Protocol of the Session on December 7, 2016

Und, meine Damen und Herren, ich konnte mich ja nicht richtig darauf vorbereiten – Frau Oldenburg ist gerade nicht da oder ich sehe sie nicht –, was DIE LINKE so sagt, aber ich hatte natürlich eine gewisse Vorstellung davon. Es ging ja insbesondere wieder darum, wie eigentlich der Unterschied zwischen dem Geringverdiener und dem Topverdiener ist, wo denn die soziale Schere am weitesten auseinandergeht. Der Unterschied zwischen einem Geringverdiener und dem Topverdiener, was den materiellen Wohlstand angeht, sagt aus meiner Sicht noch nichts darüber aus, ob es einem Geringverdiener in diesem Land gut geht oder nicht.

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

Die entscheidende Frage ist doch, Herr Ritter: Kann man auch als Geringverdiener in Mecklenburg-Vorpommern ein menschenwürdiges Leben führen?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Eben nicht! Fragen Sie doch mal die Menschen!)

Ich verwahre mich dagegen, dass Sie immer so tun, als wenn das speziell in Mecklenburg-Vorpommern nicht der Fall wäre und dies am Ende die Schuld der Großen Koalition in diesem Land ist.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Warum machen Sie das nicht? Es kommt ja noch nicht mal vor.)

Ich sage Ihnen, auch ein Geringverdiener hat den Zugang zum medizinischen System, auch die Kinder eines Geringverdieners haben die Chance auf einen Hochschulabschluss. Ich kann Ihnen nur sagen, wenn Sie das immer wieder in Abrede stellen, finde ich das schon ein Stück weit schäbig,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Jaja, ja.)

weil Sie bis heute jedes Beispiel, was das belegen könnte, schuldig geblieben sind.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Gucken wir uns doch mal die PISA-Studie an!)

Und, meine Damen und Herren, ich will überhaupt nicht verhehlen, dass natürlich viele Menschen, Bürgerinnen und Bürger in Mecklenburg-Vorpommern verunsichert sind, weil sie fürchten, dass ihr mühsam erarbeiteter Wohlstand verloren gehen könnte. Sie sind verunsichert, weil selbst kleine Betriebe zum Teil mit internationaler Konkurrenz zu kämpfen haben. Gerade im Osten Deutsch

lands sind die Menschen verunsichert, weil sie die permanenten Veränderungen langsam leid sind. Das kann ich bis zu einem gewissen Grade sogar nachvollziehen.

Viele Menschen haben die friedliche Revolution 1989 herbeigesehnt und das Maß an persönlicher Freiheit seither durchaus zu schätzen gelernt. Leider hielt das Leben in den dann folgenden Jahren nicht nur Positives bereit. Auch wenn die Städte, Dörfer und Straßen hübsch saniert wurden, so ging vor Ort viel an öffentlicher Infrastruktur nach und nach verloren: Schulen wurden geschlossen, auch Polizeistationen, Bahnhöfe, ärztliche Versorgung, Postämter und so weiter. Hinzu kamen die Umbrüche in den persönlichen Biografien, die oft mit vorübergehender Arbeitslosigkeit, zumindest aber mit einem Jobwechsel zu tun hatten. Die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern und gerade in den kleinen Dörfern haben die Veränderungen mit Skepsis, teilweise auch mit etwas Groll verfolgt. Mit Blick auf die öffentlichen Kassen haben die Menschen die Veränderungen dennoch meistens mit Verständnis begleitet.

Als dann im letzten Jahr viele Menschen aus anderen Ländern vor Krieg und Terror nach Deutschland geflohen sind, hat es gerade im Osten viele schlicht fassungslos gemacht, dass auf einmal Geld keine Rolle zu spielen schien, dass offenkundig Probleme seitens der Medien und auch der Politik einfach unter den Tisch gewischt wurden. Auch wenn das Problem deutlich differenzierter ist, ich kann den Ärger darüber nachvollziehen. Ein paar Dinge gehören an dieser Stelle doch geradegerückt: Es ist natürlich nicht so, als hätte Deutschland im letzten Jahr überraschend seine Grenzen geöffnet. Es mag den einen oder anderen vielleicht überraschen, aber im sogenannten Schengenraum existierten seit geraumer Zeit überhaupt keine Grenzen mehr. Deshalb sind im letzten Jahr auch nicht einfach die Grenzen geöffnet worden,

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es.)

vielmehr haben wir offene Grenzen nicht geschlossen, meine Damen und Herren. Dann stelle ich mir schon die Frage, wie man denn in Windeseile eine sichere Grenze zwischen Deutschland und Österreich hätte errichten sollen.

