Protocol of the Session on March 14, 2018

Gemäß Paragraf 70 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung entscheidet der Landtag ohne Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 7/1876 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall, damit ist die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 7/1876 mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und CDU – Neuen Anlauf zur dualen Berufsausbildung mit Abitur starten, auf Drucksache 7/1819. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/1890 vor.

Antrag der Fraktionen der SPD und CDU Neuen Anlauf zur dualen Berufsausbildung mit Abitur starten – Drucksache 7/1819 –

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 7/1890 –

Das Wort zur Begründung des Antrages hat

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Herr Butzki, glaub ich. Er steht jedenfalls auf.)

der Abgeordnete Butzki für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte jetzt gerne den SPD-CDU-Antrag zur dualen Berufsausbildung einbringen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na, dann los!)

Wir fordern mit diesem Antrag die Landesregierung auf, gemeinsam mit den Kammern und den Verbänden zu erörtern, ob die Wirtschaft doppelt qualifizierende Bildungsgänge mit Berufsabschluss und Abitur unterstützen beziehungsweise anbieten will, welche Ausbildungsbereiche sich dafür am besten eignen und regelmäßig über die Ergebnisse dieser Gespräche zu berichten. Damit reagieren wir auf die Fachkräftebedarfsentwicklung und auf unseren Koalitionsvertrag, Ziffer 247. Ich möchte gerne zitieren: „Die Koalitionspartner prüfen, inwieweit Berufsausbildungen mit Abitur sowie duale Studiengänge dazu beitragen können, den Stellenwert der dualen Berufsausbildung zu erhöhen.“ Vor allem wollen wir eine gerechtere Behandlung zwischen akademischer Ausbildung und dualer Ausbildung erreichen. Und vor allen Dingen soll der hohen Studienneigung eine attraktive Option angeboten werden. Mit einer soliden beruflichen Ausbildung und einem möglichen anschließenden Studi

um haben unsere Absolventen oder Azubis natürlich äußerst gute Perspektiven.

In unserem Land gab es bisher mehrere Schulversuche. Von 2001 bis 2005 führte die Integrierte Gesamtschule Neustrelitz mit der Beruflichen Schule MecklenburgStrelitz einen Schulversuch „Fachinformatiker mit Abitur“ durch.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Genau.)

Das wurde auch im Mitteilungsblatt 4/2001 dargestellt. Dort wurde gesagt, das ist bundesweit eine einzigartige Ausbildung.

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Diesen Schulversuch habe ich als Schulleiter maßgeblich mit vorbereitet, durchgeführt und ausgewertet. Zur Auswertung werde ich nachher noch einiges sagen.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Das gibts doch aber nicht mehr?!)

2005 bis 2009 führte die Steuerberaterkammer in Rostock mit der Beruflichen Schule Rostock einen Schulversuch „Steuerfachberater mit Abitur“ durch. Dieser Ausbildungsgang wurde bis 2016/2017 verstetigt.

Die großen Vorteile – da brauchen wir uns nichts vorzumachen – sind natürlich ohne Abstriche zwei komplette Ausbildungen für die Azubis, die alle Optionen für den späteren persönlichen Werdegang offenhalten. Nachteile gibt es auch. Ein Nachteil ist, die Ausbildungsbetriebe müssen über vier Jahre finanzieren. Das war ein großer Nachteil.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Der ist nie da und weiß anschließend alles besser.)

Während des Unterrichts stehen die Azubis nur wenig zur Verfügung, es ist ja mehr eine theoretische Ausbildung. Das ist natürlich auch ein Problem. Das Hauptproblem, was die Firmen gesehen haben und was eine Verstetigung eher schwierig macht, ist, dass nicht alle Auszubildende zu dem Ausbildungsbetrieb zurückkehren.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Dafür haben sie dann aber Abitur gemacht.)

Sie investieren vorher und dann steht ihnen die Welt offen. Das ist natürlich auch ein Problem. Derzeitige Probleme sind, dass zu wenige Angebote, sprich Branchen, zur Verfügung stehen, die duale Ausbildung auf wenige Standorte konzentriert ist – bei uns ist es in dem Fall Rostock – und die Schüler belastbar und leistungsstark sein müssen.

