Protocol of the Session on November 16, 2017

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Entwicklungschancen nutzen – maritime Industrie unterstützen, Drucksache 7/1205.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Entwicklungschancen nutzen – maritime Industrie unterstützen – Drucksache 7/1205 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Foerster.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein altes Seefahrersprichwort sagt: Wenn der Wind der Veränderung weht, suchen manche im Hafen Schutz, während andere die Segel setzen. Meine Fraktion möchte heute zur Unterstützung der maritimen Industrie die Segel setzen, damit die Landesregierung mit einem vollen Frachtraum, einem gut gerüsteten Kapitän und einer loyalen Crew den sicheren Hafen verlassen kann, um den Wind der Veränderung für unser Land zu nutzen.

(Heiterkeit bei Jochen Schulte, SPD: Nicht jetzt schon lachen, Herr Kollege!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich dieses Bild übersetzen. Die maritime Industrie war, ist und bleibt eine industrielle Schlüsselbranche in unserem Land. Natürlich wissen wir alle, dass es in der Vergangenheit nicht nur Sonnentage gegeben hat. Ganz im Gegenteil, es gab sogar mehrfach Wolken, Schatten und zuweilen Finsternis. Die Pleite der P+S Werften ist ein Beispiel dafür. In der Branche weht aber ein permanenter Wind der Veränderung, so spielt Containerschiffbau an deutschen Standorten bereits keine Rolle mehr.

Die Reaktion der Landesregierung auf diese Entwicklung war unter anderem das Werftenförderungsgesetz, also der vermeintlich sichere Hafen. Dort wurde Schutz gesucht vor den tief greifenden und teils schmerzlichen Veränderungen, die bei Weitem nicht nur die Werften und Zulieferer in M-V oder Deutschland, sondern in ganz Europa betrafen. Doch wie beim Wetter, wo auf jeden Regen wieder Sonnenschein folgt, stellten sich zwischenzeitlich auch wieder positive Meldungen ein, und die halten bis heute an.

Die MEYER WERFT hat neue Aufträge für Flusskreuzfahrtschiffe im Orderbuch und ist bis 2024 ausgelastet. TAMSEN MARITIM hat in eine neue Wechselspuranlage am Rostocker Standort investiert. Bei HanseYachts in Greifswald steht alles auf Wachstum und der Gesamtkonzern hat acht Jahre nach den notwendigen Restrukturierungsmaßnahmen erstmals wieder Gewinne zu verzeichnen. Und schließlich kam mit Genting noch der erhoffte Investor und kaufte die drei Werftstandorte in Wismar, in Stralsund und in Rostock – kein Zufall, denn als guter Kunde der MEYER WERFT sind die Asiaten keine Unbekannten.

Aufgrund der guten Auftragslage auf der MEYER WERFT und vor dem Hintergrund des boomenden Kreuzfahrtgeschäfts hat sich Genting entschieden, die Werften in M-V zu kaufen, und hat seitdem Millionen in die Standorte investiert. Erste Flusskreuzfahrtschiffe wurden abgeliefert und mit dem Bau der Global-Class-Kreuzfahrtschiffe soll bald begonnen werden. Nach jahrelanger Durststrecke besteht jetzt die Chance, wieder viele qualifizierte und gut bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen.

Ist deswegen alles in Butter und können wir uns nun zurücklehnen und dem Treiben von der Zuschauerbühne folgen? Da ist unsere Antwort: Nein. Die maritime Industrie hat sich insbesondere in den letzten eineinhalb bis zwei Jahren noch einmal rasant verändert und darauf muss auch Politik reagieren. Wir sind alle hier im Saal gefordert zu hinterfragen, ob die Instrumente, die vor drei, vier oder fünf Jahren eingeführt wurden, noch die richtigen sind. Wenn wir uns die Rahmenbedingungen ansehen, dann kommen wir zumindest zu dem Ergebnis, dass es hier Änderungsbedarfe gibt.

Meine Damen und Herren, wenn der Landtag heute feststellt, dass die maritime Industrie nach wie vor eine Schlüsselbranche für unser Land ist, dann muss diese Branche auch den entsprechenden Stellenwert in der Politik erhalten. Aus unserer Sicht heißt das, die maritime Industrie muss wieder ein eigenständiges Zukunftsfeld der Industriepolitik der Landesregierung werden. Bislang wird sie hier unter Maschinenbau subsumiert, man könnte auch sagen, einsortiert unter „Gemischtes“ oder „Sonstiges“, und das, meine Damen und Herren, wird der Branche nicht gerecht.