(Leif-Erik Holm, AfD: Mazedonien hat es auch gemacht.)

Die meisten hier im Parlament sind gelernte Ossis. Herr Kollege Holm, ich glaube, Sie auch. Davon, was eine sichere Grenze bedeutet, haben wir als gelernte Ostbürger doch eine gewisse Vorstellung. Deswegen bin ich auch nachsichtig, wenn der eine oder andere aus den alten Bundesländern glaubt, eine Grenze zwischen Deutschland und Österreich nach dem Vorbild der ehemaligen innerdeutschen Grenze sei vielleicht eine gute Idee gewesen. Zur Wahrheit gehört auch, dass Deutschland die zahlreichen Migrantinnen und Migranten nicht eingeladen hat. Vielmehr war es so, dass Österreich und auch Ungarn damals verzweifelt in Berlin angerufen haben und um Hilfe baten, weil sie selbst die große Zahl an Flüchtlingen nicht mehr bewältigen konnten. Dass Deutschland an der Stelle, übrigens als eines der wenigen europäischen Länder, richtigerweise großzügig agiert hat, war somit nicht nur ein Akt der Nächstenliebe, es war ein Akt gelebter innereuropäischer Solidarität.

(Zuruf von Leif-Erik Holm, AfD)

Dass man das in Budapest und auch in Wien heute nicht mehr wahrhaben will, weiß ich, aber es ist trotzdem die Wahrheit.

Eine letzte Bemerkung dazu: Wer wissen will, wer welche Meinung in Flüchtlingsfragen vertritt, der kann ja mal den einen oder anderen Bundespolitiker, auch der SPD, googeln und mit „Refugees Welcome“ in Verbindung bringen. Auf diese Weise bekommt man einen Eindruck davon, wer in Flüchtlingsfragen auch damals schon auf der Bremse stand und wer auf dem Gaspedal. Dazu passt auch, dass zahlreiche SPD-Mandatsträger inzwischen offen erklären, dass man beim Abschieben doch weniger hart vorgehen solle. Es werden öffentlich Tipps gegeben, wie das Asylrecht am besten unterlaufen werden kann.

Die Wahrheit ist, diese Koalition steht für Begrenzung von Migration im Rahmen einer europäischen Lösung. Das haben wir immer wieder parteiübergreifend zwischen CDU und SPD deutlich gemacht. Und wir stehen für die Sicherung der EU-Außengrenzen. Wofür der Koalitionspartner steht, werden wir im Bundestagswahlkampf sicherlich noch erleben. Trotzdem mache ich mir nichts vor, nicht umsonst sind die SPD, LINKE und auch meine Partei bei der Landtagswahl unter die Räder gekommen.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

Und, meine Damen und Herren, deswegen muss die Große Koalition in den kommenden Jahren natürlich alles dafür tun, um verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen. Denn auch wenn die wirtschaftliche Situation so gut ist wie lange nicht, der Vertrauensverlust ist mit Händen zu greifen.

Von diesem Vertrauensverlust haben natürlich auch Leute wie Sie, Herr Holm, profitiert. Unter großem Siegesgeheul sind Sie in den Landtag eingezogen, und ich stelle fest, das war es fast von Ihnen bislang. Seit über drei Monaten gehören Sie nun schon dem Landtag an – Sie haben ja der Regierung einen Fehlstart vorgeworfen, haben uns das Verschwenden von Steuermitteln vorgeworfen –, und in diesen drei Monaten, Herr Holm, haben Sie eher einen mäßigen Gesetzentwurf zustande gebracht,

(Zuruf von Leif-Erik Holm, AfD)

einen Antrag zum Rundfunkbeitrag, den ich mal eher als doppeltes Lottchen bezeichnen will, weil Sie den nur von woanders abgeschrieben haben. Dann haben Sie einen Antrag zum Krankenhaus in Wolgast eingebracht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das war es auch schon in drei Monaten. Solche Arbeitsverweigerung war ich von einer Opposition bisher noch nicht gewohnt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Die Fraktion der AfD hat aber in den letzten drei Monaten – ich kann das nicht bis auf den letzten Euro ausrechnen, Herr Manthei, korrigieren Sie mich nachher, wenn das nicht richtig war, Sie reden ja noch mal, habe ich gehört – 400.000 Euro für politische Arbeit erhalten.

