestmaß zu beschränken oder aber, gefährliche Stoffe, die bei der Beseitigung auftreten, sind auf ein Mindestmaß zu beschränken. Überall ist nur von Mindest- oder Höchstmaß die Rede, nirgendwo finden sich Angaben, was darunter letztlich zu verstehen ist. Die Regelungen sind faktisch ohne praktische Relevanz.
In Paragraf 5 sind Stoffbeschränkungen geregelt, also die Verwendung bestimmter Giftstoffe wie Blei, Kadmium oder Quecksilber. Da wird in Satz 1 festgestellt, dass diese verboten sind, und anschließend in vier Absätzen erklärt, wann dieses Verbot nicht gilt. Das weicht das Verbot erheblich auf und lässt das Gesetz inkonsequent werden. Unterm Strich fehlen konkrete Vorgaben, die in der Wirklichkeit Abfälle reduzieren.
Befürworter führen gerne an, dass die Quoten für die Verpackungen, die der Wiederverwendung und dem Recycling zugeführt werden sollen, deutlich erhöht wurden. Zunächst klingt das auch recht gut. So soll die Recyclingquote für Altglas bei 80 Prozent liegen und ab dem 1. Januar 2022 sogar auf 90 Prozent steigen. Nach Auskunft des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft liegen wir jetzt schon bei 90 Prozent. Da stellt man sich doch die Frage, was diese Regelung bringen soll.
Lassen Sie uns aber mal einen Blick auf den Kunststoffmüll werfen. Der stellt bekanntlich das größte Prob
lem dar. Die werkstoffliche Verwertung soll hier zunächst bei 65 Prozent liegen. In Anbetracht der Probleme, die diese Art von Abfall verursacht, ist diese Quote viel zu gering. Die Linksfraktion im Bundestag hatte 80 Prozent gefordert und ist damit gescheitert. Inwieweit die Quoten überhaupt funktionieren, muss sich ohnehin erst zeigen. In der Vergangenheit hat es da durchaus auch Manipulationen gegeben.
Besser wäre es gewesen, den Herstellern vorzuschreiben, eine gewisse Quote von recyceltem Material zu verwenden und recycelfähiges Material herzustellen beziehungsweise zu verwenden.
Einen deutlichen Rückschritt macht das Gesetz bei den Mehrwegquoten für Getränkeverpackungen. Zunächst sollte es sie gar nicht geben, dann wurde ein Vorschlag aus dem Umweltausschuss des Bundestages hinsichtlich rechtlicher Maßnahmen bei Nichterreichen einer 70-Prozent-Quote nach drei Jahren wieder gestrichen. Die Mehrwegquote ist damit nicht zwingend und hat nur empfehlenden Charakter. Es gibt keine ordnungspolitischen Maßnahmen. Faktisch ist der Gesetzgeber damit vor der Wirtschaft eingebrochen. Es bleibt ohne Konsequenzen, wenn Händler sich weigern, Mehrwegflaschen ins Programm aufzunehmen.
Gestolpert bin ich beim Lesen der Anhörungsprotokolle des Umweltausschusses des Bundestages über die Ausführungen des Herrn Falk vom deutschen Handelsverband. Er lobt in der Anhörung die neutrale Zentrale Stelle mit Register- und Kontrollfunktion. Von den 13 Mitgliedern des Kuratoriums sollen 8 der Gruppe der Hersteller und des Handels angehören. Damit kann die Wirtschaft in diesem Gremium die Interessen der anderen Gruppen stets überstimmen. De facto heißt das, die Kontrolle wird in die Hände der Wirtschaft gelegt. Würden Sie das als Neutralität interpretieren? Ich nicht. Diese Bedenken teilt übrigens auch das Bundeskartellamt.