… Stärkung der Europäischen Union und natürlich auch für einen wirtschaftlich eingebundenen gemeinsamen, aber sozialen Binnenmarkt. Da habe ich Sie doch richtig eingeschätzt.
Aber, sehr geehrte Damen und Herren, was natürlich richtig und was für meine Fraktion, für die SPD, insgesamt wichtig ist, wir wollen natürlich keine Binnenmarktstrategie, die letztendlich das Kind mit dem Bade ausschüttet. Das, was die Europäische Kommission hier vorlegt, die Ziele, die sie verfolgt, sind Ziele, die wir so nicht teilen können.
Das Dienstleistungspaket, meine Damen und Herren, besteht letztendlich aus vier Einzelmaßnahmen: Dazu
gehören die Dienstleistungskarte, die ist hier angesprochen worden, die Stärkung des Notifizierungsverfahrens und ein Analyseraster zur sogenannten Verhältnismäßigkeitsprüfung. Außerdem, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, gibt die Kommission tatsächlich, zwar rechtlich nicht verbindliche, Reformempfehlungen zur Berufsregulierung.
Bei den Richtlinienvorschlägen zum Notifizierungsverfahren und zur Verhältnismäßigkeitsüberprüfung sieht meine Fraktion – damit stehen wir auch im Konsens mit der SPD-Bundestagsfraktion und den Koalitionsfraktionen des Bundestages – das Subsidiaritätsprinzip der EUVerträge verletzt. Sie schränken tatsächlich den Handlungsspielraum des nationalen Gesetzgebers ein und sie schränken ihn vor allem unverhältnismäßig ein und sind nicht mit den EU-Verträgen in Einklang zu bringen. Das Notifizierungsverfahren betrifft aus unserer Sicht neue oder auch zu ändernde Regelungen, die eben nicht in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie fallen.
Es geht dabei also in erster Linie um Berufszulassung und Berufsausübungsregelung, von denen insbesondere die Baubranche, aber auch Unternehmensdienstleistungen und der Fremdenverkehr betroffen sind. Regeln – das muss man dazu wissen – werden in diesen Bereichen aber nicht nur vom Bundestag oder den Länderparlamenten beschlossen, sie sind hier in Deutschland auch von den Kammern im Rahmen ihrer Selbstverwaltungsbefugnisse umfasst. Umso kritischer sieht meine Fraktion die mit dem vorgeschlagenen Verfahren verbundene Einschränkung. So soll es während der laufenden nationalen Gesetzgebungsverfahren eine dreimonatige Stillhaltefrist geben, in der die Kommission sowie die anderen Mitgliedsstaaten die Regeln prüfen und noch einmal kommentieren können. Gibt es dann Bedenken, kann es zu einer Vorwarnung kommen und das Gesetzgebungsverfahren, also die Verfahren, die dort bei den Parlamenten, die auch im Sinne einer gelebten Subsidiarität originär zuständig sind, sollen dann sogar gestoppt werden können. Dem Mitgliedsstaat bliebe dann nur der Gang zum Europäischen Gerichtshof, um eben gegen diese Entscheidung zu klagen.
Das ist, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, am Ende eine Umkehrung sämtlicher bisher geltenden Prinzipien, wonach die Kommission vor den Europäischen Gerichtshof ziehen muss, um tatsächlich gegen nationale Regelungen, die aus ihrer Sicht EUrechtswidrig sind, anzugehen. Ein solches Verfahren ist nicht nur eine Umkehr der Rechtsstaatlichkeit und des Rechtsstaatsprinzips, es geht darüber hinaus auch weit über die Kompetenz der Europäischen Union hinaus.
Hinsichtlich der vorgeschlagenen detaillierten Verhältnismäßigkeitsprüfung haben wir gleichfalls erhebliche Bedenken. Wie Sie wissen, sind wir bereits heute dazu verpflichtet, Berufsregulierungen auf ihre Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Die Kriterien dafür wurden vom Europäischen Gerichtshof entwickelt und sind in der Berufsanerkennungsrichtlinie festgeschrieben. Weiteren Regelungsbedarf gibt es aus unserer Sicht nicht.