Meine Fraktion ist der Auffassung, dass ein eigenständiges Zukunftsfeld nicht nur eine Maßnahme zur Imageverbesserung der Branche ist. Wir sind uns sicher, den politischen Willen vorausgesetzt, dass eine solche Weichenstellung auch etwas auslöst. Eigenständige Entwicklungspläne zum Beispiel für die Branche wären eine solche, die auch Grundlage für die Förderpolitik der Landesregierung sind.

Meine Damen und Herren, vor einigen Jahren haben wir das Werftenförderungsgesetz diskutiert und ein wichtiger

Punkt war schon damals, ob die maritimen Zulieferer von Bürgschaften ausgeschlossen werden oder nicht. Bekanntlich haben wir uns als LINKE dafür ausgesprochen, dies nicht zu tun. Heute ist diese Frage nun wieder aktueller denn je, denn drei Viertel der Wertschöpfungen beim Bau von Schiffen entspringen den Zuliefererbetrieben, findet also außerhalb der Werften statt. Jede Werft hat darüber hinaus natürlich ein hohes Interesse daran, nicht jede Steckdose, jede Schraube, jeden Kochtopf, jedes Bett, jeden kleinen Motorblock und jeden Spiegelschrank einzeln zu kaufen, sondern sie möchte nach Möglichkeit mit großen Paketen beliefert werden.

Die neuen Entwicklungen stellen unsere Zulieferer vor große Herausforderungen. Ein Hebel heißt zum Beispiel Kooperation, um passgenaue und wettbewerbsfähige Angebote machen zu können. Dem Besteller, also der Werft, wäre es natürlich lieb, wenn die Zulieferer dafür in Vorleistung gehen und keine Anzahlung geleistet werden muss. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Hier müssen wir ran, denn bei ungleichen Wettbewerbsbedingungen im Schiffbau wird es sonst für unsere Zulieferer sehr schwer. Auch deshalb müssen wir noch einmal über das Thema Bürgschaften reden.

Meine Damen und Herren, anders, als es hin und wieder unterstellt wird, ist es nicht so, dass wir als LINKE nun gern mit Bürgschaften um uns schmeißen wie mit abgelaufenen Lotterielosen. Wir halten es da eher mit Erwin Sellering, der einmal gesagt hat, ich darf das zitieren: „Wir werden alles rechtlich Mögliche und wirtschaftlich Sinnvolle zur Unterstützung der maritimen Industrie tun.“ Und genau darum geht es uns.

In die gleiche Kerbe schlug jüngst auch Thomas Kühmstedt, Manager von OSTSEESTAAL, der in einem Interview sagte, wenn es europa- und weltweit dieselben Wettbewerbsbedingungen im Schiffbau gäbe, dann könnte auf Bürgschaften verzichtet werden. Davon sind wir allerdings meilenweit entfernt. Das kann man jetzt beklagen oder man kann sich der Situation stellen. Wir plädieren für Letzteres, denn es wäre fatal, wenn unsere Unternehmen am Ende leer ausgehen und dabei zuschauen dürfen, wie andere die Chancen nutzen, seien es nun die Betriebe in Süddeutschland oder insbesondere auch ausländische Firmen.

Meine Damen und Herren, Mecklenburg-Vorpommern ist klein und Schwerin, was den Infofluss angeht, zuweilen ein Dorf. Insofern ist auch bei mir angekommen, dass die Landesregierung nun prüft, ob man die Zulieferer mit Bürgschaften unterstützen kann. Das ist prima, Herr Minister. Dann bedeutet der Antrag in diesem Punkt zumindest Rückenwind für Ihr Vorhaben, immer vorausgesetzt, SPD und CDU trauen sich aus dem sicheren Hafen heraus.

(Minister Harry Glawe: Darüber werde ich Sie noch aufklären nachher.)

Meine Damen und Herren, am Ende meiner Einbringungsrede will ich kurz etwas zum Thema „Werftenförderungsgesetz, Bürgschaften und Finanzausschuss“ sagen. Ich will gar kein Hehl daraus machen, meine Fraktion hat das Werftenförderungsgesetz in seiner jetzigen Form immer kritisch gesehen und wir sind auch der Auffassung, dass es bei dem eingezogenen Deckel in der Finanzierung durchaus schwierig werden könnte, denn so ein Global-Class-Schiff hat nun mal einen Wert von

1,4 Milliarden Euro. Spätestens bei Einbeziehung der Zulieferer dürfte die derzeit maximal mögliche Bürgschaftshöhe zum Problem werden.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Auch das Verfahren der Einbeziehung des Finanzausschusses ist höchst fragwürdig. Ich glaube, der sollte ohnehin nur als Feigenblatt für den Fall dienen, dass wieder etwas schiefgeht. Dann kann die Landesregierung zumindest sagen, ihr habt es doch alle gewusst.

