Protocol of the Session on July 13, 2017

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig!)

das umso mehr, nachdem Frau Ministerpräsidentin gestern in ihrer Regierungserklärung als eines ihrer

Ziele „gute Arbeit mit guten Löhnen“ hervorgehoben hat.

Schwenken wir, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, einmal um und riskieren einen Blick in den Koalitionsvertrag. Dort finden Sie auf Seite 10, dass SPD und CDU das Landesvergabegesetz möglichst 2017 novellieren wollen. So weit, so gut. Doch wo ist Ihr Gesetzentwurf? Der Wirtschaftsminister macht sich einen schlanken Fuß und hat bereits angekündigt, dass er keinen Novellierungsbedarf sieht …

(Minister Harry Glawe: Wenn ich einen schlanken Fuß hätte, würde ich einen machen. – Heiterkeit auf der Regierungsbank)

Ja, doch!

…, dass er keinen Novellierungsbedarf sieht, er warte auf die SPD. Der Koalitionsvertrag ist ihm offenbar egal.

(Minister Harry Glawe: Größe 45, mein Lieber!)

Herr Schulte, Sie haben im Januar gesagt, dass ich Bauklötzer staunen werde, was da im Laufe des Jahres auf uns zukommen wird. Sie haben angekündigt, dass Sie viel, viel weiter seien als die Linksfraktion. Ja, wo ist denn nun Ihr Entwurf? Ich sehe keinen, da ist nix, wieder mal nur heiße Luft. Eine Novelle des Vergabegesetzes im Jahre 2017 wird es wohl mit SPD und CDU nicht mehr geben, zumindest nicht mit einem Entwurf der Regierungskoalition. Aber wir sind ja auch noch da, Herr Schulte, wir stehen bereit und die Rettung ist damit gegeben.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Wir machen nämlich Ernst.

DIE LINKE steht nicht nur hinter dem Slogan „Gute Arbeit für gute Löhne“,

(Heiterkeit bei Wolfgang Waldmüller, CDU)

wir tragen ihn nicht nur vor uns her, sondern wir erfüllen ihn mit Leben, und das ist auch gut so.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Und Sie werden registriert haben, dass wir im ersten Halbjahr sehr wohl dieser Losung nachgegangen sind – mit Anträgen im Landtag, aber auch mit öffentlichen Aktionen in Mecklenburg-Vorpommern in Form unserer Landtour und heute in Form eines neuen, fortschrittlichen und modernen Vergabegesetzes. Jahrelang wurde an die Wirtschaft appelliert, es wurde gebeten und gebettelt, liebe Leute, zahlt doch gute Löhne, sonst verliert ihr den Wettstreit um die Fachkräfte.

Aber was hat das alles bisher geholfen? MecklenburgVorpommern hängt nach wie vor im Lohnkeller. Die Kinderarmut ist allgegenwärtig, es rollt eine riesige Welle der Altersarmut auf uns zu, die Tarifbindung ist unterirdisch, der Fachkräftemangel ist das Topthema bei den Unternehmerinnen und Unternehmern und allgemein in der Gesellschaft. Ich hoffe, dass wir uns zumindest in dieser Frage einig sind, dass wir dieses Übel tatsächlich an der Wurzel packen müssen. Leider – auch das müssen wir feststellen – haben die vielen Unternehmen, die mit gu

tem Beispiel vorangehen, bei öffentlichen Aufträgen auch noch ein Handicap und dabei oftmals das Nachsehen.

Jetzt werden Sie fragen, warum ich das sage und worin denn der Grund besteht. Der Grund liegt genau in diesem von der Landesregierung geschaffenen absurden Vergabesystem. Das ist die Realität, und die müssen wir gemeinsam zur Kenntnis nehmen. Deswegen sind wir der Meinung, es ist endlich Zeit, Ernst zu machen: Schluss mit Appellen, Schluss mit Schönwetterreden, Schluss mit irgendwelchen Ausflüchten! Die Landespolitik muss endlich ihrer Verantwortung gerecht werden. Hören Sie auf, sich wegzuducken und mit dem Finger auf andere zu zeigen! Es wird Zeit, endlich loszulegen, es ist Zeit für Veränderungen. Wir geben Ihnen mit unserem Gesetzentwurf dazu ein Mittel an die Hand, um genau diese Mängel zu beseitigen.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte etwas zur Frage des Mindestlohns sagen. Sie alle wissen, dass er zurzeit bei 8,84 Euro in der Stunde liegt, brutto wohlgemerkt. 8,84 Euro brutto, meine Damen und Herren – das reicht weder zum Leben noch zum Sterben, es ist ein Hungerlohn. Die Ministerpräsidentin Frau Schwesig hat gestern an einem Beispiel einer Frau mit zwei Kindern, die 600 Euro für die Kita bezahlen muss, noch mal vorgerechnet, was das für eine solche Familie ganz konkret bedeutet.