Deswegen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist es aus Sicht der Koalitionsfraktionen und aus Sicht meiner Partei dringend geboten, dass wir gemeinsam dort agieren, wo wir agieren können: eben nicht nur über unsere
Bundestagsfraktion, über unsere nationalen Parlamente in Richtung Europäischer Kommission und in Richtung des Parlamentes, nein, auch gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen in den anderen regionalen Parlamenten. Deswegen bitte ich heute um Zustimmung zu diesem Antrag. – Vielen Dank.
Ich würde mir endlich mal wünschen, Herr Waldmüller, meine Damen und Herren der Koalition, wenn Sie das aufschreiben würden, was Sie auch beschlossen haben wollen.
Mein Problem mit mehreren Anträgen, die insbesondere aus der CDU kommen, ist immer, dass Sie das eine ausdrücken und in Ihren Reden etwas hineininterpretieren, was ich so aus dem Antrag gar nicht ableiten kann.
(Tilo Gundlack, SPD: Das ging mir gestern auch so. – Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE – Heiterkeit bei Thomas de Jesus Fernandes, AfD)
Das ist genau mein Punkt. Wenn man sich mit dem Antrag auseinandersetzt, dann kann man zu Recht, Herr Schulte, mit Grundsätzen anfangen.
Natürlich – dafür bin ich Ihnen auch dankbar, dass Sie es erwähnt haben – stehen DIE LINKE und ich zur Europäischen Union. Wir stehen auch zum gemeinsamen Binnenmarkt. Dass wir auf bestimmte Entwicklungen eine unterschiedliche Sicht haben, darüber sind wir uns sicherlich einig. Es ist auch bekannt, dass die Linksfraktion und generell DIE LINKE seit jeher hinter dem Handwerk stehen und sich immer zu den Freien Berufen bekannt haben. Das ist ein Allgemeingut, das ist ein Allgemeinplatz. Das will ich hier auch noch mal, weil es alle gemacht haben, ausdrücklich betonen.
Wir haben verschiedene Anträge und verschiedene Begehren hier im Landtag immer mitgetragen, um die duale Ausbildung zu stärken und auch die Meisterpflicht zu stärken – selbstverständlich. Und wir haben das mehrfach betont, wir haben diese Position gemeinsam und auch als Wirtschaftsausschuss in der vergangenen Legislaturperiode in Brüssel sehr deutlich gemacht. Aber dieses Mal – deswegen habe ich gerufen, Sie irren sich, Herr Schulte – werden wir den Antrag nicht unterstützen.
Ich will auch begründen, warum. Erst mal darf ich kurz aus dem Antrag zitieren, Zitat: „Unter anderem in den genannten Regularien sieht der Landtag einen Garant für die überaus erfolgreiche Wirtschafts- und Arbeitsmarkt
politik in Mecklenburg-Vorpommern“. Ende des Zitats. Da können Sie nicht erwarten, dass die Linksfraktion den Satz beschließt und Ihnen noch einen Freibrief für Ihre Politik gibt. Das wird nicht funktionieren.
Wir haben über 100.000 Arbeitslose in MecklenburgVorpommern – das sind nicht die, die in der Statistik ausgewiesen sind, sondern das sind die tatsächlichen Arbeitslosen – und damit die höchste Arbeitslosenquote in Deutschland. Von einer selbsttragenden Wirtschaft sind wir noch meilenweit entfernt. Das Wirtschaftswachstum, das Sie stets abfeiern, liegt oftmals unter dem Bundesdurchschnitt und trägt nicht zur Angleichung bei. Unser Land ist nach wie vor im Lohnkeller. Wir haben die niedrigsten Renten. Die ausgeprägte Kinderarmut ist einfach beschämend und Altersarmut hat schon einen Fuß über die Schwelle gesetzt. In Mecklenburg-Vorpommern leben die meisten Langzeitarbeitslosen, die von Ihnen ignoriert werden und die Sie ihrem eigenen Schicksal überlassen.