Die zukünftigen Perspektiven sind natürlich für die Schüler äußerst attraktiv. Das Handwerk ruft förmlich nach der Berufsausbildung mit Abitur. Das Handwerk braucht leistungsfähigen Nachwuchs, ich sage hier bloß das Stichwort „Digitalisierung“. Es fordert vom Bund auch eine Exzellenzinitiative, ähnlich, wie wir das bei den Hochschulen haben – eigentlich eine sehr gute Idee, das sollten wir auch intensiv weiterverfolgen. Gerade in dem MINT-Bereich, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik, gibt es den Fachkräftenachwuchsbe

darf. In den Berufen ist der Nachwuchs äußerst gefragt. Studienqualifizierende Abschlüsse werden immer mehr gefordert und man braucht natürlich für diese ganze Ausbildung auch motivierte Projektpartner.

Wie arbeiten andere Bundesländer? Es ist auch sehr spannend, das ein bisschen zu beobachten. In Sachsen gibt es DuBAS, das heißt „Duale Berufsausbildung mit Abitur Sachsen“. Da findet man zum Beispiel in Dresden den Fachinformatiker und IT-Systemelektroniker, in Leipzig die Metallberufe oder in Bautzen den Industriemechaniker. Die sächsischen Unternehmen haben klar erkannt, dass es einen Wettlauf um die besten Fachkräfte gibt, und den möchten sie natürlich im Land haben, fördern und dann auch fordern. Man hat dieses System DuBAS ab dem letzten Schuljahr zur Regelausbildung gemacht, und das ist ein großer Vorteil. Es existiert dort ebenfalls ein neues Modell „FOS.Plus“, die Kommunikation beruflicher Ausbildung mit Fachhochschulreife. Da gibt es eine breite Option der Berufe vom Augenoptiker bis zum Elektroniker, vom Fliesenleger bis zum KfzMechatroniker.

Es stellt sich die Frage: Was können wir für unser Bundesland entwickeln? Gegenüber Sachsen sind wir natürlich wirtschaftlich anders aufgestellt. Wir sind dünner besiedelt und haben weniger größere Städte. Aber auch bei uns stellt die Wirtschaft Anforderungen und ist eigentlich positiv den neuen Ausbildungswegen gegenüber aufgeschlossen. Auch in Mecklenburg-Vorpommern laufen wir auf einen Fachkräftemangel zu. Und wenn wir uns das anschauen: Die Digitalisierung ist das Entscheidende in den nächsten Jahren, dementsprechend brauchen wir natürlich qualifizierten Nachwuchs.

Wir sollten also nach praktikablen Wegen der dualen Ausbildung suchen. Das geht nur im Verbund mit den Kammern und Verbänden und natürlich auch mit den Gewerkschaften, Schulen und Schulträgern. Wenn wir so etwas entwickeln wollen, soll das auf mehrere Schulstandorte über das Land verteilt werden und Schulstandorte müssen dementsprechend entwickelt werden. Diese Ausbildungsgänge sollen auch verstetigt werden, sodass man auf Schülerschwankungen entsprechend reagieren kann.

Stimmen Sie unserem Antrag zu! Ich denke, er ist ein wichtiger Schritt bei den Ausbildungen in MecklenburgVorpommern. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Danke, Herr Abgeordneter.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann verfahren wir so. Ich eröffne die Aussprache.

Zunächst hat ums Wort gebeten die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, ich verrate Ihnen jetzt kein Geheimnis, wenn ich sage, dass dieser

Antrag, den mein geschätzter Kollege Herr Butzki gerade vorgetragen hat, bei mir offene Türen einrennt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das überrascht mich doch. – Marc Reinhardt, CDU: Oh, Herr Ritter ist überrascht!)

Es gibt nämlich gerade hier in Mecklenburg-Vorpommern gute Gründe, diesen Weg zu beschreiten. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass es auch eine aufdrängende Notwendigkeit ist, dass wir die Berufsausbildung in Mecklenburg-Vorpommern attraktiver machen.

(Marc Reinhardt, CDU: Jawohl!)