11,68 Euro wären notwendig, damit man nach 45 Jahren Arbeit nicht auf Sozialhilfe angewiesen ist. Das sind die Berechnungen der Bundesregierung. Dementsprechend müsste der Mindestlohn bundesweit sofort auf 12 Euro angehoben werden. Das – das wissen wir alle – können wir nicht von hier aus bestimmen. Das sind Forderungen, die politisch erhoben werden, die auch meine Partei im Bundestagswahlkampf erhebt, und das sind Entscheidungen, die auf Bundesebene getroffen werden müssen. Deswegen ist auch die Bundestagswahl am 24. September eine Entscheidung über die Höhe des Mindestlohns, und das entscheiden am Ende die Wählerinnen und Wähler.

Wir im Landtag Mecklenburg-Vorpommern können aber Einfluss darauf nehmen, was Land, Landkreise, Städte und Gemeinden bei öffentlichen Aufträgen den Unternehmen zahlen und diese wiederum ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es ist doch logisch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Erbringung der Leistung für die öffentliche Hand mindestens das verdienen, was ein Angestellter im öffentlichen Dienst verdienen würde. Deshalb muss gelten, dass öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen vergeben werden, von denen entweder Tariftreue eingefordert werden kann oder die ein Mindestentgelt entsprechend der untersten Entgeltgruppe des Tarifvertrages der Länder zahlen. Das sind in Mecklenburg-Vorpommern aktuell 10,09 Euro.

Na ja, da bekommen einige von der CDU möglicherweise gleich wieder hektische Flecken und die Schnappatmung beginnt. Herr Waldmüller hat auf Facebook bereits reagiert und hat den Gesetzentwurf als linke, abstruse Gedanken eingestuft. Er tönte dort von der Tarifautonomie. Ich will Sie fragen, Herr Waldmüller – Sie werden ja dann sicherlich sprechen –, ob Sie den Gesetzentwurf überhaupt gelesen haben. Wir definieren einen Mindestlohn bei öffentlichen Aufträgen, der sich auf der Grundlage der Verhandlungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretung im öffentlichen Dienst bewegt. Damit stärkt

dieser Gesetzentwurf, damit stärkt DIE LINKE die Tarifautonomie und nicht das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Ich habe die Vermutung, dass das einfach Reflexe sind. Und ob das Wort „Tarifautonomie“ nun passt oder nicht, es muss erst mal im ersten Satz stehen. Da können Sie diese Passage gleich aus Ihrem Redeentwurf streichen, weil sie einfach falsch ist, sie ist einfach nur Quatsch.

(Heiterkeit bei Wolfgang Waldmüller, CDU: Mit Sicherheit nicht.)

Sie werden mir wahrscheinlich auch gleich erzählen wollen, wie super die Lohnentwicklung ist – das wird Herr Glawe möglicherweise auch machen –, dass der Arbeitsmarkt wie verrückt brummt und was da alles noch so läuft. Ja, das ist auf der einen Seite richtig, aber nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis, wie viele Menschen nach wie vor ein, zwei oder drei Jobs haben, sich den Buckel krumm machen, aber am Ende des Tages aufstocken und später eine Mindestrente beantragen müssen! In der Tauberʼschen Realität hätten die Tausenden Menschen ja lediglich etwas Vernünftiges lernen müssen. Das sagt zwar viel über das soziale Grundverständnis in der CDU aus, hat aber mit der Lebensrealität von Beschäftigten, besonders in unserem Land, in Mecklenburg-Vorpommern, wenig zu tun.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, wir wollen, dass endlich Schluss ist mit der Geiz-ist-geil-Mentalität, denn nach wie vor steht für die öffentliche Vergabe in MecklenburgVorpommern das Motto „Der Preis ist heiß“. Das kann doch nicht der richtige Weg sein. Auch Unternehmerinnen und Unternehmer haben sich in der Evaluierung des Vergabegesetzes dazu negativ geäußert. Sie wollen Gleichberechtigung für alle und deshalb ist es doch längst überfällig, dass in einem Vergabegesetz mal klipp und klar gesagt wird, nicht der Preis allein regiert und bestimmt das Geschäft, soziale und ökologische Aspekte müssen zwingend eine Rolle spielen,

(Beate Schlupp, CDU: Wer will das denn kontrollieren?)

und das mindestens zu 30 Prozent.

(Beate Schlupp, CDU: Wer will das denn kontrollieren?)

Es geht uns mit unserem Gesetzentwurf nicht darum, was ja gern unterstellt wird – ich komme zum Schluss –, dass die Unternehmen schlechtgeredet werden sollen, nein, überhaupt nicht.

(Beate Schlupp, CDU: Wer soll das denn kontrollieren?)

Ich möchte, nachdem wir auch mit Verbänden, Gewerkschaften und Kammern gesprochen haben und die unseren Gesetzentwurf unterstützen, dass dieser Gesetzentwurf überwiesen wird und dass wir diesen Entwurf gemeinsam in den Ausschüssen weiterentwickeln. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Holter.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart.