Das nennen Sie eine überaus erfolgreiche Wirtschaftspolitik?! Nein, das können wir nicht mittragen. Ich kann Ihnen nur sagen: Egal, was Sie nehmen, meine Damen und Herren der Koalition, nehmen Sie etwas weniger davon! Sie können das ja gern bejubeln, was Sie verzapft haben, aber das machen wir definitiv nicht mit. Und deswegen gibt es einen ersten Grund, warum wir diesen Antrag ablehnen. Einen solchen Selbstbetrug und solch ein selbstherrliches Beklatschen werden wir nicht mitmachen, weil Sie damit Menschen in die Arme einer angeblichen Alternative treiben.
Es ist gar nicht mal so sehr, Herr Waldmüller und Herr Schulte, ein inhaltlicher Grund. Die Kritik an den Fragen teilen wir. Der Punkt ist: Warum kommen Sie jetzt im Mai 2017 mit diesem Antrag? Da kann ich nur sagen: Einen schönen guten Morgen, meine Damen und Herren von der Koalition! Grüß Gott, Herr Waldmüller! Der Antrag kommt zu spät. Warum haben Sie den Antrag nicht im März gestellt? Denn
es sind ja Prozesse abgelaufen. Waren Sie im März mit der SPD noch nicht im Klaren? Oder haben Sie die Zeit einfach verpennt?
Wir bekommen ja nun regelmäßig vom Europaausschuss die Dokumente zur Subsidiarität innerhalb der Europäischen Union. Wer die aufmerksam liest, kann dort erfahren, wie das Verfahren zum Dienstleistungspaket eigentlich ablaufen sollte und auch abgelaufen ist. Wenn Sie sich das konkret anschauen, dann werden Sie sehen, dass die Frist für die Subsidiaritätsrüge am 20. März 2017 abgelaufen ist. Die Befassung in den Ausschüssen hätte am 23. Februar oder am 2. März laufen sollen. Warum haben Sie, Herr Waldmüller, Ihre Kollegen in der Fraktion und unseren Ausschussvorsitzenden, Herrn Eifler, nicht gebeten, dieses Thema aufzusetzen? Wir hätten alles im Wirtschaftsausschuss, unter anderem vielleicht auch im Europaausschuss, bereden können.
Wir hätten dann im Landtag – am 8./9. März hatten wir ja Landtagssitzungen – darüber sprechen können, und da hätten wir auch einen gemeinsamen Antrag stellen können.
Aber die Zeiten sind vergangen und deswegen frage ich Sie: Wo war der Antrag im März? Der Zug ist abgefahren. Und wie einzelne Rednerinnen – nee, es waren ja nur Männer –, Redner es schon gesagt haben, der Bundesrat und der Bundestag haben bereits Beschlüsse gefasst. Deutschland hat mit anderen Ländern – die wurden hier erwähnt – eine Subsidiaritätsrüge auf den Weg gebracht mit den Stimmen von CDU, SPD und den LINKEN, worüber wir uns auch wieder einig sind. Im Bundesrat sitzt ja die Landesregierung.
Nun stelle ich mir vor, wir hätten einen vergleichbaren Antrag gemacht. Da hätten Sie doch locker erklärt: „Meine Damen und Herren! Meine lieben Damen und Herren der Linksfraktion!“
Die Bundesregierung und der Bundesrat und damit auch die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern haben bereits gehandelt, sie haben sich verhalten, sie haben die Subsidiaritätsrüge auf den Weg gebracht. Deswegen bin ich der Überzeugung, dass Sie einfach zu spät sind.
Das ändert nichts an der Kritik an diesem Dienstleistungspaket. Aber ich bin der Überzeugung, wir brauchen diesen Antrag nicht. Und ob wir ihn, um das mal umgangssprachlich zu sagen, heute verabschieden oder Pfiffi macht ʼne Wurst, ist am Ende vollkommen egal.