(Zuruf von Enrico Komning, AfD)

Damit haben Sie die sogenannten drei Anträge vorgelegt. Inklusive formaler Angaben, Überschriften, Seitenzahlen, Datumsangaben und sogar Leerzeichen sind

das 14.500 Zeichen, ich habe nachgezählt. Rechnerisch sind das also ungefähr 27,50 Euro pro Zeichen. Was für eine grandiose Leistung für eine Oppositionspartei! Vielleicht fangen Sie mit der Fehlersuche erst mal bei Ihnen an!

Nun gut, bei den GRÜNEN hat es etwas gedauert, bis sie Tritt gefasst haben, das will ich natürlich auch der AfD zugestehen

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

und dann hoffen, dass sie das gleiche Schicksal erleidet wie die GRÜNEN, meine Damen und Herren. Immerhin wissen wir jetzt eins: Im Wahlkampf hat die AfD eine große Bugwelle vor sich hergeschoben, als sei sie ein kräftiger und mächtiger Ozeanriese. Im Augenblick erinnern Sie mich mehr an ein Paddelboot, Herr Holm.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

Da müssen Sie schon noch ein bisschen was nachlegen, damit wir Sie hier auch tatsächlich ernst nehmen können.

(Jörg Heydorn, SPD: Aber ohne Paddel! Paddelboot ohne Paddel!)

Und wenn CDU und SPD weder im Bund noch im Land Liebesheiraten eingegangen sind, so lässt sich doch feststellen, dass die Zusammenarbeit mittlerweile gut klappt und dass Ergebnisse auch ermutigend sind. Ich habe zum Anfang meiner Rede darauf hingewiesen. In diesem Sinne habe ich mich besonders darüber gefreut, dass es kürzlich gelungen ist, eine gemeinsame Linie bei der Angleichung der Ostrenten zu finden, die nicht auf Kosten der arbeitenden Generationen geht. Auch wenn der eine oder andere in der SPD vielleicht noch ein bisschen quengelt, am Ende ist die Lösung, die jetzt auf dem Tisch liegt, eine gute Lösung.

(Thomas Krüger, SPD: Dazu gibt es auch andere Auffassungen.)

Die Rentnerinnen und Rentner im Osten bekommen auf Sicht die gleichen Renten wie im Westen, und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden nicht benachteiligt. Das war mal die Position der CDU und es ist gut, dass auch die Bundesministerin Nahles mittlerweile zur Vernunft gekommen ist.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Dann war der Ministerpräsident ja unvernünftig im Sommer.)

Deswegen bin ich auch guten Mutes, dass es CDU und SPD gelingen wird, weiterhin dafür zu arbeiten, dass sich unsere Heimat anständig entwickeln kann, und verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Wir werden auf diesem Weg gemeinschaftlich weitermachen. Das bedeutet zum Beispiel, dass anders als bisher Haushaltsüberschüsse nicht irgendwo im Finanzministerium entschieden werden, sondern dass nunmehr, politisch jedenfalls, sehr klar geregelt ist, wie mit Überschüssen zu verfahren ist. Leider hat auch DIE LINKE es in den letzten fünf Jahren versäumt, regelmäßig und frühzeitig darauf hinzuweisen und einfach mal etwas in die Diskussion zu bringen,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

wie man denn mit Überschüssen umgehen kann, Herr Ritter, auch wenn Sie darüber lachen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das haben wir in drei Haushaltsberatungen vorgeschlagen, in drei Haushaltsberatungen! – Zuruf von Jeannine Rösler, DIE LINKE)

Jetzt kommen Sie mit einem 50-Millionen-Euro-Regionalbudget und da frage ich Sie mal: Wie haben Sie sich denn eigentlich diese 50 Millionen ausgedacht? Haben Sie mit Dartpfeilen geworfen und gesagt, es sind 50 Millionen, oder wie haben Sie diese Zahl von 50 Millionen festgelegt? Und was ich bei Ihnen ja immer vermisse, Sie kritisieren zwar, dass wir zukünftige Gestaltungsspielräume aus Überschüssen speisen wollen, aber Ihre Antwort, Herr Ritter, ist immer: einfach Neuverschuldung.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist Quatsch! Quatsch! Das ist doch Quatsch! – Zuruf von Jeannine Rösler, DIE LINKE)

Das heißt also im Umkehrschluss: Haushaltspolitik der LINKEN heißt zurück in die Neuverschuldung. Das ist alter Wein in neuen Schläuchen, was Sie hier heute vorgetragen haben.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Was Sie erzählen! Was Sie erzählen!)

Machen Sie vernünftige Konzepte, dann nehmen wir Sie auch wieder ernst, meine Damen und Herren!