Es sind die Praktika, die der Arbeitsmarkt und die Unternehmen in unserem Land nachfragen. Wenn wir über den drohenden Fachkräftemangel sprechen, dann meint das in aller erster Linie eben nicht die Akademiker. Es geht also auf der einen Seite darum, das Angebot, aus dem die Wirtschaft in Zukunft schöpfen kann, zu vergrößern, gleichzeitig wollen wir, dass junge Menschen hier eine Perspektive haben, dass für sie die Schwelle zum Arbeitsmarkt möglichst niedrig ist. Entscheidend dafür ist, dass sie nach der Schule nicht falsch abbiegen.

Das Wirtschaftsmagazin „brand eins“ hatte im vergangenen September den Themenschwerpunkt „Lernen“. Darin findet sich die Aussage, ich zitiere: „Das Versprechen, je mehr formale Bildung, desto mehr Teilhabe – es stimmt schon lange nicht mehr.“ Und daneben ein Satz von Julian Nida-Rümelin, den ich seither gerne zitiere: „Die Tochter einer Germanistin, die als Goldschmiedin mit Meisterprüfung das Dreifache ihrer Mutter verdient, ist keine Bildungsabsteigerin.“ Zitatende. Was sagt uns das? Dass es darum geht, wie die verschiedenen Ausbildungswege bewertet werden. Wir müssen dahin kommen, dass Studium und Berufsausbildung in der gesellschaftlichen Wahrnehmung gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Dafür haben wir in der Schule einige Dinge neu justiert, unter anderem mit der verbindlichen Berufsorientierung neben der Studienorientierung, auch an Gymnasien.

Meine Damen und Herren, Herr Butzki hatte den Koalitionsvertrag bereits zitiert. Darin findet sich auch unser Auftrag wieder, den die Koalitionäre definiert haben. Das ist ganz klar der Auftrag an uns, die berufliche Bildung weiter zu stärken.

Zur Realität dieser Gedankenspiele gehört auch dies: Wir haben in den vergangenen Jahren bereits einzelne sogenannte doppelqualifizierende Bildungsgänge angeboten. Herr Butzki hat einiges skizziert. Ich möchte das an dieser Stelle nicht wiederholen.

(Marc Reinhardt, CDU: Danke.)

Ich möchte aber einfach zur Nüchternheit noch mal sagen, dass all diese Dinge, die wir ausprobiert haben, leider nicht den Erfolg herbeigeführt haben, den wir uns erhofft haben. Das muss man der Ehrlichkeit halber dazusagen. Denn vieles von dem, was hier schon skizziert worden ist, gibt es nicht mehr.

Jetzt könnte man sagen, wir stecken den Kopf in den Sand. Nein, das möchte ich nicht, weil ich das Ansinnen an sich richtig finde. Es sollte uns nicht demotivieren,

sondern ich glaube, es ist richtig, noch mal einen neuen Anlauf zu machen. Vielmehr zeigt es uns auch, dass wir, besonders, wenn es um die Stärkung der beruflichen Bildung geht, wirklich kreative Lösungen finden müssen, denn gerade unser Bundesland mit den kleinen und mittelständischen Unternehmen braucht diese Fachkräfte von morgen. Dazu gehört eben auch eine duale Berufsausbildung mit Abitur und diese wieder neu aufs Gleis zu schieben.

Von Sachsen haben wir bereits gehört. Auch das wird man sich genau anschauen müssen, wie Sachsen dort arbeitet. Ich möchte einfach nur noch mal für diese Landesregierung sagen, dass uns die berufliche Bildung, die berufliche Ausbildung sehr, sehr wichtig ist, dass wir da auch einen Schwerpunkt setzen müssen, dass wir rauskommen müssen aus dem Automatismus „Abitur gleich Studium“. Es gibt andere gute Möglichkeiten in der dualen Ausbildung, gerade hier in Mecklenburg-Vorpommern, seinen Weg zu machen. Insofern bitte ich Sie um Unterstützung dieses Antrages.

Ich möchte trotzdem eine ergänzende Empfehlung geben, weil wir einen Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE haben: Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir diesen Änderungsantrag in unsere Prüfung mit einbeziehen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Peter Ritter, DIE LINKE: Hm!)