An der Stelle noch mal die Frage, ob eigentlich jeder hier im Saal sich darüber im Klaren ist, was das für den Finanzausschuss heißt. Ich könnte es mir jetzt einfach machen, ich bin kein Mitglied dort. Ich will es Ihnen aber sagen: Die Landesregierung prüft in einem separaten Gremium mit Wirtschaftsprüfern, Juristen und Experten über Monate, ob ein Bürgschaftsantrag bewilligt werden kann oder nicht. Wenn nicht, dann ist er vom Tisch. Wenn ja, hat der Finanzausschuss ein paar Wochen Zeit, vielleicht auch weniger, um eine meterlange Latte an Ordnern im dunklen Keller des Schlosses durchzuackern. Das ist vielleicht ganz nett, um sich näher kennenzulernen,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

aber mein Anspruch ist am Ende, dass man auch versteht, was man da sichtet. Da darf ich den Kollegen Gundlack zitieren, der neulich,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

der neulich bei einem Wirtschaftsausschusstermin vor Ort auf der Werft in Wismar in Richtung Geschäftsführung sagte: Na Sie wissen doch, am Ende ist das eine Bauchentscheidung. Wenigstens ist er ehrlich. Besser wäre aber dennoch, der Ausschuss hätte Unterstützung durch externe Expertise, zum Beispiel einen eigenen Wirtschaftsprüfer.

Darüber und über andere Dinge sollten wir noch einmal reden, heute hier und nachgelagert auch im Wirtschafts- und im Finanzausschuss. Alles andere nachher in der Debatte. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 180 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Herr Glawe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist erst mal wohltuend zu hören, dass die LINKEN zumindest bei der Frage „Ist der Schiffbau in Mecklenburg-Vorpommern eine strategisch wichtige Industrie?“ sagt, ja, das teilen wir auch. Von daher können wir nur sagen, die Entwicklungsschwerpunkte, die seit 2014 bei der EU gemeldet sind und unter Maschinenbau und Schiffbau laufen, sind die richtige Strategie für die nächsten Jahre.

Entscheidend war, dass wir aus der Pleite der P+S Werften gelernt haben. Dafür, denke ich, war die Entscheidung der Landesregierung richtig, dafür zu sorgen, dass wir „warme“ Werften in Wismar, Rostock-Warnemünde und Stralsund vorgehalten haben. Am Ende war die Entscheidung richtig. Damals haben es die meisten kritisiert. Als Genting als Käufer auftrat, waren plötzlich alle der Meinung, es war eine gute Entscheidung. Aber vorher haben sie immer kritisiert, dass wir die Werften weiter vorgehalten haben, um insgesamt auf dem Weltmarkt die Dinge …

(Henning Foerster, DIE LINKE: Von wem reden Sie denn?)

Ich rede von vielen Leuten, die das so gesehen haben. Ich weiß nicht, ob Sie dazugehörten. Sie vielleicht nicht, aber viele von Ihnen auf alle Fälle.

Meine Damen und Herren, die maritime Industrie ist wichtig. Die Zulieferer sind besonders wichtig und das hat die Landesregierung in den letzten Jahren immer gefördert.

Ich will Ihnen noch zwei Dinge sagen:

Einmal zu der Frage: Wie ist es mit den Geschichten, was muss das Land voranbringen? Erstens haben wir das Maritime Cluster Norddeutschland auf den Weg gebracht und dafür gesorgt, dass die norddeutschen Länder eine Sprache sprechen wollen, um gegenüber dem Bund den Schiffbau zu vertreten. Zu dem Maritimen Cluster Norddeutschland gehören MecklenburgVorpommern, Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und Niedersachsen.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das ist auch gut so.)

Ich denke, dieses Cluster wird in den nächsten Jahren dafür sorgen, dass wir insgesamt mit einer Sprache sprechen können, um die jeweiligen Interessen der Werften, aber auch der Zulieferer gegenüber dem Bund deutlich zu formulieren.