Ums Wort gebeten hat der Wirtschaftsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Harry Glawe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!

Ja, Herr Holter, Sie haben es erraten, ich wollte Ihnen vorweg doch noch ein paar Zahlen ins Stammbuch diktieren: Das Bruttoinlandsprodukt ist in MecklenburgVorpommern auf fast 42 Milliarden Euro gestiegen. Der Arbeitsmarkt brummt, die Arbeitslosenzahlen sind halbiert. Als Sie die Regierung verlassen haben, hatten wir 180.000 bis 200.000 Arbeitslose, heute: 65.900.

(Zuruf von Karen Larisch, DIE LINKE)

Das ist auch eine Erfolgsgeschichte, die Rot-Schwarz über elf Jahre mit den guten Rahmenbedingungen, die wir für das Land aufgelegt haben, erreicht hat. Das ist nicht die Bilanz der LINKEN, meine Damen und Herren. Der Maschinenbau und die Werften werden jetzt anspringen und wir haben dort sozusagen die Möglichkeit, gut bezahlte Arbeitsplätze zu entwickeln, die dafür sorgen werden, dass wir auch bei der Frage „Tariftreue und Mindestarbeitsbedingungen“ im fairen Wettbewerb in Deutschland standhalten können.

Aus der Fraktion DIE LINKE hat es seit dem Jahre 2003 immer wieder Entwürfe für Vergabegesetze mit Tariftreue und Mindestlohnregelungen gegeben. Das ist nun der fünfte Versuch, den Sie unternehmen, aber ich kann Ihnen vorwegsagen, gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht, Herr Holter. Die Absicht, die Sie verfolgen, ist deutlich: Das Vergaberecht soll in erster Linie nicht mehr eine Domäne der Wirtschaftspolitik sein und schon gar nicht der Finanzpolitik, es geht Ihnen um allgemeine Gesellschaftspolitik. Die Wirtschaft kommt in diesem Gesetz zwar noch vor, ihre Belange sind aber offenkundig nachrangig.

Der Mittelstand ist in unserem Land mit der kleinteiligen Wirtschaftsstruktur von herausragender Bedeutung. In Ihrem Entwurf sind mittelständische Interessen aber erst ganz am Ende erwähnt, erst kurz vor Toresschluss. Also es ist eine mäßige Pflichtübung der LINKEN. Das Wirtschaftsressort soll augenscheinlich marginalisiert werden,

(Heiterkeit bei Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

das Finanzministerium kommt gar nicht mehr vor, als ob Geld für Sie keine Rolle spielt. Erinnern Sie sich eigentlich noch daran, dass das öffentliche Auftragswesen primär eine Domäne des Haushaltsrechts ist, dass es im Ursprung um den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geht und dass das Geld, das für öffentliche Aufträge ausgegeben wird, erwirtschaftet werden muss, am Ende natürlich auch durch die Steuerzahler?

Auch wenn die Wörter „Wettbewerb“ und „Wirtschaftlichkeit“ noch im Text erscheinen, wirkt der Entwurf stellenweise wie ein Abschied von einer sparsamen, bedarfsgerechten Beschaffung. Man kann sich die Frage stellen,

ob das mit den Haushaltsgrundsätzen des Bundes noch vereinbar ist. Dreh- und Angelpunkt Ihrer Regelung, auch in politischer Hinsicht, ist wohl die Bestimmung über den vergaberechtlichen Mindestlohn. Auf die Idee, an die Verhältnisse des öffentlichen Dienstes anzuknüpfen, ist bislang nur Schleswig-Holstein gekommen. Aber auch Schleswig-Holstein bemüht sich, wenigstens ein gewisses Maß zu wahren. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder dient dort nur als Orientierung und der vergaberechtliche Mindestlohn liegt in Schleswig-Holstein immer noch unterhalb des kleinsten Gehaltes im öffentlichen Dienst.

Einmal mehr zeigen Sie, dass die Belange der Unternehmen Sie nicht besonders interessieren. Nach dem jetzigen Gesetz ergeht die Entscheidung darüber, welche Tarifverträge im öffentlichen Personennahverkehr als repräsentativ anzusehen sind, auch unter Beteiligung der Arbeitgeberseite. Die kommt in Ihrem Entwurf überhaupt nicht mehr vor. Bei der Gestaltung des Verfahrens zur Bestimmung repräsentativer Verträge sind das Wirtschafts- und das Finanzressort völlig ausgeschaltet. Berücksichtigung finden sollen darüber hinaus nur solche Tarifverträge, die von tariffähigen Gewerkschaften in Mecklenburg-Vorpommern ausgehandelt worden sind. Haustarifverträge scheinen damit von vorherein auszuscheiden. Meine Damen und Herren, egal, entscheidend ist, dass am Ende die Maßgaben, die den ILO-Kernarbeitsnormen entsprechen, ebenfalls verschärft werden.