Meine Damen und Herren, natürlich sind auch lokale Netzwerke wichtig, sie haben eine Berechtigung – dazu gehört auch das Netzwerk MAZA –,

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

denn die vertreten Zulieferer, die im Land MecklenburgVorpommern auf Aufträge von den Werften hoffen. Darum der Hinweis, dass wir – entgegen den Behauptungen der LINKEN – für die maritime Zuliefererindustrie keine Bürgschaften bereitstellen. Das ist mitnichten so, Herr Foerster. Sie können zumindest darauf hinweisen. Gucken Sie in Paragraf 9 Nummer 3 des Werftenförderungsgesetzes nach, dort können Bürgschaftsanträge im Interesse von Zulieferern durch Banken oder Versicherungsunternehmen gestellt werden, zu denen auch die Warenkreditversicherer zählen. Auf diese Weise können sich Wettbewerbsnachteile hiesiger Zulieferer gegenüber ausländischen Konkurrenten, insbesondere bei Zahlungszielen, begrenzen. Herr Foerster, mal reinschauen!

Von daher glaube ich, dass wir mit diesem Werftenförderungsgesetz auch dafür gesorgt haben, dass die Zulieferer zum Zuge kommen, entgegen anderslautenden Be

hauptungen. Wir sind natürlich bereit, weiterhin für die Werften, aber auch für alle anderen, die Hilfe brauchen, diese Hilfe, soweit wir sie für wirtschaftlich verantwortlich halten, weiter auszureichen.

Die Werften in Mecklenburg-Vorpommern, das kann man sagen, sind in Aufbruchstimmung. Die Mitarbeiter, die Belegschaften, die Ingenieure, alle sind hoch motiviert bei der Arbeit und das gilt nicht nur für die MV WERFTEN in Mecklenburg-Vorpommern, die den Zusammenschluss zwischen Wismar, Rostock-Warnemünde und Stralsund darstellen, das gilt auch für TAMSEN MARITIM, das gilt ebenso für Papenburg, also für die MEYER WERFT und die NEPTUN WERFT.

Denken Sie daran, auf der NEPTUN WERFT sind mittlerweile neue Schiffbauhallen errichtet worden, um die Herausforderungen der Zukunft zu sichern. Es geht nicht nur um Flusskreuzfahrtschiffe, sondern es geht auch um Zuliefererperspektiven für große Kreuzfahrtschiffe, die in Papenburg endmontiert werden. Dazu wird die NEPTUN WERFT ihren Beitrag leisten. Genauso gilt das für die Peene-Werft. Der eine oder andere kritisiert, dass auf der Peene-Werft Arbeit ist, aber ich will mich jetzt nicht an weiteren Spekulationen beteiligen. Auf alle Fälle haben wir genügend Effizienz, um dafür zu sorgen, dass wir die Schiffbauprojekte insgesamt voranbringen und dass wir wieder mehr Werftarbeiter haben, deutlich bessere Löhne dadurch haben, dass wir zusätzliche Zulieferer nach Mecklenburg-Vorpommern bekommen.

Ich möchte hier noch an den Kabinenbau erinnern. Immerhin werden 2.500 bis 3.000 Kabinen pro Schiff gebraucht und die werden in Wismar produziert. Wir hatten vor gut acht Wochen die Gelegenheit, uns die Dinge vor Ort anzuschauen. Im nächsten Jahr soll Produktionsstart sein.

Meine Damen und Herren, ich denke, dass wir insgesamt sagen können, Genting hat zumindest die Dinge, die sie angekündigt haben, bis jetzt immer umgesetzt. Sie haben die Werften gekauft für circa 230 Millionen Euro, sie haben ihre Investitionen in Wismar, in Rostock-Warnemünde und in Stralsund mit über 200 Millionen Euro angeschoben. Es kann jeder hinfahren und sich das ansehen. Da wird Vorbereitung getroffen für den Bau der Endeavor Class. Diese Endeavor Class soll im Januar, spätestens Ende Februar aufgelegt werden in Stralsund, und ich denke, das ist für Vorpommern ein wichtiges Signal, dass dort Luxusschiffe gebaut werden für das Nordmeer. Dort werden einerseits 100 Passagiere, denke ich, einen sehr schönen Urlaub verleben können und andererseits sind auch 100 Mann Besatzung auf diesen Schiffen vorgesehen. Insgesamt kostet so ein Schiff, wie ich gehört habe, 300 Millionen Euro.